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Anwendung des DETEQ-Konzepts im Donor-Akzeptor-Paar Ethidium-

5.   Ethidium als Elektronendonor für Ladungstransferprozesse in Oligonukleotiden

5.1.   Untersuchungen eines DETEQ-Systems aus Ethidium und 5-Nitroindol

5.1.3.   Anwendung des DETEQ-Konzepts im Donor-Akzeptor-Paar Ethidium-

Wie bereits in Kapitel 5.1.2 erwähnt, weisen oxidativer und reduktiver Ladungstransfer ähnliche Abstandsabhängigkeiten und Ladungstransferraten auf.[30] Da von Valis et al.[27, 28]

gezeigt wurde, dass sich oxidativer Ladungstransfer zwischen Ethidium und 7-Deazaguanin zur erfolgreichen Detektion von Basenfehlpaarungen eignet, soll diese Methode nun für reduktiven Elektronentransfer zwischen Ethidium und 5-Nitroindol untersucht werden.

Zur Überprüfung des DETEQ-Konzepts im Ethidium-Nitroindol-System wurden die Duplexsätze DNA2/DNA2a-c, DNA4/DNA4a-f, DNA6/DNA6a-f und DNA8/DNA8a-i her-gestellt und mittels UV/Vis- und Fluoreszenzspektroskopie vermessen (vgl. Kapitel 7.4.6.1).

C A G T C A Et A C G T A C G T

Liegt ein Basenpaar zwischen Ethidium und 5-Nitroindol (DNA2/DNA2a-c) erhält man geringfügig höhere Emissionsintensitäten der fehlgepaarten Duplexe DNA2a-c und des Einzelstrangs ssDNA2 verglichen mit DNA2 (vgl. Abb. 7-2).

In den Duplex-Sätzen DNA6/DNA6a-f, die zwei Basenpaare zwischen Ethidium und 5-Nitro-indol enthalten, ist ein Anstieg der Fluoreszenz vom Einzel- zum Doppelstrang deutlich zu erkennen. Basenfehlpaarungen beeinflussen die Fluoreszenzeigenschaften von DNA6 in sehr unterschiedlichem Ausmaß: Während eine Fehlpaarung unmittelbar neben dem Ethidium-Chromophor (DNA6a-c) nur sehr geringen Einfluss auf die Fluoreszenzintensität hat, steigt die Emission bei einer Fehlpaarung unmittelbar neben 5-Nitroindol (DNA6d-f) teilweise stark an (vgl. Abb. 7-3).

Auch über drei Basenpaare zwischen Ethidium und 5-Nitroindol (DNA8/DNA8a-i) ist ein Anstieg der Fluoreszenz vom Einzel- zum Doppelstrang zu erkennen. Allerdings haben Einzelbasenfehlpaarung in den Duplex-Sets DNA8/DNA8a-i einen unterschiedlichen Einfluss auf die Fluoreszenzintensität, da eine Fehlpaarung in zwei Doppelsträngen einen leichten

Fluoreszenzanstieg hervorruft (DNA8c und DNA8i), wobei die Fluoreszenz in den restlichen fehlgepaarten Duplexen gelöscht wird (vgl. Abb. 7-4).

Die bisher vorgestellten Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass das Ethidium-Nitroindol-System zur Detektion aller möglichen Einzelbasenfehlpaarungen mittels stationärer Fluoreszenzmessung nicht geeignet ist. Bekanntermaßen reagiert stationäre Fluoreszenz sehr empfindlich auf äußere Faktoren wie Absorption, Streuung oder Intensitätsschwankung der Anregungslichtquelle,[65] was teilweise erhebliche Auswirkungen auf die gemessenen Fluoreszenzintensitäten hat und damit die Messergebnisse verfälschen kann. Die Messung von Fluoreszenzlebenszeiten hingegen erfolgt unabhängig von absoluten Signalintensitäten und wird daher durch die genannten Faktoren nicht beeinträchtigt.[65] Aus diesem Grund wurden die Fluoreszenzlebenszeiten der Duplexsätze DNA2/DNA2a-c, DNA6/DNA6a-f und DNA8/DNA8a-i mittels Phasenmodulationsmethode bestimmt. Die erhaltenen Ergebnisse befinden sich in Tabelle 7-24 (Kap. 7.4.6.1).

Wie bereits in Kapitel 5.1.2 beschrieben, verwendet man als Maß für die Fluoreszenzlöschung bei stationären Fluoreszenzmessungen den Fq-Wert, der nach Gleichung 5-1 berechnet wird.

