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Das methodische Vorgehen bei der Feinanalyse

Im Dokument Edition Politik (Seite 70-77)

2.3 F ORSCHUNGSDESIGN , A UFBAU UND METHODISCHES V ORGEHEN In diesem Kapitel erläutere ich die Argumentationsstruktur der Arbeit und mein

2.3.3 Das methodische Vorgehen bei der Feinanalyse

Als Feinanalyse bezeichne ich die Arbeitsschritte dieser Arbeit, in denen einzelne Dokumente unter Rückgriff auf methodisches Werkzeug interpretiert werden. Dies betrifft die Interpretation des IPCC-Berichts zu CCS-Technologien und der schrift-lichen Stellungnahmen der CCS-CDM-Kontroverse. Die Herausarbeitung der konkreten Artikulationen in den Dokumenten basiert auf einem methodischen Vorgehen, das vorschnelle Schlüsse vermeiden und die Offenheit gegenüber dem Material absichern soll. Dazu bedarf es eines methodischen Vorgehens, das einerseits rigide genug ist, um die sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Material zu fördern und andererseits flexibel genug, um die für die Forschungsfragen relevanten Aspekte in ihrer Komplexität erfassen zu können. Darüber hinaus muss das methodische Vorgehen adäquat gegenüber dem Untersuchungsgegenstand, dem Erkenntnisinteresse und den Forschungsfragen sein.

Meinen Forschungsfragen entsprechend (vgl. Kapitel 1.1) interessiert mich an den Dokumenten weder ihre Fallstruktur noch die Intention der Autor_innen, sondern ihr Beitrag zu den Auseinandersetzungen um die Universalisierung bestimmter Deutungs- und Handlungsmuster. Um diese Hegemoniepraktiken in den Dokumenten offenlegen zu können, greife ich auf ein Interpretationselement des narrativ-analytischen Auswertungsverfahrens von Martha Feldman et al. zurück:

das Enthymem.29 Die rhetorische Figur des Enthymems ist ein ‚unvollständiger‘

bzw. ‚nachlässiger‘ Syllogismus (vgl. Feldman/Sköldberg/Brown/Debra 2004:

152). Syllogismen wiederum bilden den Kern der aristotelischen Logik und beste-hen aus einer ersten Prämisse (z. B. „Alle Menscbeste-hen sind sterblich.“), einer zweiten Prämisse (z. B. „Alle Griechen sind Menschen.“) und einer Schlussfolgerung (z. B.

„Alle Griechen sind sterblich.“). Wie Syllogismen bestehen auch Enthymeme prinzipiell aus diesem Dreischritt.

Im Gegensatz zu einem Syllogismus handelt es sich bei einem Enthymem aller-dings nicht unbedingt um einen korrekt logischen Schluss, sondern die Schluss-folgerungen können auch auf Plausibilitätsargumenten oder Wahrscheinlichkeits-aussagen beruhen (vgl. Feldman et al. 2004: 152). Eine weitere Besonderheit des Enthymems besteht darin, dass nicht immer alle drei Elemente in expliziter Form vorliegen. Sehr häufig wird die erste Prämisse nicht expliziert, es können aber auch die zweite Prämisse oder die Schlussfolgerung implizit bleiben. Feldman et al.

geben zwei mögliche Gründe für implizite Aussagen an. Sie werden entweder als selbstverständliche Tatsachen vorausgesetzt oder aber für besonders kontrovers 29 Den Anstoß zur Operationalisierung der diskurstheoretischen Hegemonieanalyse mit

Hilfe der Narrativ-Analyse von Feldman et al. gab mir Philip Bedall (2013).

gehalten. Im ersten Fall erscheint dem/der Sprecher_in eine explizite Erwähnung unnötig, da die betreffenden Wissensbestände als unzweifelhafte, geteilte Basis gel-ten oder derart internalisiert sind, dass sie gar nicht bewusst gedacht werden. Im zweiten Fall will der/die Sprecher_in Widerspruch vermeiden (vgl. Feldman et al.

2004: 152). In beiden Fällen handelt es sich um die (Re-)Produktion von Konsens.

Dies verweist auf das entscheidende Charakteristikum des Enthymems: die Ko-Produktion der Aussagen durch Autor_in bzw. Sprecher_in und Leser_in bzw.

