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Das Erziehungsverhalten der Väter und kindliche Verhaltensweisen

„aktiven“ Väter?

5 Vater-Kind-Beziehung: Das Erziehungsverhalten der Väter

5.4 Das Erziehungsverhalten der Väter und kindliche Verhaltensweisen

Abschließend stellt sich die Frage, inwieweit sich die Art des Erzie-hungsverhaltens der Väter und der Umfang des Engagements der Väter („aktive Vaterschaft“) auf ausgewählte Verhaltensweisen der Kinder aus-wirken. In AID:A II wurden kindliche Verhaltensweisen dem Alter der Zielkinder entsprechend erfasst: Für unter vierjährige Zielkinder wurden andere Fragen gestellt als für ältere Zielkinder. Tabelle 5.19 zeigt die Ein-schätzung der Mütter zu Verhaltensweisen von unter vierjährigen Zielkin-dern, die vor allem deren Wohlbefinden widerspiegeln. Die Mehrheit der Mütter berichtet, dass ihr Kind fröhlich und zufrieden (64,7 %), neugierig und aktiv (82,1 %) sowie nicht schwer zu trösten (68,9 %) ist.

Tabelle 5.19: Verhaltensweise jüngerer Kinder (0–4)63 Trifft voll

und ganz zu Teils/Teils Trifft

über-haupt nicht zu Gesamt Fröhlich und (Datenquelle: AID:A II, eigene Berechnung, n = 1.523)

Die Verhaltensweisen der älteren Zielkinder (vier bis acht Jahre) werden durch den „Strenghts and Difficulties Questionnaire (SDQ)“ erfragt (vgl.

Goodman 199764). Diese 25-Item-Fragebatterie, die von der Mutter beant-wortet wird, ist ein international anerkanntes Instrument zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten und prosozialem Verhalten von Kindern und Ju-gendlichen (Emotionale Probleme, Verhaltensprobleme, Hyperaktivität und Probleme mit Gleichaltrigen). Durch klinisch festgelegte Werte kann die verwendete Stichprobe in „unauffällig“, „grenzwertig“ und „auffällig“ ein-geteilt werden. Zusätzlich erlaubt das Instrument die Bildung eines Ge-samtproblemindexes, der für die Berechnungen in diesem Kapitel zum

Ein-63 Diese Information wurde von den Müttern angegeben. Die Fragestellung lautet: Wie würden Sie <Zielkind> beschreiben? Stufen Sie bitte von 1 „Trifft voll und ganz zu“ bis 5 „Trifft über-haupt nicht zu“ ab. 1. Mein Kind ist meist fröhlich und zufrieden. 2. Mein Kind ist leicht erreg-bar und weint häufig. 3. Mein Kind ist schwer zu trösten. 4. Mein Kind ist neugierig und aktiv.

Die mütterlichen Angaben wurde dann in „Trifft voll und ganz zu“ (1), „Teils/Teils“ (2,3,4) und

„Trifft überhaupt nicht zu“ (5) kategorisiert.

64 Die deutsche Version wurde von Klasen und Kollegen entwickelt (vgl. Klasen u. a. 2010).

satz kommt. Der SDQ wird häufig auch als Instrument verwendet, um kindliches Wohlbefinden zu erfassen. Sind Verhaltensauffälligkeiten zu er-kennen, wird dem Kind ein niedrigeres Wohlbefinden zugeschrieben.

Tabelle 5.20 zeigt zunächst aber die Verteilung der Kinder in den ver-schiedenen Subdimensionen des SDQ. Es zeigt sich, dass der Großteil der Zielkinder in der Kategorie „normal“ (also unauffällig) zu verorten ist.

Tabelle 5.20: Dimensionen des SDQ (4–9-jährige Zielkinder)65

Unauffällig Grenzwertig Auffällig Gesamt

Emotionale Probleme 89,0 % (1.335) Verhaltensprobleme 68,4 %

(1.024) Hyperaktivität 90,4 %

(1.356) Prosoziales Verhalten 95,5 %

(1.432) Gesamtproblemwert 91,8 %

(1.375) (Datenquelle: AID:A II, eigene Berechnung, n = 1.500)

Die Frage, die sich nun anschließt lautet: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem väterlichen Erziehungsverhalten und Auffälligkeiten seitens der Kinder? Die bivariaten Analysen zeigen keinen bedeutsamen Zusam-menhang zwischen positiv-kindzentriertem Erziehungsverhalten der Väter und Verhaltensproblemen des Kindes (vgl. Tabelle 5.21). Allerdings zeigt sich ein auffälliger Befund in Bezug auf das strafend-inkonsistente

