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Agency-Theorie als theoretischer Bezugsrahmen

Im Dokument Timo Schmidt (Seite 36-40)

Als theoretischer Bezugsrahmen für die Analyse von Corporate Governance-Zusammenhängen wird insbesondere auf die Agency-Theorie als Teil der Neuen Insti-tutionenökonomie zurückgegriffen.47 Die Neue Institutionenökonomie stellt dabei eine Abkehr von der neoklassischen Theorie der Unternehmung dar, unter deren Prämisse von Unternehmen durch reine Kombination von Inputfaktoren im Rahmen der Produk-tion an Produktmärkten absetzbare Outputleistungen erstellt werden. Die neoklassi-sche Sichtweise abstrahiert dabei von Transaktionskosten, asymmetrineoklassi-scher Informa-tionsverteilung und individuellem Verhalten der am Unternehmen beteiligten Perso-nen. Die Neue Institutionenökonomie stellt gerade diese innerbetriebliche Sichtweise durch eine Fokussierung auf Institutionen als Analyseobjekte in das Zentrum der Be-trachtung. Unter dem Begriff der Institution wird dabei ein System von formalen und informellen Normen und Regeln48 einschließlich Garantieleistungen wie Verfügungs-rechten oder korporativen Gebilden49 verstanden.50

Unternehmen können somit als „nexus of contracts“ gesehen werden,51 einer Instituti-on beteiligter Parteien, welche untereinander Verträge abschließen, um die wechselsei-tigen Leistungen und Gegenleistungen in der Beziehung zueinander zu regeln. Sind für alle möglichen zukünftigen Ereignisse Leistungen und Gegenleistungen zwischen den Vertragspartnern in den Verträgen definiert, liegen vollständige Verträge vor.52 Da die

47 Aus einer Stakeholder-Perspektive der Corporate Governance wird teilweise auch die Steward-ship-Theorie als theoretischer Bezugsrahmen diskutiert. Dabei lehnt die StewardSteward-ship-Theorie eigennutzenmaximierende Verhaltensweisen des Managers als „homo oeconomicus“ im Sinne der Neuen Institutionenökonomie ab. Die Stewardship-Theorie stellt hingegen, geprägt durch soziologische und psychologische Aspekte, selbstverwirklichende und kollektiv handelnde Ver-haltensannahmen von Managern in das Zentrum der Analyse. Vgl. in diesem Zusammenhang für eine Gegenüberstellung der Agency-Theorie und der Stewardship-Theorie als Bezugsrah-men der Corporate Governance Grundei (2007), S. 142-150. Da dieser Arbeit eine Shareholder-Perspektive der Corporate Governance zugrunde liegt, wird im Weiteren von der Stewardship-Theorie als theoretischem Bezugsrahmen abstrahiert.

48 Vgl. v. Hayek (1994), S. 177.

49 Simon führt in diesem Zusammenhang aus “[…] that the elaborate organizations that human beings have constructed in the modern world to carry out the work of production and govern-ment can only be understood as machinery for coping with the limits of man’s abilities to com-prehend and compute in the face of complexity and uncertainty.” Simon (1979), S. 501.

50 Für Systematisierung von Ansätzen zur Erklärung der Entstehung und Veränderung von Institu-tionen vgl. Picot/Fiedler (2002), S. 245.

51 Vgl. Alchian/Demsetz (1972), S. 794f; Jensen/Meckling (1976), S. 9; Wagenhofer (2009), S. 3;

Gillan (2006), S. 383.

52 Vgl. Williamson (1979), S. 236; Zingales (2000), S. 1633.

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zukünftigen Entwicklungen jedoch mit Unsicherheit behaftet sind und Transaktions-kosten der Informationsbeschaffung53 die Erfassung zukünftiger Entwicklungen er-schweren, wird realiter der Fall unvollständiger Verträge vorherrschen.

Die Agency-Theorie bildet in diesem Zusammenhang einen Analyserahmen für Auf-tragsbeziehungen zwischen einem beauftragenden Prinzipal und einem beauftragten Agenten.54

Dabei werden Entscheidungsrechte des Prinzipals aufgrund zeitlicher oder persönli-cher Restriktionen auf einen oder mehrere Agenten übertragen.55 Ist der Prinzipal in der Lage, die Arbeitsleistung des Agenten direkt zu beobachten und zu bewerten, kann der Prinzipal ein Ergebnis aus der Delegationsbeziehung vollständig in seinem Interes-se durchInteres-setzen (first-best Lösung).56 Herrscht jedoch Informationsasymmetrie schen den Vertragsparteien und sind die Verträge über die Delegationsbeziehung zwi-schen dem Prinzipal und dem Agenten unvollständig formuliert, ergeben sich für den Prinzipal Unsicherheiten über das Wohlverhalten des Agenten.57 Der Prinzipal kann in dieser Situation das risikobehaftete Ergebnis der Delegationsbeziehung entweder nicht beobachten oder ist nicht in der Lage, auf Basis des beobachteten Ergebnisses die tat-sächliche Arbeitsleistung des Agenten zu bewerten.58 Resultieren aus Regelungslücken

53 Transaktionskosten sind das Resultat von Marktunvollkommenheiten. Die Höhe der Transak-tionskosten entscheidet darüber, ob eine bestimmte Transaktion unternehmensextern über Märk-te oder unMärk-ternehmensinMärk-tern über die Verwendung einer Organisation abgeschlossen werden.

Vgl. Coase (1937), S. 390-398; Williamson (1971), S. 112; Fama/Jensen (1983), S. 327.

