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DER TRANSMISSIONSMECHANISMUS DER GELDPOLITIK

3 DIE GELDPOLITISCHE STRATEGIE DER EZB

3.2 DER TRANSMISSIONSMECHANISMUS DER GELDPOLITIK

Da es dem EZB-Rat obliegt, geldpoli-tische Beschlüsse zur Gewährleistung von Preisstabilität zu fassen, ist es für die EZB äußerst wichtig, zu einer Ein-schätzung über die Wirkung geldpoli-tischer Maßnahmen auf das Preis-niveau zu gelangen. Der Prozess, mittels dessen sich geldpolitische Ent-scheidungen auf die Wirtschaft im Allgemeinen und das Preisniveau im Besonderen auswirken, wird als Trans-missionsmechanismus der Geldpolitik bezeichnet. Die einzelnen Verbindun-gen, über die geldpolitische Impulse (normalerweise) übertragen werden, werden als Transmissionskanäle be-zeichnet.

Kanäle der geldpolitischen Transmission Die wichtigsten geldpolitischen Über-tragungswege sind im linken Teil der Abbildung 3.1 vereinfacht und sche-matisch dargestellt.

… indem Preis-stabilität als vorrangiges Ziel der Geldpolitik festgelegt wird

bei der Ver-folgung ihres

Am Anfang der (langen) Wirkungs-kette, über die sich geldpolitische Ent-scheidungen auf das Preisniveau aus-wirken, steht eine Änderung der von der Zentralbank mithilfe ihrer geld-politischen Geschäfte festgesetzten Schlüsselzinssätze. Im Rahmen dieser Geschäfte stellt die Zentralbank den Banken üblicherweise Mittel zur Ver-fügung (Kapitel 4 enthält eine detail-lierte Beschreibung der geldpoliti-schen Instrumente des Eurosystems).

Das Bankensystem verlangt nach Zen-tralbankgeld („Basisgeld“), um den öf-fentlichen Bargeldbedarf zu decken, Interbanksalden auszugleichen und die Anforderungen hinsichtlich der bei der Zentralbank zu hinterlegenden Min-destreserven erfüllen zu können. An-gesichts ihres Monopols zur Schaffung von Basisgeld kann die Zentralbank die für ihre Geschäfte geltenden Zins-sätze völlig selbstständig festsetzen.

Da die Zentralbank dadurch die Ref

i-nanzierungskosten von Bankkrediten beeinflusst, müssen die Banken diese Kosten bei der Kreditvergabe an ihre Kunden weitergeben.

Durch diesen Prozess kann die Zen-tralbank einen dominierenden Einfluss auf die Geldmarktbedingungen aus-üben und so die Geldmarktsätze steu-ern. Änderungen der Geldmarktsätze wirken sich wiederum, wenngleich in unterschiedlichem Maße, auf andere Zinssätze aus. So wirken sich zum Beispiel Veränderungen der Geld-marktsätze auf die Zinssätze der Banken für kurzfristige Kredite und Einlagen aus. Darüber hinaus beein-flussen Erwartungen hinsichtlich künftiger Änderungen der Schlüssel-zinssätze die längerfristigen Markt-zinssätze, da sich in diesen die Er-wartungen hinsichtlich der zukünfti-gen Entwicklung der Kurzfristzinsen widerspiegeln. Die Zinssätze bei sehr

…welche auf die Markt-zinssätze durchschlägt …

… beginnt mit einer Änderung der Schlüssel-zinssätze…

Abbildung 3.1 Vereinfachte Darstellung des Transmissionsmechanismus von den Zinssätzen zu den Preisen