Erzie-65 Diese Information wurde von den Müttern angegeben. Die Befragten markieren zu jedem Punkt „Nicht zutreffend“, „Teilweise zutreffend“ oder „Eindeutig zutreffend“ laut dem Verhalten des Kindes in den letzten sechs Monaten. Eine volle Version mit 25 Items findet man unter:

http://www.sdqinfo.com/py/sdqinfo/b3.py?language=German. Beispiele zur Fragestellung der fünf Aspekten des Kinderverhaltens, die hier vermessen werden, sind: 1. Emotionale Proble-me: Klagt häufig über Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Übelkeit; 2. Verhaltensproble-me: Hat oft Wutanfälle; ist aufbrausend. 3. Hyperaktivität: Unruhig, überaktiv, kann nicht lange still sitzen; 4. Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen: Einzelgänger; spielt meist alleine; 5.

Prosoziales Verhalten: Teilt gerne mit anderen Kindern (Süßigkeiten, Spielzeug, Buntstifte usw.). Die Antworten auf diese Items wurden nach der Norm der Original-Skala in drei Kate-gorien „unauffällig“ „grenzwertig“ und „auffällig“ zusammengefasst. Die Grenzen der Kategori-sierung: Emotionale Probleme: 0-3 = unauffällig, 4 = grenzwertig, 5-10 = auffällig; Verhaltens-probleme: 0-2 = unauffällig, 3 = grenzwertig, 4-10 = auffällig; Hyperaktivität: 0-5 = unauffällig, 6 = grenzwertig, 7-10 = auffällig; Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen: 0-2 = unauffällig, 3 = grenzwertig, 4-10 = auffällig; Prosozial: 6-10 = unauffällig, 5 = grenzwertig, 0-4 = auffällig;

Gesamtprobleme: 0-13 = unauffällig, 14-16 = grenzwertig, 17-40 = auffällig.

hungsverhalten des Vaters (vgl. Tabelle 5.22): Hohe Zustimmungswerte bei diesem Erziehungsverhalten gehen auch mit einem häufigeren Vorkommen von grenzwertigem und auffälligem Verhalten der Kinder einher (44,3 %).

Dieser Befund fügt sich gut in die internationale Forschung ein (vgl. Hoeve u. a. 2009).

Tabelle 5.21: Positiv-kindzentriertes Erziehungsverhalten der Väter nach dem Gesamtproblemwert66

Hoch

Durch-schnittlich Niedrig Gesamt

Unauffällig 15,9 % (219)

62,1 % (854)

22,0 % (302)

100,0 % (1.375) Grenzwertig/

Auffällig

12,2 % (15)

57,7 % (71)

30,1 % (37)

100,0 % (123) (Datenquelle: AID:A II, eigene Berechnung, n = 1.498. Testergebnis: χ2(2) = 4,646, p>0,05, Cramer's V = 0,056)

Tabelle 5.22: Strafend-inkonsistentes Erziehungsverhalten der Väter nach dem Gesamtproblemwert

Hoch

Durch-schnittlich Niedrig Gesamt

Unauffällig 25,7 % (353)

59,4 % (815)

14,9 % (205)

100,0 % (1.373) Grenzwertig/

Auffällig

44,3 % (54)

42,6 % (52)

13,1 % (16)

100,0 % (122) (Datenquelle: AID:A II, eigene Berechnung, n = 1.495. Testergebnis: χ2(2) = 19,827, p<0,01, Cramer's V = 0,115)

Als zweite Frage schließt sich nun an, inwieweit eine „aktive Vater-schaft“ mit den kindlichen Verhaltensweisen, speziell mit den untersuchten Verhaltensauffälligkeiten (SDQ Gesamtproblemwert) zusammenhängen.

Die AID:A-Daten zeigen in den Analysen jedoch keine bedeutsamen Un-terschiede zwischen „wenig aktiven“, „durchschnittlich aktiven“ und „akti-ven Vätern“ und dem Vorhandensein von kindlichen Verhaltensauffälligkei-ten (vgl. Tabelle 5.23).

66 Hier, und auch in den folgenden Tabellen, sind die Gruppen „Grenzwertig“ und „Auffällig“

aufgrund der geringen Fallzahl zu „Keine Probleme“ und „Probleme“ zusammengefasst.

