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3 . Der Anonymus des al - Razi

Die Biographie des Ptolemaios Chennos ist der arabischen Welt ausschliefslich durch die Vermittelung des Ishäq ibn Hunain bekannt . Das anonyme yevog, das dieser mit ihr in seinem Ta'rlch al -atibbä ' verschmolz , fanden wir unabhängig von ihm in weiten Kreisen der Litteratur wirksam . Die dritte der arabischen Lebens¬

beschreibungen des Philosophen , von denen wir Reste besitzen , ist ihm überhaupt nicht zu Gesicht gekommen , oder er hat sie bei der Zusammenstellung seines Materials absichtlich ignoriert . Das ist die von Lippert als neuplatonisch erkannte Biographie , die mit der¬

jenigen des Anonymus Ishäqs verschmolzen al -Mubassir in einer Mittelquelle vorlag , in welcher wir das Kitab slrat al-hiücama al -Räzls vermuten durften .

Ein verwandter syrischer Text läfst sich hier nicht wie bei den beiden anderen Quellenschriften der Araber über das Leben des Ari¬

stoteles dem arabischen zur Seite stellen . Auch an bestimmten Merk¬

malen , die wie bei der Biographie des Ptolemaios ohne alles Wei¬

tere die Abhängigkeit des arabischen von einem syrischen Texte bewiesen , fehlt es hier . Aber an solchen Merkmalen fehlte es auch bei dem Anonymus Ishäqs , und doch stellte hier das erhaltene anonyme syrische yevog die Mittelstufe einer syrischen Übersetzung zwischen der arabischen und dem griechischen Originale aufser allen Zweifel . Es ist daher gewifs ein Gebot der Vorsicht , auch bei die¬

ser dritten Biographie dieselbe Mittelstufe wenigstens als Möglich¬

keit ins Auge zu fassen . Wenn man jedoch bedenkt , dafs durchweg , so weit wir sehen , die Schriften des Aristoteles selbst wie Quellen¬

schriften zur Philosophengeschichte den Arabern durch die Vermit¬

telung syrischer Übersetzungen bekannt wurden , so wird die An¬

nahme einer syrischen Grundlage für die neuplatonischen Nachrichten al -Mubassirs sogar entschieden wahrscheinlicher genannt werden dürfen als die entgegengesetzte . Genaueres würde sich freilich nur dann feststellen lassen , wenn auch hier eines Tages ein syrischer Paralleltext gefunden werden sollte . Nicht einmal darüber dürfte eine Vermutung leicht zu wagen sein , ob, die Existenz einer syri¬

schen Übersetzung einmal vorausgesetzt , diese oder erst eine aus ihr geflossene arabische von al -RäzI benützt wurde . Denn min¬

destens ausgeschlossen ist die Kenntnis des Syrischen bei dem Weit¬

gereisten nicht .

Ebenso dunkel als ihr Schicksal im Orient bleibt der Ursprung dieser zweiten anonymen Biographie . Dafs der Orient sie in der Form eines ziemlich gedrängten yevog, und dafs er sie in dieser Form aus der Hand des Neuplatonismus erhielt , ist zweifellos . Ob aber diese Form die ursprüngliche war , ob das syrisch , beziehungsweise .

Einleitende Bemerkungen . 127 arabisch übersetzte Scbriftcheu erst in späten neuplatonisclien Krei¬

sen entstanden , unmittelbar durch neuplatonischen Geist geschaffen war , oder ob es nur einen in jenen Kreisen umgehenden Auszug aus einem älteren und umfangreicheren ßCog 'ÄQiStotiXovg bildete , möchte schon schwerer zu entscheiden sein. Die das Ganze beherrschende Anschauung von der wesenhaften Einheit der platonischen und ari¬

stotelischen Philosophie ist keineswegs erst Eigentum des Neupla -tonismus . Schon für Antiochos von Askalon war sie ein Eck¬

stein seines synkretistischen Systenies . Das geht deutlich aus Allem hervor , was wir namentlich durch Cicero über dieses wissen . Schon ihm waren '.äxad^fia 'Cxoi und JJsQiJCarijTixoC von Hause aus eines und dasselbe (de finibus IV 2 , 5 ), beider Lehre ein einziges slSog cpiloßoyiug (academica priora 4, 17 ), eine Unterscheidung für die Zeit der älteren Akademie allermindestens eine Unvorsichtigkeit (ebenda

6, 22 ), und mit Ubergehung des Speusippos hier Xenokrates , dort Aristoteles der Fortpfianzer der einen platonischen Tradition (acade -mica jposteriora 5, 15 . 44 , 136 . 45 , 137 ). Dafs wir , wie Lippert