Publikum (für den gesamten Absatz vgl. Bitzer 1959: 408; Smerecnik, Karl R./

Renegar, Valerie R. 2010: 157). Mit Hilfe ihres Alltagsverstandes und ihres Vor-wissens füllt das Publikum die Lücken der impliziten Elemente und komplettiert damit das Enthymem. Enthymeme sind deshalb Kernbestandteil von Argumenta-tionen, die auf die Überzeugung des Publikums zielen. Durch die Vervollständigung mit Hilfe des Alltagswissens laden ‚erfolgreiche‘ Enthymeme nicht zur weiteren Reflexion ein, sondern erzeugen im Gegenteil eine unmittelbare Plausibilität. Der Einsatz von Enthymemen als rhetorische Figur – um Zustimmung zu erzeugen – muss dabei keinesfalls bewusst erfolgen. In den meisten Fällen werden sie tatsäch-lich unbewusst eingesetzt.

Mit der Interpretation von Enthymemen werden unausgesprochene hegemoniale Diskurse bzw. Hegemoniestrategien offengelegt, in denen Konsens für partikulare Vorstellungen vom Gemeinwohl, von einer idealen Gesellschaft, hergestellt wird.

Das macht die Interpretation von Enthymemen besonders interessant für eine Forschungsperspektive, die auf die Analyse von Auseinandersetzungen um Hege-monie und die darin agierenden (ent-)politisierenden Praktiken zielt. Schließlich basiert Hegemonie in erster Linie auf der Durchsetzung eines Konsenses, in dem die eigenen Partikularinteressen privilegiert eingeschrieben sind (vgl. Kapitel 2.1).

Die von mir durchgeführte Feinanalyse der Dokumente zielt also auf die Herausarbeitung der in ihnen enthaltenen Enthymemen. Die Enthymeme liegen nicht offensichtlich im Text vor, sondern die Erfassung konkreter Textpassagen als Elemente von Enthymemen – als erste Prämisse, zweite Prämisse oder Schluss-folgerung – ist das Ergebnis von Interpretationsarbeit. Die Identifizierung von Text-passagen als Enthymeme orientiert sich an zwei Aspekten. Erstens basieren Enthy-meme stets auf impliziten oder expliziten Oppositionen, d. h. auf dem Ausschluss verworfener alternativer Deutungen. Oppositionen sind somit Hinweise (‚Marker‘) auf Enthymeme (vgl. Feldman et al. 2004: 151, 155). Zweitens geben das Erkenntnisinteresse und die Forschungsfragen einen thematischen Rahmen vor, innerhalb dessen nach relevanten Enthymemen gesucht wird (vgl. Feldman et al.

2004: 154). Auf diese Art und Weise können die für die Fragestellung relevanten impliziten oder expliziten Artikulationen im Untersuchungsmaterial identifiziert

und in Form von Enthymemen rekonstruiert werden. Die Interpretation von impli-ziten Aussagen geschieht dabei stets vor dem Hintergrund der (akteursspezifischen) Kontextbedingungen und der Argumentationslinie, die das jeweilige Dokument als Ganzes durchzieht.

Diese im Anhang präsentierten Enthymeme bilden die Grundlage für die Nach-zeichnung der Argumentationslinien verschiedener Akteur_innen. Bei der Dar-stellung der Argumentationslinien (vgl. Kapitel 5.3.3 und 5.4.3) verzichte ich aus Gründen der besseren Lesbarkeit darauf, die Enthymeme in ihrer formalisierten Struktur darzustellen. Stattdessen formuliere ich die in ihnen enthaltenen Prämissen und Schlussfolgerungen in einem Fließtext als Argumente der Akteur_innen aus.

Zur besseren Nachvollziehbarkeit verweise ich aber auf die Enthymeme, die den Ausformulierungen in den jeweiligen Absätzen zugrunde liegen.