54 Die Ausführungen dieses Kapitels beziehen sich auf Agency-Beziehungen der Nachkontrakt-phase (moral hazard). Von den Agency-Konflikten der VorkontraktNachkontrakt-phase (adverse selection) wird in diesem Zusammenhang abstrahiert. Vgl. zu den Agency-Konflikten in den verschiede-nen Kontraktphasen Karmann (1992), S. 558.

55 Vgl. Bahar/Thévenoz (2007), S. 2f. Beide Parteien können dabei aus mehreren Personen beste-hen. Gründe für eine Trennung von Eigentumsrechten und Entscheidungsrechten können dabei in die Kategorien gesellschaftsmotivierte, gesellschaftermotivierte und anreizbezogene Gründe unterteilt werden. Gesellschaftsmotivierte Gründe resultieren primär aus strategischen, finanzi-ellen und operativen Überlegungen (bspw. Deckung des Kapitalbedarfs, Nachfolgeregelungen über die Lebensdauer der Gesellschaft). Gesellschaftermotivierte Gründe haben ihren Ursprung primär in individuellen Motiven der Gesellschafter (bspw. Konsumpräferenzen, Diversifikation des individuellen Vermögens). Anreizbezogene Gründe umfassen gesellschafts- und gesell-schaftermotivierte Gründe eines Interessenangleichs verschiedener am Unternehmen beteiligter Gruppen (bspw. Mitarbeiterbeteiligungen, Beteiligung anderer Stakeholder). Vgl. hierzu Hilpisch (2005), S. 66-75.

56 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2008), S. 368.

57 Vgl. Spremann (1990), S. 562.

58 Vgl. Spremann (1991), S. 622; Dierkes/Schäfer (2008), S. 20.

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in der Vertragsbeziehung zwischen Prinzipal und Agent Interessendivergenzen zwi-schen den Vertragsparteien, führen entstehende Interessenkonflikte zu Kosten aus Sicht des Prinzipals. Diese als Agency-Kosten bezeichneten Wohlstandsverluste des Prinzipals setzen sich in einem vereinfachten Modell aus zwei Komponenten zusam-men.59

Ein Bestandteil der Agency-Kosten sind die Residualkosten, die den Wohlfahrtsverlust des Prinzipals durch opportunistische Verhaltensweisen und eigennutzenmaximierende Entscheidungen des Agenten ausdrücken. Zur Reduktion der Residualkosten kann der Prinzipal seinerseits Monitoring-Maßnahmen ergreifen, die durch Überwachungs- und Kontrollaktivitäten den Entscheidungsspielraum für opportunistisches Verhalten des Agenten einengen.60 Diese Monitoring-Aktivitäten verursachen jedoch weitere Kosten, die ebenfalls durch den Prinzipalen zu tragen sind. Die Monitoring-Kosten erhöhen entsprechend neben den Residualkosten als zweiter Bestandteil den Gesamtumfang der Agency-Kosten.61 Da die Agency-Kosten vollständig durch den Prinzipalen zu tragen sind, ist entsprechend in diesem Rahmen aus Sicht des Prinzipalen ein Optimum er-reicht, wenn die Agency-Kosten als Summe aus Residualkosten und Monitoring-Kosten minimiert werden (second-best Lösung).62

59 Im ursprünglichen Modell nach Jensen und Meckling werden drei Komponenten der Agency-Kosten unterschieden. Vgl. hierzu Jensen/Meckling (1976), S. 305f. Im Folgenden wird ein ver-einfachtes Modell unter Ausschluss der Bonding-Kosten vorgestellt. Vgl. ausführlich zur Her-leitung des vereinfachten Modells Beiner (2005), S. 45-53.

60 Vgl. Schmitz/Wehrheim (2006), S. 47. Zur Managementpräferenz bezüglich der Strenge der Kontrollmaßnahmen durch das Regulierungssystem der Rechnungslegung vgl. Königsgruber (2009), S. 862f.

61 Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 311.

62 Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 325; Beiner (2005), S. 16.

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Abbildung 2: Modell der Corporate Governance63

Die Agency-Theorie eignet sich dabei durch die Trennung von Eigentums- und Lei-tungsrechten in Kapitalgesellschaften und großen Personengesellschaften, um die Be-ziehung zwischen Eigentümern und Managern im Unternehmen zu modellieren.64 Die Ausgestaltung der Corporate Governance-Mechanismen zur Sicherstellung einer ver-antwortungsvollen und zielorientierten Unternehmensführung im Sinne der Anteils-eigner beeinflusst dabei durch verschiedene Instrumente die Monitoring-Kosten durch Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen mit dem Ziel des Abbaus asymmetrischer Informationsverteilung und opportunistischer Entscheidungsspielräume.65 Auf Grund-lage dieser Überlegungen leitet sich das in Abbildung 2 visualisierte Modell der Cor-porate Governance ab.

63 In Anlehnung an Beiner (2005), S. 22; Zöllner (2007), S. 53; Bassen/Zöllner (2009), S. 47.

64 Vgl. Hahn (2000), S. 75; Tirole (2001), S. 1; Bainbridge (2008), S. 4-6; Jensen (1989), S. 61f;

Steiger (2001), S. 531.

65 Vgl. Günther (2003), S. 339f.

Anteilseigner

verur-sachen

Agency-Kosten

Manager Corporate

Governance-Mechanismen

beein-flussen

tragen tragen

Monitoring-Kosten

Residual-Kosten

verur-sachen senken

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