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Diagnostik von Stenosen der extracraniellen Arteria carotis interna

4. Diskussion

4.4. Diagnostik von Stenosen der extracraniellen Arteria carotis interna

Auf der Grundlage der Leitlinien der American Heart Association ist die exakte Quantifizierung von Karotisstenosen zur Therapieplanung von entscheidender Bedeutung. Als bildgebende Verfahren zur Karotisdiagnostik stehen heute die MR- Angiographie (MRA) und CT-Angiographie (CTA), die Digitale-Subtraktions-Angiographie (DAS) sowie die farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) zur Verfügung. Probleme bei der Quantifizierung von Karotisstenosen ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Techniken zur Stenosedarstellung und der unterschiedlichen Messmethoden der einzelnen Techniken.

Die Magnetresonanztomographie hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen bildgebenden Verfahren in der Karotisdiagnostik entwickelt. Dabei hat sich zuletzt auch die Kontrastmittel gestützte Untersuchung mit Gadolinium durchgesetzt. Das Verfahren ist, wie jüngste Untersuchungen zeigten, nicht risikolos, relativ teuer und darf bei Schrittmacherträgern nicht eingesetzt werden.

Als Nachteile der Methode sind ferner die Artefaktanfälligkeit sowie die mäßige Auflösung anzusehen. Bei Vergleichsstudien zwischen MR-Angiographie und konventioneller Angiographie erreichte die MRA Sensitivitäten zwischen 72 und 100% sowie Spezifitäten zwischen 70 und 98%.

Trotz des Einsatzes von Gadolinium ist das Überschätzen des Stenosegrades im klinischen Alltag weiterhin ein Problem, so dass dieses Verfahren als alleiniges bildgebendes Verfahren zur Therapieplanung von Karotisstenosen nicht zu akzeptieren ist.

Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie stellt die digitale Subtraktionsangiographie den „Goldstandard“ in der Diagnostik von Karotisstenosen dar.

Erhebliche Probleme im klinischen Alltag ergeben sich bei der Angabe des Stenosegrades aufgrund der bei diesem Verfahren unterschiedlichen

Messmethoden. Bei der ECST-Methode wird der lokale Stenosegrad bestimmt.

Dabei wird der minimale Restdurchmesser in Bezug zur ursprünglichen Weite des Gefäßes gesetzt. Eine Variante der ECST - Methode ist die von Rothwell 1994 vorgeschlagene "Common Carotid" (CC) - Methode, bei der das Restlumen mit dem Lumen der distalen Arteria carotis communis verglichen wird

[59].

49 Bei der Methode nach NASCET wird dagegen der distale Stenosegrad

berechnet. Im Gegensatz zur ECST-Methode wird dabei nicht der lokale

originäre Gefäßdurchmesser, sondern der distale unstenosierte Durchmesser der Arteria carotis interna als Bezugsgröße genommen. Die Umrechnung des

Stenosegrades von NASCET nach ECST anhand von Berechnungsformeln ist problematisch, da die individuelle Weite des A. carotis interna Abgangs sowie die Lage der Stenose dabei unberücksichtigt bleiben. So ist die Differenz beider Methoden umso größer, je distaler die Stenose gelegen ist.

Ein weiteres Problem ergibt sich bei der Angiographie dadurch, dass ein

dreidimensionales Geschehen mit einer zweidimensionalen Bildgebung beurteilt wird, ein Nachteil, der auch durch Angiographieaufnahmen in verschiedenen Ebenen nicht völlig aufgehoben werden kann. Die Angabe eines linearen Stenosegrades kann nur ungefähre Informationen über die tatsächliche

Flächenreduktion geben. Zudem wird die individuelle Stenosekonfiguration häufig nicht ausreichend berücksichtigt [60]. So haben vergleichende Untersuchungen von angiographischen Befunden mit Operationspräparaten gezeigt, dass die tatsächliche Querschnittsreduktion angiographisch um bis zu 20% unterschätzt wird [61].

