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D IE REFLEXIVE R EPRODUKTION VON H EGEMONIE

Im Dokument Edition Politik (Seite 124-131)

Im Folgenden fasse ich die Ergebnisse des dritten Kapitels zusammen im Hinblick auf die Frage, welche re- bzw. entpolitisierenden Effekte mit der partiellen Durch-setzung eines ökomodernen Konsenses verbunden sind.

Die Diskursorganisation der gesellschaftlichen Naturverhältnisse in den Indus-trieländern war bis zu Beginn der 1970er Jahre relativ stabil. Für diese Phase der einfachen Reproduktion (für die Definition der verschiedenen Stabilitätsstufen vgl.

Kapitel 2.1.5) kann man aufgrund der Dominanz des hegemonialen Diskurses der Modernisierung mit nachgeschaltetem Umweltschutz einen relativ eingeschränkten Diskurshorizont und damit eine stark verstetigte Organisation gesellschaftlicher Na-turverhältnisse konstatieren (vgl. Kapitel 3.1).

Mit dem Erstarken der Umweltbewegungen und der Diagnose einer ökolo-gischen Krise, die sich in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen durchsetzte, kam es zu einer Phase der Politisierung, in der sich gegenhegemoniale Projekte für einen ganz anderen Umgang mit Natur einsetzten. Mit der damit verbundenen Öff-nung des Diskurshorizonts verlor das Hegemonieprojekt der Modernisierung mit nachgeschaltetem Umweltschutz seine Vormachtstellung (vgl. Kapitel 3.1).

In dieser dislozierten Situation entwickelte sich ab den 1970er Jahren der Dis-kurs der ökologischen Modernisierung, der in den 1980er Jahren stark an Einfluss gewann (für den gesamten Absatz vgl. Kapitel 3.2, 3.3, 3.4, 3.5, 3.6). Seit den 1990er Jahren dominiert der ökomoderne Diskurs die umweltpolitische Arena so-wohl auf internationaler Ebene als auch auf der nationalstaatlichen bzw. regionalen Ebene vieler Industrieländer. Das ökomoderne Hegemonieprojekt steht für eine Phase, die ich als reflexive Reproduktion fasse. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass bislang dominante Hegemonieprojekte an Deutungshoheit gegenüber neuen Hegemonieprojekten verlieren, die um die gleichen Kernforderungen kreisen. Die etablierten Vorstellungen vom Gemeinwohl werden also nicht verworfen, sondern sind ebenfalls die Kernforderungen der aufstrebenden Hegemonieprojekte. Konkret bedeutet dies, dass in Bezug auf die Diskursorganisation gesellschaftlicher Natur-verhältnisse das Hegemonieprojekt der Modernisierung mit nachgeschaltetem Um-weltschutz seit den 1970er Jahren gegenüber dem der ökologischen Modernisierung an Deutungshoheit verloren hat. Dabei steht Entwicklung in reflektierter Form

weiterhin im Zentrum der Vorstellungen vom Gemeinwohl. Allerdings kommt es zu Modifikationen. Die konkrete Ausformung dessen, was nachhaltige Entwicklung bedeutet und ob es unter dem Label von Sustainable Development oder Green Economy propagiert wird, ist noch umkämpft.

Im Vergleich zu der Stabilität des Hegemonieprojekts der Modernisierung mit nachgeschaltetem Umweltschutz bis in die 1970er Jahre kann man also von einer leichten Öffnung des Diskurshorizonts sprechen. Allerdings ist noch unklar, ob die-se Öffnung nur kurzfristiger Natur war. Langfristig könnte damit unter Umständen eine Schließung des Diskurshorizonts verbunden sein, wenn der hegemoniale Dis-kurs in reflektierter Form auf Dauer noch stabiler ist. Die Stabilität würde in dem Fall auf der geschaffenen Möglichkeit beruhen, kritische Positionen in das ökomo-derne Projekt zu integrieren. Durch die breite Akzeptanz der Ökologieproblematik vermittelt der ökomoderne Diskurs den Eindruck, dass nun ‚alle an einem Strang ziehen‘ müssen. Diese Suggestion einer universellen Interessenlage diskreditiert antagonistische Artikulationen als destruktive Beiträge (vgl. Kapitel 3.4.3).

