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Das alternative Währungssystem von Christiania 1

Im Dokument Christoph Spehr (Seite 152-156)

Im Dezember 1997 begann Christiania, die Freistadt von Kopenhagen, ein neues, aufregendes Experiment. Wir schufen unsere eigene lokale Währung, den sogenannten „Lohn“. Fast jedes Jahr, seit wir sie eingeführt haben, erhielt die Münze, die den Wert von 50 dänischen Kronen hat (etwa 6 €), ein neues Design. 1997 war es eine Schnecke, 1999 ein Fahrrad, 2000 eine Sonne, 2001 ein Zaunkönig. Zur Zeit sind 9.000 Stück davon in Umlauf. Die Münzen sind in Kupfer und Messing geprägt, zusätzlich gibt es eine spezielle Silbermünze für Sammler. Die Grundidee dabei ist, dass der Verkauf der Silbermünzen an Sammler die Kosten des Gesamtprojekts decken soll.

Geldumlauf

Die lokale Währung wird überall in Christiania akzeptiert – in Bars, Restau-rants, GeschäĞ en, bei Firmen und als Abgabe an die GemeinschaĞ skasse.

Das Projekt wird von der sogenannten Währungsgruppe geleitet. Sie bringt die Münzen in Umlauf, als Bezahlung für Dienstleistungen, die im Rahmen des Jahreshaushalts eingeplant sind. Die Münzen gelangen wieder zur Wäh-rungsgruppe zurück, wenn Firmen, die Bezahlungen in der lokalen Währung angenommen haben, dieses Geld in die nationale Währung umtauschen wollen.

Für jede Münze der lokalen Währung, die in Umlauf gebracht wird, werden 50 dänische Kronen in einen speziellen Deckungsfonds eingezahlt, um die Deckung der lokalen Währung zu gewährleisten.

Der Geldumlauf funktioniert noch nicht optimal. Wir arbeiten darauf hin, dass jeder Eigenbetrieb der Freistadt wie ein Herz ist, das die lokale Währung in den Geldkreislauf pumpt – als Bezahlung für Lieferanten, für Miete, und für andere Leistungen in der Freistadt. Ein Ziel dabei ist es, Vertrauen in die lokale Währung zu schaě en; ein anderes Ziel ist es, ein allgemeines Bewusstsein für die eigene Rolle in der lokalen WirtschaĞ zu entwickeln, und ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung dafür.

1 Anm. d. Übs.: Im Original wird präziser von „komplementären Währungssystemen“ oder „Komple-mentärwährungen“ gesprochen, also Währungssystemen, die das allgemeine Währungssystem lokal ergänzen. In der Übersetzung wird staĴ dessen der weniger sperrige Begriě „Alternativwährung“ oder

„alternatives Währungssystem“ verwendet.

Souvenir-Profi te

Die lokale Währung von Christiania ist ein Geschenk, das der Community ei-nige fantastische Möglichkeiten beschert. Erstens bringt sie der Freistadt Ein-nahmen – durch die Sammler und Touristen, die die Münzen behalten. Wenn die Währungsgruppe es für angemessen hält, wird dieser Souvenir-Profi t in den allgemeinen Haushalt überführt. Bis heute sind fünf Projekte mit einem Gesamtumfang von 112.000 dkr. (etwa 13.500 €) aus diesen Einnahmen fi nan-ziert worden. Kulturelle, ökologische, soziale und wissenschaĞ liche Initiativen, die dazu geeignet sind, Christiania schöner, aĴ raktiver und für Bewohner wie Gäste nachhaltiger zu machen, machen 90% dieses Förderumfangs aus. Die anderen 10% entfallen auf Stipendien für Einzelne oder Gruppen, die es diesen ermöglichen etwas zu lernen, wovon die Community als Ganze profi tiert.

