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Sind die dargestellten Gesellschaften mit ihrer jeweiligen Kultur/Subkultur eher von einem

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Dimension 3: Sind die dargestellten Gesellschaften mit ihrer jeweiligen Kultur/Subkultur eher von einem

Stre-ben nach Sicherheit oder eher vom Zulassen von Unsicher-heit7 geprägt? D. h. fühlen sich die Mitglieder einer Kultur durch ungewisse oder unbekannte Situationen nicht be-droht oder in hohem Masse bebe-droht? In der filmischen Darstellung kann sich das wie folgt zeigen:

• Die dem Leben innewohnende Unsicherheit wird als ständige Bedrohung empfunden, die es zu bekämpfen gilt. Versus: Unsicherheit und Ungewissheit sind eine normale Erscheinung im Leben und werden täglich hin-genommen, wie sie gerade kommen.

• Unterdrückung abweichender Gedanken und Verhaltens-weisen, Widerstand gegen Innovation. Versus: Toleranz gegenüber abweichenden und innovativen Gedanken und Verhaltensweisen.

Filmbeispiel

Wie sich diese Dimensionen in der Filmanalyse anwenden lassen, wird anhand des Films Gegen die Wand von Fatih Akin (D, 2003)8 an folgenden Sequenzen gezeigt.

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Spannungsfeld zwischen einem demokratischen und egalitär geprägten Menschenbild und einem autokra-tischen und hierarchisch geprägten Menschenbild (Dimen-sion 1): Sequenz: Gespräch zwischen Sibel und ihrer Fami-lie in der Cafeteria der Klinik, in der sich Sibel nach ihrem Selbstmordversuch aufhält. Es zeigt sich, dass sich die Fa-milie an einem autokratischen und hierarchisch geprägten Menschenbild orientiert: Der Vater spricht als Oberhaupt der Familie ernsthaft mit Sibel; der Bruder nimmt die Rol-le des stellvertretenden Familienoberhauptes ein und droht ihr sogar; Sibel beugt sich dieser Macht; die Mutter bleibt im Hintergrund. Gleichzeitig wird auch eine gewisse Egalität in der Familie offenbar, und zwar zwischen Mutter und Tochter: Nach dem Familiengespräch bleiben Sibel und ihre Mutter alleine am Tisch zurück. Sofort löst Sibel ihr zusammengebundenes Haar; Mutter und Tochter ste-cken sich eine Zigarette an. Die Situation entspannt sich.

Es zeigt sich Verbundenheit zwischen den beiden, auch wenn die Mutter nach aussen die Vorherrschaft des Vaters (und des Bruders) stützt.9

Spannungsfeld zwischen Individualismus und Kol-lektivismus (Dimension 2): In obiger Sequenz zeigt sich auch die Haltung von Sibel, Harmonie zu bewahren und direkte Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dies ent-spricht aber nicht ihrer generellen Einstellung, wie sich in folgender Sequenz zeigt: Sequenz: Sibel und Cahit in einer Kneipe in der Nähe der Klinik: Sibel erklärt Cahit ohne Umschweife ihre Vorstellungen von einem freien, selbst-bestimmten Leben und bittet ihn, sie zu heiraten (Indivi-dualismus). Nur so könne sie zu ihrer Freiheit kommen, ohne die Familienehre zu verletzten (Kollektivismus). Si-bel zeigt drastisch, dass es ihr mit ihrem Streben nach einem selbstbestimmten Leben ernst ist: Sie begeht vor Cahits Augen einen erneuten Selbstmordversuch, als er ih-ren Heiratsantrag ablehnt. – Nachdem Cahit sie schliess-lich doch heiratet, folgt Sibel konsequent ihrem Wunsch, selbstbestimmt zu leben.

Das Spannungsfeld zwischen Streben nach Sicher-heit und Zulassen von UnsicherSicher-heit (Dimension 3) wird in folgenden Sequenzen sichtbar: Sibel lässt sich durch die Scheinehe mit Cahit darauf ein, mit jemanden, der ihr ei-gentlich unbekannt ist, zusammenzuleben. Nach dem Ei-fersuchtsdrama, infolgedessen Cahit eine Gefängnisstrafe verbüsst, geht Sibel in die Türkei und versucht, sich mit Hilfe ihrer Cousine Selma ein neues Leben aufzubauen. In dieser Filmsequenz werden zwei Lebensentwürfe einan-der gegenübergestellt: einan-der von Selma, die karrierebewusst ein geordnetes und diszipliniertes Leben führt, und der von Sibel, die sich nicht wieder in enge Verhältnisse pres-sen laspres-sen will.