Zur Auswertung des Lebenszeitenassays wird eine vergleichbare Größe benötigt, die angibt, in welchem Maß sich die durchschnittliche Fluoreszenzlebenszeit des fehlgepaarten Duplexes (τF) verglichen mit der des korrekt gepaarten Doppelstrangs (τF0) aufgrund von Ladungs-transferprozessen verändert. Diese Größe wird hier als Ft-Wert bezeichnet und analog zum Fq-Wert nach folgender Gleichung berechnet:

1 0 F F

Ft

τ

−τ

= Gleichung 5-3

Für den Ladungstransfer über den Abstand von einer Base fanden Valis et al.,[30] wie bereits in Kapitel 5.1.2 erwähnt, eine Zeitkomponente im ps-Bereich, während über größere Distanzen und für die Kontrollduplexe nur Werte im ns-Bereich ermittelt werden konnten.

Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit der beiden Systeme liegt die Vermutung nahe, dass es auch bei dem hier untersuchten Duplex DNA2 diese schnelle Zeitkomponente gibt. Die hier verwendete Phasenmodulationsmethode deckt allerdings nur den ns-Bereich ab, Lebenszeiten auf einer schnelleren Zeitskala können nicht detektiert werden. Daher ist in diesem Fall ein Lebenszeitenassay erst ab einer Distanz von zwei Basenpaaren zwischen Ethidium und 5-Nitroindol sinnvoll.

Betrachtet man die Auftragung der Fq-Werte von DNA2a-c (Abb. 5-15, links) so erkennt man, dass die Fluoreszenzintensität bei einer Basenfehlpaarung zwischen Ethidium und 5-Nitroindol in allen fehlgepaarten Duplexen höher liegt als im korrekt gepaarten Duplex

DNA2, im besten Fall jedoch lediglich um 25 %. Aufgrund dieses nur sehr geringen Unterschieds und der Tatsache, dass auch der Einzelstrang eine ähnlich hohe Fluoreszenz-intensität aufweist, ist eine verlässliche Basenfehlpaarungsdiskriminierung nicht möglich.

Dies ist auch verständlich, wenn man berücksichtigt, dass die lokale Struktur der Duplexe aufgrund des geringen Abstands zwischen den artifiziellen Basen Ethidium und 5-Nitroindol, die keine Wasserstoffbrückenbindungen zu den Gegenbasen ausbilden können, deutlich gestört wird.[105, 106] Eine weitere Störung durch eine Basenfehlpaarung hat erwartungsgemäß einen vergleichsweise geringen Einfluss auf die Fluoreszenzintensität.

-T- -G-

Abb. 5-15: Berechnete Fq-Werte der Fluoreszenzlöschung für DNA2a-c (links) sowie Ft- und Fq-Werte für DNA6a-f (rechts).

Abb. 5-15 (rechts) zeigt eine gute Übereinstimmung der Ergebnisse aus stationären und zeitaufgelösten Fluoreszenzmessungen für die Duplexsätze DNA6a-f. Die Auftragung veranschaulicht den geringen Einfluss einer Basenfehlpaarung unmittelbar neben Ethidium auf die Fluoreszenzintensität und -lebenszeit der Duplexe DNA6a-c sowie den teilweise starken Anstieg beider Parameter bei einer Fehlpaarung unmittelbar neben 5-Nitroindol (DNA6d-f). Erstaunlicherweise stehen diese Ergebnisse in deutlichem Kontrast zu denen von Valis et al.[27], die 7-Deazaguanin als Ladungsakzeptor im DETEQ-System mit Ethidium verwendet haben. In Ethidium-Deazaguanin-Duplexen wurde die Fluoreszenz von Ethidium in Gegenwart einer Basenfehlpaarung stark gelöscht, es wurden Fq-Werte von bis zu 0,89 erhalten.[28] Da beide Systeme ähnliche Abstandsabhängigkeiten und Ladungstransferraten aufweisen, sind die gravierenden Unterschiede in den Fq-Werten wahrscheinlich strukturell bedingt, da 5-Nitroindol im Gegensatz zu 7-Deazaguanin keine Wasserstoffbrückenbindungen zur Gegenbase C ausbilden kann.[105, 106] Das führt zu weniger stabilen Duplexen, was durch eine Erniedrigung der Schmelztemperaturen um ca. 8 °C in Gegenwart von 5-Nitroindol und um weitere 4 °C- 6 °C bei einer zusätzlichen Basenfehlpaarung (DNA6a-f) gezeigt wird (Tabelle 7-19, Kapitel 7.4.6.1 ). Die Anwesenheit von 7-Deazaguanin hingegen hat keinen

Einfluss auf die Schmelztemperatur der Duplexe, selbst eine zusätzliche Basenfehlpaarung wirkt sich kaum darauf aus.[28]

-TGA- -GGA- -CGA- -AAA- -ATA- -ACA- -AGT- -AGG- -AGC--0,1

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4

-0,1 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4

Fq

Ft

Gegenbase

Ft Fq

Abb. 5-16: Berechnete Ft- und Fq-Werte der Fluoreszenzlöschung für DNA8a-i.