SCHLÜSSELZINSSÄTZE

Erwartungn Bank- und

Marktzinsen

Preise für Ver-mögenswerte Angebot und Nachfrage an den

Güter- und Arbeitsmärkten Geldmenge,

langen Laufzeiten (zum Beispiel Ren-diten zehnjähriger Staatsanleihen oder langfristige Kreditzinsen der Banken) werden jedoch von Änderungen der Geldmarktsätze nur mittelbar beein-flusst. Diese Sätze sind zu einem Großteil von Markterwartungen hin-sichtlich der langfristigen Wachstums-und Inflationsentwicklung in einer Volkswirtschaft abhängig. Mit anderen Worten schlagen Änderungen der Schlüsselzinssätze in der Regel nicht auf diese längerfristigen Zinssätze durch, es sei denn, sie führen zu einer Veränderung der Markterwartungen mit Blick auf die langfristige wirt-schaftliche Entwicklung.

Aufgrund des Einflusses, den die Geldpolitik auf die Finanzierungs-bedingungen in einer Volkswirtschaft ausübt – aber auch aufgrund ihres Ein-flusses auf die Erwartungen –, kann sie auf andere f inanzielle Größen wie die Preise für Vermögenswerte (z. B.

die Aktienkurse) oder Wechselkurse einwirken.

Veränderungen der Zinssätze und Preise für finanzielle Vermögenswerte wirken sich wiederum auf die Spar-, Konsum- und Investitionsentschei-dungen der privaten Haushalte und der Unternehmen aus. Unter ansonsten gleichen Bedingungen machen bei-spielsweise höhere Zinssätze die Kre-ditaufnahme zur Finanzierung von Konsum oder Investitionen für private Haushalte oder Unternehmen tenden-ziell weniger attraktiv. Höhere Zins-sätze steigern aufgrund der höheren Verzinsung der Ersparnisse für private Haushalte auch den Anreiz, ihr lau-fendes Einkommen zu sparen, anstatt es auszugeben. Zudem können sich Änderungen der Schlüsselzinssätze auch auf das Kreditangebot auswirken.

So kann sich infolge einer

Zinserhö-hung das Risiko, dass einige Kredit-nehmer ihre Kredite nicht ordnungs-gemäß zurückzahlen können, so stark erhöhen, dass Banken diesen Kredit-nehmern keinen Kredit gewähren.

Diese Kreditnehmer bzw. privaten Haushalte oder Unternehmen wären infolgedessen gezwungen, ihre Kon-sumausgaben oder Investitionspläne aufzuschieben.

Schließlich können Bewegungen der Preise für Vermögenswerte die Kon-sumausgaben und Investitionen über Einkommens- und Vermögenseffekte beeinflussen. Ein Anstieg der Aktien-kurse zum Beispiel führt dazu, dass Privathaushalte, die Aktien besitzen, vermögender werden und sich dazu entschließen könnten, mehr zu konsu-mieren. Umgekehrt können fallende Aktienkurse dazu führen, dass Privat-haushalte ihren Konsum sogar ein-schränken. Darüber hinaus können Preise für Vermögenswerte die Ge-samtnachfrage über den Wert der Si-cherheiten beeinflussen, welcher es den Kreditnehmern ermöglicht, ihre Kreditaufnahme zu erhöhen und/oder die von Kreditgebern/Banken gefor-derte Risikoprämie zu verringern.

Kreditentscheidungen werden oft zu einem großen Teil vom Wert der Si-cherheiten abhängig gemacht. Verrin-gert sich der Wert der Sicherheiten, werden Kredite teurer und möglicher-weise sogar nur noch so restriktiv ver-geben, dass die Ausgaben sinken.

Infolge der Veränderungen beim Ver-brauch und den Investitionen ändert sich das Verhältnis der inländischen Nachfrage nach Waren und Dienst-leistungen zum inländischen Angebot.

Wenn die Nachfrage das Angebot bei ansonsten gleich bleibenden Bedin-gungen übersteigt, dürfte es im Er-gebnis zu einem Aufwärtsdruck auf

… und die Verände-rung der Ge-samtnachfrage und Preise führt

die Preise kommen. Darüber hinaus können Veränderungen der gesamt-wirtschaftlichen Nachfrage sich in einer Verschärfung oder Entspannung der Lage an den Arbeits- und Vorleis-tungsgütermärkten niederschlagen, was wiederum die Lohn- und Preis-bildung am jeweiligen Markt beein-flussen kann.