Der Investment-Fonds

Aber auch der Deckungsfonds, der den Wert der lokalen Währung gewähr-leistet, bringt bedeutsame wirtschaĞ liche Vorteile. Letzlich handelt es sich um Geld, das die Bewohner der Community leihen, indem sie täglich die lokale Währung benutzen. Wenn jeder, der in Christiania lebt oder arbeitet, regelmä-ßig die lokale Währung benutzen würde, könnten 50% des Deckungsfonds zur Kreditfi nanzierung von Investitionen im öě entlichen Interesse eingesetzt werden, ohne die Stabilität der lokalen Währung zu gefährden.

Als ersten SchriĴ beschloss die Freistadt, 50.000 dkr. (ca. 6.000 €) in einen kollektiven Investment-Fonds zu überführen, der im Januar 2002 geschaě en wurde. Der Fonds repräsentiert den kumulativen Cash-Überschuss der an-geschlossenen GeschäĞ e und Firmen, und er investiert in Projekte, die der Freistadt Einnahmen bringen, oder in Firmen, für die eine positive Gewinner-wartung besteht. Auf diese Weise kommen die Investitionen im Laufe der Jahre den teilnehmenden lokalen GeschäĞ en und Firmen insgesamt zugute.

Ein zweites Ziel der Initiative ist es, Rücklagen im kommunalen Haushalt zu erwirtschaĞ en und die Zahlungen der Betriebe an den allgemeinen Haushalt zu erhöhen. Auf einer Tagung zu Nachhaltigem Kreditwesen im Mai 2001 boten die beiden dänischen Alternativ-Banken an, das Projekt beratend zu unterstüt-zen und so eine Qualitätskontrolle der anstehenden Invesitionsentscheidungen zu gewährleisten.

Sondermünzen

Eine interessante, aber bislang noch nicht erprobte Möglichkeit bestünde darin, Sondermünzen auszugeben, die jeweils ein konkretes Projekt unterstützen. Das

Projekt würde diese Münzen benutzen, um ihre lokalen Zulieferer damit zu bezahlen, und so das Geld in den lokalen Umlauf bringen. Touristen könnten bei ihren Einkäufen solche Sondermünzen als Souvenir erhalten, wenn sie möchten, so dass diese Münzen nach und nach wieder aus dem Umlauf ver-schwinden würden.

Eine lokale Währung muss auf einer gemeinsamen Anstrengung beruhen Eine lokale Währung ist ein GemeinschaĞ sprojekt, bei dem allen Mitgliedern der Community eine persönliche Verantwortung für den Erfolg des Projekts zukommt. Im Fall von Christiania glaube ich, dass wir die Geldmenge der lokalen Währung auf das bis zu Zehnfache erhöhen könnten, bevor Infl ation einsetzen würde. An einem bestimmten Punkt würde weitere Geldausgabe natürlich dazu führen, dass die lokale Währung an Wert verlieren würde.

Es sind eine Reihe von Hürden zu überwinden, bevor der Geldumlauf opti-mal funktioniert. Die erste Hürde in Christiania besteht darin, dass noch nicht alle Bewohner sich bewusst sind, dass die lokale Währung ein vollständiges Währungssystem ist. Eine zweite Hürde ist die fl ache Hierarchie Christianias, Ergebnis einer allgemeinen Unterschätzung der Notwendigkeit gut funktio-nierender Verwaltungsstrukturen. Nicht selten ersticken vielversprechende Initiativen in einem Dickicht aus versteckten Absichten und einem sozialen Beziehungssystem, in dem Machtkämpfe dominieren und gegenseitiges Ver-trauen zu schwach entwickelt ist.

2.600 Experimente mit lokalen Währungen

Es gibt heute über 2.600 lokale Communities weltweit, die mit verschiedenen Formen von lokalen Währungssystemen experimentieren. Aber für alle gilt, dass sie Jobs und realen lokalen Wohlstand schaě en.