Die Ergebnisse der stationären Fluoreszenzmessungen stimmen auch für die Duplexsätze DNA8a-i gut mit den Daten der zeitaufgelösten Fluoreszenzmessung überein, wie Abb. 5-16 zeigt. Allerdings fällt auf, dass eine Basenfehlpaarung hier, im Gegensatz zu den Duplex-sätzen DNA2a-c und DNA6d-f, zu einer Verkürzung der Lebenszeit bzw. in den meisten Fällen zu einer Löschung der Fluoreszenz führt. Eine mögliche Erklärung für die Fluoreszenzlöschung und die Verkürzung der Fluoreszenzlebenszeit in Gegenwart einer Basenfehlpaarung, die auch Valis et al.[27, 28] im DETEQ-Assay mit 7-Deazaguanin gesehen haben, liefern zeitaufgelöste Studien an DNA-Duplexen, die eine Ethidiummodifikation verknüpft durch einen Linker enthalten. Darin konnte gezeigt werden, dass das Ethidium-Derivat eine Reorganisationszeit von ca. 75 ps benötigt, um optimal in den Basenstapel interkalieren zu können. Diese Konformation ist die Voraussetzung für den schnellen Ladungstransfer mit einer Geschwindigkeit von ca. 5 ps.[131, 136] In den Experimenten von Valis et al. und in dem hier vorgestellten Assay wurde Ethidium als starres Nukleosid in die DNA-Stränge eingebaut. Im Doppelstrang DNA8, in dem sich drei Basenpaare zwischen Ethidium und 5-Nitroindol befinden, ist die lokale strukturelle Störung und damit auch die Flexibilität des Doppelstrangs geringer als in den Duplexsätzen DNA2/DNA2a-c und DNA6/DNA6a-f. Daher ist es denkbar, dass eine Umorientierung des photoangeregten Ethidiums im korrekt gepaarten Duplex DNA8 unterbunden wird. Durch eine Basenfehlpaarung wird die konformationelle Flexibilität vergrößert, was zu einem effizienteren Ladungstransfer und damit zu einer Löschung der Fluoreszenz und einer Verkürzung der Fluoreszenzlebenszeit in den fehlgepaarten Duplexen DNA8a-i führt. Der

Lebenszeitenassay liefert insgesamt ein einheitlicheres Bild, da alle durchschnittlichen Lebenszeiten der Duplex-Sets DNA8a-i durch eine Basenfehlpaarung verkürzt werden.

Allerdings erhält man auch hier nur Ft-Werte zwischen 2 % (DNA8c, DNA8i) und 40 % (DNA8b), wodurch eine eindeutige und verlässliche Detektion jeder möglichen Basenfehlpaarung nicht möglich ist.

Grundsätzlich erfüllt die Kombination aus Ethidium als Ladungsdonor und 5-Nitroindol als Elektronenakzeptor die Anforderungen des DETEQ-Konzepts. In Duplexen mit einem oder zwei Basenpaaren zwischen Donor und Akzeptor können allerdings nur bestimmte Einzelbasenfehlpaarungen durch einen Anstieg der Fluoreszenz bzw. einer Verlängerung der Fluoreszenzlebenszeit detektiert werden, während andere Einzelbasenfehlpaarungen in Duplexen mit 3 Basenpaaren zwischen Ethidium und 5-Nitroindol eine Fluoreszenzlöschung und eine Verkürzung der Lebenszeit hervorrufen. Unabhängig von den Vorzeichen liegen fast alle berechneten Fq- und Ft- Werte unter 50 %. Ein DNA-Assay zur SNP-Detektion kann aufgrund der hier vorgestellten Ergebnisse nicht entwickelt werden, da eine erfolgreiche und v. a. verlässliche Detektion aller möglichen Einzelbasenfehlpaarungen vermutlich bedingt durch die strukturelle Störung des Systems nicht möglich ist.