Wechselkursänderungen wirken sich normalerweise auf drei verschiedene Arten auf die Teuerungsrate aus. Ers-tens können Wechselkursbewegungen unmittelbar Auswirkungen auf die In-landspreise für Importgüter haben. Bei einem Anstieg des Wechselkurses sin-ken in der Regel die Preise für Im-portgüter, was unmittelbar zu einer Verringerung der Teuerungsrate bei-trägt, wenn es sich bei diesen Gütern um Verbrauchergüter handelt. Zwei-tens kann der Einsatz der Importgüter als Vorleistungsgüter für die Produk-tion dazu führen, dass die niedrigeren Preise der Vorleistungsgüter sich mit der Zeit in niedrigeren Preisen für Endprodukte niederschlagen. Drittens können Wechselkursbewegungen auch über ihre Auswirkung auf die Wettbe-werbsfähigkeit der im Inland produ-zierten Güter auf den internationalen Märkten einen Einfluss ausüben.

Wenn Inlandsprodukte durch eine Auf-wertung der Währung auf den Welt-märkten an preislicher Wettbewerbs-fähigkeit einbüßen, führt dies meist zu einer geringeren Auslandsnachfrage und somit zu einem verringerten Nachfragedruck in der heimischen Wirtschaft. Unter ansonsten gleich bleibenden Bedingungen würde eine Wechselkursaufwertung den Infla-tionsdruck somit tendenziell mindern.

Die Wirkung solcher durch Wechsel-kursbewegungen hervorgerufener Ef-fekte hängt vom Öffnungsgrad einer Wirtschaft gegenüber dem

internatio-nalen Handel ab. Wechselkurseffekte sind für einen großen, relativ ge-schlossenen Währungsraum wie das Eurogebiet im Allgemeinen weniger von Bedeutung als für kleine, offene Volkswirtschaften. Die Preise für f i-nanzielle Vermögenswerte sind offen-sichtlich neben der Geldpolitik von vielen anderen Faktoren abhängig, und auch die Wechselkursänderungen wer-den häuf ig weitgehend von diesen Faktoren bestimmt.

Andere Kanäle, über welche die Geld-politik Einfluss auf die Preisentwick-lung nehmen kann, ergeben sich hauptsächlich aus der Einflussnahme auf die langfristigen Erwartungen des privaten Sektors. Genießt eine Zen-tralbank ein hohes Maß an Glaubwür-digkeit bei der Verfolgung ihres Ziels, kann die Geldpolitik einen starken direkten Einfluss auf die Preisent-wicklung ausüben, indem sie die Er-wartungen der Wirtschaftsakteure hinsichtlich der künftigen Inflations-entwicklung lenkt und damit deren Lohn- und Preissetzungsverhalten be-einflusst. Das Vertrauen darauf, dass eine Zentralbank Preisstabilität dau-erhaft gewährleistet, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Nur dann, wenn die Wirtschaftsakteure überzeugt sind, dass die Zentralbank in der Lage ist und sich in der Pflicht sieht, die Preise stabil zu halten, werden die Infla-tionserwartungen auf einem stabili-tätsgerechten Niveau verharren. Dies wird sich wiederum auf die Lohn- und Preissetzung in der Volkswirtschaft auswirken, da die daran Beteiligten die Preise in einem von Preisstabilität ge-prägten Umfeld nicht aus Angst vor einer in Zukunft höheren Teuerungs-rate nach oben anpassen müssen.

Daher erleichtert Glaubwürdigkeit die Aufgabe der Geldpolitik.

