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Das enge Umweltbewußtsein und seine Bedingungen

Im Dokument Umweltbewußtsein - weitergedacht! (Seite 84-87)

Jungs Gesundheitsbegriff und der Bezug zur Umweltproblematik

4. Ausprägungen des Umweltbewußtseins

4.1 Das enge Umweltbewußtsein und seine Bedingungen

Als Grundlage eines engen Verständnisses von Umweltbewußtsein ist die ana-lytische Abtrennung eines oder mehrerer umweltrelevanter Handlungsbereiche bzw. psychischer Komponenten anzusehen, die nicht oder nur schwach mit an-deren Bereichen verbunden sind. Das zentrale Unterscheidungskriterium für enges und weites Umweltverständnis ist demnach die Umsetzung der Ganz-heitlichkeitsannahme. Die Menschenbilder der dargestellten Ansätze im Rah-men des engen Verständnisses zeichnen sich dabei durch eine Selektivität aus, die solche Bereiche des menschlichen Wesens ausklammert, die nicht in direk-tem Zusammenhang mit dem Verhalten in bezug auf die natürliche Umwelt stehen. Die betrachtete Umwelt reduziert sich auf die natürliche Umwelt, wäh-rend die soziale Umwelt weitgehend außer acht gelassen wird. Zentral für diese Ansätze ist überdies die Vernachlässigung individueller Gegebenheiten, die das umweltrelevante Verhalten bestimmen könnten. In den Bereich dieses engen Verständnisses von Umweltbewußtsein und umweltgerechtem Handeln fallen die ersten beiden dargelegten Ansätze: die Umweltbewußtseinsforschung und die Kognitionspsychologie. Doch schon im Bereich des engen Verständnisses umfaßt Umweltbewußtsein mehrere Komponenten, die Bedingungen umweltgerechten Handelns darstellen:

- Umweltrelevantes Wissen: Die frühe Umweltbewußtseinsforschung hat dem Wissen über ökologische Zusammenhänge - z.B. mit Fragen nach Wiesen-blumen - besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dieses Wissen kann aber nur ein kleiner Teil des Wissens sein, das für umweltgerechtes Handeln er-forderlich ist, da es hierbei gerade auf ein Wissen um die Entstehung von Umweltproblemen und über praktische Lösungsmöglichkeiten ankommt. Alle Wissensinhalte, die die Umweltbewußtseinsforschung als Voraussetzung für die Umsetzung umweltgerechten Handelns beschreibt, sind

demgegen-über ausschließlich auf die natürliche Umwelt bezogen. Wissen demgegen-über soziale Zusammenhänge, psychologische Erkenntnisse oder Philosophie erscheinen hierin nicht als relevant für das umweltgerechte Handeln.

Fähigkeit zum komplexen Problemlösen: In der Kognitionspsychologie ist nicht allein das Wissen relevant für das tatsächliche Verhalten, sondern auch die Denkstruktur. Darauf hat vor allem Dörner hingewiesen, der die Problemlösefähigkeit in komplexen Situationen (mit vielen zu beachtenden Variablen, unterschiedlichen zeitlichen Entwicklungsverläufen, Vernetzun-gen sowie Fern- und NebenwirkunVernetzun-gen) in den Vordergrund stellt. Umwelt-probleme sind neben anderen nur ein Typ dieser Probleme. Ein erfolgrei-cher (kognitiver) Umgang mit solchen Problemen führt dann auch zu ent-sprechend richtigem Verhalten. Ob hierbei noch eine Hürde zwischen der

»Theorie« kognitiver Verarbeitungsvorgänge und der »Praxis« tatsächlichen Handelns besteht, wird nicht ausgeführt. Es darf aber kritisch angemerkt werden, daß gerade die Handlungsfähigkeit im tatsächlichen Leben ein zen-trales Kriterium auch für die Umsetzung kognitiv durchdachter Lösungswe-ge ist, die sich nicht in Laborversuchen simulieren läßt, wie es Dörner ver-sucht hat. Denn hierbei geht es ja im wesentlichen um den Umgang mit Menschen und nicht nur mit Computern.

Umwelteinstellungen: Im affektiven Bereich haben die Umweltbewußtseins-forscher verschiedene Einstellungen identifiziert, die im Zusammenhang mit umweltgerechtem Verhalten stehen. Dazu gehören eine kritische Einstellung zu quantitativem Wirtschaftswachstum, eine gesellschaftskritische Einstel-lung und eine bürokratiekritische EinstelEinstel-lung. All diese EinstelEinstel-lungen haben auch einen logischen Bezug zur Umweltthematik: Eine langfristig umwelt-verträgliche Entwicklung schließt ungebremstes quantitatives Wirtschafts-wachstum aus; wenn die Mehrheit der Gesellschaft sich diesem quantitati-ven Wachstum verpflichtet fühlt, muß ein umweltgerecht handelnder und denkender Mensch kritisch zu dieser Gesellschaft stehen. Wenn die Büro-kratie ein ausbeuterisches Verhalten der Wirtschaftssubjekte gegenüber der Natur unterstützt, dann muß auch diese kritisiert werden. Allerdings lassen sich auch andere Zusammenhänge finden, die z.B. in die Erkenntnis mün-den, daß Obrigkeitsdenken und umweltfreundliches Handeln (etwa im Ab-fallbereich) zusammengehen. Diese Thematisierung der Einstellungen weist auf die breitere Verankerung des umweltgerechten Handelns in der mensch-lichen Psyche hin, doch berücksichtigt die Umweltbewußtseinsforschung nur diejenigen Einstellungen, die einen direkten inhaltlichen Bezug zur The-matik der natürlichen Umwelt haben.

- Umweltbezogene Werthaltungen: Die Werthaltungen sind die umfassendsten psychischen Kategorien, die die Umweltbewußtseinsforschung berücksich- tigt. Interessanterweise finden die Forscher hier auch einen Zusammenhang des Verhaltens gegenüber der natürlichen Umwelt zu dem Verhältnis zur sozialen Umwelt, insbesondere der Familie. Dies belegt meines Erachtens die These der umfassenden Beeinflussung von (umweltgerechtem oder -schädlichem) Verhalten durch nicht direkt umweltspezifische Faktoren. Im Rahmen der Diskussion um postmaterielle Wertsysteme wurde auch der Zu- sammenhang zwischen umweltspezifischen Werthaltungen und anderen Haltungen untersucht, der sich zuvor nicht eindeutig finden ließ. Es kann sich also auch jemand umweltgerecht verhalten, der im wesentlichen mate- riellen Werthaltungen anhängt.

- Umweltgerechte Handlungsabsichten: Daß für die Realisierung umweltge- rechten Handelns auch entsprechende Absichten vorhanden sein müssen, er scheint höchst plausibel, da ein stets spontanes, nicht intendiertes umweltge- rechtes Verhalten selten sein wird. Daß es für die tatsächliche Umsetzung dieser Absichten noch der Erfüllung bestimmter Nebenbedingungen, wie In- frastrukturen und Anreize, bedarf, erscheint ebenfalls einleuchtend. Die re- duzierte Sichtweise der Umweltbewußtseinsforschung findet sich in diesem Bereich darin wieder, daß im wesentlichen nur die auf die natürliche Um- welt bezogenen Anreize und Vorbedingungen (Wissen, Einstellungen, Wer- te) berücksichtigt werden. Eine umfassendere Handlungsfähigkeit, welche Überzeugungen in Handeln umsetzt und sich auf verschiedene psychische Bedingungen aufbaut, wird hierbei nicht gesehen.

Resümierend kann man sagen, daß ein ausgeprägtes Umweltbewußtsein dieses (engen) Typs bei Experten für Fragen der natürlichen Umwelt zu erwarten ist, also bei denjenigen, die auf bestimmten, die natürliche Umwelt betreffenden Gebieten viel wissen, entsprechende kognitive Verarbeitungskapazitäten ha-ben, die nötigen Einstellungen und Werthaltungen aufweisen und schließlich dementsprechende Handlungsabsichten äußern. Wer in diesem Sinne das größte Umweltbewußtsein hat, wird der zugrundeliegenden Annahme zufolge -dann auch am umweltgerechtesten handeln.

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