Um dem dreidimensionalen Geschehen gerecht zu werden, empfahl Alexandrov die Berechnung des Stenosegrades nach der sogenannten „Area“ oder

„Squared“ Methode, wobei die Berechnung der Stenosefläche unter Anwendung der Kreisformel erfolgt [62]. Ein weiterer Ansatz zur Bestimmung der

Querschnittsreduktion ist die biplane Berechnung des Stenosegrades nach Bartylla [17]. Dabei wird der lokale Stenosegrad angiographisch in mehreren Ebenen nach der ECST Methode bestimmt. Die Berechnung der Stenosefläche erfolgt dann nach folgender Formel: (StenoseEbene 1 + StenoseEbene 2) - (StenoseEbene 1 x StenoseEbene 2)

Die digitale Subtraktionsangiographie weist als invasives Verfahren eine Reihe von Risiken auf, die sich in Kontrastmittel-, Punktions- und Katheterassoziierte Komplikationen einteilen. Milde Kontrastmittelunverträglichkeitsreaktionen treten mit einer Häufigkeit von 2-4 % auf, schwere Komplikationen in 1:1000 Fällen, die Letalität liegt bei nichtionischen Kontrastmitteln zwischen 1:80.000 und

1:200.000. Die Punktions- und Katheterassoziierten Komplikationen treten beim transfemoralen Zugang zu etwa 1,7% auf, bei transbrachialem Vorgehen mit bis

zu 4,5% [3,63]. Persistierende neurologische Komplikationen traten bei asymptomatischen Patienten mit einer Häufigkeit von 0,5 bis 1,2% auf, bei symptomatischen Patienten sogar mit einer Häufigkeit von 1,6-2,5% [64,65,66].

Diese Nachteile der Angiographie und die Weiterentwicklung der

Ultraschalltechnologie haben zu einem vermehrten klinischen Einsatz der nicht invasiven Verfahren geführt [7].

Mit der Einführung der hochauflösenden Real Time Sonographie gelang es, Schnittbilder zur Beurteilung der Querschnittsreduktion von Gefäßen

anzufertigen [67] und durch die farbcodierte Duplexsonographie, einer

Kombination von Doppler- und B-Bild Technik, wurde es möglich, in beliebigen Gefäßabschnitten gezielte, winkelkorrigierte Strömungsmessungen

durchzuführen [68] [69] [70]. Insofern gelten Ultraschallverfahren heute als Methode der Wahl und zuverlässigste Technik zur Abklärung des Lokalbefundes an der Karotisbifurkation.

Physikalische Grundlage der duplexsonographischen Stenosegradbestimmung ist das Kontinuitätsgesetz. Dieses besagt, dass das Stromzeitvolumen in jedem beliebigen Gefäßabschnitt prinzipiell konstant bleibt. Das Stromzeitvolumen stellt das Produkt aus mittlerer, integraler Flussgeschwindigkeit und

Gefäßquerschnittsfläche dar.

Es gilt: q = A x V = π r²/4 x V

mit q = Stromzeitvolumen

π r²/4 = Gefäßquerschnittsfläche (A) V = Integrale Flussgeschwindigkeit

Bei Änderung der Gefäßquerschnittsfläche wird der Volumenfluss durch Änderung der Flussgeschwindigkeit konstant gehalten. Da die

Strömungsgeschwindigkeit proportional zur Reduktion der Querschnittsfläche zunimmt, kann aus der Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit auf das Ausmaß der Flächenreduktion geschlossen und der Stenosegrad berechnet werden.

In vitro Untersuchungen haben gezeigt, dass eine 50%ige Flächenreduktion eine ca. 1,8fache Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit bewirkt. Eine

Flächenreduktion von 75% ergibt eine ca. 3,6fache Zunahme der

Flussgeschwindigkeit und eine Flächenreduktion von 85 % eine 6,3fache

51 Zunahme der Strömungsgeschwindkeit (Tabelle 23). Bei einer

Querschnittsreduktion von mehr als 95% nimmt die Geschwindigkeit um mehr als das 15fache der prästenotischen Flussgeschwindigkeit zu [71].

Tabelle 23: Flussveränderungen in Stenosen Stenosegrad

Flächenreduktion Durchmesserreduktion Theorie In vitro

50 % ca. 30 % > 2 > 1,8

75 % ca. 50 % > 4 > 3,6

85 % ca. 60 % > 6,6 > 6,3

95 % ca. 80 % > 20 > 15