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Die Bibliothek des Staatlichen Museums für Deutsche Volkskunde

2. Zwischen Universalität und Spartengliederung – zur Geschichte der

2.5. Die Bibliothek des Staatlichen Museums für Deutsche Volkskunde

Im Jahre 1889 wurde durch Initiative eines privaten Vereins das „Museum für Deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes“ gegründet und in den Räumen der früheren Gewerbeakademie aufgestellt. Im April 1904 wurde das Museum der General-verwaltung der Königlichen Museen unterstellt und der prähistorischen Abteilung des Königlichen Museums für Völkerkunde angegliedert. Es erhielt den Namen „Königliche Sammlung für Deutsche Volkskunde“ und wurde in beengten Räumlichkeiten im Palais Creutz in der Klosterstraße 36 untergebracht. Mit der Sammlung wurde auch eine Bibliothek begründet, die sich im Wesentlichen durch Spenden und geringe Ankaufsmittel aus dem Bibliotheksetat des Völkerkundemuseums finanzierte.338 1933 wurde das Museum verwaltungsmäßig vom Museum für Völkerkunde gelöst. Unter dem Namen „Museum für deutsche Volkskunde“ bildete es eine selbständige Abteilung der Staatlichen Museen mit eigenen Haushaltsmitteln. Nach dem Umzug ins Schloss Bellevue (1935) erhielt die Bibliothek im Verwaltungsgebäude zwei Räume, von denen der eine als Lese- und Studienzimmer eingerichtet wurde. 1939 wurden die Verwaltung und die Bibliothek von der Sammlung getrennt im Prinzessinnenpalais Unter den Linden untergebracht. Hier wirkten der 1944 hingerichtete Pädagoge Adolf Reichwein als Leiter der Abteilung

336 Rave 1968, S. 124.

337 Die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel, die Neue Nationalgalerie am Kulturforum und der Hamburger Bahnhof verfügen über jeweils eigene Handbibliotheken.

338 “Es spricht für das lebhafte Interesse, mit dem die Gründung begrüßt wurde, wenn bereits im ersten Jahr ihres Bestehens die Bibliothek eine Anzahl von 120 geschenkten Bänden verzeichnen konnte. Ab 1904 erhielt sie jährlich den bescheidenen Betrag von 200—250 RM., der von dem Bibliotheksfonds des Museums für Völkerkunde abgezweigt wurde. In der folgenden Zeit erweiterten sich die Bestände nur langsam durch Schriftenaustausch (von 1887—1903 erschienen die „Mitteilungen aus dem Museum für deutsche Volkatrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes zu Berlin“, von 1904—1922 unter dem Titel „Mit-teilungen aus dem Verein der [Königlichen] Sammlung für deutsche Volkskunde“), weitere Geschenke, den Ankauf einiger weniger Zeitschriften und seit 1928 durch kleine Zuwendungen aus den Mitteln der Deutschen Volkskunstkommission.” Grewingk 1941, S. 316.

“Schule und Museum” und Konrad Hahm, der neben dem Museum auch das “Institut für Volkskunstforschung” an der Berliner Universität leitete. Diese pädagogischen und wissenschaftlichen Tätigkeiten kamen auch der Fachbibliothek zugute, sorgten sie doch für eine stetige Benutzung durch interessierte Schüler und Studenten. Die öffentlich zugäng-liche Präsenzbibliothek umfasste 1941 ca. 4.500 Bände und 1.500 Broschüren. Sie bezog 65 laufende Zeitschriften und verzeichnete die Bestände inklusive der Zeitschriftenaufsätze in einem alphabetischen und einem Sachkatalog.339 Das weitgespannte Erwerbungsprofil340 verdeutlicht den Stellenwert, der der Volkskunde im Nationalsozialismus zugemessen wurde und es weist auch in Teilen beträchtliche Übereinstimmung mit dem Sammlungs-profil der Kunstbibliothek auf, so in den Bereichen Volkskunst, Trachten- und Kostüm-kunde, sowie Musterbücher für alle Arten von Handarbeiten. Auch das umfangreiche Bildarchiv hat in der Anlage und pädagogischen Ausrichtung deutliche Parallellen zu dem der Kunstbibliothek. Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Museum durch Bombentreffer und Brände schwere Verluste. Die nach Pommern ausgelagerte Museumsbibliothek konnte fast vollständig nach Berlin zurückgeholt werden.341 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges barg man die noch erhaltenen Sammlungsgegenstände aus den Trümmern und richtete sich provisorisch im ehemaligen Magazingebäude ein. Die Teilung Berlins veranlasste den letzten noch im Amt befindlichen Wissenschaftler Werner Stief und die Bibliothekarin Maragarete von Grewingk Ende 1948 zur Übersiedlung nach Dahlem an die Ehemals Staatlichen Museen, wo das Museum für Deutsche Volkskunde provisorisch der Europa-Abteilung des Museums für Völkerkunde angegliedert wurde. Die aus den

