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Das Ober߬ achenintegral

Im Dokument Analysis in mehreren Variablen (Seite 31-35)

Das Oberfl¨achenintegral ist dem Kurvenintegral ¨ahnlich. Es berechnet aber nicht die Arbeit, sondern das Fl¨ussigkeitsvolumen, das pro Zeiteinheit durch ein Fl¨achenst¨uck fließt.

Sei G⊆R3 offen undV :G→R3 ein stetiges Vektorfeld, das wir als Geschwindigkeitsfeld interpretieren. Der VektorV(x) ist der Geschwindigkeitsvektor im Punktxeiner im Gebiet G str¨omenden Fl¨ussigkeit. Sei φ : B G eine Parameterdarstellung einer Fl¨ache in G, wobei B R2 ein Normalbereich ist. Wir nehmen an, dass φ im Innern von B stetige partielle Ableitungen besitzt. Wir berechnen das Fl¨ussigkeitsvolumen, das pro Zeiteinheit durch die Fl¨ache φ(B) fließt.

Dazu unterteilen wir B in kleine Rechtecke [xi1, xi]×[yj1, yj]. Der Fl¨acheninhalt des Fl¨achenst¨ucks R= φ([xi−1, xi]×[yj−1, yj]) ist dann n¨aherungsweise gleich dem Fl¨ achen-inhalt des durch die Vektoren φ(xi, yj)−φ(xi1, yj) (xi−xi1)D1φ(xi, yj) = a und φ(xi, yj)−φ(xi, yj−1) (yj −yj−1)D2φ(xi, yj) = b aufgespannten Parallelogramms. Sei c = V(φ(xi, yj)) der Geschwindigkeitsvektor im Punkt φ(xi, yj). Da V stetig ist, ist c n¨aherungsweise der Geschwindigkeitsvektor auf dem gesamten Fl¨achenst¨uck R. Das Fl¨ussigkeitsvolumen, das pro Zeiteinheit durch das Fl¨achenst¨uck Rfließt, ist daher gleich dem Volumen, das durch das Fl¨achenst¨uck Rbei Verschiebung um den Vektor cuberstri-¨ chen wird. Approximieren wir R noch durch das von den Vektoren a und b aufgespannte Parallelogramm, dann ist dieses Volumen gleich

c,a×b

=

V(φ(xi, yj)),D1φ(xi, yj)×D2φ(xi, yj)

(xi−xi−1)(yj −yj−1)

Das Fl¨ussigkeitsvolumen, das pro Zeiteinheit durch die gesamte Fl¨ache φ(B) fließt, wird dann durch die Summe dieser Volumina approximiert

P

i

P

j

V(φ(xi, yj)),D1φ(xi, yj)×D2φ(xi, yj)

(xi−xi1)(yj−yj1)

Das ist eine Riemannsumme eines Integrals ¨uber den Bereich B. Da bei feiner werden-der Zerlegung in Rechtecke sowohl die Approximation immer besser wird als auch die Riemannsumme gegen das Integral

R

BhV(φ(x, y)),D1φ(x, y)×D2φ(x, y)id(x, y)

konvergiert, gibt dieses Integral das Fl¨ussigkeitsvolumen an, das pro Zeiteinheit durch die Fl¨acheφ(B) fließt. Man nennt dieses Integral ein Oberfl¨achenintegral und verwendet daf¨ur die symbolische Schreibweise R

φV ·dσ, wobei der Punkt f¨ur das innere Produkt steht und dσ f¨ur D1φ(x, y)×D2φ(x, y) d(x, y).

Allerdings muss noch etwas zur Orientierung der Fl¨ache gesagt werden. Der Normalvek-tor D1φ(x, y)×D2φ(x, y) auf die von der Parameterdarstellung φ : B G bestimmte Fl¨ache soll immer auf dieselbe Seite der Fl¨ache zeigen. (Da φ stetige partielle Ableitun-gen besitzt, ist das erf¨ullt, wenn D1φ(x, y)×D2φ(x, y) nie der Nullvektor ist.) Die Seite der Fl¨ache, zu der der Normalvektor zeigt, nennen wir positiv, die andere Seite negativ.

Damit ist die Orientierung der Fl¨ache festgelegt. Da hV(φ(x, y)),D1φ(x, y)×D2φ(x, y)i

positives Vorzeichen hat, wenn der GeschwindigkeitsvektorV(φ(x, y)) mit dem Normalvek-tor D1φ(x, y)×D2φ(x, y) einen spitzen Winkel einschließt (Str¨omung zur positiven Seite der Fl¨ache), und sonst negatives Vorzeichen, gibt das Oberfl¨achenintegral R

φV · dσ das Fl¨ussigkeitsvolumen pro Zeiteinheit an, das von der negativen zur positiven Seite der Fl¨ache fließt, minus dem Fl¨ussigkeitsvolumen, das von der positiven zur negativen Seite fließt.