Filmreihen

Interessant wird Filmanalyse aus interkultureller

Perspek-tive auch dann, wenn man verschiedene Filme vergleicht und dadurch Klischees über Kulturen aufbrechen und auch die eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen reflektie-ren kann. Womöglich ist festzustellen, dass es neben dem vermeintlichen Anderssein auch Gemeinsamkeiten zwi-schen den Kulturen des Einwanderungslandes und der Herkunftsländer gibt.10 Bevor über die Kultur von Frem-dem reflektiert wird, kann ein verfremdeter Blick auf die eigene Kultur bzw. auf kulturelle Erscheinungen hilfreich sein, um das Auge für Vergleiche – Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten – zu schärfen. Dazu eignet sich bei-spielsweise der Dokumentarspielfilm Die Blutritter von Douglas Wolfsperger (D, 2003), der Kultur in ihrer heteroge-nen Breite darstellt. Wichtig erscheint auch der distanzier-te Blick auf Probleme, die einen angehen. Dies ist möglich, wenn man auch Filme zeigt, die Aspekte von Migration in andern Ländern behandeln.

Folgende Filmreihe könnte in einer Klasse der Sekundar-stufe I gezeigt werden:

Thema: Beschreibung von Kultureller Vielfalt

Blutritter (Douglas Wolfsperger, D 2003): Eine hierzulande bekannte Kultur (Oberschwaben) wird gegen den Strich dargestellt.

Das Fest des Huhnes (Walter Wippersberg, Österreich 1992):

Oberösterreich aus der Perspektive eines ethnologischen Forschungsteams aus Afrika.

Thema: Migration aus der Innenperspektive - Arbeitsmig-ranten im deutschsprachigen Raum.

Bäckerei Zürrer (Kurt Früh, CH 1957): Die ersten italieni-schen Einwanderer in die Schweiz.

Reise der Hoffnung (Xavier Koller, CH 1989): Der lange und gefährliche Weg von der Türkei über Istanbul und Mai-land in die Schweiz.

Solino (Fatih Akin, D 2002): Italien/ Sizilien - Deutschland (die erste Generation).

Gegen die Wand (Fatih Akin, D 2003): Türkei – Deutschland (die zweite/dritte Generation).

Thema: Migration aus der Aussenperspektive: (Arbeits-)Mi-granten in anderen Ländern

Die große Reise (Ismaël Ferroukhi, F 2004): Marokkanische Einwanderer in Frankreich. Vater-Sohn-Generationen-konflikt.

Night on Earth (Jim Jarmush, USA 1991): Episode: Armin Müller-Stahl als Helmut, der aus der ehemaligen DDR (Dresden) kommt und sich in New York als Taxifahrer verdingt.

Mein wunderbarer Waschsalon (Stephen Frears, GB 1985):

Ghettoisierung vs. Integrationsversuch von Menschen aus Pakistan in England.

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Eine umfangreichere Filmliste kann auf folgender Seite abgerufen werden: http://phzh.educanet2.ch/video/.ws_

gen/3/Filmliste_Migration.pdf (Zugriffsdatum: 28.5.2008) (vgl. Holzwarth 2007)

Anmerkungen

1 Bundesamt für Statistik, Neuchâtel 2008. http://www.bfs.ad-min.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/01/pan.html und http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/05/

blank/key/sprachen.htm (Zugriffsdatum: 26.5.2008) 2 Ebenda. Ein weiterer Vorschlag: Siegrid Luchtenberg (2004).

3 PISA-Studie 2006, S. 10. http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/

de/index/themen/15/22/publ.Document.102967.pdf (Zugriffs-datum: 26.5.2008); Deutsches PISA-Konsortium (2001) 4 Diese Begriffspaare basieren auf den von Hofstede (1993)

ent-wickelten Dimensionen zur Beschreibung von Kulturen. Die Bezeichnung der Dimensionen und auch die inhaltliche Be-schreibung anhand von Merkmalen wurden für unsere Zwecke z. T. geändert bzw. weiterentwickelt. – Auch wenn die Ergeb-nisse von Hofstedes Studie umstritten sind, so sind doch die Kategorien an sich für eine Betrachtung von kulturgebun-denem Verhalten hilfreich. Ein Beispiel: In Fatih Akins Film Ge-gen die Wand kann durch die Analyse von Verhalten in Bezug auf die Kategorie «Individualismus versus Kollektivismus»

deutlich werden, dass in der heutigen türkischen Gesellschaft eine Varietät von Werthaltungen und Verhaltensmustern be-steht.

