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II. Die Entstehung einer weiblichen Leserschaft

5. Weibliche Lektüre

5.4. Weibliche periodische Veröffentlichungen

5.4.4. Literatur- und Modezeitschriften

5.4.4.3. Die Bildung

Ab 1845, parallel zur Entwicklung der bürgerlich liberalen Gesellschaft und des Schulsystems in Spanien513, treten in Zeitschriften und Zeitungen neue Themen wie die Bildung und Erziehung der Frau auf. Viele an sie gerichtete Publikationen übernehmen dieses Thema in einer Fülle von Artikeln; unter dem Vorwand der praktischen Ratschläge und in einer sentenziösen Sprache wird das Ideal der bürgerlich weiblichen Erziehung verbreitet, das sich von dem bis dahin angewendeten, eher aristokratischen Modell wenig unterscheidet. Als wichtigster Grund für die Notwendigkeit der Besserung der Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen für Mädchen wird ständig der Einfluss, der von den Frauen auf die Männer und dadurch auf die Gesellschaft ausgeübt wird, angegeben. Darüber hinaus soll die Frau auf die von der Gesellschaft für sie bestimmten Aufgaben besser vorbereitet sein. Sie lernt dabei, den moralischen Vorstellungen der Zeit gerecht zu werden, sexueller Verführung zu widerstehen und sich dem Mann gegenüber zu unterwerfen, nicht nur innerhalb der Familie als Tochter, Ehefrau oder Mutter, sondern auch in der Öffentlichkeit.

Die Vorstellung der Frau als nicht rationelles Wesen514 ändert sich allmählich und es wird in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts prinzipiell akzeptiert, dass die Frau nicht nur fühlen, sondern auch denken kann, denken darf und soll. Um diese Fähigkeit ausüben zu können, muss indes zuerst ihr Verstand gebildet werden:

«Die Kunst des Denkens, die erhabene Kunst den Verstand zur Untersuchung der Wahrheit zu lenken, soll nicht nur allen Jungen, die Bildung bekommen, beigebracht werden, sondern es wäre auch sehr vorteilhaft, wenn das schöne Geschlecht, das unsere Sitten so stark beeinflusst und auf diese Weise einen wichtigen Anteil an das Glück des Mannes hat, diese Kunst auch lernte. Weil

513 Siehe Kapitel zwei «Bildung und…» in dieser Arbeit.

514 Siehe z.B. das Kapitel El Talento (Das Talent) in CATALINA,SEVERO:La Mujer… ed.cit S. 168-178 oder das Kapitel El Estudio (Das Lernen) in: Ebenda. S. 190-196.

dieses entzückende Geschlecht diese Kunst nicht kennt, ist es selbst manchmal Opfer der Fehler und Irreführungen seines Verstandes; andere Male leiden wir [die Männer] unter den Folgen, die sich daraus ergeben, dass unsere liebsten Menschen die Regeln des Denkens nicht kennen. (…)

Die Zeit ist gekommen, ihr intellektuelles Niveau, das sehr niedrig ist, zu bessern, sie aus der übermäßigen Apathie und Interesselosigkeit ihrer Erziehung herauszunehmen, und damit den Klagen einiger, die den Frauen ihre Frivolität und die Leichtfertigkeit ihrer Urteile vorwerfen, die Grundlage zu entziehen515

Wenn die Frau von ihrem – dank der Bildung – entwickelten Verstand Gebrauch macht, wird vor allem der Mann den besten Nutzen daraus ziehen, deswegen soll er diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen:

«Entwickelt ihre Intelligenz, führt ihr Herz und die Belohnung für dieses Verhalten wird der Mann erhalten516. »

Die für die Mode- und literarischen Zeitschriften schreibenden Frauen vertreten die gleiche Botschaft und verbreiten sie in ähnlichen Tönen. Ihrerseits würden sie nie etwas anderes wagen, nie ein anderes Ziel für ihre Kampagne haben, als bessere Anleitungen zu verlangen, um perfektere Ehefrauen und Mütter zu werden. Die von diesen Veröffentlichungen verlangte weibliche Bildung sieht für die Autorinnen eine von der Natur bestimmte Geschlechtertrennung vor. Die Natur der Frau wird immer noch von der Natur des Mannes unterschieden517. Die ungleiche soziale Rolle der Geschlechter, die zum Teil auf diese naturbedingten Unterschiede fußt, wird auch im Bereich der Bildung berücksichtig. Die raison d’être der Frau ist die Familie, die sie selbst gebären wird. Der Mann ist Kopf und Arm dieser Familie, die Frau ist ihr Herz und ihr Schoß. Ihre unterschiedlichen Schicksale sind von der Natur bestimmt worden, von ihren natürlichen Qualitäten: «Der Mann denkt und agiert, die Frau liebt und lobt518

Ihm sind die Forschung, die Wissenschaft und die körperliche Arbeit vorbehalten. Sie ist für die Hausarbeit, für die moralische Erziehung der Kinder geboren. Die Natur und die weibliche Beschaffenheit verleiten dazu, dass das Mädchen ihre Kindheit und Jugend bis zur Heirat

515 Ideología (Ideologie). In: El Defensor del Bello Sexo. 1. 14-IX-1845. S. 1

516 PIRALA,ANTONIO: Enaltecimiento de la Mujer (Preis der Frau). In: El Correo de la Moda, 18. November 1856.

S. 1.

517 Der aufklärerische Diskurs der Weiblichkeit, vor allem aber ROUSSEAUS, prägt bis in das 20. Jh. hinein das Verständnis über das Dasein der Frauen und definiert die naturbedingten Geschlechtsunterschiede. Siehe das Kapitel eins «Die spanische Frau…» dieser Arbeit.