Bemerkung: Das Ober߬achenintegral R

φV · dσ h¨angt zwar von der Orientierung der Fl¨ache, nicht aber von der gew¨ahlten Parameterdarstellung ab. Hat man zwei Parame-terdarstellungen, f¨ur die dieselbe Seite der Fl¨ache die positive ist, dann hat das Oberfl¨ a-chenintegral f¨ur beide Parameterdarstellungen denselben Wert. Das ergibt sich aus obiger Herleitung. Der Fluss durch die Fl¨ache ist derselbe, unabh¨angig von der gew¨ahlten Para-meterdarstellung. Vertauscht man die Orientierung, dann ¨andert das Oberfl¨achenintegral das Vorzeichen.

Es folgt ein Beispiel. Wir schreiben Vektoren nicht als Spalten, sondern als Zeilen, da das besser in den Text passt. Die Koordinaten im R3 werden mit x, y, z bezeichnet.

Beispiel: Das Vektorfeld V(x, y, z) = (x2, y2, z2) ist auf G = R3 definiert. Als Fl¨ache nehmen wir die Oberfl¨ache des Zylinders, dessen Basis der Einheitskreis in der x-y-Ebene ist und der H¨ohe 1 hat. Die Orientierung dieser Fl¨ache sei so gew¨ahlt, dass die Außenseite des Zylinders die positive Seite der Fl¨ache ist, das heißt die Normalvektoren zeigen nach außen. Zu berechnen ist das Oberfl¨achenintegral.

Wir teilen die Oberfl¨ache in drei Teile, in die Mantelfl¨ache, in die Grundfl¨ache und die Deckfl¨ache. Wir k¨onnen das Oberfl¨achenintegral ¨uber jeden dieser drei Teile separat berechnen und dann addieren.

Wir beginnen mit der Mantelfl¨ache. Wir k¨onnen eine beliebige Parameterdarstellung w¨ahlen, zum Beispiel φ(u, v) = (cosu,sinu, v) mit (u, v) [0,2π]× [0,1]. Allerdings muss der Normalvektor im Punkt φ(u, v), das ist der Vektor D1φ(u, v)×D2φ(u, v) nach außen zeigen. Es gilt D1φ(u, v)×D2φ(u, v) = (−sinu,cosu,0)×(0,0,1) = (cosu,sinu,0).

Das ist der Normalvektor im Punktφ(u, v) an die Fl¨ache und er zeigt nach außen. Es folgt V(φ(u, v)),D1φ(u, v)×D2φ(u, v)

= cos2u cosu+ sin2u sinu+v2·0 = cos3u+ sin3u.

Somit ergibt sich R

φV · dσ = R1 0

R

0 cos3u + sin3ududv. Es ist leicht zu sehen, dass dieses Integral null ergibt, da die Funktionen cos3u und sin3u dieselbe Fl¨ache oberhalb und unterhalb der Koordinatenachse eingrenzen.

F¨ur die Grundfl¨ache istφ(u, v) = (vcosu, vsinu,0) mit (u, v)[0,2π]×[0,1] eine geeignete Parameterdarstellung. Sie ist so gew¨ahlt, dass der Normalvektor im Punkt φ(u, v) an die Fl¨ache, das ist D1φ(u, v)×D2φ(u, v) = (−vsinu, vcosu,0)×(cosu,sinu,0) = (0,0,−v), nach außen zeigt. F¨ur alle (u, v) [0,2π]×[0,1] ist die dritte Koordinate vonV(φ(u, v)) gleich 0 und daher auch

V(φ(u, v)),D1φ(u, v)×D2φ(u, v)

= 0. Es folgt R

φV · dσ = 0.

F¨ur die Deckfl¨ache istφ(u, v) = (ucosv, usinv,1) mit (u, v)[0,1]×[0,2π] eine geeignete Parameterdarstellung. Die Parameter u und v sind vertauscht, damit der Normalvektor D1φ(u, v)×D2φ(u, v) = (cosv,sinv,0)×(−usinv, ucosv,0) = (0,0, u) wieder nach außen zeigt. F¨ur alle (u, v)[0,2π]×[0,1] ist die dritte Koordinate von V(φ(u, v)) gleich 1 und somit

V(φ(u, v)),D1φ(u, v)×D2φ(u, v)

=u. Es folgtR

φV · dσ=R1 0

R

0 udvdu=π.

Das Oberfl¨achenintegral ¨uber die gesamte Oberfl¨ache des Zylinders ist die Summe der drei oben berechneten Integrale, also 0 + 0 +π =π.

