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Darstellung und figurative Konzeption homo- und

3.2 Familiäre Rollenmuster und Geschlechterkonstruktionen

3.2.3 Darstellung und figurative Konzeption homo- und

Sol: „Did we really spend all those years and fight our way out of one box just to climb into another?“

Robert: „There are a lot of ways to be a couple. We just have to find the best way for us.“

Sol: „You don’t think we’re doing this wrong?“

Robert: „No, I don’t think so.“

Sol: „So…you’re fine never sleeping with anyone again, or Jeff?“

Robert: „Oh, God, yes!“

Sol: „But you’re not just doing this for me?“

Robert: „I waited 20 years for you. I’d wait another 20 if I had to. There is no one else for me.“ (Grace and FrankieI/11: 23:00)

Die Beziehung von Robert Hanson und Sol Bergstein ist kennzeichnend für den seriellen Umgang mit homosexuellen Charakteren und Beziehungen zwischen diesen Charakteren. Robert und Sol outen sich als homosexuelles Paar und tren-nen sich von ihren Ehefrauen. Ihre folgende Beziehung wird im Sinne einer Angleichung an heteronormative Strukturen normalisiert. Nach der Trennung von ihren Ehefrauen leben sie miteinander und streben die baldige Scheidung und erneute Eheschließung an. Unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht neh-men sie konventionelle eheliche Geschlechterrollen ein. Während Sol stets als emotional und gefühlvoll dargestellt wird, agiert Robert meist nüchtern und ratio-nal (vgl. Grace and Frankie I/1: 3:00, I/3: 3:00). Es kann somit eine Trennung in einen eher weiblichen und einen eher männlichen Part festgestellt werden. In ihrem Verhalten zueinander ähneln sie einem verheirateten Ehepaar, wenn sie sich etwa über alltägliche Nichtigkeiten streiten (vgl. Grace and Frankie I/6: 4:00).

Tatsächlich wird die Beziehung zwischen beiden als besonders harmonisch dar-gestellt und so eindeutig positiv bewertet, da sie im Gegensatz zu den – besonders im Falle Roberts – angespannten vorherigen Ehen steht. Streiten sie sich auch wie-derholt, so finden sie doch rasch mit dem Ende der Episode eine Lösung in einer versöhnlichen und vereinenden Aussprache (vgl. Grace and Frankie I/6: 24:00, I/11: 23:00). In der Quintessenz existiert bis auf das biologische Geschlecht der Ehepartner keine Differenz zwischen einer heterosexuellen Ehe und der homose-xuellen Beziehung Roberts und Sols. Der obige Satz Roberts „There are a lot of

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ways to be a couple. We just have to find the best way for us“ mag also die inten-dierte Aussage der Serie umschreiben, wird aber durch Handlungsverlauf und Serienhandlung insofern relativiert, da die klassische Form des ehelichen Zusam-menlebens als optimal inszeniert wird, denn schließlich ist ihre Beziehung kaum von einer heterosexuellen zu unterscheiden. Diese Relativierung geschieht außer-dem dadurch, dass andere Homosexuelle – Freunde von Robert und Sol – eher als wild und vergnügungssüchtig dargestellt werden. Sie können sich auf einer rela-tiv konventionellen und gediegenen Party, welche die beiden veranstalten, nicht amüsieren und verlangen nach ausschweifender Unterhaltung (vgl. Grace and FrankieI/12: 11:00). Robert und Sol können dies nicht nachvollziehen. Sie stre-ben gewissermaßen nach Hypernormalität, die den Alltag der meisten Ehepaare an Gewöhnlichkeit noch übertrifft.

Während heterosexueller Sex inGrace and Frankiezumindest angedeutet wird, geht die Beziehung zwischen Sol und Robert kaum über liebevolle Berührungen hinaus. Die sexuelle Ausprägung der Homosexualität, also deren konkrete Sicht-barkeit und Manifestation, wird ausgespart. Es lässt sich vermuten, dass dies aus der Intention heraus geschieht, die Zuschauer nicht mit Unbekanntem bzw. zu sehr

‚Abweichendem‘ zu konfrontieren, welches die etablierte ‚Normalität‘ gefähr-den könnte. Dahingehend wird Sexualität zwischen homosexuellen Charakteren in Transparent (vgl. I/2: 29:10, I/3: 9:30), Ozark (vgl. I/5: 40:00), Everything Sucks!(vgl. I/8: 9:00) undThe Romanoffs(vgl. I/8: 25:50) durchaus angedeutet.

Da sexuelle Handlungen generell selten gezeigt werden und homosexuelle Cha-raktere im Vergleich zu heterosexuellen Figuren selten sind, lässt sich hier keine allgemeine Regel ableiten.

