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2 T HEORETISCHER H INTERGRUND

2.3 Dermale Resorptionsverfügbarkeit

Analytmasse ermöglicht. Der so ermittelte resorptionsverfügbare Analytmassenanteil (siehe Gleichung 2-22 in Abschnitt 2.3) könnte als Input für bereits existierende Modelle zur Be-rechnung der dermalen Absorption (z.B. dem FDSP-Calculator) dienen und in dieser Kombination die Bestimmung des dermal absorbierten Analytmassenanteils, als Grundlage für eine Risikoabschätzung, möglich machen.

Im folgenden Abschnitt 2.3 werden deshalb theoretische Grundlagen und Ansätze zur Bestimmung der dermalen Resorptionsverfügbarkeit, dem Untersuchungsgegenstand und Schwerpunkt dieser Arbeit, vorgestellt.

Analyttransport über die Luft auf die Haut wird nicht berücksichtigt. Die Dominanz des Luftpfades für den Stofftransport von PAK und anderen flüchtigen bis mittelflüchtigen, partikelgebundenen organischen Substanzen wurde jedoch bereits durch mehrere For-schungsarbeiten belegt (Meijer et al. 2003, Ribes et al. 2003, Yang & Holmen 2008, Hu &

Aitken 2012) und sollte in einer Methode zur Bestimmung der dermalen Resorptionsverfüg-barkeit Berücksichtigung finden.

In diesem Zusammenhang sind die Untersuchungen von Hu und Aitken (2012) zur Desorptionskinetik bodengebundener PAK und zur Abschätzung ihres dermalen Expositions-potentials27 hervorzuheben. Sie entwickelten eine Sorptionsmethode, bei der Boden auf die feste, hydrophobe Oberfläche einer C18-Extraktionsdisk28 platziert und unter kontrollierten Bedingungen29 inkubiert wird. Die Bestimmung der dermal resorptionsverfügbaren Stoff-menge erfolgt durch anschließende Extraktion der C18-Disks.

Der entwickelte Versuchsaufbau simuliert das Expositionsszenario „Boden auf Haut“ und ermöglicht, neben den in Fußnote 29 genannten Parametern, die Untersuchung potentiell relevanter Stofftransportpfade. Für die Analytdiffusion aus dem Boden auf die Haut ist der Stofftransport über folgende Pfade denkbar:

1) über luftgefüllte Bodenporen (Luft),

2) über wassergefüllte Bodenporen (Wasser) oder

3) über den direkten Kontakt der Boden- mit der Hautoberfläche (direkter Kontakt).

Hu und Aitken (2012) konnten mit der von ihnen entwickelten Methode den Stofftransport über alle drei Pfade (Luft, Wasser und direkten Kontakt) untersuchen und bestätigen. Für eine mehr als monopartikuläre Bedeckung30 der Oberfläche mit Boden stellten sie einen überwiegenden Stofftransport über den Luft- und über den Wasserpfad fest. Da in Böden mit Wassergehalten unterhalb der Feldkapazität die meisten Poren mit Luft gefüllt sind und die Analytdiffusionsgeschwindigkeit in der Luft deutlich höher ist als im Wasser (Schwarzenbach et al. 2005), identifizierten Hu & Aitken (2012) Luft als den dominanten Stofftransportpfad für die Diffusion von PAK aus Boden.

27 Der von Hu und Aitken (2012) verwendete Begriff des dermalen Expositionspotentials (potential dermal exposure) ist vergleichbar mit dem hier definierten dermal resorptionsverfügbaren Anteil (wDRV, siehe Gleichung 3-22).

28 Nach Hu und Aitken (2012) fungieren die C18-Disks als unendliche Stoffsenke. Hu und Aitken (2012) räumen ein, dass durch die uniforme, hydrophobe Oberfläche der C18-Disk der dermale Analytmassenfluss, im Vergleich zur Haut, tendentiell überschätzt wird.

29 Folgende Versuchsbedingungen wurden variiert und kontrolliert:

- die Umgebungstemperatur (20–40 °C) - der Wassergehalt des Bodens (2–40 %)

- die Beladung der C18-Disks mit Boden (5–100 mg trockener Boden/cm²) - die Expositionszeit (bis zu 16 d)

30 siehe Abschnitt 2.2.2

Basierend auf dieser Erkenntnis liefert die Arbeitsgruppe Rotard am Fachgebiet Umwelt-chemie der TU Berlin einen weiteren Ansatz zur Untersuchung der Mobilität und Verfüg-barkeit bodengebundener Substanzen: Sie entwickelten eine dynamische Diffusionszelle, die ausschließlich den Stofftransportweg Luft31 simuliert (siehe Abbildung 9). Sie wird im Folgenden als DyGa-Zelle (= Dynamische Gasdiffusionzelle) bezeichnet.