2. Divergenz

SeiG⊆Rd offen. Der Gradient transformiert eine Funktionf :G→Rin ein Vektorfeld auf G. Bei der Divergenz ist es umgekehrt. Sie transformiert ein Vektorfeld V : G Rd in eine Funktion auf G. Man kann die Divergenz in jeder Dimension d definieren, wir tun es hier nur f¨ur Dimension d= 3.

Sei alsoG⊆R3offen undV :G→R3ein Vektorfeld mit stetigen partiellen Ableitungen, das wir als Geschwindigkeitsfeld einer str¨omenden Fl¨ussigkeit interpretieren. Sei x = (x, y, z)∈G. Wir wollen herausfinden, ob Fl¨ussigkeit im Punkt x verschwindet – dann ist x eine Senke – oder ob Fl¨ussigkeit aus dem Punkt x entspringt – dann ist x eine Quelle.

Nat¨urlich kannx auch keines von beiden sein. Die Komponenten vonV seinenV1,V2 und V3 undek sei der k-te Einheitsvektor, der in derk-ten Koordinate 1 und sonst Nullen hat.

Sei h > 0 und W = [x h2, x+ h2]×[y h2, y+ h2]×[z h2, z + h2] ein kleiner W¨urfel mit Seitenl¨ange h und Mittelpunkt x = (x, y, z). F¨ur die linke Seitenfl¨ache des W¨urfels ist e1 der nach außen zeigende Normalvektor der L¨ange 1. Das Fl¨ussigkeitsvolumen, das durch diese Seitenfl¨ache aus dem W¨urfel pro Zeiteinheit herausstr¨omt, l¨asst sich daher durch h2hV(x h2, y, z),−e1i =−h2V1(x h2, y, z) approximieren. (Das Herausstr¨omen eines negativen Fl¨ussigkeitsvolumens bedeutet dabei ein Hineinstr¨omen.) F¨ur die rechte Seitenfl¨ache des W¨urfels ist e1 der nach außen zeigende Normalvektor der L¨ange 1. Das Fl¨ussigkeitsvolumen, das durch diese Seitenfl¨ache aus dem W¨urfel pro Zeiteinheit her-ausstr¨omt, l¨asst sich durch h2hV(x+ h2, y, z),e1i=h2V1(x+ h2, y, z) approximieren. Das Fl¨ussigkeitsvolumen, das durch die rechte und linke Seitenfl¨ache aus dem W¨urfel pro Zeit-einheit herausstr¨omt, l¨asst sich dann durch

h2V1(x+ h2, y, z)−h2V1(x h2, y, z)≈h3D1V1(x, y, z)

approximieren. Ebenso l¨asst sich das Fl¨ussigkeitsvolumen, das durch die vordere und hintere Seitenfl¨ache aus dem W¨urfel pro Zeiteinheit herausstr¨omt, durch

h2V2(x, y+ h2, z)−h2V2(x, y h2, z)≈h3D2V2(x, y, z)

und das Fl¨ussigkeitsvolumen, das durch die obere und untere Seitenfl¨ache aus dem W¨urfel pro Zeiteinheit herausstr¨omt, durch

h2V3(x, y, z+ h2)−h2V3(x, y, z h2)≈h3D3V3(x, y, z) approximieren.

Definition: Sei G⊆R3 offen undV :G→R3 ein stetig differenzierbares Vektorfeld. Die Funktion divV :G→R, die durch divV(x) = D1V1(x) + D2V2(x) + D3V3(x) definiert ist, nennt man die Divergenz des Vektorfeldes.

Nach obigen ¨Uberlegungen gibt h3divV(x) = h3D1V1(x) +h3D2V2(x) +h3D3V3(x) n¨aherungsweise das Fl¨ussigkeitsvolumen an, das pro Zeiteinheit aus einem kleinen W¨urfel der Seitenl¨ange h mit Mittelpunkt x herausstr¨omt, wenn V das Geschwindigkeitsfeld der Fl¨ussigkeit ist. Das Herausstr¨omen eines negativen Fl¨ussigkeitsvolumens bedeutet dabei ein Hineinstr¨omen. Man nennt den Punkt x eine Quelle, wenn divV(x) > 0 gilt, und eine Senke, wenn divV(x) <0 gilt. In einer Quelle entspringt Fl¨ussigkeit, in einer Senke verschwindet sie. Das Vektorfeld V :G→R3 heißt quellenfrei, wenn divV(x) = 0 f¨ur alle x∈G gilt.

