II. 1.2.3.3 Oberflächenkatalyse
II.2 Umlagerung von Bicyclo[1.1.1]pentylcarbenen
II.2.2 Darstellung der Ausgangsverbindungen
16a 84a
Darüber hinaus sollte der Mechanismus der Reaktion mit allen Zwischenstufen und Übergangszuständen mit ab initio-Methoden berechnet werden. Aus den Resultaten sollten die Einflüsse der verschiedenen Substituenten und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten abgeschätzt werden, hochenergetische Zwischenstufen abzufangen.
II.2.2 Darstellung der Ausgangsverbindungen
Eine der zahlreichen Arten der Darstellung von Diazoverbindungen ist die thermische Zersetzung der Salze von Tosylhydrazonen nach Bamford und Stevens, eine andere die Oxidation von Hydrazonen[82].
R1 O R2
R1 N R2
R1 N R2
R1 N2 R2
NHTs NH2
N2H4
H2N-NHTs
Ox.
Base
∆∆
Beide Varianten sollten hier zum Einsatz kommen, da sich sowohl Hydrazone als auch Tosylhydrazone aus den entsprechenden Ketonen einfach und in guten Ausbeuten herstellen
lassen und somit zwei Alternativrouten zu den Zielverbindungen eingeschlagen werden konnten. Die Notwendigkeit zweier verschiedener Alternativen ergibt sich aus den Nachteilen der beiden Reaktionstypen. Zum einen sind nur wenige erfolgreiche Oxidationsreaktionen von Hydrazonen mit sperrigen Resten bekannt, zum anderen lassen sich schwerflüchtige Diazoverbindungen bei der thermischen Bamford-Stevens-Reaktion oftmals nicht isolieren, sondern verlieren durch die hohen Reaktionstemperaturen sofort Stickstoff.
II.2.2.1 Synthese 3-tert-butylbicyclo[1.1.1]pent-1-yl-substituierter Ketone
Bicyclo[1.1.1]pent-1-ylalkyl- und -phenylketone wurden bereits von Wiberg, sowie von Bunz und von Herpich synthetisiert. Die Strategien aller basierten dabei auf der Erzeugung der Lithiumverbindung und anschließender Reaktion mit Säurechloriden oder Nitrilen.
Ph O
R X
85
R Li
Ph O
89c 86
O
88 87
R = H
R = Me
R = tBu + PhCN
+ ClCONMe2
+ PhCOCl
Wiberg
Bunz
Herpich + RLi
X = Hal,SPh
[13]
[20b]
[20c]
Der große Nachteil dieses Synthesewegs sind die Vorstufen 85, die zum einen nur in mäßigen Ausbeuten herstellbar und zum anderen sehr schlecht lagerfähig sind, da sie leicht ionisch zu den entsprechenden Methylencyclobutanen umlagern[20b].
Zur Synthese der Ketone wurde deshalb die von Godt, Sanktjohannser und Guffler optimierte Additionsreaktion von Alkylmagnesiumhalogeniden an das [1.1.1]Propellan 18a genutzt[83]. So liefert die Addition von tert-Butylmagnesiumchlorid an 18a während einer zweitägigen Reaktionszeit nahezu quantitativ das 3-tert-Butylbicyclo[1.1.1]pent-1-ylmagnesiumchlorid 90.
MgCl MgCl
R O
+
2 RLi
COOH 1. CO2
89b R = CH3 (88%) 89f R = tBu (88%) 89c R = Ph (73%)
18a 90
91 (80%)
2. H+ / H2O
90 wurde anschließend als universelles Edukt auf verschiedene Weisen weiter verwendet. Die Reaktion mit Kohlendioxid führte zur Carbonsäure 91, die anschließend mit Methyl-, tert-Butyl- und Phenyllithium zu den Ketonen 89b, 89c und 89f umgesetzt wurde. Die Reaktion von 91 mit Methyllithium brachte bei mehreren Ansätzen die Verbindungen 92 und 93 als Nebenprodukte in geringen Ausbeuten.
Aceton
Das in Abbildung 15 gezeigte 1H-NMR Spektrum von 92 weist eine Besonderheit auf.
Bedingt durch das Chiralitätszentrum in α-Stellung des einen Bicyclo[1.1.1]pentylkäfigs sind dessen Protonen nicht mehr äquivalent und es kommt zur Aufspaltung eines AA´A´´BB´B´´-Spinsystems. Ein ähnliches Spektrum zeigt auch das von Herpich dargestellte (3-tert-Butylbicyclo[1.1.1]pent-1-yl)phenylcarbinol [20c].
OH
H Ph
Wie sich herausstellte, entstehen 92 und 93, die Produkte einer Aldoladdition bzw.
Aldolkondensation, bei der Hydrolyse, wenn die Zugabe der verdünnten Salzsäure zu langsam erfolgt. Nach einer nur partiellen Hydrolyse könnte dabei entstandenes 89b durch die sich noch in der Lösung befindlichen Anionen 94 oder 95 deprotoniert und somit die Aldol-Reaktion initiiert werden.
92 und 93 wurden zur Strukturaufklärung in größerem Maßstab jeweils ausgehend von 89b durch Reaktion mit Base in Ausbeuten von 53 % und 43 % dargestellt.
CH3
Durch Umsetzen von 90 mit N,N-Dimethylcarbamoylchlorid 98 im Verhältnis 2:1 erhielt man das Bis(3-tert-butylbicyclo[1.1.1]pent-1-yl)keton 89j. Nach dem gleichen Prinzip konnte auch durch Reaktion von 2 Äquivalenten 90 mit N,N’-Dimethylpiperazin-2,3-dion 99 das Bis(3-tert-butylbicyclo[1.1.1]pent-1-yl)ethandion 89e synthetisiert werden.
