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Der erste Zyklus des Aktionsforschungsprojekts (2016-2017)

Im Dokument Grüne Chemie im Chemieunterricht (Seite 34-39)

Der erste wissenschaftlich begleitete Durchgang der Unterrichtsreihe und deren Evaluation durch die Aktionsforschergruppe aus Dortmund sowie durch qualitative Methoden der Sozialforschung (z. B.

Mayring, 2016; Strübing, 2018) fand im Schuljahr 2016 bis 2017 statt. Hierfür wurden die Materialien und Experimente aus der Prophase verwendet, die damals nur einen Bruchteil von den aktuell

verfügbaren Materialien umfassten. Zahlreiche Arbeitsblätter, Experimente, Medien und Sozialformen wurden in der ersten Phase des Projekts (und auch später in den folgenden Zyklen) z. B. durch Gruppendiskussionen und Teilnehmende Beobachtung (Mayring, 2016) zusammen mit den Schülerinnen und Schülern und mit der Aktionsforschergruppe im Hinblick auf folgende Aspekte reflektiert und nachträglich optimiert:

• Umfang

• Layout

• Textverständnis

• Experimentelles Design

• Fachlicher und inhaltlicher Anspruch

• Aufgabenstellungen (Operatoren, Anforderungsbereiche, Binnendifferenzierung, Sozialformen)

• Ausgewogenheit zwischen Text und Bild

• Motivationales Design

Basierend auf den Gruppendiskussionen entstand in dieser ersten Phase auch die Idee, die ursprünglich als Gesamtheit konzipierte Unterrichtsreihe in einzelne, unabhängig voneinander zu unterrichtenden Modulen zu splitten, um so anderen Lehrkräften zu ermöglichen, je nach Kenntnisstand, Bedarf und Möglichkeit nur ausgewählte Aspekte der grünen Chemie zu thematisieren.

Parallel zur aktiven Unterrichtsphase wurde eine Fragebogenstudie zu Themen der nachhaltigen und grünen Chemie mit Schülerinnen und Schülern aus NRW und Bremen mit dem Ziel konzipiert, durch die unterrichtlichen Interventionsmaßnahmen einen belegbaren Effekt in der Veränderung der Kenntnisse und Einstellungen der Schülerinnen und Schüler gegenüber ausgewählten Parametern der grünen Chemie verzeichnen zu können. Den Ansatz und die Ergebnisse dieser Fragebogenstudie haben wir in Linkwitz und Eilks (2020, Anhang A) dargelegt, im Folgenden soll daher nur noch eine Zusammenfassung erfolgen.

4.3.2 Fragebogenstudien

4.3.2.1 Übersicht

Durch eine Fragebogenstudie sollten Schülereinstellungen, deren Kenntnisse und Interessen zur chemischen Industrie, Nachhaltigkeit und grünen Chemie dokumentiert und analysiert werden. Der Fragebogen enthält 36 Zustimmungs- und 6 offene Fragen als Prä- und Posttest (s. Anhang F). Die Zustimmungsfragen sind als Likert-Skala mit einer viertstufigen Skalierung (trifft nicht zu/trifft eher nicht zu/trifft eher zu/trifft zu) konzipiert. Sowohl die Zustimmungs- als auch die offenen Fragen sind in vier Fragenkomplexe unterteilt:

• Definition und Verständnis der Begriffe Nachhaltigkeit und Green Chemistry

• Einstellung gegenüber der Chemischen Industrie

• Einstellung gegenüber dem Einbezug der Themen Nachhaltigkeit und grüner Chemie in den Chemieunterricht

• Numerische Bewertung für die Relevanz der Themen

Die Zustimmungsfragen und offenen Fragen wurden einerseits gewählt, um Wissen und Verständnis über Nachhaltigkeit, Green Chemistry und industrieller Chemie einschätzen zu können und andererseits, um Hinweise über die individuelle Einstellung der Schülerinnen und Schüler gegenüber der industriellen Chemie und der Einbindung des Themas Nachhaltigkeit in den Chemieunterricht zu erhalten. Im Posttest mit dem gleichen Fragebogen sollte dann analysiert werden, ob sich nach der Unterrichtsreihe das Verständnis und die Einstellung der Schülerinnen und Schüler geändert hat.