Beispiel: SeiV(x) = −xxc. Dieses Vektorfeld ist aufG=R3 definiert, wennc≤0 ist, und auf G =R3 \ {0}, wenn c > 0 ist. Von jedem Punkt aus str¨omt die Fl¨ussigkeit Richtung

Nullpunkt. Mit Hilfe der Quotientenregel erhalten wir wegenVi(x) = xxic = (x2 xi 1+x22+x23)c/2

DiVi(x) = −∥xc+xxic2cxc2xi f¨ur 1≤i≤3

Es folgt divV(x) = ∥x∥3+cc . F¨ur c = 3 gilt divV(x) = 0 f¨ur alle x R3 \ {0}. In diesem Fall wird die Geschwindigkeit zum Nullpunkt immer schneller, sodass in jedem Punkt genausoviel abfließt wie zufließt.

3. Rotation

Sei G R3 offen. Die Rotation transformiert ein Vektorfeld V : G R3 in ein Vektorfeld auf G.

Definition: Sei G R3 offen und V : G R3 ein stetig differenzierbares Vektorfeld.

Das Vektorfeld rotV :G→R3, definiert durch

rotV(x) = D2V3(x)D3V2(x),D3V1(x)D1V3(x),D1V2(x)D2V1(x) nennt man die Rotation des Vektorfeldes V.

Wieder interpretieren wir das Vektorfeld V : G R3 als Geschwindigkeitsfeld einer str¨omenden Fl¨ussigkeit. Befindet man sich im Punkt x und beobachtet in der Umgebung vonxeine Rotation der str¨omenden Fl¨ussigkeit, dann ist rotV(x) ein Vektor, der senkrecht auf der Rotationsebene steht, dessen Orientierung die Richtung der Rotation angibt und dessen L¨ange der Rotationsgeschwindigkeit entspricht.

Beispiel: Wir untersuchen ein einfaches Beispiel. Sei V(x) = (0, cx,0) auf G = R3 f¨ur ein c∈R. Wir betrachten nur die x-y-Ebene. Denn in jeder Ebene parallel dazu hat man dieselbe Str¨omung, da das Vektorfeld nicht von z abh¨angt. Die Geschwindigkeitsvektoren liegen alle parallel zur y-Achse.

Da V3(x) = 0 ist, haben wir D1V3(x) = 0 und D2V3(x) = 0 f¨ur x G. Da V1(x) und V2(x) nicht von z abh¨angen, haben wir D3V1(x) = 0 und D3V2(x) = 0 f¨ur x ∈G. Daher sind die ersten beiden Komponenten von rotV(x) gleich null. Die dritte Komponente von rotV(x) ist D1V2(x)D2V1(x) =c−0 =c. Es gilt rotV(x) = (0,0, c) f¨ur alle x∈G.

Wir schwimmen mit der Str¨omung in der x-y-Ebene und beobachten die Umgebung. Ist c = 0, dann sind alle Geschwindigkeitsvektoren null. Die Str¨omung steht still. Daher gibt es auch keine Rotation, wir haben rotV(x) = (0,0,0) f¨ur alle x G. Ist c < 0, dann schwimmen wir parallel zur y-Achse und beobachten dass die Str¨omung links von uns vorauseilt und die Str¨omung rechts von uns zur¨uckbleibt. Wir beobachten in einer kleinen Umgebung eine Rotation in der x-y-Ebene im Uhrzeigersinn (negative Richtung).

Dementsprechend steht rotV(x) senkrecht auf die x-y-Ebene, das ist die Rotationsebene, und zeigt nach unten. Ist c > 0, dann schwimmen wir wieder parallel zur y-Achse, aber wir beobachten, dass jetzt die Str¨omung links von uns zur¨uckbleibt und die Str¨omung rechts von uns vorauseilt. Wir beobachten in einer kleinen Umgebung eine Rotation in der x-y-Ebene im Gegenuhrzeigersinn (positive Richtung). Wieder steht rotV(x) senkrecht auf die x-y-Ebene, das ist die Rotationsebene, zeigt aber nach oben.

Bemerkung: Sei G R3 offen. Ein Vektorfeld V : G R3 heißt Gradientenfeld, wenn eine integrierbare Funktion f : G R existiert, sodass V = gradf gilt. Ist G konvex und hat das Vektorfeld V stetige partielle Ableitungen, dann ist V genau dann ein Gradientenfeld, wenn die Integrabilit¨atsbedingungen D1V2 = D2V1, D1V3 = D3V1 und

D2V3 = D3V2 gelten. Man sieht sofort, dass diese Integrabilit¨atsbedingungen ¨aquivalent zu rotV = 0 sind. Ein Vektorfeld auf einer offenen konvexen Teilmenge des R3 ist genau dann ein Gradientenfeld, wenn es Rotation null hat. Ein Gradientenfeld zeigt immer in Richtung des st¨arksten Anstiegs der Stammfunktion f. Daher gibt es keine Rotation.

Im Dokument Analysis in mehreren Variablen (Seite 31-35)