Abbildung 9 Schematischer Aufbau und Funktionsprinzip der DyGa-Zelle (Dynamische Gasdiffusionszelle) zur Bestimmung des dermal resorptionsverfügbaren Analytmassenanteils aus Boden (eigene Darstellung, basierend auf Suschke et al. 2010); Details zum Aufbau der DyGa-Zelle sowie zum gesamten Versuchsaufbau sind in den Abschnitten 3.5 und 3.5.1 zu finden.

Zwischen zwei halbzylindrischen Zellhälften aus doppelwandigem Glas32 ist eine PTFE-Membran positioniert. Auf diese PTFE-Membran wird der kontaminierte Boden appliziert. Ein Stickstoffstrom dient als Rezeptorfluid und wird durch beide Zellhälften geleitet, um vom Boden desorbierte Analyten aus der oberen und unteren Zellhälfte abzutransportieren. Die aus beiden Zellhälften abtransportierten Analyten werden getrennt voneinander erfasst.

Die Besonderheit der DyGa-Zelle besteht darin, dass, neben der Ermittlung des gesamten mobilisierbaren Anteils (Summe aus oberer und unterer Zellhälfte) die Ermittlung des dermal resorptionsverfügbaren Anteils (untere Zellhälfte) möglich ist. Das wird durch den Einsatz einer für die Analyten hochdurchlässigen PTFE-Membran (an Stelle von Haut oder einem Hautäquivalent) erreicht. Diese Membran stellt quasi keinen Stofftransportwiderstand für aus dem Boden in Richtung „Haut“ diffundierende (= dermal resorptionsverfügbare) Analyten dar, so dass diese ungehindert, dem bestehenden Konzentrationsgradienten folgend, in die untere Zellhälfte diffundieren, wo sie dann detektiert werden.

31 Einer Beispielrechnung für mittelflüchtige Substanzen folgend (nach Rotard 2010), liegen die Diffusionskoeffi-zienten in Luft in einer Größenordnung von gD ≈ 0,36 m²/h, während sie im Wasser Werte von lD ≈ 3,6 mm²/h an-nehmen. Damit diffundiert die betrachtete Substanz in einem Zeitraum von 8 h in der Luft eine Wegstrecke von 5 m und im Wasser 15 cm. (In Feststoffen werden Werte von sD ≈ 35,4 µm²/h erreicht, was einer Wegstrecke von 48 µm in 8 h entspricht.)

32 Zwischen der doppelten Wand wird Wasser zur Temperierung der Diffusionszelle geleitet.

Der Einsatz einer künstlichen Membran hat weitere Vorteile: Dadurch, dass sie stets in beliebiger Quantität von gleichbleibender Qualität verfügbar ist, können reproduzierbare Versuchsbedingungen mit großen Applikationsflächen33 realisiert werden.

Eine weitere Besonderheit der DyGa-Zelle ist die Möglichkeit, die obere und untere Zellhälfte unabhängig voneinander zu temperieren. Das hat den Vorteil, dass reale Temperatur-bedingungen simuliert werden können und so der Einfluss der Umgebungstemperatur sowohl auf die Höhe des mobilisierbaren Anteils (Summe aus oberer und unterer Zellhälfte) als auch auf die Höhe des dermal resorptionsverfügbaren Anteils (untere Zellhälfte) untersucht werden kann.

Erste Ergebnisse zur Untersuchung der Mobilität von BTEX, MKW und PAK mittels der entwickelten Diffusionszelle sind vielversprechend (Suschke et al. 2010), weshalb die Weiterentwicklung und Optimierung dieser Methode Gegenstand dieser Arbeit ist.

2.3.2 Untersuchungsgegenstand der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Verfahrens, das die Bestimmung der Höhe des dermal resorptionsverfügbaren Anteils von bodengebundenen MKW ermöglicht. Es soll die Expositionssituation „Boden auf Haut“ möglichst realitätsnah nachstellen und die Variation der Umgebungstemperatur zulassen.