Insgesamt ist mit der Entwicklung des ökomodernen Projekts seit der ökolo-gischen Krisendiagnose in den 1970er Jahren ein Prozess der Schließung des Diskurshorizonts und der Entpolitisierung verbunden. Antagonistische Artikula-tionen, die aus einer gesellschaftskritischen sozial-ökologischen Problemdefinition heraus strukturverändernde Lösungen der ökologischen Krise vorschlagen, wurden marginalisiert (vgl. Kapitel 3.6). Das Ausbleiben einer antagonistischen Kraft kann als Erfolg der Hegemoniepraktiken des ökomodernen Projekts gewertet werden.

Schließlich beruht Hegemonie immer auf der Undenkbarmachung von Alternativen.

Gleichzeitig ist Hegemonie immer prekär und diese Alternativen können niemals vollständig ausgelöscht werden (vgl. Wullweber 2010: 112).

An verschiedenen Stellen habe ich angedeutet, dass es innerhalb des ökomo-dernen Diskurses durchaus Brüche und Risse gibt (vgl. Kapitel 3.4, 3.6). Es ist eine offene Frage, ob es dem ökomodernen Projekt gelingt, seine Institutionalisierung als hegemoniale Diskursorganisation gesellschaftlicher Naturverhältnisse weiter voran zu treiben, ohne dass die inhärenten Risse und Brüche virulent werden. Inso-fern ist noch nicht absehbar, ob die ökologische Krise in einer langfristigen Öffnung des Diskurshorizonts mündet bzw. ob es in naher Zukunft zu einer Re-Politisierung gesellschaftlicher Naturverhältnisse kommt.

In diesem Kapitel wird die Verbindung zwischen der Analyse des ökomodernen Hegemonieprojekts (Kapitel 3) und der mikroanalytischen Untersuchung der CCS-Konflikte (Kapitel 5) hergestellt. Die Auswahl des Untersuchungsgegenstands be-ruht auf der Annahme, dass sich an den Auseinandersetzungen um CCS paradigma-tisch zentrale Konflikte um die weitere Entwicklung des ökomodernen Projekts bzw. der Bearbeitung der ökologischen Krise analysieren lassen.

2) Welche Bedeutung haben die Konflikte um CCS-Technologien in den Ausei-nandersetzungen um die weitere Entwicklung des ökomodernen Projekts?

3) Welche Auswirkungen haben die Konflikte um CCS-Technologien auf die Auseinandersetzungen um die Bearbeitung der ökologischen Krise?

Die in Kapitel 1.1 formulierten Forschungsfragen beziehen sich auf die re- und ent-politisierenden Prozesse im Konfliktfeld der ökologischen Krise: Inwieweit werden CCS-Technologien als relevante Klimaschutztechnologien in das ökomoderne Projekt integriert? Nehmen CCS-Technologien eine wichtige Rolle im ökomo-dernen Projekt ein, weil mit ihnen bestimmte Risse und Brüche des ökomoökomo-dernen Diskurses gekittet werden sollen? Oder tragen die Konflikte um CCS dazu bei, dass bestimmte Risse und Brüche des ökomodernen Diskurses zum Ausgangspunkt (re-)politisierender Prozesse – innerhalb und/oder außerhalb des ökomodernen Dis-kurses – werden? Diese Fragen können in Bezug auf die in Kapitel 3 heraus-gearbeiteten ökomodernen Hegemoniestrategien präzisiert werden:

Die Bedeutung von CCS in Bezug auf die Strategie der reflexiven Naturbeherrschung CCS-Technologien stehen paradigmatisch für Klimaschutzmaßnahmen, die mit der Aufrechterhaltung bestimmter Produktions- und Konsummuster kompatibel sind, welche auf der Bereitstellung von Energie durch fossile Brennstoffe basieren. Da-mit wird Da-mit CCS-Technologien eine spezifische Naturbeherrschung (re-)produ-ziert, in der die Subsumtion von Natur unter die Funktionslogik der fossilen