518 SMITD,S.M.:In: La Floresta. 10. Juli 1857. S. 2.

unter der Obhut der Mutter verbringt. Durch den engen Kontakt soll jede Generation die Werte der älteren übernehmen und bewahren. Den Mädchen werden die Werte der Religion und der herrschenden Moral, sowie gute Manieren beigebracht.

Salon- und Modezeitschriften spielen ihrerseits eine große Rolle im Bildungsprozess der Mädchen, sie werden von den Schulen und ähnlichen Institutionen abonniert519 und als Lehrmaterial benutzt. Aus diesen Publikationen entnehmen die lehrenden Kräfte die Muster für Näh- und andere Handarbeiten, die – wie schon bekannt – einen großen Teil der weiblichen Ausbildung ausmachen. Überdies ergänzten die Erläuterungen über Manieren, Mode und Schönheit, sowie die Artikel über Literatur, über allgemein „weibliches“ Wissen usw. die Mädchenerziehung. Das Abonnieren einer Zeitschrift war für die Schulen quasi eine Pflicht520; da das Bildungsministerium ab 1845 die Lehrpläne und Lehrmaterialien bestimmte, war offizielle Empfehlung ein großes Glück für eine Publikation und deren Herausgeber.

1864 erreichte zum Beispiel FAUSTINA SÁEZ DE MELGAR,die zusammen mit ihrem Ehemann gute Beziehungen mit der Entourage der königlichen Familie pflegte521, einen spektakulären Erfolg522, als die von ihr herausgegebene Zeitschrift La Violeta (1862-1866) zum offiziellen Lehrbuch erklärt wurde523 und für die Fachhochschulen für Lehrerinnen und für das Sekundarschulwesen der Mädchen empfohlen wurde524. Andere weibliche Publikationen wie La Educanda (1861- 1866) kritisierten – wenn auch leise – diese Bevorzugung525. Als nach

519 Die Kosten wurden als Lehrmaterial vom Ministerium erstattet.

520 So schreibt zum Beispiel die Zeitschrift La Guirnalda (1867-1883) in ihrem Werbeprospekt für das Jahr 1877 unter der Überschrift «Advertencia Importante» (Wichtiger Hinweis):

«(…) Ein großer Teil der Rathäuser betrachtet die Kosten für La Guirnalda als Teil der Materialausgeben in den Mädchenschulen und kein Gemeinderat wird die für den Kauf der Alben benötigte Summe ablehnen, wenn sie berücksichtigen, dass die Mappen mit Zeichnungen und die Alben aller Art, die die Zeitschrift herausgibt, im Bezug auf das Erlernen der Stickereien genauso wichtig sind wie die Bücher für das Lesen oder die Buchstabentafeln für das Schreiben. Aus diesem Grund geben wir den Lehrerinnen Quittungen, damit sie sie bei der Abrechnung als Nachweis vorlegen können.» Prospecto para 1877… ed.cit.

521 SIMÓN PALMER,M. DEL CARMEN:Revistas femeninas madrileñas…ed.cit. 1993. S.8.

522 Aber die Freude währte nicht lange, denn ein Monat, nach dem sie in Kraft getreten war, wurde die Bestimmung wieder außer Kraft gesetzt.

523 SÁNCHEZ LLAMA,ÍÑIGO:Galería de escritoras isabelinas… ed. cit. S. 193.

524 Real Orden autorizando a las Escuelas Normales de Maestras y Superiores de Niñas a suscribirse a la La Violeta.

(Königliche Bestimmung, die den Fachhochschulen für Lehrerinnen und den Sekundären Mädchenschulen die Erlaubnis erteilt, die Zeitschrift La Violeta zu abonnieren) In: La Violeta. 1. 4-XII-1864. S. 1f.

525 VERA,PEDRO DE:A las señoras suscriptoras. In: La Educanda. 35. 31-XII-1864. S. 377.

Ein harscherer Vorwurf wegen ihrer „politischen“ Aktivitäten und aufgrund dieser Angelegenheit wurde SÁEZ DE

MELGAR Jahre später – 1871 als sie Herausgeberin von La Mujer. Revista de Instrucción General para el Bello Sexo war – seitens der republikanischen Zeitung La Igualdad und der progressisten La Iberia gemacht. Sie verteidigte und beschwerte sich in einem Brief vom 28-VI-1871 bei beiden Zeitungen, der auch in La Mujer erschien. Darin erklärt SÁEZ DE MELGAR, dass sie dieses Privileg dank ihres Freundes und damaligen Direktors des Amtes für Öffentliche Erziehung bekommen hatte, aber da die Bestimmung nur einen Monat danach außer Kraft gesetzt wurde, bedeutete

der Wende zum 20. Jh. die Wesentlichkeit der Handarbeiten allmählich bei der Mädchenerziehung abnahm, verloren die Modezeitschriften diese wichtige Klientel.