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Darstellung eines D-carba-dT-Diphosphatprodrugs

4 Resultate und Diskussion

4.9. D-carba-dT D-11 als anti-HIV-Wirkstoff

4.9.2 Darstellung eines D-carba-dT-Diphosphatprodrugs

Weitere von HUGHES durchgeführte Untersuchungen[222] waren ähnlich der in dieser Arbeit gefundenen Ergebnisse bezüglich der Phosphorylierung zum D-carba-TMP bzw. D-carba-dTDP. Es wurde die HSV-TK verwendet, die neben der Thymidinkinaseaktivität zusätzlich noch eine Thymidylatkinaseaktivität besitzt. Dabei wurde festgestellt, dass D-carba-dT D-11 die Phosphorylierungskaskade durchläuft, wenn auch langsamer als das natürliche Substrat Thymidin. Ein weiterer wichtiger Befund der durchgeführten Tests ist die Tatsache, dass D-carba-dT D-11 auch in eigentlich Wirkstoff-resistenten Mutanten anti-HIV Aktivität zeigt, die nahezu der des HIV-Wildtyps entspricht. Die cycloSal-Verbindung als Pronucleotid des D-carba-dT 243 konnte erstaunlicherweise keine Verbesserung der antiviralen Aktivität herbeiführen, obwohl die Freisetzung des Monophosphats stattfindet. Das ist ein weiterer Hinweis auf eine unzureichende Phosphorylierung durch die TmpK. Von anderen NRTIs ist bekannt, dass der erste Schritt der Phosphorylierungskaskade aufgrund der hohen Substratspezifität der TK gehemmt ist. Ein intensiv untersuchtes Beispiel stellt 2’,3’-Didehydro-2’,3’-didesoxythymidin (d4T) dar. Es gibt jedoch nur wenige Nucleosidanaloga bei denen der zweite Schritt mit der sehr viel weniger substratspezifischen TmpK beeinträchtigt ist. D-carba-dT D-11 ist mit der 3’-OH-Gruppe und einer southern-ähnlichen Konformation vermutlich ein gutes Substrat für die TK und wird in D-carba-dTMP 257 überführt, hat aber Probleme bei der weiteren Umsetzung zum entsprechenden Diphosphat. Aufgrund dieser Tatsache ist die Applikation von D-carba-dTDP von besonderem Interesse. Ein kürzlich in dieser Arbeitsgruppe entwickeltes Diphosphatprodrugsystem stellt ein ideales Konzept dar,[223] um das Nucleosiddiphosphat durch die Zellmembran an den Wirkort zu bringen und auf diese Weise zweiten Phosphorylierungsschritt zu umgehen.

Hydrolyseprodukt äußert. Für die zweite Maske wiederholt sich die Spaltung mit folgendem spontanen Zerfall und setzt so das Nucelosiddiphosphat frei.[224]

ONucl P

O P O

O O O

O O

O O

O R

R Kat+

ONucl P

O P O

O O O

O OH

O O

R

Kat+ Esterase

O

-ONucl P

O P O

O O O

O

O O

R

Kat+ Kat+

NDP

Abbildung 146 Hydrolysemechanismus eines Bis-(Acyloxybenzyl)-Nucleosiddiphosphat

Die Darstellung eines solchen D-carba-dT-diphosphatprodrugs erfolgte im Rahmen eines Schwerpunktpraktikums in Zusammenarbeit mit T. SCHULZ über eine konvergente Synthesestrategie, bei der ein entsprechend funktionalisiertes Nucleosidmonophosphat in einem Kupplungsschritt mit einem maskiertem Phosphoramidit verknüpft wurde. Die Schwierigkeit dieser Strategie lag mit D -carba-dT D-11 in der Verwendung eines Nucleosidanalogons mit einer 3’-OH-Gruppe.