5 Die von Hofstede als «grosse Machtdistanz» versus «geringe Machtdistanz» bezeichnete Dimension (1993:37 ff) benennen wir als Kontinuum zwischen einem «demokratischen und ega-litär geprägten Menschenbild» und einem «autokratischen und hierarchisch geprägten Menschenbild».

6 Hofstede, Geert, Lokales Handeln, globales Denken, 1996, S. 46.

7 Hofstede verwendet die Begriffe «Hohe vs. niedrige Unsicher-heitsvermeidung» (1993: 129ff). Die Erläuterungen zu dieser Dimension sind entnommen aus: Hofstede (1996: 176).

8 Informationen zum Film: http://outnow.ch/Movies/2004/Ge-genDieWand/ (Zugriffsdatum: 11.6.2008).

9 Das gleiche Verhaltensmuster zeigt sich in der Sequenz, als Cahit um Sibels Hand anhält: der Vater als Zentrum, der Bruder als dessen Vertreter, der leicht erhöht auf einem Stuhl sitzt. Der Bruder stellt kritische Fragen an den Bräutigam in spe. An-schliessend vertrauliches Gespräch zwischen Mutter und Toch-ter in der Küche beim Abwaschen des Kaffeegeschirrs: Der ei-gentliche Grund der Heirat wird klar: Sibel versucht, auf offizi-ellem Wege ihrer Familie zu entfliehen.

10 Vgl. dazu Holenstein 2004. Der Autor legt dar, wie Menschen vermeintlich gegensätzlicher Kulturen aufgrund gleicher Le-bensverhältnisse viele unerkannte Gemeinsamkeiten in der Lebenseinstellung und der Lebensführung haben. Fredi Murer beansprucht dies auch für seinen Film Höhenfeuer (1985), den er nicht als Heimatfilm verstanden wissen möchte, sondern als einen Film, der Menschen in einer bestimmten Lebenssituation zeigt, die unabhängig vom Land oder einer Nation ist. Murer sagt, diese Geschichte könne sich zwischen Island und Japan überall ereignen.Vgl. dazu: Wolfram Knorr: Geschwisterliebe in der Archaik der Wirklichkeit ; Otto Reiter: Interview mit Fredi M.

Murer, Viennale 16./17. März 1986; beides in: Stadtkino Wien Programm Nr.90.

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Kinder haben noch keine Vorstellung von Kunst, die ih-nen den Blick verstellt. Nimmt jemand wie die Museums-pädagogin Regula Malin die Kinder mit, entdecken sie mit ihr neugierig und offen fremde Welten.

Bevor sich die Zweitklässler aus dem Schulhaus Sihlfeld in Zürich den radikalen Bildern von Robert Ryman nähern, wenden sie sich im ersten Raum der Ausstellung «Face to Face» einer Arbeit des amerikanischen Lichtkünstlers Dan Flavin zu. Sechzehn Kinder stehen vor der minimalisti-schen Lichtinstallation. Auf die einfache Frage, was sie sehen, fällt das Wort Lichtröhren. Regula Malin klärt den Begriff und stellt mit der Frage, wo sie solche schon gese-hen hätten, einen Alltagsbezug her. Ein Kind entdeckt, dass die Anzahl der Neonröhren von links nach rechts im-mer um eins zunimmt. Diese wichtige Beobachtung einer Gesetzmässigkeit und Ordnung im Raum wird in Gedanken weitergeführt und die Kinder finden mühelos heraus, dass eine nächste Gruppe aus vier Leuchtstoffröhren bestehen würde. Sie stellen sich aufrecht und gerade aufgereiht vor die Röhren und über die Röhren hinaus in Gruppen von vieren und fünfen. Um zu sehen, wie es aussähe, wenn

die Röhren auf dem Boden lägen, legen sich alle flach hin.

Das körperliche Nachstellen der Gruppierungen bereitet die Kinder vor, mit einem Bündel Holzstäbchen selber eine Ordnung zu legen. Bildzeichen entstehen, die nichts dar-stellen. Das Wort «abstrakt» taucht auf.

RM lässt die Kinder mit breiten Borstenpinseln, die in einen Eimer mit Wasser getaucht werden, auf die qua-dratischen Steinplatten vor dem Haus malen, ohne etwas dabei abzubilden, keinen Baum, kein Haus, kein Smiley.