Abschließend demonstriere ich an zwei Beispielen, wie die aufgelisteten Enthy-meme im Anhang zu lesen sind. Zur Darstellung der EnthyEnthy-meme sei vorausschickt, dass die im Bericht implizit gebliebenen Aussagen in Großbuchstaben ge-schrieben sind und die Seitenzahlen die Textstellen des Dokuments anzeigen, auf die sich die Interpretation bezieht. Im Beispiel interpretiere ich folgende Passage aus der zweiten schriftlichen Stellungnahme der brasilianischen Regierung zur CCS-CDM-Kontroverse:

„Developed countries, which shall lead the process of combating climate change, should be the first to use CCS in geological formation on large scale in their territories in order to acquire knowledge about the risks related to leakage, monitoring and liability before exporting premature experiences to developing countries.“ (UNFCCC 2008: 3)

Bei dieser dichten Textstelle arbeitete ich zwei Enthymeme heraus: BRA 2-3 und BRA 2-4. Der Name der Enthymeme setzt sich aus der Abkürzung des Akteurs/der Akteurin (BRA steht für die brasilianische Regierung), der Benennung der Stellung-nahme (2 steht für die zweite brasilianische StellungStellung-nahme) und des Enthymems (3 bzw. 4 steht für das dritte bzw. vierte Enthymem, das in dieser Stellungnahme identifiziert wurde).

Enthymem BRA 2-3 (Seite 3)

Erste Prämisse: DIE FÜHRUNG IN DER BEKÄMPFUNG DES KLIMAWANDELS ZU ÜBERNEHMEN BEDEUTET, FÜR DIE ENTWICKLUNG DES PORTFOLIOS TECH-NOLOGISCHER OPTIONEN VERANTWORTLICH ZU SEIN.

Zweite Prämisse: Die Industrieländer sollten die Führung in der Bekämpfung des Klima-wandels übernehmen.

Schlussfolgerung: DIE INDUSTRIELÄNDER SIND FÜR DIE ENTWICKLUNG DES PORTFOLIOS TECHNOLOGISCHER OPTIONEN VERANTWORTLICH.

Beim Enthymem BRA 2-3 steht die zweite Prämisse explizit im Text. Sowohl die erste Prämisse als auch die Schlussfolgerung bleiben in der Stellungnahme aller-dings implizit (weshalb sie in Großbuchstaben geschrieben sind), können aber vor dem Hintergrund des Kontextes erschlossen werden.

Enthymem BRA 2-4 (Seite 3)

Erste Prämisse: NOCH UNREIFE TECHNOLOGIEN DES PORTFOLIOS SOLLTEN ZUNÄCHST NUR IN DEN INDUSTRIELÄNDERN SELBER ZUM EINSATZ KOM-MEN, BEVOR SIE IN ENTWICKLUNGSLÄNDER EXPORTIERT WERDEN.

Zweite Prämisse: CCS ist noch eine unreife Technologie.

Schlussfolgerung: CCS sollte zunächst nur in den den Industrieländern selber zum Einsatz kommen, bevor es in Entwicklungsländer exportiert wird.

Beim Enthymem BRA 2-4 bleibt allein die erste Prämisse implizit, die zweite Prämisse und die Schlussfolgerung liegen dagegen in expliziter Form vor.

“We have the means to limit climate change. The solutions are many and allow for continued economic and human development.“

(Rajendra Pachauri)1

Seit den 1970er Jahren gibt es Debatten über die ökologische Krise und Auseinandersetzungen um ihre Bearbeitung. Dabei hat sich eine Kluft zwischen dramatisierenden Problemanalysen und inkrementellen Lösungsansätzen aufgetan.

Vor diesem Hintergrund formuliert beispielsweise Ulrich Brand in einem Aufsatz die These, dass es zwar eine große Einigkeit über die Notwendigkeit einer radikalen Transformation der gesellschaftlichen Naturverhältnisse gebe, tatsächliche poli-tische Veränderungen aber ausblieben und stattdessen Passivität vorherrsche, da es an akzeptierten Alternativen und sozialen (Gegen-)Kräften mangele (vgl. Brand 2009: 104, 116). Diese Einschätzung verweist auf die Schwierigkeiten der Artikula-tion einer antagonistischen sozial-ökologischen Politik. In diesem Kapitel2 möchte ich allerdings sowohl historisch als auch analytisch einen Schritt zurück gehen und prüfen, welche Vorstellungen bezüglich der Bearbeitung der ökologischen Krise von welchen Akteur_innen wie verhandelt werden, auf was für eine zukünftige Gesellschaftsordnung sie zielen und wo die Gründe für die vermeintliche Passivität zu suchen sind.3

1 Das Zitat des damaligen Vorsitzenden des IPCC entstammt der Pressemitteilung des IPCC vom 02.11.2014 anlässlich der Vorstellung des fünften Sachstandsberichts (vgl. im Internet: www.ipcc.ch/pdf/ar5/prpc_syr/11022014_syr_copenhagen.pdf, letzter Zugriff am 26.02.2015).

