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Wie bereits zuvor erläutert, stehen heute diverse Methoden für die Diagnose und Verlaufs-kontrolle des Lymphödems zur Verfügung. Etablierte Verfahren sind insbesondere Um-fangs- und Volumenmessungen, die Lymphszintigraphie, die indirekte Lymphographie und die Kernspinlymphangiographie. Mit Ausnahme der Umfangs- und Volumenmessungen erfordern die anderen genannten Verfahren für die Darstellung der Lymphgefäße stets eine Kontrastmittel- oder Tracer-Injektion.

Die Intention dieser Studie war es, nicht-invasive, im klinischen Alltag einfach durchzufüh-rende und reproduzierbare Messverfahren zu nutzen. Auf diesen Kriterien beruhend, ka-men vier diagnostische Methoden zur Anwendung. Neben der obligatorischen Anamnese und klinischen Untersuchung wurde eine Umfangsmessung mit Hilfe eines Maßbandes als etabliertes Standardverfahren durchgeführt. Neuere Verfahren, die sich in der Lymph-ödemdiagnostik noch nicht fest etablieren konnten, sind die Bioimpedanzmessung und die Messung des prozentualen Wassergehaltes (PWG) der Haut. Ergänzend wurde den Patien-ten ein Fragebogen ausgehändigt. Dieser sollte helfen, die subjektiven Wahrnehmungen der Patienten bezüglich ihrer Lebensqualität zu berücksichtigen und eine Einschätzung über die psychische Belastung der Patienten zu geben.

Alle diagnostischen Maßnahmen wurden jeweils einmalig vor jedem operativen Eingriff sowie im postoperativen Verlauf, nach drei, sechs und zwölf Monaten durchgeführt. Dazu kamen die Patienten in die Sprechstunde der Plastischen Chirurgie der Universitätsmedizin Göttingen und bekamen dort in ausführlichen Gesprächen die Gelegenheit, über die post-operativen Entwicklungen zu berichten.

2.2.1 Umfangsmessung

Zur Erfassung der Volumenzu- oder -abnahme der betroffenen Extremität wurde eine Umfangsmessung per Maßband durchgeführt. Diese Messmethode stellt ein Standardver-fahren in der Lymphologie dar. Um Ungenauigkeiten während der Messung zu vermeiden, wurden die neun Messpunkte mittels wasserfesten Stiftes auf der Haut markiert. Gemessen wurde am Mittelfuß, um den Knöchel, um Unterschenkel, Knie und Oberschenkel. An Unter- und Oberschenkel wurden jeweils drei Messungen, in der Mitte sowie im proxima-len und distaproxima-len Drittel, durchgeführt (Abbildung 5).

Abbildung 5: Hautmarkierungen für Umfangs- und PWG-Messungen. Die Abbil-dung zeigt eine Patientin am Tag vor einer autologen Lymphknotentransplantation. Pfeile:

wasserfeste Markierungen für die Umfangsmessung, nicht eingezeichnet sind die Messpunkte im Bereich des Mittelfußes sowie des Knöchels. Sterne: beispielhaft ausgewählte Kennzeichnung der kreisrunden Messpunkte für die Messung des PWG.

2.2.2 Bioimpedanzmessung

Vor jeder Bioimpedanzmessung sollte der Patient eine entspannte liegende Position ein-nehmen, um etwas zur Ruhe zu kommen. Die Arme lagen seitlich, mit etwas Abstand, ne-ben dem Körper. Die Hautbereiche, auf die die Elektroden geklebt werden sollten, wurden mit einem alkoholhaltigen Desinfektionsmittel gereinigt. Anschließend wurden die Doppel-elektroden beidseits auf Höhe der Sprunggelenke sowie einseitig am rechten Handgelenk aufgeklebt. Die Messkabel wurden an das Gerät L-Dex® U400 (ImpediMed, Australia) an-geschlossen und dieses eingeschaltet. Bei erstmaligem Patientenkontakt waren die Patien-tendaten einzugeben (Name, Geburtsdatum, betroffene Extremität, betroffene Seite, do-minante Seite), bei wiederholtem Patientenkontakt konnten die gespeicherten Daten aufge-rufen werden. Für den eigentlichen Messvorgang verband der Untersucher die verschieden-farbigen Messkabel mit den Elektroden und folgte den weiteren Anweisungen auf dem Display des Gerätes. Jede Messung dauerte etwa drei Minuten.

Wenn möglich, wurden bei jedem Patienten mehrfache Messungen durchgeführt, um im Rahmen der Datenauswertung das arithmetische Mittel zu bestimmen.

2.2.3 Messung des prozentualen Wassergehaltes

Die Messung des PWG wurde an definierten Messpunkten durchgeführt. Diese wurden bei der präoperativen Aufnahmeuntersuchung mit einem wasserfesten Stift auf der Haut des Patienten markiert (Abbildung 5). Insgesamt ergaben sich so 22 Messpunkte: auf dem Fuß-rücken; am Melleolus medialis und lateralis sowie ventral des Sprunggelenkes (Abbildung 6);

lateral, medial und ventral des Unterschenkels sowie lateral, medial und ventral des Ober-schenkels.

Die Messung des PWG wurde in der Regel direkt im Anschluss an die Bioimpedanzmes-sung durchgeführt. Der Patient sollte entspannt auf einer Untersuchungsliege liegen und nicht schwitzen, da dadurch die Messergebnisse verfälscht werden konnten. Nach dem Einschalten des Gerätes MoistureMeterD Compact® (Delfin Technologies Ltd, Finland) war dieses unmittelbar einsatzbereit. Bei jeder Messung wurde das Gerät durch den Unter-sucher mit sanftem Druck auf die Haut aufgesetzt (Abbildung 6). Nach wenigen Sekunden wurde das Messergebnis auf dem Display angezeigt.