Bislang wurden bei der Synthese von oben genannten Nucleosiddiphosphatprodrugs ausschließlich Derivate verwendet, die keine freie reaktive 3’-OH-Gruppe beinhalten, wie z. B. d4T oder AZT. Lediglich die Verwendung von BVdU-Monophosphat als Vertreter eines antiviralaktiven Nucleosids mit 3’-OH-Gruppe, zeigte, dass die Hydroxyfunktion eine entsprechende Schutzgruppe tragen muss, die auch auf der Prodrug-Stufe noch vorhanden bleibt, um eine intramolekulare Spaltung der P-O-P-Bindung auszuschließen.

OR1

O N

NH O

P O O P O

O

O O

O O

O O

O R2

R2

P O

O O

O O

O R2

R2

N +

OR1

O N

NH O

P O O

O O N(nBu)4+

N(nBu)4+ N(nBu)4+

OR1 N

NH O

HO O BnO

TBDMSO

OH

247 BnO

HO D-24

Abbildung 147 Retrosyntheseschema zur Darstellung eines D-carba-dT-Diphosphatprodrugsystems

Als solch biodegradierbare Schutzgruppen können Acetyl- oder iso-Butyrylester verwendet werden, da diese von Esterasen gespalten werden können. Im Fall von BVdU hat sich die iBU-Gruppe als ausreichend synthesestabil erwiesen. So sollte auch das D-carba-dT-Diphosphatprodrug mit einer 3’-iso-Butyryl-geschützten OH-Gruppe synthetisiert werden und, wenn ausreichend stabil, auch mit der freien 3’-OH-Gruppe. Als Acyl-Funktionalisierung an den 4-Hydroxybenzyl-Masken zeigten in vorrangegangenen Arbeiten ebenfalls iso-Butyrylreste die besten Resultate für ein optimales Zusammenspiel aus Hydrolysestabilität und antiviraler Wirkung. Deswegen sollten auch hier 4-(iso-Butyryloxy)benzyl-Maskeneinheiten verwendet werden.[224]

Die bereits etablierte Syntheseroute von L-carba-dT 11 (siehe Kapitel 4.2.3.1) muss für diese Problemstellung abgewandelt werden. Um sich mühselige zusätzliche Stufen durch Funktionalisieren/Defunktionalisieren zu sparen, ist es vorteilhaft direkt beim Aufbau des enantiomerenreinen carbocyclischen Grundgerüsts, so früh wie möglich die entsprechenden Schutzgruppen zu definieren. Die basenlabile iso-Butyrylgruppe kann während bestimmter Synthesesequenzen abgespalten werden.

Daher wurde hier vorzugsweise auf die Verwendung einer Silyschutzgruppe gesetzt, die am Ende der Synthese gegen die Esterfunktion ausgetauscht werden sollte.

Ausgehend vom enantiomerenreinen Cyclopentenol (1S,2R)-2-(Benzyloxymethyl)cyclopent-3-enol D-24, welcher analog zum L-Enantiomer 24 mit dem (-)-(ipc)2-Boran dargestellt wurde (vergl. Kapitel 4.1), konnte 248 durch Reaktion mit tert-Butyldimethylsilychlorid in DMF in Anwesenheit von Imidazol mit einer Ausbeute von 73% erhalten werden. Dieser Baustein eignet sich, wie auch das strukturähnliche benzylgeschützte Derivat 38, aufgrund seiner Doppelbindung sehr gut für die Einführung einer weiteren OH-Gruppe durch Boran-vermittelte Hydratisierung. Die Regio- und Stereoselektivität verlief bei der Umsetzung mit 9-BBN wie erwartet an der C4-Position (vergl. Kapitel 4.1, Tabelle 3).

BnO HO

BnO TBDMSO

BnO TBDMSO

OH

BnO TBDMSO

OH +

D-24 248

249

250 Abbildung 148 Darstellung von

(1R,3R,4S)-3-(Benzyloxymethyl)-4-(tert-butyldimethylsilyloxy)cyclopentanol 248

Es bildete sich Cyclopentanol (1R,3R,4S)-3-(Benzyloxymethyl)-4-(tert-butyldimethylsilyloxy)cyclopentanol 249 mit einer Ausbeute von 70%. Als Nebenprodukt konnte Cyclopentanol (1R,2S,3S)-2-(Benzyloxymethyl)-3-(tert-butyldimethylsilyloxy)cyclopentanol 250 identifiziert werden. Nach quantitativer Inversion der generierten OH-Gruppe ergab sich im Cyclopentanol 247 der Vorläufer für die MITSUNOBU-Kupplung (Abbildung 149).

