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Definition und Abgrenzung eines Corporate Governance-

Im Dokument Timo Schmidt (Seite 32-36)

innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte deutlich an Intensität gewonnen,25 wenn-gleich sich bisher in der wissenschaftlichen Diskussion kein einheitlicher Sprachge-brauch des Begriffs Corporate Governance herausgebildet hat.26 So wird unter der Corporate Governance-Diskussion eine Reihe ökonomischer und rechtswissenschaftli-cher Beiträge subsumiert,27 die je nach Zielsetzung der einzelnen Beiträge unterschied-liche Begriffsverständnisse und Abgrenzungen zugrunde legen.28 Unstrittig ist, dass sich Corporate Governance mit den Rahmenbedingungen der Unternehmensführung29 und Unternehmensüberwachung beschäftigt, um die Interessen einer oder mehrerer am

25 Vgl. Hilb (2008), S. 3.

26 Vgl. Bassen/Zöllner (2007), S. 93.

27 Vgl. Eppinger/Fischer/Rechkemmer (2008), S. 65; Kißler (2006), S. 543.

28 Vgl. Zöllner (2007), S. 8.

29 Unter Unternehmensführung wird im Folgenden der Prozess der Willensbildung, Willensdurch-setzung und Willenssicherung verstanden. Vgl. hierzu Becker (1990), S. 299.

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Unternehmen beteiligter Gruppen zu schützen.30 In diesem Sinne wurde bereits 1992 im Rahmen des Cadbury Report Corporate Governance definiert als „system by which companies are directed and controlled”.31Aus diesem allgemein gehaltenen Definiti-onsansatz hat sich in der wissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl verschiedener Be-griffsbestimmungen entwickelt, die sich grundsätzlich in eine engere und eine weitere Sichtweise der Corporate Governance unterteilen lassen.32

Die engere Sichtweise der Corporate Governance stellt dabei die Interessen der Share-holder in den Mittelpunkt der Betrachtung und findet insbesondere im angloamerika-nischen Raum Zuspruch.33 In der grundlegenden Arbeit von Shleifer und Vishney wurde das folgende Begriffsverständnis entwickelt: „Corporate governance deals with the ways in which suppliers of finance of corporations assure themselves of getting a return on investment“.34 Bei diesem Definitionsansatz werden zum einen die Probleme aus der Separation von Eigentum und Kontrolle thematisiert,35 zum anderen die Inte-ressen der Kapitalgeber durch die Maßnahmen der Corporate Governance als beson-ders schützenswert herausgestellt. Ein ähnliches Begriffsverständnis liegt dem Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance zugrunde. Im Rahmen des Schweizer Kodex wird Corporate Governance definiert als: “…die Gesamtheit der auf das Aktio-närsinteresse ausgerichteten Grundsätze, die unter Wahrung von Entscheidungsfähig-keit und Effizienz auf der obersten Unternehmensebene Transparenz und ein ausge-wogenes Verhältnis von Führung und Kontrolle anstrebt”.36 Neben der Fokussierung der Corporate Governance auf die Interessen der Shareholder werden im Schweizer Kodex damit explizit der Abbau von Informationsasymmetrie zwischen Unterneh-mensleitung und Anteilseignern durch Transparenz und die Reduktion opportunisti-schen Verhaltens durch Kontrolle der Unternehmensführung unter Hinweis auf die

30 Vgl. Bainbridge (2008), S. 6f; Bassen/Zöllner (2009), S. 44; Zöllner (2007), S. 11; Schenz /Eberhartinger (2004), S. 34.

31 The Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance (1992), S. 14.

32 Vgl. Weil (2002), S. 28; v. Werder (2008), S. 2; Bress (2008), S. 14-16, Salzberger (2000), S. 210.

33 Vgl. Schmidt/Weiß (2009), S. 162.

34 Shleifer/Vishney (1997), S. 737.

35 Vgl. Jensen/Meckling (1976), 308; Ross (1973), S. 134.

36 Economiesuisse - Verband der Schweizer Unternehmen (2008), S. 8.

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Angemessenheit der Maßnahmen nach Effizienz- und Effektivitätsgesichtspunkten thematisiert.37

Die Abgrenzung des durch Corporate Governance zu schützenden Interessenkreises unterscheidet dabei die enge Form der Corporate Governance von der weiten Form.