S. 37 annimmt , schlechthin in der Zeit des Porphyrios " einen ter -minus post quem für die Entstehung unserer Biographie zu erkennen hätten , kann daher nicht zugegeben werden . Vollends dafs etwa Porphyrios selbst ihr Urheber sei, ist eine durch nichts begrün¬

dete , völlig in der Luft schwebende Vermutung Lipperts a. a. 0 . Denn auf den von Wenrich S. 283 unter Porphyrios aufgeführten Titel ywJlLUa *«^! 'U «J6 ^Laxi»! <~) \zf d. h. Buch der Epitome der Philosophie des Aristoteles " hätte er sich zumal im Widerspruche zu einer entgegengesetzten Anschauung Steinschneiders besser nicht berufen . Wir kennen die arabischen Quellen Wenrichs , und , da jener Titel thatsächlich sich in keiner derselben findet , ist er ein für allemal in das Land des Mythos zu verweisen , — als eine der

— ja keinegswegs seltenen — Ungenauigkeiten des ersten Versuches einer Darstellung der griechischen Studien des Orients , und, da Wenrich andererseits das Fihrist I 254 unter dem gleichen Titel verzeichnete Werk tcsqI 'AQiöToti^ovg cpiXoooyCug des Nikolaos von Damaskos nicht nennt , wird wohl geradezu eine Verwechselung mit diesem vorliegen .

Mit einem non liquet werden wir endlich auch von einer in jedem Falle stark verdorbenen Stelle des Anonymus scheiden , die zum Schlüsse hier kurz erwähnt werden mufs, S. 128 , zwölfte Zeile, in der Ubersetzung . Wie die Worte al -Mubassirs lauten , werden hier Epikuros und Pythagoras als Beispiele philosophischer Opposition gegen Poesie , Rhetorik und Grammatik angeführt . Lippert wufste keine Vermutung auszusprechen , wie das entschiedene Quidproquo entstanden sein könnte . Es wäre nicht unmöglich , dafs ein syrischer oder arabischer Übersetzer einen griechischen Relativsatz falsch be

-zogen hätte , und dafs die beispielsweise genannten Namen von Rechts wegen an das unmittelbar vorhergehende (jAc . l&xJ \ d. h. die¬

jenigen , welche sich damit abgaben " anzuschliefsen gewesen wären .

c

Dann könnte sehr wohl in ^ yiöi ein y *** *^ und (JIJ^.jyc . d . h. Hip -pias und Gorgias " zusammengefallen , ^ ^jjußjS aber aus y^ .yuS .ji

d. h . Protagoras " verdorben sein , woran schon Lippert dachte , allerdings nur um diesen Gedanken — wie mir scheint , ohne durch¬

schlagenden Grund — sofort selbst wieder abzuweisen . Aber frei¬

lich , eben mehr als eine beiläufige Vermutung will auch dieser Er¬

klärungsversuch keineswegs sein.

Nach diesen Vorbemerkungen gebe ich der Vollständigkeit halber eine Übersetzung auch dieser nur in arabischem Texte erhaltenen Reste einer Aristotelesbiographie . Die Charakteristik des Philo¬

sophen , wie sie von al -Mubassir ausgeführt wird , bleibt hierbei aufser Betracht , weil es doch zu fraglich ist , ob und welche grie¬

chische Überlieferungsreste in ihr enthalten sind1). Al -Mubassir

(vgl . Lippert , Studien S. 4 — 11 ).

Als er ein Alter von 8 Jahren erreicht hatte , brachte ihn sein Vater nach der Stadt Athen , die als die Stadt der Weisen bekannt ist , und er verweilte im dortigen Lykeion . Es gab ihn sein Vater in die Schule bei den Dichtern und Rhetoren und Grammatikern , und er blieb ihr Schüler 9 Jahre hindurch . Und es war der Name dieser Wissenschaft — zu verstehen : der Sprachwissenschaft — bei ihnen ^ eyxvxXiog, weil alle Menschen ihrer bedürfen , da sie das Werk¬

zeug und die Leiter zu jeder Weisheit und Vortrefflichkeit ist und zu der Klarlegung , durch die jede Wissenschaft realisiert wird . Nun gab es unter den Weisen solche , die die Wissenschaft der Rhetoren und der Lexikographen und der Grammatiker gering schätzten und diejenigen verdammten , welche sich damit abgaben , darunter Epi -kuros und Pythagoras (sie !). Sie meinten , dafs man ihrer Wissen¬

schaft für die Weisheit in keiner Hinsicht bedürfe , weil die Gram¬

matiker Lehrer für kleine Jungen und die Dichter Erfinder von Nichtigkeiten und Lügner und die Rhetoren Verläumder und Lieb¬

diener und Wortfechter seien . Als dies Aristoteles zu Ohren kam , übernahm er ihre Vertretung und verteidigte die Grammatiker und Rhetoren und Dichter und verfocht ihre Sache und sagte : Die Weis

-1) Denn mindestens möglieh bleibt es, dafs die Personalbeschreibungen al-RäzIs auf einem der von Hunain (bei Löwenthal S. 51) bezeichneten Co¬

dices mit byzantinischer Miniaturmalerei ^zurückgehen . Dafs diese aber sonder¬

lich noch von alter prosopographischer Überlieferung beeinflufst gewesen sein sollten , ist höchst unwahrscheinlich .

.Übersetzung der Fragmente . 129 heit kann ihre Wissenschaft nicht entbehren , weil die Logik das Werkzeug ihrer Wissenschaft ist ." Auch sagte er : Der Vorzug des Menschen vor den Tieren besteht in dem logischen Vermögen , und der wahre Mensch ist derjenige , welcher der treffendste ist in seinem Xöyog und der geschickteste in der Darstellung dessen , was seine Seele erfüllt , die richtigste Wortstellung in seinem Aöyog beobachtet und die schönste Auswahl des Lieblichen und Prägnanten bei ihm trifft , und weil die Weisheit der Dinge Edelstes ist , so ist es not¬

wendig , dafs ihre Darstellung mittels des klarsten X6yog und der beredtesten Zunge und der gedrängtesten Ausdrucksweise geschehe , die weit entfernt ist von Unrichtigkeit und Irrtum , von Häfslichkeit des loyog und von der Unschönheit sprachwidriger Wendungen und sprachlicher Unfähigkeit . Denn derartiges nimmt das Licht der Weisheit hinweg , schneidet die Mitteilung ab , verkümmert die not¬

wendige Klarheit , verwirrt den Hörer , verdirbt den Sinn und läfst die Ungewifsheit entstehen . Nachdem er nun die Wissenschaft der Dichter und Grammatiker und Bhetoren absolviert und sich völlig angeeignet hatte , wandte er sich zu den ethischen , politischen , ma¬

thematischen , physischen und theologischen Wissenschaften und wid¬

mete sich ganz allein Piaton und wurde sein Schüler und Lehrling . Er stand damals im Alter von 17 Jahren , und dies geschah an einem Orte , namens Akademeia zu Athen , der Stadt der Weisen . — Er empfing seinen Unterricht aus dem Munde Piatons selbst , und dieser überliefs ihn nicht dem Unterrichte seines Schülers Xenokrates , wie er es mit Anderen that , wegen des mächtigen Eindruckes , den er auf ihn gemacht hatte .

Als Piaton verschieden war , begab sich Aristoteles nach einem Orte in Athen , der Lykeion genannt wird , und gründete hier die Lehrstätte , die den XEQi %ttTr\XLXolcpMßocpoi zu eigen ist . Es gehörte nämlich zu den Ansichten Piatons : die Übung des Körpers durch mäfsige Bewegung , um das Überflüssige von ihm abzulösen , ist wie die Übung der Seele durch die Weisheit ", damit er die beiden Fälle

— der Übung der Seele und des Körpers vereinige . So empfahl er dies dem Aristoteles und Xenokrates , und diese pflegten die Schüler in der Weisheit zu unterrichten , indem Alle auf und ab gingen . Daher wurden sie und , wer sich ihnen anschlofs , als it£Qntatrixi,xoC bezeichnet , und (zwar ) blieb Xenokrates in der Akademeia , um da¬

selbst die Lehre Piatons zu lehren , und die gesamte Weisheit des Aristoteles und was er an Büchern über die Logik und sonst über die Weisheit verfafste , gehört dem Orte an , an den er sich begeben hatte , und der Lykeion genannt wurde , und hier legte er sie zur Aufbewahrung nieder , und seine Weisheit und seine Bücher pflegten zu jener Zeit die Wissenschaft , die Wahrheit zur Antwort giebt und des Anhörens wert ist , genannt zu werden .

Baumstark , Aristotolos b.d. Syrern . I. 9

Und Piaton tadelte ihn deshalb , weil er die Weisheit an die Öffentlichkeit brachte und Bücher über sie verfafste . Da antwortete er zu seiner Entschuldigung : Was die Kinder der Weisheit und ihre Erben anlangt , so geziemt es sich nicht , dafs wir ihnen etwas vorenthalten , und was ihre Gegner und die Verächter anlangt , so gelangen sie nicht zu ihr , weil sie ihres Wesens unkundig sind und einen Widerwillen gegen sie haben und vor ihr zurückschrecken und sie ihnen zu schwierig ist , und , wenn ich diese Weisheit dargestellt habe , so habe ich sie zugleich uneinnehmbar befestigt , so dafs die Thoren nicht in sie eindringen und die Unwissenden nicht zu ihr gelangen und die Zerfahrenen ihrer nicht Herr werden können , und sie in eine Ordnung gebracht , die den Weisen keine Schwierigkeiten bietet und von der Leugner und Lügner keinen Vorteil haben ."