OTBDMS

BnO N

NH O

O BnO

TBDMSO

OH

249

BnO TBDMSO

OH

247 251

Abbildung 149 Darstellung von 251

Die MITSUNOBU-Reaktion selbst verlief gut, jedoch ging die chromatographische Reinigung nicht reibungslos vonstatten. Es fanden sich stets Verunreinigungen in den Produktfraktionen, die von DIAD und dessen Hydrazinoform stammten. Diese sollten für die Folgereaktionen nicht relevant sein, da sie keinen Einfluss auf den Reaktionsverlauf haben dürften und hier eine komplette Reinigung sehr aussichtsreich schien. Das geschützte carbocyclische Desoxythymidin 251 konnte nach Chromatographie erhalten werden und musste nun in die entsprechenden Monophosphatderivate 255 und 256 überführt werden, um die Umsetzung zum Diphosphatprodrug zu ermöglichen.

O

HO N

NH O

O

O

253

OTBDMS

HO N

NH O

O

254 OTBDMS

BnO N

NH O

O

225149

OH

BnO N

NH O

O

252

Abbildung 150 Darstellung von 3’-O-geschützten D-carba-dT 253 und 254

Für die Darstellung des 3’-iso-butyrylgeschützten Monophosphats 255 wurde zunächst in Anwesenheit von TBAF die Silylschutzgruppe mit einer Ausbeute von 64% entfernt und das so gewonnene 5’-O-Benzylgeschützte D-carba-dT 252 weiter mit iso-Buttersäureanhydrid in 80% Ausbeute zum gewünschten Nucleosidderivat umgesetzt. Nach Hydrogenolyse wurde in 92% Ausbeute 3’-O-iso-Butyryl-D-carba-dT 253 erhalten, das für die weitere Reaktion zum Nucleosidmonophosphat 255 eingesetzt wurde. Parallel wurde das 3’-O-TBDMS geschützte Nucleosidderivat 254 ebenfalls hydrogenolytisch mit 40% in die 5’-OH-Form überführt. Die Generierung der Monophosphate erfolgte nach einem Protokoll von SOWA und OUCHI. Durch die Umsetzung von Wasser, Pyridin und Phosphorylchlorid in einem Verhältnis von 1:2:2 in einer vorgelagerten Reaktion wird Tetrachlorpyrophosphat in situ gebildet.[225]

POCl3 H2O Pyridin

MeCN Cl P O P Cl

Cl

O

O

Cl

Cl P O P ONucl

Cl

O

O

Cl

+ Nucl b) NH4HCO3

(NH4)2NMP pH = 8

a) H2O

Abbildung 151 Darstellung von Nucleosidmonophosphaten nach SOWA und OUCHI

Das exakte Verhältnis der drei Komponenten ist dabei sehr wichtig. Die folgende Umsetzung des Tetrachlorpyrophosphats mit einem Nucleosid führt in guten bis sehr guten Ausbeuten zum NMP. Aus dem zugesetzten Nucleosid und Tetrachlorpyrophosphat bildet sich ein Zwischenprodukt, welches durch Zugabe von Wasser zum Nucleosidmonophosphat hydrolysiert wird. Durch Neutralisieren mit (NH4)HCO3 erhalt man das Nucleotid als Ammoniumsalz. Die Reaktionen verlaufen für viele Nucleoside selektiv.

O

O N

NH O

O O P

O O NH4+

NH4+ O

HO N

NH O

O

O O

253 255

50%

b) H2O, NH4HCO3 a) POCl3,Pyridin

Abbildung 152 Darstellung von 3’-O-iso-Butyryl-D-carba-dTMP 255

Solche Phosphorylierungen wurden mit 3’-O-iso-Butyryl-D-carba-dT 253 und 3’-O-TBDMS-D-carba-dT 254 durchgeführt. Die Umsetzung von 3’-O-iso-Butyryl-D -carba-dT 253 zu 3’-O-iso-Butyryl-D-carba-dTMP 255 verlief mit einer Ausbeute von 50%.