2 Einzelne Abschnitte dieses Kapitels wurden – in einer früheren Fassung – bereits veröffentlicht in Krüger 2013 und Krüger 2014.

3 Tatsächlich ist es so, dass diese beiden hier gegenüber gestellten Erklärungsversuche letztlich als komplementär zu verstehen sind, worauf ich weiter unten in These fünf (vgl.

Kapitel 3.6) eingehen werde. Der Mangel an akzeptierten Alternativen und sozialen

Dabei gehe ich nicht von einer großen Einigkeit über die Notwendigkeit einer radikalen Transformation der gesellschaftlichen Naturverhältnisse aus. Stattdessen vermute ich virulente Kämpfe um Hegemonie, in denen unterschiedliche Vor-stellungen vom Gemeinwohl und von der idealen Gesellschaftsordnung miteinander konkurrieren. In diesen Auseinandersetzungen um die Bearbeitung der öko-logischen Krise ist das Hegemonieprojekt der ökoöko-logischen Modernisierung besonders einflussreich. Die Hegemoniepraktiken des ökomodernen Projekts wirken einer weitreichenden Transformation gesellschaftlicher Naturverhältnisse bislang relativ erfolgreich entgegen. Dementsprechend stehen die Formierung und die Hegemoniepraktiken des ökomodernen Projekts im Zentrum dieses Kapitels, in dem ich die Beantwortung der ersten Forschungsfrage dieser Arbeit anstrebe (vgl.

Kapitel 1.1).

1) Wie und bis zu welchem Grad konnte das ökomoderne Projekt hegemonial werden und die gesellschaftlichen Reaktionen auf die ökologische Krise be-stimmen?

Um diese Frage beantworten zu können, arbeite ich über die Interpretation von Schlüsseldokumenten und wissenschaftlichen Studien die Charakteristika und die (Grenzen der) Dominanz des ökomodernen Hegemonieprojekts in der inter-nationalen Umweltpolitik heraus. Diese Analyse geht über eine historische Nach-erzählung oder eine Aneinanderreihung von Forschungsergebnissen hinaus. Die Auswahl und die Interpretation der Daten folgt dem Erkenntnisinteresse an den Pro-zessen der Öffnung und Schließung des Terrains des Politischen (vgl. Kapitel 1.1) und zielt auf die Offenlegung der hegemonialen Strukturierung der gesellschaft-lichen Naturverhältnisse. Grundsätzlich beinhaltet die Problematisierung gesell-schaftlicher Naturverhältnisse als ökologische Krise – ein Deutungsmuster, das sich seit den 1970er Jahren zunehmend durchgesetzt hat – ein stark politisierendes Moment. Allerdings sind mit dem partiellen Erfolg ökomoderner Hegemonie-strategien entpolitisierende Effekte verbunden. Über die Analyse der re- und ent-politisierenden Prozesse wird im Folgenden das Konfliktfeld der ökologischen Krise skizziert und nach Erklärungsansätzen für die beobachtete Kluft zwischen dramatisierenden Problemanalysen und inkrementellen Lösungsansätzen gesucht.

(Gegen-)Kräften steht in einem engen Zusammenhang mit der aktiven Reproduktions-leistung durch ein ökomodernes Hegemonieprojekt, das eine spezifische Bearbeitung der ökologischen Krise vorantreibt. Auch Ulrich Brand, auf den hier verwiesen wird, arbeitet in verschiedenen Texten die Mechanismen der aktiven Reproduktion hegemonialer Praktiken heraus. Insofern dient die Gegenüberstellung lediglich dazu, den Fokus dieses Kapitels zu verdeutlichen.

