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3.   Theoretischer Hintergrund

3.7.   Detektion von Punktmutationen und das DETEQ-Konzept

Als Punktmutationen (SNP = single nucleotide polymorphism) bezeichnet man veränderte Genabschnitte, die sich vom Wildtyp nur in einer einzigen Basenpaarung unterscheiden (vgl.

Abb. 3-31).[20, 21, 305-307] Liegt diese Punktmutation in einer proteincodierenden Region, kann es bei der Translation zu einer Veränderung in der Aminosäuresequenz des zu codierenden Proteins kommen. Eine Mutation in einer Promoterregion führt aufgrund veränderter Proteinexpression zur Änderung des Phänotyps. In Keimzellen können Mutationen zu vererbbaren Krankheiten führen.

Abb. 3-31: Beispiel für eine Punktmutation: Wildtyp-DNA (oben) und Mutante (unten).

Die SNP-Detektion ist daher für die medizinische und pharmazeutische Diagnostik ebenso wie für die Pharmakogenetik von großer Bedeutung.[21, 22] Hier erhofft man sich neue Er-kenntnisse bezüglich genetisch bedingter Unterschiede, die v. a. Verträglichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln beeinflussen, um maßgeschneiderte Therapiemethoden für jeden einzelnen Patienten entwickeln zu können.

Ein interessantes Target in der molekularen Diagnostik stellt das p53-Protein dar.[308] Es fungiert in der Zelle als Tumorsuppressor und sorgt während des Zellzyklus an bestimmten Kontrollpunkten dafür, dass die Proliferation beschädigter Zellen gestoppt und Reparaturmechanismen oder Apoptose eingeleitet werden.[309] Dadurch wird der Organismus vor der Entstehung von Tumoren geschützt. In ungefähr der Hälfte aller humanen Tumore ist das p53-Protein als Folge einer Mutation im p53-Gen inaktiv.[309] Abb. 3-32 (unten) zeigt die einzelnen Domänen, die das p53-Protein beinhaltet. Besonders anfällig gegenüber Mutationen ist die DNA-Bindungsdomäne (Abb. 3-32, oben), die für die Aktivierung der Transkription von entscheidender Bedeutung ist. Dort ereignen sich über 95 % der Mutationen, wobei es sich bei 75 % dieser Mutationen um Einzelbasenmutationen handelt.[308] Innerhalb der DNA-Bindungsdomäne gibt es sechs Codons, die sog. hot spots, in denen gehäuft Mutationen auftreten (vgl. Abb. 3-32).[308]

Abb. 3-32: Häufigkeit und Verteilung der kanzerogenen Mutationen in den einzelnen Domänen von p53.[308]

Dieses Beispiel verdeutlicht die enorme Bedeutung der SNP-Detektion. Es wurden bislang schon einige Methoden zur Erkennung von Punktmutationen entwickelt, die hauptsächlich auf elektrochemischer, massenspezifischer (Quarz-Mikro-Waage (QCM)) und optischer Detektion (Fluoreszenz, Oberflächenplasmonresonanz (SPR)) beruhen.[310] Verfahren, die Fluoreszenzsignale zur Detektion von SNPs verwenden, können im Wesentlichen in enzymatische und nicht-enzymatische Systeme unterteilt werden. Wichtige Vertreter der enzymatischen Assays sind u. a. die Einzelnukleotid-Primerverlängerung,[21, 311] der Invader-Assay®[21, 22, 312] und der TaqMan-Assay®.[21, 22, 313, 314] Einige interessante Strategien zur fluoreszenzbasierten SNP-Detektion in nicht-enzymatischen Systemen werden im Folgenden näher erläutert.

Molecular Beacons [314, 315]

Bei den sog. Molecular Beacons handelt es sich um Oligonukleotide, die Haarnadelstrukturen ausbilden und an einem Ende mit einem Fluorophor und am anderen Ende mit einem Quencher markiert sind (vgl. Abb. 3-33). Aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Fluorophor und Quencher kommt es zu einer Löschung der Fluoreszenz durch Energie-transfer. Ist die genomische Sequenz komplementär zur Sequenz der Molecular Beacons, so ist der entstehende Duplex deutlich stabiler als die Haarnadelstruktur und wird daher be-vorzugt gebildet, was einen Fluoreszenzanstieg aufgrund der räumlichen Trennung von Fluorophor und Quencher zur Folge hat. Eine Einzelbasenmutation in der Zielsequenz setzt die thermodynamische Stabilität des Duplexes so stark herab, dass die Hybridisierung der Molecular Beacons zur Haarnadelstruktur begünstigt wird, wodurch die Fluoreszenz durch Energietransfer weiterhin gelöscht wird.