Energieinfrastruktur ein zentrales Element darstellt. Gleichzeitig stellen CCS-Projekte als Klimaschutzmaßnahme eine Reaktion auf die nicht-intendierten Neben-folgen dieser spezifischen Naturbeherrschung dar. Dabei wird wiederum die Mög-lichkeit der Kontrolle der Technologie-inhärenten Risiken und damit die Berechen-barkeit von Natur vorausgesetzt. Insofern lässt sich an den Konflikten um CCS ana-lysieren, wie die Frage der (Erwünschtheit und Möglichkeit der) Naturbeherrschung aktuell verhandelt wird. Die Auseinandersetzungen um CCS-Technologien könnten in einer Ausweitung der bewussten Inkaufnahme möglicher nicht-intendierter Nebenfolgen (gesundheitlicher und ökologischer Risiken) münden, um den Klima-wandel, der selber eine nicht-intendierte Nebenfolge darstellt, abzuschwächen. Die reflexive Dimension der Naturbeherrschung würde dabei insofern begrenzt, als dass die weitere Ausschöpfung der fossilen Brennstoffe nicht zur Debatte stehen, sondern gerade den Kern der CCS-Technologien ausmachen würde. Denkbar wäre aber auch, dass durch die Versuche einer solchen Ausweitung der bewussten Inkauf-nahme möglicher nicht-intendierter Nebenfolgen die tendenziell wenig beachtete Kritik am Prinzip der Naturbeherrschung wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren könnte. Eine derartige Entwicklung würde sicherlich durch ein konkretes Scheitern des Managements nicht-intendierter Nebenfolgen verstärkt werden – beispielsweise durch das Austreten größerer Mengen von CO2 bei CCS-Projekten oder durch eine erhöhte Sensibilität gegenüber den sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen des Kohleabbaus. Meine diesbezügliche Frage lautet also, inwieweit die Grenzen der reflexiven Naturbeherrschung in den Auseinandersetzungen um CCS-Technologien verschoben werden? Führt die Thematisierung von Risiken, die mit den CCS-Technologien verbunden sind, zu einer (Re-)Politisierung des Prinzips der Naturbeherrschung innerhalb und/oder außerhalb des ökomodernen Diskurses?

Oder werden CCS-Technologien als ökomoderne Klimaschutzmaßnahme artiku-liert, die zu einer reflexiven Naturbeherrschung beiträgt?

Die Bedeutung von CCS in Bezug auf die Strategie des reflexiven Fortschritts CCS-Technologien sind unter den jetzigen Bedingungen weit davon entfernt, betriebswirtschaftlich rentabel zu sein (vgl. Kapitel 5.2.1). Deshalb setzt die CCS-Community (vgl. die Ausführungen zur CCS-CCS-Community in Kapitel 5.3.2) auf Anreize durch die Politik und fordert öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung, gesicherte Marktpreise für CO2-Äquivalente und die Aufnahme von CCS-Technologien in den CDM (vgl. de Coninck/Bakker 2005; Tjernshaugen 2008). Je höher der Subventionsbedarf allerdings ausfällt, desto größer wird die Diskrepanz zur ökomodernen Vorgabe der „Erzielung eines ökologisch-ökonomischen Doppelnutzens“ (Jänicke 1988: 23). Meine diesbezüglichen

Forschungsfragen lauten deshalb, ob, inwiefern und von welchen Akteur_innen der Subventionsbedarf von CCS-Technologien als Riss innerhalb des ökomodernen Diskurses oder als Bruch mit diesem artikuliert wird?

Neben der Kosteneffizienz stellt der Beitrag zur Steigerung des Sicherheits-empfindens einen relevanten Faktor für die Bewertung von Umwelttechnologien dar. Dabei spielen sowohl risikobewusste Praktiken wie Technikfolgenabschätzung, Technikakzeptanz-Forschung und Risikokommunikation als auch risiko-vermeidende Praktiken wie der Einsatz sogenannter sanfter Technologien oder der Fokus auf Effizienzsteigerung eine wichtige Rolle. Um CCS-Technologien mit den gestiegenen Anforderungen in Bezug auf das Sicherheitsempfinden in Einklang zu bringen, wird innerhalb der CCS-Community stark gerungen (vgl. Stephens/

Hansson/Liu/de Coninck/Vajjhala 2011: 386f). Bereits in der jetzigen Entwick-lungsphase, in der nur vereinzelt Demonstrationsprojekte installiert werden, gibt es Widerstände von Bürgerinitiativen, die sich gegen den Einsatz einer ‚Risikotechno-logie‘ in ihrer Umgebung richten (vgl. Kapitel 5.2.1). Darauf wird mit einer großen Anzahl von Studien zur Akzeptanzforschung reagiert, die selber auf die Beschaffung von Akzeptanz für CCS-Technologien angelegt sind und/oder die Ba-sis für derartige Kampagnen vorbereiten (vgl. Hansson 2012: 82ff; Meadowcroft/