Im ersten Zyklus wurden im Jahrgang 2016 bis 2017 326 Schülerinnen und Schüler der Einführungsphase aus NRW und Bremen über einen Prätest befragt. 41 Schülerinnen und Schüler stammten dabei aus zwei EF-Kursen des OHG, also aus der Schule, in der die Unterrichtsreihe über den gesamten PAR-Zyklus unterrichtet und erprobt wurde. Einer dieser EF-Kurse wurde von der Aktionsforschungs-Lehrkraft unterrichtet – in diesem Kurs wurde die Unterrichtsreihe daher auch zum ersten Mal systematisch wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die 21 Schülerinnen und Schüler dieses EF-Kurses wurden dann 2017 direkt im Anschluss an die Unterrichtsreihe mit dem gleichen Fragebogen einem Posttest unterzogen, um mögliche Lerneffekte und Einstellungsänderungen diagnostizieren und analysieren zu können. Es konnten 19 Rückmeldungen ausgewertet werden, da zwischenzeitlich 2 Schülerinnen und Schüler die Schule verlassen mussten.

4.3.2.2 Ergebnisse

Im Folgenden werden nur die Ergebnisse in den Blick genommen, die sich vor allen Dingen auf die Kenntnisse zur grünen Chemie und die Relevanz dieses Themas aus Schülersicht beziehen, eine umfangreichere Auswertung sämtlicher Parameter findet sich in (Weichelt, 2018). Die geschlossenen Fragen aus dem Prätest wurden quantitativ und die offenen Fragen mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2016) ausgewertet.

Der Prätest belegt, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler (ca. 70%) eine umweltbezogene Vorstellung von Nachhaltigkeit haben. Sehr wenige Schülerinnen und Schüler sind dagegen in der Lage, eine aktuelle Definition des Begriffs, das Drei-Säulen-Konzept, zu nennen. Im Hinblick auf grüne Chemie assoziieren die Schülerinnen und Schüler (ca. 40%) umweltschonendes Arbeiten. So schreiben einige Schülerinnen und Schüler: “Unter Green Chemistry kann ich mir vorstellen, dass chemische Herstellungsprozesse so optimiert werden, dass sie umweltfreundlicher sind, heißt kein oder nur

wenig CO2 in die Luft abgeben und nur nachwachsende Rohstoffe verwendet werden.“ Ein kleiner Teil der Schülerinnen und Schüler schreibt: “Grüne Chemie ist etwas, was sich gut anhören soll, aber in Wirklichkeit nichts anderes ist als Chemie.“ Die Schülerinnen und Schüler sind in diesem Bereich eher unzureichend informiert. Sie verbinden grüne Chemie mit Begriffen wie “gut“, “umweltfreundlich“,

“umweltschonend“. Kein einziger Schüler ist in der Lage, die 12 Prinzipien der grünen Chemie zu nennen. Der Prätest zeigt deutlich, dass ein großes Unwissen über grüne Chemie herrscht.

Im Prätest sind sich die Schülerinnen und Schüler zu ca. 60% einig, dass das Thema Nachhaltigkeit in den Chemieunterricht eingebunden werden sollte. Ein interessantes Ergebnis ist die Frage nach der Wichtigkeit des Lernens über Themen wie Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Die Schülerinnen und Schüler sollten auf einer Skala von 1-10 (1 = unwichtig; 10 = sehr wichtig) einschätzen, für wie wichtig sie diese im Allgemeinen bzw. im Chemieunterricht erachten. Die Wichtigkeit dieser Bildung im Allgemeinen liegt im Schnitt bei 8 Bewertungspunkten, der Chemieunterricht hingegen wird von den Schülerinnen und Schülern mit durchschnittlich 6,5 Punkten bewertet und erfährt dadurch eine “eher wichtig“ bis “wichtige“ Position.

Der Posttest, dessen geschlossene Fragen quantitativ und dessen offene Fragen aufgrund der geringen Stichprobe nur in Ansätzen mit einer qualitativen Inhaltsanalyse durch Paraphrasierung, Kategorisierung und Explikation (Mayring, 2016) ausgewertet wurde (s. Anhang G) weist darauf hin, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler nach der kompletten Unterrichtseinheit den Begriff Nachhaltigkeit in Bezug auf seine umweltbezogene Dimension richtig definieren können. So schreibt ein Schüler: „Ich denke, Nachhaltigkeit ist die Schonung fossiler Rohstoffe und Nutzung regenerativer Rohstoffe. Bei der Produktion und beim Abbau wird die Produktion schädlicher Stoffe verhindert.“ Bei der Frage nach grüner Chemie ergibt sich ein im Vergleich zum Prätest eindeutiges Ergebnis: Alle Schülerinnen und Schüler sind nun in der Lage, den Begriff zu definieren und auch die 12 Prinzipien zu nennen. Exemplarisch seien hier 2 Schülerantworten genannt:

• „Green Chemistry ist Chemie, die nach 12 Prinzipien daran arbeiten, die chemische Industrie so nachhaltig wie möglich zu machen (z. B. bei der Produktion so wenig Abfall wie möglich zu produzieren).“

• „Ich kenne die 12 Prinzipien, an denen sich eine Firma/Industrie halten muss, wenn sie ihre chemischen Prozesse als „green“ ausgeben. Bei der Produktion darf kein Abfall entstehen, vor allem die Treibhausgase nicht. Green Chemistry steht für die nachhaltige Chemie.“

Im Posttest sind sich alle Schülerinnen und Schüler einig, dass das Thema Nachhaltigkeit zukünftig stärker in den Chemieunterricht eingebunden werden sollte. Einige Schüleraussagen sollen dies verdeutlichen:

• „Ja, ich finde, es (das Thema Nachhaltigkeit) sollte stärker eingebunden werden, weil man in frühen Jahren wissen sollte, was für die Umwelt am besten ist.“

• „Vor der Unterrichtsreihe hatte ich eine sehr negative Einstellung chemischen Industrien gegenüber, doch inzwischen bin ich beeindruckt davon, wie weit sie es im Bereich Umwelt geschafft haben.“

• „Nachhaltigkeit ist ein zentraler Aspekt der Chemie, deshalb muss sie im Chemieunterricht ausführlich behandelt werden.“

• „Ich finde, das Thema sollte unbedingt stärker im Chemieunterricht eingebunden werden, da dies ein sehr aktuelles und wichtiges Thema ist. Jeder hat das Recht, über dieses Thema aufgeklärt zu werden, um im Nachhinein bewusster im Hinblick der Nachhaltigkeit zu handeln.“

Im Hinblick auf die oben genannte Gewichtung von Themen wie Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit ergibt sich nach der Unterrichtsreihe ein bemerkenswertes Ergebnis: Die Wichtigkeit der Bildung im Allgemeinen liegt im Schnitt bei 8,8 Bewertungspunkten, also im Vergleich zum Prätest eine geringfügige Erhöhung. Die Bedeutung dieser Themen für den Chemieunterricht hingegen wird von den Schülerinnen und Schülern nach der Intervention mit durchschnittlich 8,6 Punkten bewertet und erfährt dadurch eine deutliche Aufwertung um mehr als 2 Bewertungspunkte. Die Schülerinnen und Schüler geben mehrheitlich an, dass das Thema Nachhaltigkeit gerade auch im Chemieunterricht einen Schwerpunkt bilden sollte.

4.3.2.3 Diskussion

Die Ergebnisse der Posttests deuten darauf hin, dass sich zum einen die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler durch die Unterrichtsreihe geändert haben und zum anderen, dass einige der gewünschten operationalen Ziele umgesetzt werden können (siehe Abb. 7). In allen Fragebereichen lässt sich jeweils eine deutliche Verschiebung der Schüleraussagen in der Likert-Skala indizieren, im Hinblick auf die Lerneffekte zur grünen Chemie sogar teilweise um bis zu über 2 Bewertungspunkte. Die Lernenden geben zudem durchweg an, dass sie die Einbindung der grünen Chemie in den Chemieunterricht für notwendig und essenziell halten.

Abbildung 7: Ausgewählte Ergebnisse (Durchschnittswerte) zu den Zustimmungsfragen der Prä- und Posttests des ersten Zyklus (1 = trifft nicht zu; 4 = trifft zu)

Da die Unterrichtsreihe vornehmlich die ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit in den Blick nimmt, ist es nicht verwunderlich, dass die Schülerinnen und Schüler im Posttest weder die ökonomische noch die soziale Dimension von Nachhaltigkeit erwähnen. Die Unterrichtsreihe soll daher zukünftig so erweitert werden, dass auch diese Dimensionen stärker eingebunden werden sollen, auch wenn es schwierig ist, für diese Dimensionen konkretes Datenmaterial für den Unterricht zu sichten (Zowada et. al., 2020).

4.4 Der zweite und dritte Zyklus des Aktionsforschungsprojekts

Im Dokument Grüne Chemie im Chemieunterricht (Seite 34-39)