Abb. 3-33: Mechanismus der SNP-Detektion durch Molecular Beacons.[314]

Basendiskrimierende Fluoreszenzsonden[314]

Für die meisten bisher genannten Methoden zur Detektion von Einzelbasenfehlpaarungen werden Oligonukleotidsonden mit zwei Modifikationen (Fluorophor und Quencher) benötigt und die Fluoreszenzänderung beruht auf Energietransfer. Alternativ dazu wurden Detektions-systeme entwickelt, die auf Oligonukleotiden mit fluoreszenten DNA-Basen bzw. Basen-surrogaten basieren, deren Quantenausbeute sich bei der Hybridisierung ändert. Dazu sind sog. basendiskriminierende Fluoreszenzsonden (BDF, base-discriminating fluorescence probes) geeignet, deren Emissionseigenschaften stark von der unmittelbaren elektronischen und strukturellen Umgebung abhängig sind. Derartige BDFs werden anstelle einer natürlichen DNA-Base in den Sondenstrang eingebaut. Nach Hybridisierung mit der Zielsequenz zeigt sich durch Veränderung der Fluoreszenzintensität, ob der Wildtyp oder eine Mutante vorliegt.

Saito et al. [316-320] entwickelten fluoreszenzmarkierte DNA-Basen, die in der Lage sind, Basenfehlpaarungen durch verminderte Fluoreszenz anzuzeigen (vgl. Abb. 3-34).

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Abb. 3-34: Prinzip der BDFs nach Saito et al. [320] am Beispiel von pyrenmodifiziertem Uridin. Nur für A als Gegenbase zum modifizierten U zeigt sich ein starkes Fluoreszenzsignal.

Der Vorteil dieses Systems ist die leichte Handhabung und die Toleranz weiter pH-Wert- und Salzkonzentrationsbereichen sowie vieler Lösungsmittel. Nachteilig ist allerdings, dass die Fluoreszenz teilweise auch durch die Nachbarbasen C und G gelöscht wird.

Seitz et al. verwendeten Thiazolorange (TO) als artifizielle Base in PNA (peptide nucleic acid) (vgl. Abb. 3-35).[321-326]

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Abb. 3-35: TO-PNA-Baustein von Seitz et al.[321]

Wird ein TO-modifizierter PNA-Strang mit DNA hybridisiert, steigt die Fluoreszenz von TO erheblich an. Bei Basenfehlpaarungen in unmittelbarer Nachbarschaft sinkt die Emissions-intensität bei Raumtemperatur ab. Die Löschung kann durch Erhöhung der Temperatur noch verstärkt werden.

DETEQ-Konzept

In der Arbeitsgruppe Wagenknecht wurde das DETEQ-Konzept (Detection by Electron Transfer-controlled Emission Quenching) zur SNP-Detektion auf der Basis von Ladungstransfer entwickelt (vgl. Abb. 3-36).[29]

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Abb. 3-36: DETEQ-Konzept der Arbeitsgruppe Wagenknecht.

Grundlage dieses Konzepts sind Oligonukleotidsonden, die mit einem redoxaktiven Fluorophor und einem geeigneten Ladungsakzeptor versehen wurden. Nach Hybridisierung der Sonde mit der Zielsequenz kann es so zu einer Elektronenübertragung durch die DNA-Brücke kommen. Da der Ladungstransfer von der elektronischen Kopplung abhängt, die von der Basenstapelung vermittelt wird, ändert sich die Ladungstransferrate kCT beim Auftreten einer Basenfehlpaarung in der DNA-Brücke zwischen Fluorophor und Ladungsakzeptor.

Folglich tritt eine veränderte Fluoreszenz im Vergleich zum Wildtyp auf, was zur Detektion von SNPs genutzt werden kann.

Der entscheidende Vorteil des DETEQ-Konzepts zur SNP-Detektion besteht darin, dass die Fluoreszenzänderungen nicht nur bei direkt benachbarten Basenfehlpaarungen auftreten. Mit einer DETEQ-Sonde sollte es möglich sein, eine Sequenz von zwei oder sogar ein komplettes Codon aus drei Basenpaaren auf Fehlpaarungen abzufragen.

Bei diesem Konzept ist der Fq-Wert als Maß für die Fluoreszenzlöschung der entscheidende Parameter für die zuverlässige Detektion, der mit Hilfe der integrierten Fluoreszenz des fehlgepaarten Duplexes (Fint) und des korrekt gepaarten Referenzduplexes (Fint0) bestimmt wird:

Die Detektion von Einzelbasenfehlpaarungen nach dem DETEQ-Konzept ist prinzipiell möglich, wie anhand des Systems PydG-Indol gezeigt wurde.[199] Das bislang erfolgreichste DETEQ-System besteht aus Ethidium (Et) als Ladungsdonor und 7-Deazaguanin (Zg) als Ladungsakzeptor, die beide kovalent an DNA gebunden sind (Abb. 3-37). Befindet sich eine Basenfehlpaarung im DNA-Basenstapel zwischen Donor und Akzeptor, wird eine beachtliche Fluoreszenzlöschung von bis zu 90 % erreicht.[27]

Abb. 3-37: DETEQ-System aus Ethidium (Et; links, rot) und 7-Deazaguanin (Zg; rechts, grün). Basenfehl-paarungen wurden durch Fluoreszenzlöschung aufgrund eines veränderten Ladungstransfers detektiert.[27]

Die SNP-Detektion nach dem DETEQ-Konzept wird in dieser Arbeit anhand des Systems Ethidium-Nitroindol untersucht (Kapitel 5.1.3).