339 Grewingk 1941, S. 317.

340 “Die erste Abteilung „Allgemeines Schrifttum über deutsch-nordischeVolkskunst und Volkskunde“ erteilt Aufschluß über die Grundlagen und die verschiedenen Gebiete der Volkskunst und Volkskunde. Ihr schließt sich eine Zusammenfassung des Schrifttums, das den einzelnen Landschaften des deutschen Siedlungsraumes gewidmet ist, an. Das heute besonders rege Interesse für das Deutschtum im Ausland führte zu einer gesonderten Gruppierung aller die Grenzgebiete betreffenden Veröffentlichungen, dem sich die nicht so umfangreiche, das europäische Ausland betreffende Literatur anreiht. Die volkstümliche Sachkultur, ihre Gebiete und Werkstoffe sind in den Abteilungen: Hausbau und Siedlung, Holz, Erden, Keramik, Metall und Gewebe vertreten. Die reiche Trachtenliteratur, die schönen Musterbücher der Stickerinnen und die aufschlußreichen Einzeluntersuchungen über das Weben oder Färben, den Blaudruck oder die Teppich-knüpferei u. a. m., üben ständig eine große Anziehungskraft, besonders auf das weibliche Publikum, aus.

Eine weitere Abteilung behandelt Handwerk, Beruf und Gerät sowie das Zunft-und Ständewesen. Ein besonders starker Ausbau des Schrifttums, das der Erkenntnis des arteigenen, altüberhieferten Brauchturns im Jahreslauf und Lebenskreis gewidmet ist, wurde vorgenommen, desgleichen der Veröffentlichungen über Fragen der Sinnbild- und Runenforschung. Es folgen die Abteilungen Mundart, Volksdichtung, Mythologie, Volksglaube, Volkstanz, Volksmedizin. Ferner das allgemeine Schrifttum über die germanischen Volks-kulturen: Vor- und Frühgeschichte, vergleichende Volkskunde, Gesellschaftskunde, Erdkunde, Heimatkunde, Rassenkunde, Recht, Erziehung, Kunstgeschichte, Kulturgeschichte, Germanistik und schließlich Lexica, Bibliographien, Museumskataloge, Atlanten und Zeitschriften.” Grewingk 1941, S. 317f..

341 Berliner Museen 1953, S. 145.

sammellagern der Aliierten “nach Westberlin gelangten Bibliotheksbestände umfassten nur noch 572, jedoch wichtige Handbücher, während der Rest im Osten der Stadt verblieb.”342 Die Ostberliner Bestände wurden vom Museum für Volkskunde der Staatlichen Museen zu Berlin betreut und erweitert. In Westberlin begann man Ende der Fünfziger Jahre mit dem Neuaufbau der Bibliothek.343 1963 erhielt das Museum für Volkskunde seine Selbständig-keit zurück. 1974 erhielt die Bibliothek eigene RäumlichSelbständig-keiten, in denen sie bis heute untergebracht ist. Die Verwaltung der Bibliothek erfolgte wie in der Vorkriegszeit durch eine eigene Bibliothekarin. 1981 umfasste der Buchbestand 14.500 Bände, 1.313 Bände der musealen Sammlung und 70 laufende Zeitschriften.344 Von 785 Bänden Zugang im Jahr 1981 wurden 342 Bände durch Kauf, 251 Bände im Schriftentausch und 192 Bände als Geschenk erworben. Der Kaufzugang wurde zu etwa 50 % über eine einzige Buch-handlung abgewickelt.345 1991 wurden die beiden Volkskundemuseen aus Ost- und West-berlin wiedervereinigt. Der gemeinsame Bestand umfaßte 1994 etwa 20.000 Bände und 92 laufend gehaltene Zeitschriften.346 1999 wurden das Museum für Volkskunde und die euro-päische Sammlung des Museums für Völkerkunde zum neuen “Museum Euroeuro-päischer Kulturen” vereinigt.

342 Pretzell 1962, S. 253.

343 “Zusammen mit dem Altbestand ergeben sich also Ende 1962 bei den Sammlungen 5.560 Katalognummern, bei der Bibliothek 1.527 Inventarnummern.” Pretzell 1962, S. 254.

344 Neuendorf 1982, S. 38.

345 Neuendorf 1982, S. 39. Es handelt sich um die Buchhandlung Wasmuth in Berlin, die zu jener Zeit auch einen erheblichen Anteil der Erwerbungen der Kunstbibliothek lieferte.

346 Kohlmann 1995, S. 131.