Im ersten Abschnitt wird die ökologische Krisendiagnose und die daran geknüpfte Gesellschaftskritik als Ausgangspunkt des ökomodernen Diskurses beleuchtet (3.1). Anschließend folgt ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse und Entwicklungsschritte in der Formierung des ökomodernen Diskurses (3.2). Auf diesen empirisch dichten Beschreibungen bauen die abstrakteren Analysen auf, in denen ich die Grundannahmen (3.3), die Hegemoniestrategien (3.4) und das Hege-monieversprechen (3.5) des ökomodernen Projekts herausarbeite. Weiterhin formu-liere ich sechs Thesen zur Frage der (Grenzen der) Dominanz des ökomodernen Projekts (3.6). Abschließend diskutiere ich die Bedeutung des ökomodernen Pro-jekts für die Stabilität der hegemonialen Bearbeitung der ökologischen Krise (3.7).

Die Gefahr der analytischen Verdopplung von Hegemonie

Prinzipiell zielt meine Analyse auf die internationale Politik und damit auf international bzw. transnational agierende Akteur_innen sowie die Strukturen, in denen die Akteur_innen eingebettet sind. Dabei sind auch bestimmte regionale oder nationalstaatliche Entwick-lungen von Interesse, insoweit sie auf die Ebene der internationalen Politik Auswirkungen haben. So nahm die Formierung des ökomodernen Diskurses in den Ländern des globalen Nordens ihren Anfang und setzte sich über den Einfluss dieser Länder auch in der inter-nationalen Umweltpolitik mehr und mehr durch. Insofern spiegelt ein Fokus auf die Akteur_innen und Prozesse aus diesen Ländern die Machtverhältnisse in der internationalen Politik wider. Wenn im Folgenden unspezifisch von bestimmten Prozessen, Akteur_innen und Gruppen die Rede ist (wie zum Beispiel von ‚den Umweltbewegungen‘), dann bezieht sich das primär auf (west-)europäische, nordamerikanische und japanische Phänomene.

Damit soll nicht geleugnet werden, dass es in anderen Regionen der Welt auch aktive Umweltbewegungen gab und gibt (vgl. Radkau 2011: 188ff). An der Entwicklung des öko-modernen Projekts hatten diese jedoch einen weitaus geringeren Anteil und sind deshalb in Bezug auf meine Forschungsfragen weniger relevant. Auch wenn in dieser Arbeit bestimmte Prozesse herausgegriffen und verallgemeinert werden, gehe ich – um bei dem Beispiel zu bleiben – nicht von einer homogenen globalen Umweltbewegung aus. Tatsächlich lassen sich viele Unterschiede zwischen den regional verankerten Umweltbewegungen finden (vgl.

Radkau 2011: 175ff), auf die ich aber nicht näher eingehen werde.

Im Fokus dieses Kapitels liegen all jene Phänomene, die einflussreich waren in Bezug auf die Entwicklung und Durchsetzung des ökomodernen Diskurses in den Arenen der inter-nationalen Umweltpolitik. Aus dem Blick geraten damit tendenziell historische Ereignisse mit geringer Resonanz, weniger einflussreiche Praktiken und Akteur_innen sowie regional verschiedene Entwicklungsprozesse. Dies birgt die Gefahr der analytischen Verdopplung von Hegemonie. Die Gefahr besteht darin, dass mit dem Erkenntnisinteresse an der Durch-setzung von Hegemonie die marginalisierten Ereignisse und Akteur_innen auch in der

Analyse nicht wahrgenommen werden und damit eine erneute Marginalisierung erfahren.

Deshalb bedarf es der besonderen Aufmerksamkeit der Leser_innen gegenüber den Verwei -sen auf und den Exkur-sen über marginalisierte Positionen in dieser Arbeit.

Das Erkenntnisinteresse an hegemonialen Ereignissen, Akteur_innen und Praktiken birgt allerdings nicht nur die Gefahr der analytischen Verdopplung von Hegemonie, sondern auch das Potenzial für eine emanzipatorisch gewendete Aneignung der Genese hegemonialer Strukturen. Die Bedingung für eine solche Dekonstruktionsleistung ist, dass die Kontingenz von Hegemonie betont wird. Mit einem solchen Blick für historisch möglich gewesene und prinzipiell denkbare Alternativen bleibt der politische Ursprung des Sozialen präsent – und damit die Möglichkeit der Überführung des Sozialen in den politischen Bereich der Ausei -nandersetzungen um Hegemonie (vgl. Wullweber 2010: 315f).

Im Dokument Edition Politik (Seite 70-77)