• Keine Ergebnisse gefunden

Diskussion

5.2 Zeit-Frequenz-Analyse der EEG-Daten der endogenen und exo- exo-genen SABexo-genen SAB

5.2.1 Delta - Frequenzband

Die Ursache für die signifikant schwächeren Performanzen in Reaktionszeiten und den zwei neuro-psychologischen Tests als primäre Folge der neuroleptischen Medikation zu sehen, ist daher nicht angezeigt. Diese Annahme ist passend zu dem relativ hohen Funktionsniveau der Probanden der Patientengruppe. Zuletzt aufgeführte Überlegungen können auch vorsichtig dahingehend gedeutet werden, dass nicht per se von einem immensen Medikamenteneffekt auf die neuronalen Oszillationen der Patienten ausgegangen werden muss. Dieses ist natürlich nur als Annahme zu betrachten und müsste durch ein EEG mit entsprechender neurologischer Fragestellung verifiziert werden. Ebenso müsste für die Beurteilung des Effektes der Medikation streng genommen die Konzentration der Medikamente im Blut der einzelnen Teilnehmer bestimmt werden.

5.2 Zeit-Frequenz-Analyse der EEG-Daten der endogenen und

zeigten einen Anstieg v. a. der parietalen Delta-Aktivität (Mathes et al., 2006). Mittlerweile wird von einigen Autoren in Zusammenhang mit multistabiler Verarbeitung von einer späten positiven Komponente berichtet (engl.: Late Positive Component, LPC).

Konsens ist die enge Beziehung zur P300 und die Reflektion der kognitiven Evaluation des Re-versionsprozesses von späteren positiven Komponenten bei ambiguer Wahrnehmung (Kornmeier &

Bach, 2012; Russo & De Pascalis, 2016). Die P300 wird übereinstimmend mit kognitiven Prozessen wie Aufmerksamkeitsausrichtung, Reizdiskrimination und Arbeitsgedächtnis in Verbindung gebracht (Picton, 1992). Die Befunde zu reduzierten P300-Komponenten in Zusammenhang mit kognitiven Leistungsdefiziten bei schizophren Erkrankten oder Risikogruppen für die Erkrankung wurden häufig repliziert und gelten als robust (Polich & Herbst, 2000).

Die vorliegenden Ergebnisse dieser Studie sind dahingehend literaturkonform mit Başar-Eroğlu et al. (1993) und weiteren Veröffentlichungen, dass die Gesamtmittelungen der endogenen SAB für beide Untersuchungsgruppen eine Positivierung, einhergehend mit dem Reversionprozess, im Delta-Band zeigen. Dies kann, mit Einbezug vorliegender Untersuchungsergebnisse, für beide Gruppen als Nachweis des Reversionsprozesses unter Beteiligung von Kognition gedeutet werden.

Die hier vorliegende maximale Ausprägung der Komponente über parietalen, zentralen und okzipitalen Arealen für beide Gruppen und beide Untersuchungsbedingungen bestätigt frühere Untersuchungs-ergebnisse, welche die größte Ausprägung der reversionsgebundenen Delta-Antwort ebenfalls über posterioren Arealen und frontal am geringsten verorteten (Başar-Eroğlu et al., 1993; Mathes et al., 2006). Diese gefundene Topografie kann hier durch visuelle Inspektion der ERSP-Plots erneut be-stätigt werden. Die Variation des zeitlichen Auftretens der RGP ist in großem Maße abhängig von den unterschiedlichen Reaktionszeiten der Teilnehmer, die bei diesem endogenen Paradigma ohne exogenen Reiz intra- und interindividuell sehr variabel sind.

In der Patientengruppe ist während ambiguer Wahrnehmung durchgängig eine reduzierte Amplitude der reversionsgebundenen Positivierung zu verzeichnen, auch deutlich über parietal, wo die Kontrol-len ihr Maximum aufweisen. Hier bedürfte es einer genauen statistischen Prüfung, ob die Grundlage dieser Amplitudenreduktion per se auf geringere Amplituden auf Single-Sweep-Ebene oder auf eine größere Variabilität der zeitlichen Antworten der Gruppe zurückzuführen ist. Da dies nicht primäres Untersuchungsziel war, wurde auf eine tiefer gehende Analyse verzichtet. Wären ausschließlich größere Latenzzeiten der Antwortreaktionen für die Amplitudenreduktion ursächlich, wären die Gipfelampli-tuden im Delta-Band der Patientengruppe jedoch später zu erwarten.

Eine eingehende visuelle Inspektion der Single-Sweeps offenbarte, dass die Teilnehmer der Patienten-gruppe sowohl eine generell reduzierte Amplitude der Delta-Antworten, als auch ein größere Schwan-kungen (engl.: latency jitter) im Sinne einer größeren Variabilität der Antwort aufwiesen (Abb. 4.25).

Dieses kann die Befunde von Ergen et al. (2008) bestätigen. Die Autoren fanden für schizophrene Probanden eine signifikante Reduktion evozierter Delta-Power sowie reduzierte P300-Komponenten, jedoch keine Reduktion der totalen Delta-Power (inklusive nicht phasengebundener Delta-Power).

Dies interpretieren die Autoren als Nachweis für eine schwächere Phasenkohärenz der Amplituden der Delta-Oszillationen innerhalb der Patientengruppe. Dieses stützt wiederum die allgemeine Hypothese einer gestörten zeitlichen Integration und Interaktion von oszillatorischer Aktivität (vgl. Başar-Eroğlu et al., 2009).