Tabelle 5.23: Gesamtproblemwert – „aktive und weniger aktive Väter“

Unauffällig Grenzwertig/

Auffällig Gesamt Wenig aktive Väter 92,8 % (257) 7,2 % (20) 100,0 % (277) Durchschnittlich

aktive Väter 91,7 % (900) 8,3 % (81) 100,0 % (981) Aktive Väter 90,8 % (217) 9,2 % (22) 100,0 % (239) (Datenquelle: AID:A II, eigene Berechnung, n = 1.497. Testergebnis: χ2(2) = 0,676, p>0,05, Cramer's V = 0,021)

Die hier gemessenen kindlichen Verhaltensauffälligkeiten (SDQ Ge-samtproblemwert) hängen den vorliegenden Analysen zufolge also schein-bar nicht mit der Quantität des väterlichen Engagements zusammen und ebenso wenig mit einem positiv-kindzentrierten Erziehungsverhalten des Vaters (als Aspekt der Qualität der Vater-Kind-Beziehung). Einzig das stra-fend-inkonsistente Erziehungsverhalten weist einen negativen Zusammen-hang zu Verhaltensauffälligkeiten der Kinder auf (vgl. Tabelle 5.22). An dieser Stelle muss offen bleiben, in welchem Maße das Erziehungsverhalten der Väter kindliche Verhaltensauffälligkeiten beeinflusst und wie stark der umgekehrte Effekt ist, inwieweit kindliche Verhaltensauffälligkeiten also das Ergebnis stark kontrollierenden, letztlich dysfunktionalen Verhaltens der Väter sind.

5.5 Fazit

Das Kapitel „Vater-Kind-Beziehung: Das Erziehungsverhalten der Vä-ter“ beleuchtet Eigenschaften der Vater-Kind-Beziehung, indem es das Er-ziehungsverhalten der Väter als Ausdruck der Qualität des väterlichen Enga-gements untersucht und setzt dies in Beziehung zu verschiedenen Einfluss-faktoren. Im Wesentlichen wurden dazu zwei Indikatoren für das väterliche Erziehungsverhalten herangezogen: Zum einen das positiv-kindzentrierte Erziehungsverhalten, das sich durch emotionale Wärme und kindzentrierte Kommunikation ausdrückt und zum anderen ein eher strafend-inkonsistentes Erziehungsverhalten, das durch einen bestrafenden Erzie-hungsstil und Inkonsistenzen in der Erziehung gekennzeichnet ist. Ein in hohem Maße positiv-kindzentriertes Erziehungsverhalten und ein wenig strafend-inkonsistentes Erziehungsverhalten können als Indikatoren für eine gute Qualität der Vater-Kind-Beziehung interpretiert werden.

Die Zusammenhangsanalysen zeigen, dass ein hohes väterliches Wohlbe-finden, jüngere und weniger Kinder im Haushalt mit einem positiveren, zugewandteren Erziehungsverhalten einhergehen. Diese Zusammenhänge halten auch der multifaktoriellen Analyse stand und erweisen sich als statis-tisch signifikante Einflussfaktoren. Es ist anzumerken, dass sich mit den hier vorliegenden Querschnittsdaten zum Teil nur schwer Aussagen über die Richtung der Zusammenhänge machen lassen. So ist einerseits anzu-nehmen, dass ein hohes Wohlbefinden der Väter zu einem

positiv-kindzentrierteren Erziehungsverhalten führt, dass umgekehrt aber auch ein positiv-kindzentrierter Umgang mit dem Kind zu einem höheren väterli-chen Wohlbefinden führt.

Besonders hervorzuheben ist der bedeutsame positive Zusammenhang zwischen „aktiver Vaterschaft“, die eher an der Quantität der gemeinsamen Zeit mit dem Kind festgemacht ist, und der Vater-Kind-Beziehung, welche eher die Qualität der Interaktionen zwischen Väter und ihren Kindern in den Fokus rückt. Dieser Zusammenhang hat auch unter Kontrolle zahlrei-cher anderer Faktoren Bestand. Demnach geht eine „aktive Vaterschaft“

auch mit einer besseren Beziehungsqualität zwischen Vätern und ihren Kindern und einem funktionaleren Erziehungsverhalten einher.

In Bezug auf kindliche Verhaltensweisen konnte kein Zusammenhang mit positiv-kindzentriertem Erziehungsverhalten nachgewiesen werden, sehr wohl jedoch mit strafend-inkonsistentem Erziehungsverhalten der Vä-ter: Kinder, die Verhaltensauffälligkeiten aufweisen, haben häufiger auch Väter, die einem strafend-inkonsistentem Erziehungsverhalten zustimmen.

Die Kausalrichtung ist allerdings nicht geklärt: So ist sowohl anzunehmen, dass Verhaltensauffälligkeiten des Kindes einen strafend-inkonsistentes Erziehungsverhalten des Vaters provozieren, als auch dass ein strafend-inkonsistentes Erziehungsverhalten des Vaters zu Verhaltensauffälligkeiten beim Kind führen kann. Hier wird weiterer längsschnittlicher Forschungs-bedarf deutlich. Die Kinder von „aktiven“ oder „wenig aktiven Vätern“

unterscheiden sich nicht in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten.