• Keine Ergebnisse gefunden

Bedingungen eines ganzheitlichen Menschenbildes

Im Dokument Umweltbewußtsein - weitergedacht! (Seite 24-28)

Charakter, Individualität, Neigung, Richtung, Ört-lichkeit, Umgebungen und Gewohnheiten bilden zu-sammen ein Ganzes, in welchem der Mensch, wie in jedem Elemente, in der Atmosphäre, schwimmt, worin es ihm allein bequem und behaglich ist.

Goethe: Wahlverwandtschaften

Die in der Geschichte der Psychologie aufzufindenden Menschenbilder beto-nen - wie zu sehen war -je verschiedene Aspekte des menschlichen Seins, be-leuchten unterschiedliche Seiten der Psyche und ihrer Beziehung zum äußeren

7 So geht Dilthey davon aus, daß die Vorgänge in der Natur kausal, also nach dem ein deutigen Ursache-Wirkungsprinzip, erklärt werden könnten. Hingegen müsse das See- lenleben final verstanden werden, also von den jeweils angestrebten Werten und Zielen (vgl. Dilthey 1894/1990).

8 Zu Jungs okkultistischem Glauben vgl. z.B. seine Werke »Psychologie und Alchemie«

(1944/52), »Mysterium Coniunctioni« (1955/56) oder »Einführung in das Wesen der My- thologie« (zusammen mit K. Kerényi, 1951).

Verhalten des Menschen. In ihrer Ausschließlichkeit verkürzen die meisten von ihnen die Vielfalt menschlichen Seins und verkennen die Zusammenhänge zwischen Leib, Seele und Geist. Mit der Konzentration auf positive, beobacht-bare Vorgänge des psychischen Geschehens kann die physiologische Psycholo-gie Fragen nach dem psychischen Innenleben, nach dem Aufbau oder gar nach dem Wesen der Psyche nicht beantworten. Auch die Kognitionspsychologie versucht, psychische Vorgänge mit einem - gleichwohl ausgereifteren - me-chanistischen Modell zu beschreiben. Obwohl mit diesem Ansatz versucht wurde, Einblicke in die inneren Vorgänge (der Informationsverarbeitung) des Menschen zu nehmen, was schon weit über den Behaviorismus hinausgeht, ist die Computermetapher der kognitiven Psychologie in dreierlei Hinsicht zu kurz gegriffen: Zum einen können die zentralen »subjektiven Erlebnisqualitä-ten« Emotionalität und Individualität nicht darin berücksichtigt werden9 (vgl.

Searle 1986, S. 14ff.); andererseits muß ein Computer (bisher) stets ange-schaltet und programmiert werden, um aktiv zu werden, sein »Verhalten« ist also gänzlich von außen gesteuert, so daß selbstbestimmtes Handeln in diesem Modell nicht beschrieben werden kann; schließlich hat die Reflexivität des Be-wußtseins als eines BeBe-wußtseins sowie über seine Wissensinhalte und -lücken hier keinen Platz, d.h. der Computer ist sich im Gegensatz zum Menschen nicht dessen bewußt, was er weiß und was er nicht weiß (vgl. Herzog 1984, S. 119ff.; Groeben/Erb 1991, S. 7ff.).

Demgegenüber versuchen Gestaltpsychologie und Tiefenpsychologie, das Geistige weniger durch mechanistische Analogien zu fassen, sie erkennen es vielmehr als Besonderheit des Menschen an. Mit der Integration von Ordnung, Quantität und Weiterleben bezieht die Gestaltpsychologie geistig-seelische Spezifika des Menschen in ihr Bild mit ein. Zentraler Beitrag der Tiefenpsy-chologie ist die Beleuchtung des Unbewußten im Menschen. Alle drei Grund-richtungen der Tiefenspsychologie gehen von der Selbstbedingtheit des Psychi-schen aus, dessen Phänomene und Gesetzmäßigkeiten nicht von naturwissen-schaftlichen oder religiösen Standpunkten abgeleitet werden können (vgl. z.B.

Jacobi 1978, S. 13). Die Psyche und insbesondere unbewußte, triebhafte Kräf-te als Ursache sämtlicher VerhalKräf-tensäußerungen zu begreifen, ohne äußere Faktoren in Rechnung zu stellen, wie es einige Schüler der Tiefenpsychologie tun, ist allerdings eine psychologistische Übertreibung dieser Einsicht.

Die folgenden Ausführungen leiten aus dem Gesagten zentrale Bedingun-gen eines ganzheitlichen Bildes des Menschen und seiner Psyche ab. Die Ganzheitlichkeit des entstehenden Bildes ergibt sich dabei aus der Zusammen-9 Herzog (1Zusammen-984, S. 121) formuliert diesen Mangel folgendermaßen: »Die Wärme des

Computers kann immer nur physikalische Wärme sein, nie aber menschliche Wärme.«

fuhrung zentraler anthropologischer Erkenntnisse aus den referierten Ansät-zen:

»Der psychische Lebensprozeß ist ursprünglich und überall [...] eine Einheit. Das Seelenleben wächst nicht aus Teilen zusammen« (Dilthey 1894/1957, S. 211).

Erst mit der Annahme, daß der Mensch eine Ganzheit ist, in der alle Elemente zusammenhängen und keines herausgetrennt werden kann, kann Verhalten oder Handeln von Individuen bezüglich ihrer natürlichen und sozialen Umwelt wirklich erklärt oder verstanden werden.

Eng verknüpft mit der Idee der Ganzheit des Seelenlebens, die im wesent-lichen von Dilthey entwickelt wurde, ist die in der Gestaltpsychologie hervor-gehobene Bedeutung des Strukturbegriffs:

»Ich nenne Struktur die Artikulation oder Gliederung eines Ganzen« (Dilthey, zit. nach Bollnow 1955, S. 152).

Innerhalb dieser Struktur finden sich verschiedene Elemente, auf die einzelnen Richtungen der Psychologie im einzelnen hingewiesen haben:

- Leiblichkeit: Die Leiblichkeit ist die physiologische Präsenz des Psychi schen, auf die insbesondere die physiologische Psychologie hingewiesen hat. Der Leib ist sowohl der Ort, an dem Gefühle, Stimmungen, Gedanken entstehen und der die Verbindung des Menschen mit seiner Außenwelt er möglicht. Dabei kann Leiblichkeit aber nicht physiologistisch auf Maß und Zahl reduziert werden, sondern muß in der Einheit mit Seele, Geist und Be wußtsein gesehen werden (vgl. Danzer 1995, S. 166f.).

- Geistigkeit (Bewußtsein, Kognition): Auf die Dimension des Bewußtseins und der Prozesse seines Funktionierens hat sich innerhalb der Psychologie die Kognitive Psychologie spezialisiert, wobei die Strukturen des Denkens und Informationsverarbeitens im Vordergrund stehen, weniger die konkre- ten Inhalte. Das Bewußtsein besitzt die Fähigkeit, Ordnung und Sinn zu schaffen, wahrzunehmen und weiterzuvermitteln. Zu ihm können Originali- tät, Vernunft, Norm und Wert, Individualität und Subjektivität, aber auch Phantasie, Spekulation und Zeitempfinden gezählt werden (vgl. Uslar 1981, S.348ff.).

- Emotionalität (Gefühl): Obwohl die akademische und experimentelle Psy- chologie im Laufe dieses Jahrhunderts immer wieder versucht hat, Gefühle wie Angst, Freude und Lust allgemeinverbindlich zu definieren, zu systema- tisieren und die mit ihnen verbundenen Vorgänge zu erforschen, bleibt frag- lich, ob sie sich nicht nur mit »Surrogaten von Gefühlen« beschäftigt hat, da im Labor nur schwer echte Gefühle entstehen können (vgl. Englert 1987,

S. 372). Indem nur die bewußt erlebte Seite der Gefühle untersucht wurde, bleiben die Subjektivität und die unbewußte Verursachung von Gefühlen ausgeblendet. Hierzu bedarf es tiefenpsychologischer Vorgehensweisen.

- Unbewußtes: Das Unbewußte stellt - wie bereits ausgeführt - im Rahmen tiefenpsychologischer Theorien ein wesentliches Element der Einheit Mensch dar. Innerhalb der unterschiedlichen Schulen wird es allerdings je unterschiedlich gefaßt. Bei Freud erscheint es als Speicher des Verdrängten, bei Adler als Unerkanntes bzw. fiktives Ziel und bei Jung als kollektiv ver-wurzeltes, schichtenartig aufgebautes Innenleben.

Im Verhalten und Erleben des Menschen kommen alle diese Strukturelemente zusammen und keines läßt sich streng kausal aus dem anderen herleiten:

»Aus diesen Verhältnissen ergibt sich nun, daß eine Psychologie möglich ist, wel-che von dem allgemeingültig erfaßten Zusammenhang des Seelenlebens ausgehend, die einzelnen Glieder dieses Zusammenhangs analysiert, ihre Bestandteile und die sie verbindenden Funktionen beschreibt und erforscht, so tief als sie kann, aber keine Konstruktion des ganzen Kausalzusammenhangs der psychischen Vorgänge unternimmt. Seelenleben kann ja doch nicht aus Bestandteilen komponiert, durch Zusammensetzung konstruiert werden, und der Spott des Faust über Wagners che-mische Herstellung des Homunkulus trifft solchen Versuch mit« (Dilthey 1894/

1957, S. 175).

3. Umweltpsychologie

Die Umweltpsychologie beschäftigt sich - nach dem oben explizierten Ver-ständnis - mit den Wechselwirkungen zwischen individuellem Verhalten und den Veränderungen der natürlichen Umwelt sowie mit den Zusammenhängen zwischen dem Verhalten und psychischen Vorgängen. Gemäß dem umfassen-den Umweltbegriff, der dieser Arbeit zugrunde liegt, bedarf es aber einer Ein-beziehung auch der sozialen Umwelt des Individuums in die Betrachtung. Ob dies in den vorhandenen Ansätzen zur so verstandenen Umweltpsychologie auch geschieht, soll eine Leitfrage für das folgende Kapitel sein.

Die andere Frage ist, welches Idealbild von psychischen Konstellationen zum verträglichen Umgang mit der natürlichen Umwelt, kurz: Umweltbewußt-sein, in den Ansätzen vertreten wird und welche Defizite bei den Menschen in dieser Hinsicht aktuell bestehen. Der weitverbreitete Begriff »Umweltbewußt-sein« ist aber insofern problematisch, als er die Assoziation nahelegt, daß nur Bewußtsein und Kognition relevant seien. Tendenziell werden dabei emotionale und unbewußte Elemente begrifflich ausgeklammert, die im folgenden aber gerade mitberücksichtigt werden sollen.

Schließlich ist die Frage nach dem jeweils impliziten Menschenbild we-sentlich, weil so eine Gewichtung der Ansätze gemäß dem skizzierten umfas-senden Menschenbild möglich wird.

Im Dokument Umweltbewußtsein - weitergedacht! (Seite 24-28)