Başar-Eroğlu et al. (1992) legen dar, dass EKPs als ein Resultat der Modulationen von

oszillato-rischer Aktivität in den verschiedenen Frequenzbändern anzusehen sind. Ebenfalls beschreiben die Autoren, dass die Power niederfrequenter, ereigniskorrelierter oszillatorischer Aktivität während vieler Informationsverarbeitungsprozesse mit kognitiver Beanspruchung zunimmt (vgl. Başar, Başar-Eroğlu et al., 2001). Vor allem die langsamen Frequenzen des Delta- sowie des Theta-Bandes scheinen für die Genese der bekannten P300-Komponente verantwortlich (Ergen et al., 2008; Mathes et al., 2012) und werden mit der Integration von Informationen über weiter entfernt liegende Gehirnareale assoziiert (Başar, Başar-Eroğlu et al., 1999; Başar-Eroğlu et al., 1992; Harmony, 2013).

Aufgrund der langen Schwingungsdauer von Delta-Oszillationen wurden die kurzen 2000 ms-Daten-epochen im Delta-Band keiner statistischen Berechnung unterzogen. Folgende Diskussion beruht auf den ERSP-Darstellungen, die deskriptiv ausgewertet wurden. Es zeigt sich sowohl für die Gruppe der schizophrenen Patienten als auch die der Gesunden in den ERSP-Darstellungen bei der exogenen und endogenen SAB ein reversionsgebundener Delta-Anstieg im Vergleich mit der Basisaktivität der Non-Reversion-Phasen (Abb. 4.35 & 4.36).

Die über die Farbe kodierte zu- oder abnehmende Delta-Power in Dezibel (dB) zeigt sich in den nach Stimulus konvertierten Daten hinsichtlich des Zeitverlaufes kongruent mit der starken Positivierung 500 ms nach Stimulus-Onset in den EKPs. Hier wird offensichtlich, dass die frontale, parietale und tendenziell die okzipitale Delta-Antwort der Patientengruppe in vergleichbarer Intensität mit der von den Kontrollen erst ca. 100 ms später einsetzt und die Power über den Zeitbereich grundsätzlich schwächer zu sein scheint (Abb. 4.26).

Die ERSP-Plots legen für die Patienten innerhalb der exogenen SAB, nach Knopfdruck konvertiert, ein zentrales Maximum der Delta-Power und ein um ca. 50 ms bis 100 ms verspätet einsetzendes Ma-ximum der Synchronisation rechts-parietal nahe. Darüber hinaus scheint die zentrale Delta-Antwort früher einzusetzen und im Bereich von einem Hertz länger mit einer erhöhten Power aufzutreten als für die Kontrollen.

Die Kontrollen sowie die Patienten zeigen für die endogene SAB die maximale Power-Zunahme über parietal, die Patienten jedoch nur über P3. Die Schizophreniepatienten weisen hier im Vergleich zur Kontrollgruppe frontal, rechts-parietal sowie okzipital eine leicht geringere Zunahme der Delta-Power bei reversionsgebundener Gehirnaktivität auf.

Diese Ergebnisse stützten das Ergebnis eines Delta-Maximums über zentralen Regionen von Schi-zophreniepatienten von Ergen et al. (2008). Es fällt hier im Vergleich zu der frontal und parietal erhöhten Power der Kontrollen ab. Auch weist die Patientengruppe hier eine verlängerte mittlere Delta-Zunahme im unteren Frequenzbereich auf. Harmony et al. (1996) fanden eine Power-Zunahme im unteren Delta-Band bis ca. 3,5 Hz bei gesunden Probanden während einer Arbeitsgedächtnisauf-gabe und brachten dieses Ergebnis mit einer erhöhten Aufmerksamkeitszuwendung in Zusammen-hang. Bei Zusammenführung der Ergebnisse könnte der verlängerte Power-Anstieg der Patienten als kompensatorischer Mechanismus gedeutet werden, der der Bereitstellung von geforderten kognitiven Ressourcen bei der exogenen SAB dient.

Die gezeigte Power-Reduktion in der Patientengruppe in der endogenen SAB könnte Ausdruck ei-ner dysfunktionalen Koordination von neuronaler Aktivität für eine adäquate Reizverarbeitung über mehrere Kortexareale sein, besonders wenn uneindeutiges Stimulusmaterial vorliegt und sich eine Perzeptstabilisierung bzw. kohärente Objektwahrnehmung vornehmlich durch Einbezug von Top-Down-Mechanismen nicht durchsetzen kann.

Die signifikant verlängerten Reaktionszeiten der schizophren Erkrankten bei der exogenen SAB spie-geln dies auf der Verhaltensebene wider. Auch Bates et al. (2009) fanden eine reduzierte evozierte Delta-Aktivität von Schizophreniepatienten während einer visuellen Go/No-Go-Aufgabe über fronto-zentralen Regionen bei Patienten. Ergen et al. (2008) deuteten die größere Variabilität von Delta-Antworten von Schizophreniepatienten als Resultat einer inkonsistenteren neuronalen Antwortaktivi-tät von Neuronenverbänden. Niederfrequente Oszillationen werden als neuronale Korrelate der Infor-mationsintegration über weitere Gehirnregionen diskutiert. Eine Integration von Informationen über frontale und parietale Gehirnareale, welche durch die Ausprägung lokaler Delta- und Theta-Power widergespiegelt wird, wurde bereits von anderen Autoren mit Arbeitsgedächtnisleistungen assoziiert (Gulbinaite, van Rijn & Cohen, 2014; Sauseng, Griesmayr, Freunberger & Klimesch, 2010).