Während die enge Form die Shareholder als besonders zu schützende Anspruchsgrup-pe gegenüber den Unternehmen herausstellt, umfasst die weite Form der Corporate Governance zusätzliche Interessen von Stakeholdern.38 Insbesondere die Ausrichtung auf kurzfristige Gewinnmaximierung und die Vernachlässigung sozialer Aspekte im Rahmen der Shareholder-Orientierung sind wesentliche Kritikpunkte, die dem Corpo-rate Governance-Verständnis im engeren Sinne entgegengehalten werden.39 Als Bei-spiel eines Corporate Governance-Systems im weiteren Sinne wird häufig das durch Mitbestimmung geprägte System der Unternehmensüberwachung in Deutschland ge-nannt.40 Durch den Aufsichtsrat als institutionalisiertes, mit Anteilseignern und Mitar-beitern paritätisch besetztes Aufsichtsgremium ist die Überwachung der Unterneh-mensführung in Deutschland nicht auf die Interessengruppe der Anteilseigner be-schränkt, sondern zieht die Mitarbeiter als Stakeholder des Unternehmens in das Über-wachungssystem mit ein.41 Nach von Werder bezeichnet Corporate Governance ent-sprechend „…in einer Kurzformel den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens“.42 Dieser dem Corporate Gover-nance-Verständnis im weiteren Sinne zuzuordnende Definitionsansatz grenzt die zu schützenden Interessengruppen dabei nicht explizit wie bei der Shareholder-Orientierung ab, sondern überträgt die Abgrenzung der zu schützenden Interessen-gruppen in den jeweiligen Kontext des rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmens.

Damit besitzt Corporate Governance zum einen eine Verteilungsfunktion, indem fest-gelegt wird, nach welchen Interessen und Zielen der am Unternehmen beteiligten

37 Vgl. weiterführend zu Corporate Governance-Bestimmungen in der Schweiz Brühwiler (2007), S. 37-39.

38 Grundlegend zum Stakeholder-Ansatz vgl. Freeman (1984). Weiterführend vgl. Lehner/Nicolas (2005), S. 1005; Hilb (2008), S. 11; Pfriem (2008), S. 493f.

39 Vgl. Gomez/Gomez (2005), S. 1020-1022; Baden (2001), S. 400; Lehner/Nicolas (2005), S. 1012; Mausbach (2008), S. 201; Fleischer (2009), S. 186f; Speckbacher (1997), S. 633.

40 Vgl. Schmidt/Weiß (2009), S. 162; Kajüter/Linsley/Woods (2008), S. 10; Arbeitskreis ''Externe und Interne Überwachung der Unternehmung'' der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirt-schaft e.V. (2007), S. 177-180.

41 Vgl. Pistor (2009), S. 232-235.

42 v. Werder (2009b), S. 4; v. Werder (2004), 621.

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spruchsgruppen die Unternehmensführung und Unternehmensüberwachung in beson-derem Maße auszurichten sind. Neben der dem Gütererstellungsprozess nachgelager-ten Verteilungsfunktion richtet sich eine weitere Funktion der Corporate Governance auf die Ressourcenallokation.43 Somit hat die Gestaltung der Corporate Governance auch zu gewährleisten, dass die Unternehmensführung eine effiziente und effektive Verwendung der Unternehmensressourcen gewährleistet und die Entscheidungen des Managements auf das Entstehen und Erhalten eines gesunden Unternehmens ausge-richtet sind.44

In der vorliegenden Arbeit wird ein Shareholder-orientiertes Begriffsverständnis der Corporate Governance zugrunde gelegt. Dies wird damit begründet, dass zum einen mit der Fokussierung auf die Eigentümer des Unternehmens die Komplexität durch divergierende Interessen verschiedener Gruppen von Stakeholdern auf die Ziele einer wesentlichen Interessengruppe reduziert wird. Damit wird nicht die generelle Legiti-mität der Stakeholder-Interessen am Unternehmen in Abrede gestellt, sondern ein klar abgestecktes Zielsystem für die Bewertung von Corporate Governance durch die Kon-zentration auf eine Zielgruppe sichergestellt. Zum anderen werden die Stakeholder-Interessen durch Mechanismen wie Produkt- und Faktormärkte, ziviles und öffentli-ches Recht oder durch Interessenvertretungen weithin geschützt.45 Im Begriffsver-ständnis der vorliegenden Arbeit umfasst Corporate Governance hingegen eben diese Mechanismen und Instrumente, die auf den Schutz der Interessen der Eigentümer aus-gerichtet sind,46 und berücksichtigt die Interessen der Stakeholder als implizite Neben-bedingung zur Zielerreichung der Shareholder-Interessen. Damit wird Corporate Go-vernance für die vorliegende Arbeit wie folgt definiert:

43 Vgl. Middelmann (2004), S. 48.

44 Vgl. Zöllner (2007), S. 10; Mag (2001), S. 90. Zu Vorteilen einer effizienten Corporate Gover-nance aus einer Stakeholder-Perspektive vgl. Winkels (2006), 575f.

45 Vgl. Pistor (2009), S. 232-235; Neubürger (2003), S. 186f.

46 Vgl. Beiner (2005), S. 20.

Corporate Governance bezeichnet die Sicherstellung der verantwortungsvollen und zielorientierten Unternehmensführung im Sinne der Anteilseigner ohne eigene Leitungsrechte.

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