Wenn möglich, wurden bei jedem Patienten pro Messpunkt mehrfache Messungen durch-geführt, aus denen im Rahmen der Datenauswertung das arithmetische Mittel bestimmt wurde.

Abbildung 6: Messung des PWG. Die Abbildung zeigt das mit sanftem Druck auf die Haut aufgesetzte MoistureMeterD Compact® zur Messung des PWG.

2.2.4 Fragebogen

Im Rahmen der Therapie von Patienten mit chronischen Erkrankungen ist es wichtig zu beachten, dass die Patienten sehr oft neben ihrer körperlichen Beeinträchtigung auch psy-chisch stark leiden. Lymphödempatienten sind in ihrer Lebensqualität oft eingeschränkt (Rowlands et al. 2014; Ridner 2005; Zvonik et al. 2011). Sie ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück, treffen weniger Freunde, treiben weniger Sport und haben Schwierigkeiten den Haushalt zu bewältigen. Sie empfinden ihren Alltag als anstrengend, sind schnell er-müdet und schlafen dennoch schlecht (Dunberger et al. 2013). Die Aufgaben, die sie in der Phase II der KPE zu bewältigen haben, wie manuelle Lymphdrainage, penible Körperpfle-ge und Bewegung, werden als zeitraubend und schwer in den Alltag integrierbar wahrKörperpfle-ge- wahrge-nommen. Weiterhin ist das Selbstbewusstsein von Lymphödempatienten oft stark einge-schränkt. Sie haben Schwierigkeiten passende Kleidung zu finden und fühlen sich weniger attraktiv, sodass meist auch das Sexualleben in Mitleidenschaft gezogen wird (Ridner 2009;

Ridner 2005).

Aus diesen Gründen war die Intention dieser Arbeit, neben den erhobenen Messdaten auch das subjektiv wahrgenommene Bild der Patienten, mit Hilfe eines Fragebogens einzu-beziehen.

Dieser Fragebogen wurde individuell für Patienten mit Beinlymphödem konzipiert.

Er beinhaltet Teile des AOFAS Scores (American Orthopaedic Foot and Ankle Society Score) (Kitaoka et al. 1994; https://www.krankenhaus-rummelsberg.de/fileadmin/bilderpool/rummelsberg/merkblaetter_richter/aofas_deutsch.

pdf 2017) (maximal 19 Punkte), den CES-D Scale (Center for Epidemiologic Studies De-pression Scale) (Radloff 1977; http://www.drktg.de/mz/pdf/downloads/CES-D.pdf) (maximal 60 Punkte) sowie acht selbst ausgearbeiteten Fragen (maximal 32 Punkte) (siehe Anhang). Je höher die Punktzahl, desto stärker waren die wahrgenommenen Einschrän-kungen der Patienten.

Der AOFAS Score besteht ursprünglich aus vier separaten Teilen, die sich auf verschiedene anatomische Bereiche des Fußes und des Sprunggelenkes beziehen: Knöchel- und Rück-fußbereich, MittelRück-fußbereich, Großzehen-, Metatarsophalangeal- und Interphalangealbe-reich sowie Metatarsophalangeal- und InterphalangealbeInterphalangealbe-reich der zweiten bis fünften Ze-hen. Er wurde von der AOFAS entwickelt, um ein standardisiertes Verfahren zur Evaluie-rung der Funktion, des Schmerzes und von anatomischen Besonderheiten bei Patienten in orthopädischer Behandlung zur Verfügung zu stellen (Kitaoka et al. 1994). Patienten, die an einem Beinlymphödem leiden, haben insbesondere bei ausgeprägteren Ödemen oft

Schmerzen und Probleme, längere Strecken zu gehen. Außerdem kann es zu Funktionsein-schränkungen im Bereich des Sprunggelenkes aufgrund der Vermehrung von Weichteil-masse kommen. Daher wurden Teile des AOFAS Scores in den Fragebogen integriert (Fragen 1-8), um die Aspekte des Schmerzes und der Funktionseinschränkung zu berück-sichtigen.

Der CES-D Scale ist ein Selbsteinschätzungsfragebogen, der entworfen wurde, um psychi-sche Symptome in der allgemeinen Bevölkerung aufzudecken. Er wurde folglich nicht für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe konzipiert. Er hat eine hohe Test-Retest-Reliabilität (Radloff 1977) und thematisiert alltägliche Dinge wie Appetit, Schlaf, Angst, Hoffnung, Antrieb, Glück und Zuversicht. Da Patienten, die unter einem chronischen, oft langjährig bestehenden Lymphödem leiden, in vielen Fällen auch psychisch belastet sind, wurde der CES-D Scale ebenfalls in den Fragebogen integriert (Fragen 17-36).

Einige Aspekte, die wir als wichtig erachtet haben, wurden durch die Fragen des AOFAS Scores sowie des CES-D Scale nicht abgedeckt, sodass ergänzende Fragen ausgearbeitet und in den Fragebogen integriert wurden. Diese Fragen thematisieren insbesondere All-tagssituationen, die für gesunde Menschen ganz selbstverständlich, jedoch für Lymph-ödempatienten oft schwierig sind. Dazu gehören Einschränkungen beim Sport, im Sexual-leben oder die Schwierigkeit passende Kleidung zu finden. Aber auch Schamgefühl und die Angst vor einer Zunahme des Ödems werden thematisiert (Fragen 9-16).

Der Fragebogen wurde einmalig vor der Operation sowie drei, sechs und zwölf Monate postoperativ ausgehändigt.