Ein Beispiel ist Damanhur, eine ökologische und spirituelle Community in Norditalien. Ihre Lokalwährung ist der „Credito“. Die Community hat eine eigene Bank und hat mit dem Finanzamt und der Zentralbank feste Abkommen getroě en. Schätzungen zufolge hat der Credito die lokale WirtschaĞ saktivität in Damanhur auf das Dreifache gesteigert.

In Ithaca, einer Stadt im Norden des Staats New York, wurde 1991 eine lokale Währung als Reaktion auf den GolĤ rieg eingeführt, die „Ithaca hours“. Die Bürger von Ithaca haĴ en erkannt, dass jeder Dollar, der in ihrer Community verdient wird, nach sehr kurzer Zeit und nur wenigen lokalen „Stationen“ in die nächste Großstadt abfl ießt und letztlich den Kauf von Waě en und die Ab-holzung der Wälder fi nanziert. Die Ithaca hours sollten staĴ dessen die Bürger ermutigen, ihre KauĤ raĞ lokalen Produkten zugute kommen zu lassen. Das

Rückgrat dieses Systems ist eine 14tägig erscheinende Zeitung, in der lokal produzierte Waren und Dienstleistungen beworben werden, die man mit der lokalen Währung kaufen kann.

In England, Kanada und Neuseeland ist mit beträchtlichem Erfolg das so-genannte LETS-System praktiziert worden. LETS steht für Local Exchange and Trading Systems, lokales Tausch- und Handelssystem. In vielen Fällen sind LETS-Systeme in Krisenregionen entstanden, als Form der Selbsthilfe ange-sichts von hoher Arbeitslosigkeit und geringem Zugang zu Kapital, um so neue WirtschaĞ saktivität zu schaě en.

In Japan gibt es eine Gesundheits-Währung. Sie besteht in Dienstleistungs-stunden für BedürĞ ige. Wenn jemand z.B. im Norden lebt und seine MuĴ er im Süden, dann kann er an seinem Ort jemand helfen, der alt oder behindert ist, und bekommt das als Wert in dieser speziellen Währung gutgeschrieben.

Seine MuĴ er kann diese Dienstleistungsstunden dann in ihrem lokalen Umfeld für Unterstützung durch andere „ausgeben“. Es hat sich herausgestellt, dass viele Alte dieses System bevorzugen, weil seine Leistungen besser sind als die institutionelle Versorgung, die man sich mit der normalen, nationalen Währung kaufen kann.

Alternativ-Währungen: Global denken, lokal handeln

Die Lokalwährung von Christiania ist ein ökonomisches Experiment in Sachen

„global denken, lokal handeln“. Die lokale Währung stärkt die lokale Commu-nity und fördert eine nachhaltige Alternative zur globalen „Titanic“-WirtschaĞ . Lokale Währungssysteme sind ein integraler Bestandteil der lokalen Geldzirku-lation. Wenn der Umlauf gut funktioniert, hat er eine Steigerung der Re-Inves-titionen in die eigene Community zur Folge. Wenn die Zirkulation schlecht ist, bleiben die Folgen wenigstens lokal beschränkt – es sind die Bürger der lokalen Community, die von den Folgen ihrer Handlungen betroě en sind. Es besteht für mich kein Zweifel, dass lokale Währungen sowohl die lokalen Communities als auch die persönliche Identität ihrer Bürger stärken. Wenn wir die lokale Wäh-rung stärken, stärken wir die lokale GesellschaĞ , zu der wir gehören. Unsere persönlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten werden dadurch herausgestellt, sie werden sichtbar, und das führt zu einem besseren gegenseitigen Verständnis und einem engeren Zusammenhalt. Für mich ist eine Lokalwährung der beste Weg zu verantwortlichem sozialen Verhalten und zu sozialer, kultureller und nachhaltiger Entwicklung.

Übersetzung: Ross Jackson (Global Ecovillage Network) und Christoph Spehr Links: www.christiania.org; www. transaction.net/money

Im Dokument Christoph Spehr (Seite 152-156)