OTBDMS

O N

NH O

O O P

O O NH4+

NH4+

OH

O N

NH O

P O O

O O NH4+

NH4+ OTBDMS

HO N

NH O

O

254 256

257

Abbildung 153 Versuch der Darstellung von 3’-O-TBDMS-D-carba-dTMP 256

Der Versuch der Darstellung von 3’-O-TBDMS-D-carba-dTMP 256 schlug fehl. Das saure Milieu (pH = 1), welches bei der Hydrolyse mit Eiswasser bei der SOWA/OUCHI-Methode anfällt, führte zu der Abspaltung der TBDMS-Schutzgruppe (Abbildung 153). Es konnte das ungeschütze D-carba-dTMP 257 als Nebenprodukt identifiziert werden. Für die folgende Kupplungsreaktion muss das Monophosphat in eine in organischen Lösungsmitteln lösliche Form überführt werden. Dazu wurde die Ammoniumform des NMPs über einen protonierten Ionenaustauscher durch die anschließende Zugabe von 1.8 Äquivalenten Tetra-n-butylammoniumhydroxid-Lösung in das Tetra-n-butylammonium-NMP überführt.

Die Umsetzung des Nucleotids 255 zum BAB-NDP 259 kann über die direkte Kupplung des NMPs 255 mit Bis-(4-iso-butyryloxybenzyl)N,N-diisopropylphosphoramidit 258 erfolgen. Die Darstellung von Bis-(4-iso-butyryloxybenzyl)N,N-diisopropylaminophosphoramidit verlief analog zur Methode nach JESSEN.[223]

3’-O-iso-Butyryl-carba-dTMP 255 konnte nach Umsalzen auf Tetra-n-butylammonium-Gegenionen in Acetonitril gelöst werden. Zunächst wurden 1.6 Äquivalente des Amidits 258 und 1.7 Äquivalente 4,5-Dicyanoimidazol (DCI)

zugegeben. Die Reaktion wurde dünnschichtchromatographisch verfolgt. Die Oxidation der Phosphor(III)spezies erfolgte durch Zugabe von tert-Butylhydroperoxid bei -25 °C.

O

O N

NH O

O O P

O O

O N(nBu)4+

N(nBu)4+

1. DCI 2. tBuOOH 3. RP18

MeCN 16%

O

O N

NH O

O

O P

O P O

O

O O

O O

O O

O P

O O O

O O

O N +

N(nBu)4+

258 259

Abbildung 154 Darstellung des BAB-D-carba-dTDP 259

Die Reinigung des Produktes an RP-18-Kieselgel mit Methanol/wasser stellte sich als schwierig dar. Die Rf-Werte von Produkt, Nebenprodukten und Verunreinigungen lagen sehr dicht beieinander, was die Isolation des Produktes erschwerte. Bei einem Verhältnis von MeOH/H2O 1:1 wurden zunächst überschüssiges DCI und nicht umgesetztes Nucleosidmonophosphat eluiert. Dann konnte nach Umstellung des Elutionsmittels auf MeOH/H2O 3:1, das Produkt mit einer Ausbeute von 16% isoliert werden. Abbildung 155 zeigt ein 31P-NMR dieser Verbindung. Neben ca. 12% einer Verunreinigung, bei der es sich vermutlich um ein Oxidationsprodukt der Verbindung 258 handelt, sind deutlich die beiden Dubletts der Phosphoratome (vergrößerter Bereich) des BAB-D-carba-dTDP 259 zu erkennen.

Abbildung 155 31P-NMR von BAB-D-carba-dTDP 259

Somit konnte erstmalig ein potentielles Diphosphat-Prodrug eines antiviral aktiven carbocyclischen Nucleosid synthetisiert werden. Zurzeit werden die Hydrolyseeigenschaften von T. SCHULZ und die erwartete Aktivität der Verbindung gegenüber HIV in Zusammenarbeit mit S. HUGHES am National Cancer Institute, Frederick, USA untersucht.