Langhelle 2009b: 16). Diese Studien und Kampagnen zielen darauf ab, die CCS-Technologien durch die Gegenüberstellung mit zwei ‚Horrorszenarien‘ konsens-fähig zu machen – den Gefahren eines ungebremsten Klimawandels auf der einen und den hohen Kosten einer Verhinderung desselben bei Verzicht auf CCS auf der anderen Seite (vgl. Alphen et al. 2007: 4378; Hansson 2012: 84, 87). Im Vergleich zu diesen beiden Szenarien wird der großflächige Einsatz von CCS-Technologien als das kleinere Übel propagiert. Inwieweit ein derartiges Akzeptanz-Management erfolgreich sein wird, ist allerdings noch nicht abzusehen. sofern lautet eine weitere Frage, inwieweit CCS-Technologien trotz der ihnen inhärenten Sicherheitsrisiken von den Protagonist_innen des ökomodernen Projekts als wichtige Klimaschutz-maßnahme angesehen werden? Sollte dies prinzipiell der Fall sein, stellen sich daran anschließend drei weitere Fragen:

1) Könnten CCS-Technologien die Hoffnungen auf einen Deus ex Machina, auf eine (Er-)Lösung, die unabhängig von langwierigen politischen Auseinanderset-zungen die ökologische Krise bearbeiten kann, erfüllen?

2) Inwiefern führt die Integration von CCS-Technologien in das ökomoderne Pro-jekt zur weiteren Schließung des Diskurshorizonts, indem der reflexive Anteil – die Bedeutung von risikobewussten und vor allem von risikovermeidenden Praktiken – zurückgedrängt wird?

3) Inwieweit wird diese Schließung des Diskurshorizonts in der Folge als Riss in-nerhalb des ökomodernen Diskurses artikuliert und/oder als Ansatzpunkt für antagonistische Artikulationen außerhalb des ökomodernen Diskurses genutzt?

Es ist aber auch denkbar, dass CCS-Technologien im ökomodernen Projekt keine relevante Rolle spielen, weil risikovermeidende Klimaschutzmaßnahmen stärker gefördert werden. In diesem Fall wäre danach zu fragen, ob es dabei zu einer Öff-nung des ökomodernen Diskurshorizonts kommt und damit zu (re-)politisierenden Prozessen in Bezug auf die ökomoderne Strategie des reflexiven Fortschritts?

Die Bedeutung von CCS in Bezug auf die Strategie des nachhaltigen Wachstums CCS-Technologien stellen ein mögliches Vehikel für die strategisch-selektive Inte-gration der Wachstumskritik dar (zur Strategie der Äquivalenzierung vgl. Kapitel 3.4.3), weil sie Wirtschaftswachstum – auf der Basis fossiler Energie – bei gleich-zeitiger Reduktion der Treibhausgasemissionen versprechen. Wenn CCS-Technolo-gien wirkmächtig sind (im Sinne von: als wichtige Klimaschutzmaßnahme gelten), könnte dies zur weiteren Schließung des Diskurshorizonts führen. Sie könnten als Indiz für die Möglichkeit der Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre (allerdings nicht von der Produk-tion von Treibhausgasen1 und auch nicht vom Ressourcenverbrauch) gelten. Wenn CCS-Technologien bedeutungslos sind (im Sinne von: nicht als relevante Klima-schutzmaßnahme gelten), könnten umgekehrt Risse und Brüche, die mit der Abhän-gigkeit des Wirtschaftswachstums von fossilen Brennstoffen verbunden sind, viru-lent werden. Die Bedeutung von CCS-Technologien in den klimapolitischen Aus-handlungsprozessen interessiert mich hier in Bezug auf die Entkopplungsthese:

Werden CCS-Technologien als Indiz für die Möglichkeit der Entkopplung des Wirt-schaftswachstums vom weiteren Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der At-mosphäre artikuliert? Und/Oder wird umgekehrt die Kritik an CCS-Technologien mit einer Kritik am Konzept des nachhaltigen Wachstums gekoppelt? Wird die Kritik, dass CCS-Technologien keine relevante Klimaschutzmaßnahme seien, als Beleg für die Unvereinbarkeit von Umweltschutz mit fossilen Brennstoffen und/oder Wirtschaftswachstum angeführt? Wird diese Kritik innerhalb oder außer-halb des ökomodernen Diskurses artikuliert?

1 Bei CCS-Projekten wird die Produktion von Treibhausgasen nicht reduziert, sondern allein der Anteil, der in die Atmosphäre gelangt. Dennoch wird oftmals vereinfachend – auch in dieser Arbeit – ausgedrückt, dass mit CCS-Technologien die Treibhausgas-emissionen reduziert werden.

“With CCS it is entirely possible for fossil fuels to continue to be used on a large scale.”