Innerhalb des Korpus werden einige andere homosexuelle Beziehungen gezeigt, wobei ich die Annäherung von Kate Messner und Emaline Addario in Everything Sucks!ausklammern möchte, da diese lediglich angedeutet wird. Diz-zee Kipling, selbst ein kreativer und künstlerisch veranlagter Charakter, geht eine Beziehung zum Sprayer Thor ein. Dies ist allerdings mehr ein Akt der sexuel-len Selbsterkenntnis als eine ernsthafte Beziehung, denn Thor führt ihn in die Homo- und Transsexuellen-Szene New Yorks ein (vgl.The Get DownI/6: 21:00).

Hinzu kommen die Beziehungen, die Roy Petty in Ozark führt: die zu seinem Kollegen Trevor Evans, die zu Russ Langmore und eine in der Vergangenheit liegende Beziehung (vgl.OzarkI/8). Mit Ausnahme der vergangenen Beziehung werden die gegenwärtigen negativ inszeniert: Petty hat sich von Evans getrennt und agiert im Umgang mit ihm ablehnend (vgl. Ozark I/3: 32:00) und Russ nutzt er schlichtweg für seine Pläne aus. Bei der Beziehung zwischen Simon Burrows und Christopher Ming in The Romanoffs handelt es sich lediglich um eine kurzzeitige Affäre, die zumindest für Christopher Ming rein sexueller Natur

ist.Ozarkist dabei die einzige Serie, die homosexuellen Geschlechtsverkehr zeigt oder explizit andeutet (vgl.OzarkI/2: 49:00, 40:00). Dies entspricht grundsätzlich der drastischen Darstellungsweise der Serie.

Maura Pfefferman, prominentester transsexueller Charakter meines Korpus, lebte vor ihrem Outing langjährig in einer heterosexuellen Ehe. Auch wenn sich Maura bereits während der Ehe als Frau fühlte (vgl.TransparentI/2: 27:10, I/3:

10:46, I/4: 5:07, I/6: 4:57), kann hier nicht von einer homosexuellen Partnerschaft die Rede sein. Interessant in Bezug auf die Auswirkungen von Mauras Outing auf die Familie ist, dass diese durch das Weltmodell und die Charakterkonzeptionen relativiert werden. Natürlich bedeutet Mauras Outing eine Überraschung und eine Umstellung für den Rest der Familie, die eigentlichen Umstände werden aller-dings nicht verändert. Die Kinder haben das elterliche Haus verlassen, die Ehe ist bereits geschieden und Shelly Pfefferman wird stets als deutlich dominanter und energischer als ihr emotionalerer Ex-Ehemann dargestellt (vgl.Transparent I/1: 19:00). Die ehelichen Rollenbilder – ein weiblicher und ein männlicher Part – werden somit weiterhin eingehalten. Selbst in der Beziehung zwischen Tochter Sarah und deren Jugendliebe Tammy Cashman nimmt Tammy – bereits durch das Auftreten mit Kurzhaarschnitt und ihre Berufstätigkeit im Gegensatz zu Sarah – eine maskuline Rolle ein. Beide streben nach der Scheidung von ihren Ehepartnern sofort eine Ehe an. So werden wiederum heteronormative Struktu-ren bekräftigt. Die Negativbewertung, die Sarahs Ehebruch mit Tammy dadurch erfährt, dass sie eine Ehe mit zwei kleinen Kindern bzw. zwei Ehen mit insgesamt drei Kindern gefährdet, ist nur eingeschränkt relevant. Einhergehend mit der posi-tiven Charakterisierung des transsexuellen Outings Mauras erscheint auch Sarahs Handeln mehr als notwendiger Akt der Selbstverwirklichung denn als destruktive Tat.

Für die vier Charaktere, die während der Handlung ihre Homosexualität erken-nen oder sich als homo- bzw. transsexuell outen, handelt es sich stets um eierken-nen bedeutsamen Moment der Selbsterkenntnis. Kate Messner outet sich zwar nicht öffentlich, entwickelt aber im Zuge von Everything Sucks!ein gewisses Selbst-vertrauen bezüglich ihrer sexuellen Orientierung. Der Einbezug Dizzees in die Homo- und Transsexuellen-Szene wird – vor allem durch Einsatz von Musik und Licht – als hochgradig ästhetischer Glücksmoment inszeniert (vgl.The Get Down I/6: 21:00). Maura traut sich zwar zunächst nicht, sich vor ihren Kindern zu outen (vgl. Transparent I/1: 22:40), letztlich kann sie aber mit der Offenbarung eines jahrelangen Geheimnisses eine große Last ablegen und endlich ihre eigentliche Persönlichkeit ausleben, ebenso Sol und Robert inGrace and Frankie.Für Simon

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Burrows stellt sein Outing als Transsexueller ebenfalls eine enorme Überwin-dung dar, allerdings zugleich einen Akt der Befreiung (vgl.The Romanoffs I/8:

10:08:45).