MgCl MgCl +
18a 90
O O
O
O
1/2 1/2
N
N O
O Me Me
Cl N Me
Me O
89j (40%) 89e (63%)
99 98
Die Synthese des 3-tert-Butylbicyclo[1.1.1]pent-1-yl(dimethylphenylsilyl)ketons 89d sollte durch Reaktion von Dimethylphenylsilyllithium 100 mit dem Amid 102 realisiert werden.
Zunächst wurde dazu 90 mit einem Äquivalent 98 zum 3-tert-Butylbicyclo[1.1.1]pent-1-yl-N,N-dimetylamid 102 in 89 %iger Ausbeute umgesetzt.
Nach der von Fleming et al. beschriebenen Methode der Metallierung von Dimethyl-phenylchlorsilan 103 mit Lithiumspänen wurde 100 in THF bei tiefer Temperatur erzeugt und anschließend mit 102 zur Reaktion gebracht[84].
Si O
89d Si
Me Ph Me
Cl Li
THF Me Si
Ph Me
Li
NMe2 O
102 Me
Me Ph
103 100
THF
Die spektroskopische Untersuchung des Rohprodukts ergab neben dem Edukt 102 ausschließlich Tetramethyldiphenyldisiloxan. Selbst nach mehrmaligem Entgasen des Lösungsmittels und peinlich genauem Arbeiten unter Argon konnte kein Produkt 89d erhalten werden.
In Tabelle 14 sind die Ausbeuten der synthetisierten Ketone 89 im Überblick gezeigt.
Tab. 14: Ausbeutenübersicht der dargestellten Ketone 89
Produkt R Ausbeute [%]
89b -CH3 88a
89c -Ph 73a
89d -SiMe2Ph 0
89e
O
63b
89f -tBu 88a
89j 40b
a) Ausbeuten bezogen auf 91. b) Ausbeuten bezogen auf eingesetzte Acylkomponente
II.2.2.2 Synthese der Hydrazone 104
Die Ketone 89 wurden mit einem Überschuß Hydrazinhydrat und einer katalytischen Menge Schwefelsäure zu den Hydrazonen 104 in meist guten Ausbeuten umgesetzt, wie Tabelle 15 zu entnehmen ist.
R O
R N
NH2
N2H4 [ H + ]
89 104
Tab. 15: Ausbeutenübersicht der dargestellten Hydrazone
Edukt Produkt R Ausbeute [%]
89b 104b -CH3 64
89c 104c -Ph 0
89f 104f -tBu 69
89j 104j 69
Herpich scheiterte bereits bei dem Versuch, 89c mit Hydrazinhydrat zu 104c umzusetzen[20c]. Er konnte zwar 104c spektroskopisch nachweisen, die erhaltenen Mengen waren jedoch extrem gering und es gelang ihm nicht 104c zu isolieren. Da Herpich bei seinen Versuchen ohne Katalyse arbeitete, wurden hier katalytische Mengen Schwefelsäure zugesetzt.
Bei allen Ansätzen unter Variation der Konzentration der Säure und der Reaktionstemperatur konnte jedoch nur Material erhalten werden, dessen spektroskopische Untersuchung keine Anzeichen mehr auf die Existenz des Bicyclo[1.1.1]pentan-Käfigs ergab.
II.2.2.3 Oxidation der Hydrazone 104
R N
R N2 MOn
[KOH/EtOH]
NH2
104 83
Alle Versuche, die in II.2.2.2 erhaltenen Hydrazone 89b, 89f, und 89j zu den entsprechenden Diazverbindungen 83 zu oxidieren, scheiterten. Dabei wurden verschiedene Oxidationsmittel wie AgO, HgO oder MnO2 unter Zusatz katalytischer Mengen ethanolischer KOH-Lösung verwendet. Vermutlich sind die Substituenten R zu groß für eine effektive Koordination an die Metalloxidoberfläche. Ein Blick in die Literatur zeigt, daß die Oxidation solcher Hydrazone zu den Diazoverbindungen meist mit Aryl- oder mit Alkylsubstituenten bis zur maximalen Größe des Isopropyl-Restes gelang[85]. Es wurden darum keine weiteren Versuche mehr unternommen, die Diazomethane 83 aus den Hydrazonen darszustellen.
II.2.2.4 Darstellung der Tosylhydrazone 105
Die Synthese der Tosylhydrazone 105 erfolgte durch Reaktion der Ketone 89 mit Tosylhydrazin in methanolischer Lösung.
R O
R N
NHTs
H2N-NHTs MeOH
89 105
Tab. 16: Ausbeutenübersicht der dargestellten Tosylhydrazone
Edukt Produkt R Ausbeute [%]
89b 105b -CH3 48
89c 105c -Ph 72
89f 105f -tBu 62
89e 105e
O
50
89j 105j 70
89e 105k
N NHTs
53
Im Falle von 89c gelang hier die Überführung in das Tosylhydrazon 105c ohne Probleme.
II.2.2.5 Gasphasenpyrolysen
Die Bedingungen der Gasphasenpyrolysen der Lithiumsalze 106 wurden so gewählt, daß ein Abfangen der Diazoverbindungen 83 möglich sein sollte. Nach der Deprotonierung von 105 mit Methyllithium wurde das Salz 106 lösungsmittelfrei im Hochvakuum bei Drücken kleiner 4 * 10-5 Torr und Ölbadtemperaturen von 100°C bis 130°C pyrolysiert und die leichter flüchtigen Produkte in einer Kühlfalle aufgefangen.
R N
R N MeLi
Et2O NHTs
105 106
NTs Li