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Das visuelle Sinnessystem

3 Wahrnehmung, Verarbeitung und Umsetzung

3.2 Wahrnehmung von Informationen

3.2.1 Das visuelle Sinnessystem

Eine Informationsaufnahme mithilfe des visuellen Sinnes-systems setzt grundsätzlich voraus, dass sich die Infor-mationen im Gesichtsfeld des Menschen befinden. Eine zuverlässige Tiefenwahrnehmung aller Farben ist auf ca.

19° Winkelabweichung von der Sehachse in alle Richtun-gen begrenzt. Bei größeren Winkeln können Menschen noch Graustufen und Bewegungen erfassen, sofern nicht durch Kopfbewegungen ein größeres Blickfeld entsteht.

Für die Farbgestaltung von Informationsdarstellungen

sind sowohl Grenzwerte des menschlichen Sehraumes als auch seine Aufgaben zu berücksichtigen.

Bei ausreichenden Leuchtdichten kann der Mensch über die Farbrezeptoren der Augen (Zapfen) Farben von Blau-violett bis hin zu Purpurrot wahrnehmen. Dies entspricht einem Wellenlängenbereich von ca. 380 nm bis 780 nm aus dem Spektrum der elektromagnetischen Strahlung (siehe Abbildung 4). Wellenlängen außerhalb dieses Be-reichs sind zur Informationsdarstellung nicht geeignet.

Unterschiede zwischen Farben können Menschen nur bei ausreichender Helligkeit sicher erkennen und wenn sie im Spektrum und/oder in ihrer Intensität ausreichend weit auseinanderliegen. Das ist z. B. bei unterschiedli-chen Grundfarben (rot, blau, gelb) oder bei Schwarz-Weiß- Darstellungen der Fall. Im Spektrum zu nahe beieinander und daher schlecht unterscheidbar sind z. B. schwarze Schrift auf grauem Untergrund oder gelbe Linien auf wei-ßem Hintergrund.

Mithilfe von Hell-Dunkel-Rezeptoren (Stäbchen) auf der Netzhaut werden Helligkeitsabstufungen (Lichtintensi-täten) wahrgenommen. Bei Dunkelheit sind Farben allen-falls als Schwarz-Weiß-Unterschiede in Grauabstufungen erkennbar.

Die Softwaregestaltung sollte berücksichtigen, dass eine ausgewogene Leuchtdichteverteilung die Sehwahrneh-mung unterstützt. Große Helligkeitsunterschiede, die zu

rot ≈ 630 – 780 nm

orange ≈ 590 – 630 nm gelb ≈ 560 – 590 nm grün ≈ 490 – 560 nm blau/indigo ≈ 450 – 490 nm violett ≈ 380 – 450 nm

© Peter Hermes Furian/Fotolia

Abb. 4 Mithilfe eines Prismas wird „weißes“ Sonnenlicht in seine Spektralfarben zerlegt.

Wahrnehmung, Verarbeitung und Umsetzung von Informationen durch den Menschen

erhöhten Anforderungen an die Hell-Dunkel-Adaptation führen, sollten vermieden werden. Bei ausreichender Be-leuchtung sind die Leuchtdichten in der Umgebung und am Arbeitsplatz zudem so, dass bei Verwendung eines hellen Hintergrundes für die Bildschirmdarstellung mit weniger störenden Spiegelungen gerechnet werden kann.

Dies ist einer der Gründe, weshalb die Positivdarstellung (dunkle Schrift auf hellem Grund) von Software grundsätz-lich zu empfehlen ist.

Immer wenn ein Ausschnitt einer Bildschirmanzeige direkt angeschaut wird, fällt dieser Ausschnitt genau auf die Stel-le des schärfsten Sehens auf der Netzhaut (Netzhautgru-be/Fovea centralis) des Menschen (siehe Abbildung 5).

Soll ein größeres Sehobjekt auf der Bildschirmanzeige betrachtet werden, so werden zum scharfen Sehen Aus-schnitte von Sehobjekten nacheinander auf die Fovea centralis fokussiert. Dazu sind Kopfbewegungen oder Be-wegungen des Augapfels in Form von ruckartigen Blick-sprüngen (Sakkaden) notwendig (siehe Abbildung 6). Die Wahrnehmung eines größeren Sehobjekts auf der Bild-schirmanzeige, das aus mehreren Ausschnitten zusam-mengesetzt werden muss, benötigt mehr Zeit und ist mit einer höheren Belastung verbunden.