Bestandteil dieses Prozesses ist meist der Kampf gegen homophobe Tendenzen in der Gesellschaft bzw. das Arrangement mit denselben. So macht sich Ema-line Addario über Kate Messners homosexuelle Neigungen lustig (vgl.Everything Sucks!I/2: 0:00). Ihr Schulspind wird mit dem Wort „Dyke“, ein pejorativer Aus-druck für „Lesbe“, beschmiert (vgl. Everything Sucks! I/2: 4:00) und sie muss ein Gespräch belauschen, in dem zwei andere Mädchen behaupten, sie habe AIDS (vgl.Everything Sucks!I/2: 6:00). Abgesehen davon, dass sie sich vor den Reaktionen ihrer Kinder fürchtet, sieht Maura sich danach immer noch mit proble-matischen Umständen konfrontiert. Davina Rejennae, ebenfalls eine Transsexuelle und eine Freundin Mauras, erzählt ihr, dass sie nach ihrem Outing von ihrer Fami-lie verlassen wurde (vgl. Transparent I/2: 20:00). Als Maura die Damentoilette eines Kaufhauses benutzen will, wird sie von einer Frau als „pervert“ bezeichnet (vgl. Transparent I/4: 18:30) und das Zusammentreffen mit einem ehemaligen Bekannten gestaltet sich schwierig (vgl. Transparent I/5: 20:00). Selbst unter Transvestiten und Cross-Dressern musste Maura in der Vergangenheit Vorurteile gegenüber Transsexuellen erleben (vgl. Transparent I/8: 13:00, 15:20). Simon Burrows leidet bereits während seiner Beziehung zu Christopher Ming darun-ter, dass Christopher ihr Verhältnis offensichtlich nur als zeitweilig und nicht ernsthaft betrachtet (vgl. The Romanoffs I/8: 26:48). Bevor er sich als transse-xuell outet, erzählt ihm eine ebenfalls transsetransse-xuelle Bekannte, dass sie aufgrund ihrer Transsexualität misshandelt wurde (vgl.The Romanoffs I/8: 1:06:20). Sein erstes Auftreten als Candice wird von seiner Stiefmutter Ondine mit großer Irrita-tion entgegengenommen. Sie verweigert ihm zudem die Ohrringe seiner Mutter, da diese immer nur an Frauen weitergegeben würden (vgl. The RomanoffsI/8:

1:08:45).

David Patton hat mit ähnlicher gesellschaftlicher Ablehnung zu kämpfen.

Gegen David, einen homosexuellen Klavierlehrer, entwickelt sich von Seiten der Eltern, deren Kinder er unterrichtet, eine regelrechte Hysterie, da das FBI gegen ihn wegen der Anschuldigung ermittelt, er habe einem seiner Schüler Alkohol gekauft (vgl. The RomanoffsI/5). David erfüllt das Klischee des künst-lerisch begabten, ästhetisch interessierten und geschwätzigen Schwulen (vgl.The Romanoffs I/5: 38:53) und gibt aus einem unerfindlichen Grund vor, von den Romanows abzustammen, was eigentlich auf die Protagonistin Katherine Ford zutrifft (vgl.The RomanoffsI/5: 37:10). Er geht aber freundlich mit seinen Schü-lern um und bietet keinen Anlass zu einem Verdacht. Seine Homosexualität an sich genügt also, um ihn zu verdächtigen.

Betrachtet man die Darstellung homo und transsexueller Charaktere, so lässt sich eine Tendenz hin zu einer heteronormativen Eingliederung dieser Lebensmo-delle feststellen. Sei es, dass Homosexuelle nach einer besonders normgerechten Beziehung streben oder sich entsprechend verbreiteter Stereotype besonders femi-nin oder maskulin verhalten. Diese Stereotypisierung findet nicht in allen Fällen statt. Alle hier genannten Charaktere, mit Ausnahme von David Patton, sind Figu-ren mit weitgehend individueller Charakterzeichnung. Im Falle von homo- und transsexuellen Protagonist/inn/en steht deren sexuelle Selbstfindung und Integrie-rung in die Gesellschaft im Vordergrund der Handlung bzw. Charakterentwicklung sowie die gesellschaftlichen Ressentiments, denen sie im Zuge dieses Prozes-ses begegnen. Adjuvanten-Figuren, die dies bereits hinter sich haben, können von einem schweren Weg berichten. Der Kampf um die eigene Identität und gegen eine ablehnende oder unverständige Gesellschaft wird in der Regel positiv dargestellt. Dass dieser jedoch so prominent verhandelt wird bei gleichzeitiger Abwesenheit gesellschaftlich vollkommen integrierter Homo und Transsexuel-ler, bewirkt eine klare Kennzeichnung homo und transsexueller Charaktere als von der gesellschaftlichen Norm abweichend. Mögen homosexuelle Figuren auch oft positive Figuren sein, so werden sie nach wie vor zentral über durch ihre gesellschaftliche Außenseiterrolle definiert. Die Serien des Korpus verorten diese Figuren folglich weiterhin am Rande der Gesellschaft und nicht in deren Mitte.