Die S3-Leitlinien zur „Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs“ von 2012 und die S3-Leitlinie zur „Diagnostik und Therapie der Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus“ von 2015 stellen den Leitfaden zur Diagnostik und Therapie des Ösophaguskarzinoms dar.
Das Standardverfahren zur Diagnosestellung ist die videogestützte Ösophagogastroskopie mit der Entnahme von Probebiopsien des auffälligen Bereichs (Moehler et al., 2011). Es kann so gleichzeitig die Tumorausbreitung wie auch die Lumenverlegung beurteilt werden (Siewert J. R., 2012). Bei Hochrisikopatienten kann eine Chromoendoskopie des Ösophagus mit Lugol‘scher Lösung zur frühzeitigen Detektion von Plattenepithelneoplasien sinnvoll sein. (S3-Leitlinienprogramm, 2015). Die Diagnosesicherung erfolgt durch die histopathologische Aufbereitung des entnommenen Materials (Moehler et al., 2011). Makroskopisch verdächtige Läsionen sollten dabei ausgiebig an mehreren Stellen biopsiert werden um die Diagnose so gut wie möglich zu sichern (S3-Leitlinienprogramm 2012, 2015, Yalamarthi et al., 2004).
Ist der Nachweis eines Ösophaguskarzinoms gelungen folgen nun einige „Staging-Untersuchungen“ zur Klassifizierung der Tumorausbreitung und zur weiteren Planung der Therapie (Moehler et al., 2011, S3-Leitlinienprogramm 2012, 2015, UICC, 2009).
Es sollte eine Computertomographie (CT) des Thorax und des Abdomens mit intravenös-appliziertem Kontrastmittel und einer Distension des Magens mit oralem Kontrastmittel durchgeführt werden. Es kann so die Tumorausbreitung, eine potentielle lymphogene oder hämatogene Metastasierung, sowie Tumorkomplikationen wie eine tracheoösophageale Fistelung beurteilt werden (S3-Leitlinienprogramm, 2015). Als weitere ergänzende Untersuchung sollte bei einem kurativem Therapieansatz eine Endosonographie erfolgen (Moehler et al., 2011), welche die Eindringtiefe des Karzinoms (Sensitivität ca. 88,1%, Spezifität ca. 100%) und den regionären Lymphknotenbefall (Sensitivität ca. 61% Spezifität ca. 90%) zusätzlich beurteilen kann (Puli et al., 2008, S3-Leitlinienprogramm 2012, 2015).
Auf der Suche nach weiteren Lymphknotenmetastasen eignet sich neben einer klinischen Untersuchung eine sonographische Untersuchung der Hals-Axilla-Region, sowie weiterführend eine computertomographische Untersuchung des Kopf-/Hals- bzw. Thorax-/Abdomenbereiches (S3-Leitlinienprogramm, 2015). Eine Lymphknotenbeteiligung kann jedoch nicht immer zuverlässig vorhergesagt werden (Kwee and Kwee, 2007). Die ultraschallgestützte Feinnadelaspirationsbiopsie ist geeignet, einen metastatischen Lymphknotenbefall morphologisch zu sichern (van Vliet et al., 2007) .
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15 Um Fernmetastasen zu sichern oder auszuschließen eignet sich ebenfalls die Computertomographie (Khanna and Gress, 2015, van Vliet et al., 2007), oder die B-Bild-Sonographie des Abdomens, welche insbesondere Lebermetastasen zuverlässig auffinden kann (Oldenburg and Albrecht, 2008). Zur besseren Detektion von Fernmetastasen kann über eine Positronenemissionstomographie zusammen mit einer Computertomographie (PET-CT) nachgedacht werden. Bei fortgeschrittenen Tumorstadien (T3 bzw. T4 nach der UICC) ist über eine explorative Laparoskopie zur Verbesserung der Staging-Genauigkeit und zum Ausschluss einer peritonealen oder hepatischen Metastasierung nachzudenken (Power et al., 2009, Richardson and Khan, 2012). Auch gibt es Hinweise darauf, dass schon Patienten mit einem T2-Karzinom nach der UICC von einer diagnostischen Laparoskopie profitieren können (Findlay et al., 2015, S3-Leitlinienprogramm 2012, 2015).
Bis heute gibt es keine Evidenz für einen Nutzen der Bestimmung von Tumormarkern zur Primärdiagnostik (Moehler et al., 2011), obwohl viele bekannte (z.B. Pepsinogen im Serum) (Miki et al., 2009, Yanaoka et al., 2008) oder neue Tumormarker (MAP3K7, miR-21/93/143, RASSF2) Gegenstand der aktuellen Forschung sind (Ansari et al., 2015, Guo et al., 2015, S3-Leitlprogramm, 2012, 2015, Shi et al., 2015, Winther et al., 2015).
Sind alle Staging-Untersuchungen erfolgt, kann das Ösophaguskarzinom klassifiziert werden. Nach der 2009 erschienenen siebten Auflage der „Union internationale contre le cancer“ (UICC, Genf, Schweiz) lässt sich das Ösophaguskarzinom prä- sowie postoperativ in der TNM-Klassifikation darstellen (Moehler et al., 2011, S3-Leitlinienprogramm 2012, 2015).