(Rajendra Pachauri)1

Diesem Kapitel liegt die Annahme zugrunde, dass die Konflikte um CCS-Technolo-gien eine besondere Rolle in den hegemonialen Kämpfen um die Bearbeitung der ökologischen Krise spielen. Wie in Kapitel 4 näher ausgeführt, gehe ich davon aus, dass sich an den Auseinandersetzungen um CCS-Technologien paradigmatisch zen-trale Konflikte um die weitere Entwicklung des ökomodernen Projekts und damit auch um die (Ent-)Politisierung gesellschaftlicher Naturverhältnisse analysieren las-sen. Diesem Erkenntnisinteresse werde ich im Folgenden auf der Ebene der interna-tionalen Klimapolitik nachgehen. Die internationale Klimapolitik wird in erster Li-nie durch die UN-Klimaverhandlungen bestimmt. Klimapolitische Absprachen und Verträge jenseits des UN-Regimes spielen kaum eine Rolle (vgl. Brunnengräber et al. 2008: 97). Allerdings nimmt die Kritik an der Fokussierung auf die UN-Klimaverhandlungen, spätestens seit dem gescheiterten Klimagipfel 2009 in Kopenhagen, zu. Insofern ist es durchaus denkbar, dass andere Arenen an Bedeu-tung gewinnen. Für die jüngste Vergangenheit und die Gegenwart stellt das UN-Klimaregime jedoch nach wie vor die zentrale Politikarena der internationalen Kli-mapolitik dar. Dementsprechend setze ich dort mit meiner Analyse der Ausei-nandersetzungen um CCS-Technologien an.

Seit Mitte der 2000er Jahre stehen CCS-Technologien regelmäßig auf der Ta-gesordnung der UN-Klimaverhandlungen. Konkret wird über die nachträgliche Aufnahme von CCS ins Kyoto-Protokoll diskutiert. Auf dem Klimagipfel 2010 in Cancún kamen diese Aushandlungen zu einem vorläufigen Ende. Dort wurde unter 1 Das Zitat des damaligen Vorsitzenden des IPCC entstammt der Pressekonferenz des IPCC vom 02.11.2014 anlässlich der Vorstellung des fünften Sachstandsberichts (vgl. im Inter-net: www.theguardian.com/environment/2014/nov/02/rapid-carbon-emission-cuts-severe-impact-climate-change-ipcc-report, letzter Zugriff am 26.02.2015).

Vorbehalt beschlossen, CCS-Projekte als mögliche Maßnahme im Sinne des Clean Development Mechanism (CDM) gelten zu lassen. Diese Entscheidung wurde 2011 auf der COP 17 in Durban endgültig bestätigt. Wenn ich im Folgenden CCS-CDM-Kontroverse schreibe, dann ist stets diese CCS-CCS-CDM-Kontroverse in den UN-Klima-verhandlungen gemeint.

Die Auseinandersetzungen um die Aufnahme von CCS ins Kyoto-Protokoll bil-den bil-den primären Untersuchungsgegenstand in diesem Kapitel. Allerdings ziele ich nicht auf eine isolierte Betrachtung der CCS-CDM-Kontroverse. Stattdessen interes-siert mich die Bedeutung der Kontroverse für die hegemonialen Kämpfe um die Bearbeitung der ökologischen Krise. Um die politischen Dynamiken bezüglich der Organisation der gesellschaftlichen Naturverhältnisse zu erfassen, halte ich die Ana-lyse konkreter Prozesse für eminent wichtig. Dabei ist entscheidend, die Auseinan-dersetzung mit dem empirischen Material nicht vorschnell durch die Einordnung in theoretische Hypothesen und Begriffe abzukürzen. Gleichzeitig ist die Einbettung der mikroanalytischen Untersuchung in eine breitere Analyse des gesellschaftlichen Kontextes sehr wichtig, um die Bedeutung der konkreten Konflikte für Kämpfe um die (Re-)Strukturierung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse erfassen zu können. Deshalb oszilliere ich in diesem Kapitel zwischen genauen Interpretationen des empirischen Materials, abstrakteren theoretischen Verdichtungen und Vergleichen zwischen verschiedenen Politikarenen.

Im Folgenden gebe ich einen Überblick über das UN-Klimaregime (5.1) und führe in die CCS-Konflikte ein (5.2). Da der IPCC einen großen Einfluss auf die UN-Klimaverhandlungen hat, untersuche ich dessen Politikberatung zu CCS-Tech-nologien in einem eigenen Kapitel (5.3). Darauf folgt eine Analyse der CCS-CDM-Kontroverse und der darin aktiven Akteur_innen (5.4). Abschließend werden die Ergebnisse dieser vier Unterkapitel in einer Synthese zusammengeführt (5.5).

Im Dokument Edition Politik (Seite 124-131)