Verankerung auf die Preise

Der oben beschriebene dynamische Prozess umfasst eine Reihe unter-schiedlicher Mechanismen und Maß-nahmen seitens der Wirtschaftsakteure in verschiedenen Phasen des Trans-missionsprozesses. Entsprechend schlagen geldpolitische Maßnahmen in der Regel erst mit erheblicher zeit-licher Verzögerung auf die Preisent-wicklung durch. Darüber hinaus kön-nen Umfang und Stärke der verschie-denen Effekte je nach Wirtschaftslage variieren, wodurch die genaue Aus-wirkung schwer einzuschätzen ist. Ins-gesamt sehen sich Zentralbanken bei der Durchführung der Geldpolitik für gewöhnlich mit langen, variablen und nicht genau vorhersagbaren Wir-kungsverzögerungen konfrontiert.

Die Identif izierung der Transmis-sionskanäle der Geldpolitik wird durch die Tatsache erschwert, dass die wirtschaftliche Entwicklung in der Praxis fortwährend von Schocks be-einflusst wird, die von einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen herrühren.

So können sich beispielsweise Öl-preisänderungen oder Änderungen an-derer Rohstoffpreise oder adminis-trierter Preise kurzfristig direkt auf die Inflation auswirken. Darüber hinaus können sich auch die Entwicklung der Weltwirtschaft oder f inanzpolitische Entwicklungen auf die gesamtwirt-schaftliche Nachfrage und somit die Preise auswirken. Zudem werden die Preise für finanzielle Vermögenswerte und die Wechselkurse neben der Geld-politik von einer Vielzahl anderer Fak-toren beeinflusst. Die Geldpolitik muss daher nicht nur die Übertragung geldpolitischer Maßnahmen überwa-chen, sondern auch alle anderen für die künftige Inflation relevanten Ent-wicklungen berücksichtigen, um zu vermeiden, dass sich diese in einer Weise in den längerfristigen

Infla-tionstrends und -erwartungen nieder-schlagen, die nicht mit Preisstabilität vereinbar ist. Der erforderliche geld-politische Kurs hängt stets von Be-schaffenheit, Ausmaß und Dauer der wirtschaftlichen Schocks ab. Für die Zentralbank ist es eine ständige Her-ausforderung, zu erkennen, welche Faktoren die Preisentwicklung be-stimmen, um angemessene geldpoliti-sche Maßnahmen ergreifen zu können.

Zentralbanken sehen sich also in der Regel mit einem komplexen Geflecht ökonomischer Wirkungszusammen-hänge konfrontiert. Angesichts dieser Komplexität orientieren sie sich bei der Ausrichtung bzw. Gegenprüfung ihrer Maßnahmen oftmals auch an ein-fachen Faustregeln. Eine dieser Regeln basiert auf der Tatsache, dass es sich bei Inflation mittel- bis langfristig betrachtet immer um ein monetäres Phänomen handelt. Nach dieser Regel müssen Zentralbanken die Geldmen-genentwicklung im Auge behalten, um Inflationstrends abschätzen zu können.

Obwohl sich die Verwendung empiri-scher Methoden zur Quantif izierung des Transmissionsmechanismus und seiner Übertragungskanäle in den letz-ten Jahrzehnletz-ten als äußerst hilfreich erwiesen hat, haben die Ergebnisse den zugrunde liegenden komplexen Prozess nur teilweise beleuchten kön-nen. Darüber hinaus dürfte sich die EZB einem sogar noch etwas höheren Grad an Unsicherheit gegenübersehen als viele andere Zentralbanken, da sie die Verantwortung für einen völlig neuen Währungsraum übernommen hat. Zudem könnten institutionelle und verhaltensmäßige Veränderungen nach der Einführung der Einheitswährung Anfang 1999 die Beziehungen zwi-schen verschiedenen ökonomizwi-schen Variablen verändert haben. Inzwischen

Die über den Trans-missionsprozess

Kasten 3.1 Empirische Erkenntnisse über die geldpolitische Transmission