Basierend auf Vorarbeiten der Arbeitsgruppe Rotard (siehe Abschnitt 2.3.1) soll die dort entwickelte Dynamische Gasdiffusionszelle (DyGa-Zelle) auf ihre Anwendbarkeit für Substanzen aus der Stoffgruppe der MKW geprüft werden. Für die Stoffgruppe der MKW gibt es bisher keine Untersuchungen, welcher Stofftransportpfad bei der Diffusion aus dem Boden auf die Haut bevorzugt wird. Es ist anzunehmen, dass für kleinere, leichter flüchtige Vertreter dieser Stoffgruppe Luft der dominante Stofftransportpfad ist. Die Bedeutung des Wasserpfades wird als gering eingeschätzt, da keine der Substanzen aus der Stoffgruppe der MKW eine gute Wasserlöslichkeit aufweist. Ob und inwiefern der Stofftransport über direkten Kontakt eine Rolle spielt, ist unklar.

In einem ersten Versuchskomplex (Versuchskomplex I) wird deshalb der Frage nachge-gangen, ob die alleinige Simulation des Stofftransportwegs Luft eine ausreichend genaue Annäherung an reale Stofftransportverhältnisse bei der Betrachtung des Expositions-szenarios „Boden auf Haut“ darstellt bzw. für welche Analyten Einschränkungen vorliegen.

Die Untersuchung der Bedeutung der Stofftransportpfade Luft, Wasser und direkter Kontakt erfolgt in Anlehnung an die von Hu und Aitken (2012) entwickelte Methode (siehe

33 Große Applikationsflächen (hier: 20 cm²) wirken dem Problem der Unterschreitung der Nachweisgrenze entgegen (siehe Abschnitt 2.2.4.2).

Abschnitt 2.3.1.). Angeregt durch die von Ertl (2007) entwickelte Elutionsmethode (siehe Abschnitt 2.3.1) wird zusätzlich untersucht, welchen Einfluss das Vorhandensein eines Schweiß-Oberflächenfilms auf den Stofftransport hat. Details zum Versuchsaufbau der Stofftransportpfadversuche sind Abschnitt 3.4.1 zu entnehmen. Die Ergebnisse werden in Abschnitt 4.1 vorgestellt und diskutiert.

In einem zweiten Versuchskomplex (Versuchskomplex II) wird geprüft, inwiefern für die, für eine Anwendung in der DyGa-Zelle für tauglich befundenen, Substanzen der dermal resorptionsverfügbare Analytmassenanteil durch den in der unteren Zellhälfte detektierten Anteil repräsentiert wird. Details zum Versuchsaufbau der Diffusionzellenversuche sind Abschnitt 3.5 zu entnehmen. Die Ergebnisse werden in Abschnitt 4.2 vorgestellt und disku-tiert.

In Versuchskomplex III soll das in Abschnitt 2.3.1 vorgestellte Verfahren der PAK-Sorption an einer festen, zweidimensionalen C18-Oberfläche (Hu & Aitken 2012) so modifiziert werden, dass:

- das Expositionsszenario „Boden auf Haut“ möglichst realitätsnah simuliert wird, - es die Bestimmung der dermalen Resorptionsverfügbarkeit von MKW ermöglicht,

- der Einfluss der Umgebungstemperatur (in einem umweltrelevanten Bereich) auf die Höhe des dermal resorptionsverfügbaren Analytmassenanteils untersucht werden kann.

Details zum Versuchsaufbau der 2D-Sorptionsversuche an C18 sind Abschnitt 3.6 zu entneh-men. Die Ergebnisse werden in Abschnitt 4.3 vorgestellt und diskutiert.

Versuchskomplex III hat, neben der Methodenentwicklung, noch einen zweiten Schwer-punkt: In Abschnitt 4.3.4 wird überprüft, inwiefern das entwickelte Verfahren der 2D-Sorption an C18 mit vorhandenen Instrumenten zur Risikoabschätzung der dermalen Absorption34 kompatibel ist und ob diese Verfahrenskombination eine Abschätzung der dermalen Absorption für unterschiedliche Umgebungstemperaturen erlaubt.

34 Als Beispiel wird der „Finite Dose Skin Permetation (FDSP)-Calculator“ Fedorowitz et al. (2011) verwendet (siehe Abschitte 2.2.5.3 und 3.8).