Um ein scharfes Bild zu erzeugen, muss die Brechkraft der Augenlinse ständig so verändert werden, dass unter-schiedlich weit entfernte Bilder auf der Netzhaut scharf

Netzhaut Regenbogenhaut

Augenlinse

Hornhaut

Lederhaut

Netzhautgrube

Sehnerv Glaskörper

Licht

Elektrische Impulse an das Gehirn Objekt

© poko42/Fotolia

Abb. 5 Prozess der visuellen Wahrnehmung

Abb. 6

Betrachtung eines Sehobjekts durch Blicksprünge auf Teile des Sehobjekts und Zusammenstellung als ganzes Sehobjekt

Wahrnehmung, Verarbeitung und Umsetzung von Informationen durch den Menschen

abgebildet werden. Diesen Vorgang der Brechkraftanpas-sung der Augenlinse nennt man Akkommodation (siehe Abbildung 7). Je größer der Entfernungsunterschied, desto mehr Zeit wird benötigt, um die optimale Akkommodation einzustellen und somit Gegenstände in verschiedenen Entfernungen zu erkennen. Zeiten von mehr als einer hal-ben Sekunde sind keine Seltenheit; der Zeitbedarf nimmt in der Regel im höheren Lebensalter zu. Bildschirmanzei-gen und andere Medien, die als Informationsquelle die-nen, sollten daher eine ähnliche Entfernung zum Auge haben. Sind unterschiedliche Entfernungen erforderlich, sollten Informationen nach Priorität strukturiert werden.

Die Anpassung des Auges an unterschiedliche Beleuch-tungsstärken (zum Beispiel Nachthimmel oder Sonnen-schein, dunkel oder hell) wird Adaptation genannt. Für die Adaptation sind die Regulierung des Lichteinfalls durch den Pupillenreflex sowie die Photorezeptoren der Netz-haut des Auges (Stäbchen und Zapfen) verantwortlich.

Die Adaptation im Bereich der Netzhaut ist ein langsamer Stoffwechselprozess, den der Mensch nicht beschleu-nigen kann. Für die vollständige Dunkeladaptation nach einem Aufenthalt bei Tageslicht mit plötzlichem Übergang in Dunkelheit werden ca. 40 Minuten benötigt. Auch wenn an Arbeitsplätzen, an denen mit Software gearbeitet wird, Übergänge nicht so extrem oder schnell auftreten, sind die Adaptationszeiten bei Darstellungen auf dem Bild-schirm zu berücksichtigen.

Die Farb- und Beleuchtungsbedingungen der Bildschirm-anzeige sind mit der näheren und weiteren Arbeitsumge-bung abzustimmen. Da während der Aufgabenbearbei-tung normalerweise Blickwechsel zwischen Bildschirm und Arbeitsumgebung stattfinden, sind hier geringe Hel-ligkeitskontraste zu empfehlen. Grundsätzlich sind neben einer Positivdarstellung auf dem Bildschirm auch helle und reflexionsarme Bildschirmgehäuse und Schreibtisch-oberflächen gefordert. Damit werden geringere Anforde-rungen an die Hell-Dunkeladaption der Augen gestellt und die Wahrnehmung der Informationen wird erleichtert.

Diese Grundorientierung der Software (mit Positivdar-stellung) ist dann auch die Vorlage für die Gestaltung der Bildschirmanzeigen innerhalb der Software.

Warum eigentlich Softwareergonomie?

Das visuelle System verrichtet bei der Tätigkeit am Bild-schirm Schwerstarbeit. Dateneingabe- oder Dialog-tätigkeit erfordern etwa 12.000 bis 33.000 Kopf- und Blickbewegungen zwischen Bildschirm, Tastatur und Vorlage sowie 4.000 bis 17.000 Pupillenreaktionen pro Arbeitstag. Bei der Arbeit am Bildschirm kann die Be-lastung der Augen und des Sehvermögens hoch sein und gesundheitliche Beschwerden können auftreten.

Darauf kann durch die Gestaltung der Software, der Mensch-System-Interaktion sowie der Schnittstellen umfangreich Einfluss genommen werden.

Ferneinstellung der Linse

A

B

Nahstellung der Linse

Lichstrahlen

(>6 m)

Hinterer Brennpunkt Zonulafasern gespannt

Ziliarmuskel entspannt Zonulafasern entspannt

Ziliarmuskel gespannt

!

Abb. 7

Akkommodation – Veränderung der Augenlinse zum Scharfstellen von  Sehobjekten

Wahrnehmung, Verarbeitung und Umsetzung von Informationen durch den Menschen