Tabelle 1-3: Endosonographische TNM-Klassifizierung des Ösophaguskarzinoms nach der UICC (UICC, 2009) T - Primärtumor
Tis Carcinoma in situ
T1 Invasion der Lamina propria/submucosa
T2 Invasion der muscularis propria
T3 Invasion der Adventitia
T4 Invasion angrenzender Strukturen
N – Lymphknotenstatus
NX Keine Aussage möglich
N0 Keine Lymphknoteninvasion
N1 Regionale Lymphknotenmetastasen
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Tabelle 1-4: Pathologische TNM-Klassifizierung des Ösophaguskarzinoms nach der UICC (UICC, 2009) T - Primärtumor
T0 Keine Anzeichen eines Primärtumors*
T1 Invasion. der Mukosa oder Submukosa
T1m beschränkt auf die Mukosa
T1sm infiltriert die Submukosa
T1sm1 - im oberflächlichen Drittel der Submukosa T1sm2 - im mittleren Teil der Submukosa
T1sm3 - im tiefen Teil der Submukosa
T2 Invasion der Muscularis propria
T3 Invasion der Adventitia
T4 Invasion von Nachbarstrukturen
T4a Invasion von Pleura, Perikard oder Zwerchfell (resektabel) T4b Invasion Aorta, Vertebrae, Trachea etc. (nicht resektabel) N - Lymphknotenstatus
N0 Keine Lymphknoten befallen
N1 Befall von 1–2 regionären** Lymphknoten
N2 Befall von 3–6 regionären Lymphknoten
N3 Befall von ≥ 7 Lymphknoten
M – Fernmetastasen
M0 Keine Fernmetastasen vorhanden
M1 Fernmetastasen vorhanden
G – Grading
G0 Keine Krebszellen nachweisbar
G1 Gut differenziert
G2 Mäßig differenziert
G3 Schlecht differenziert
G4 Undifferenziert
R – Resektionsstatus
R0 Kein Residualtumor
R1 Mikroskopischer Residualtumor
R2 Makroskopischer Residualtumor
R2a Makroskopischer Residualtumor, mikroskopisch nicht bestätigt R2b Makroskopischer Residualtumor, mikroskopisch bestätigt
* auch nach neoadjuvanter Therapie ** zöliakale und paraösophagealen, ohne supraklavikuläre Lymphknoten
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17 Präoperativ werden endosonographisch gewonnene Informationen durch ein vorangestelltes u gekennzeichnet. Nach der Resektion des Tumors wird das Operationspräparat von einem Facharzt für Pathologie erneut klassifiziert. Alle hieraus resultierenden Tumorstadien werden mit einem vorangestellten p gekennzeichnet. Erfolgte vor der Operation eine neoadjuvante Therapie, so wurde dies zusätzlich mit einem y gekennzeichnet. Konnte eine Kategorie nicht beurteilt werden wurde anstatt des Stadiums ein X verwendet (UICC, 2009).
Ausgehend von der Einteilung des Karzinoms in die TNM-Klassifikation lässt sich das Ösophaguskarzinom ebenfalls in Stadien nach der UICC darstellen (UICC, 2009).
Tabelle 1-5: Stadieneinteilung des Ösophaguskarzinoms nach der UICC (UICC, 2009)
Der Regressionsgrad eines Tumors wird nach Becker eingeteilt. Hierbei wird das Ausmaß des Ansprechens des Tumors auf die neoadjuvante Therapie nach der Resttumormasse bewertet (Becker K., 2003). Zur Beurteilung des Regressionsgrades nach Becker werden nach der Beendigung der neoadjuvanten Therapie sog „Re-Staging-Untersuchungen“
durchgeführt, welche dann mit den Untersuchungen vor der neoadjuvanten Therapie verglichen werden (S3-Leitlinienprogramm 2012, 2015).
Stadium T N M G Tumorlokalisation
0 T(is) 0 0 1, X jede
IA 1 0 0 1, X jede
IB
1 0 0 2, 3 jede
2, 3 0 0 1, X unteres Drittel, X
IIA
2, 3 0 0 1, X oberes/mittleres Drittel
2, 3 0 0 2, 3 unteres Drittel, X
IIB
2, 3 0 0 2, 3 oberes/mittleres Drittel
1, 2 1 0 jedes jede
IIIA
1, 2 2 0 jedes jede
3 1 0 jedes jede
4a 0 0 jedes jede
IIIB 3 2 0 jedes jede
IIIC
4a 1, 2 0 jedes jede
4b jedes 0 jedes jede
jedes 3 0 jedes jede
IV jedes jedes 1 jedes jede
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Tabelle 1-6: Regressionsgrad nach Becker (Becker K., 2003)
Regressionsgrad nach Becker Ansprechen des Tumors
Grad 1a Komplette Remission (0% Residualtumor)
Grad 1b Subtotale Regression (< 10% Residualtumor)
Grad 2 Partielle Regression (10-50% Residualtumor)
Grad 3 Minimale oder keine Regression (> 50% Residualtumor)
Die Einteilung des Regressionsgrades nach Becker kann sich gut zur Einschätzung der Therapiewirksamkeit eignen (Karamitopoulou et al., 2014). Es wird derzeit diskutiert ob ein niedriger Regressionsgrad mit einer besseren Langzeitprognose einhergeht (Karamitopoulou et al., 2014, Langer et al., 2010, Thies and Langer, 2013).
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