So eingestimmt, können die Kinder nachvollziehen, was Robert Ryman in seinen Bildern tut. Er bringt weisse Farbe in unterschiedlichster Art und Weise auf stets qua-dratische Bildträger.

Die Kinder finden heraus, wie breit und flach der Pinsel war, mit dem er auf dem ersten Bild breite Bahnen gemalt hat, dass die Streifen waagrecht von links nach rechts und von oben nach unten gezogen sind. Sie sehen die Stellen roher Leinwand zwischen den Bahnen. Mit Frau Malin malen sie das Bild in der Luft nach, lautmale-risch unterlegt entsteht dabei wie von allein der ruhige Rhythmus, der das Bild prägt. Sensibilisiert intonieren sie die Rhythmen der weiteren beiden Bilder, entdecken feine

S c h u l b e s u c h i m K u n s t m u s e u m

Seit wann interessieren sich Kinder für die weissen Bilder von Robert Ryman?

Von Brigitte Stadler

Dozentin für bildnerisches Gestalten an der Pädagogischen Hochschule Zürich

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Fotos Brigitte Stadler

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Unterschiede in der Strichbreite, Pinselführung, Farbdichte, Behandlung des Malgrundes. Das Wort «Hintergrund» fällt.

Plötzlich sehen alle Spuren grüner Farbe die unter dem Weiss durchschimmern.

Ein Höhepunkt ist, die quirlige Kinderschar vollkom-men laut- und bewegungslos vor dem dritten und grössten Gemälde Rymans sitzen zu sehen. Während einer langen Minute geben sie sich ganz dem dichten Geschehen auf der wiederum weiss bemalten Leinwand hin. Ihre Wahrneh-mung hat sich so verfeinert, dass sie kleine und kleinste Unterschiede sehen. Sie tauchen fasziniert ins Bild ein.

Auf die Frage, was sie sähen, beschreiben sie die bewegten ineinander greifenden Pinselstriche, das je nach Licht ein-mal glänzend und einein-mal stumpf erscheinende Weiss oder die ungrundierte Leinwand an den Ecken. Was sonst wohl ganz am Anfang einer Bildbetrachtung stünde, nämlich, dass das Bild an Schneegestöber erinnert, muss fast aus den Kindern heraus gekitzelt werden.

Wenn alle am Schluss Bilder aus Zeitschriften erhal-ten, über die je zwei Quadrate gezeichnet sind, die mit weissen Kreiden bemalt werden sollen, erfinden sie viel-fältige Strukturen und entdecken dabei, dass alle Bilder Rymans ebenfalls Quadrate sind.

Primarlehrer/innen, die mit ihren Kindern auf diese Entdeckungsreise gehen möchten, können sich anmelden bei artedu@daros.ch .

Dieser Artikel ist aus dem Vertiefungsmodul Bildne-risches Gestalten Erlebnis Kunst BG 840 entstanden, bei dem die Studierenden jeweils die Gelegenheit haben, ei-ner professionellen Museumspädagogin über die Schultern zu schauen.

Daros Art Education will jungen Menschen zeitgenössische Kunst näher bringen. In einem lebendigen Zusammenspiel von Wis-sensvermittlung, Dialog und Eigeninitiative führt Daros Art Edu-cation Kinder, Jugendliche und Studierende an künstlerische Konzepte, Techniken und Inhalte heran. Gestalterische Übungen verlangsamen die Wahrnehmung und helfen, Sachverhalte ge-nau zu beobachten.

Weshalb beginnt ein Gelb plötzlich intensiv zu leuchten? Wie er-obern Kunstwerke den Raum? Wie wirken Farben auf unsere Ge-fühle? Warum ist weiss nicht immer weiss? Wie wird aus Denken Kunst? Daros Art Education lädt Kinder, Jugendliche und Studie-rende ein, vielfältige Wahrnehmungen vor den Originalen zu er-proben, darüber zu sprechen und neues Wissen einzuordnen.

Die Daros Art Education-Publikation gibt Hintergrundwissen und viele gestalterische Impulse.

Die Führungen sind kostenlos.

Auskunft und Anmeldung:

Face to Face. The Daros Collections (bis 7. September) Daros Exhibitions, Löwenbräu-Areal

Limmatstrasse 268, 8005 Zürich T: 141 44 447 70 70

artedu@daros.ch www.daros.ch

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«Diskriminierung und Verfolgung von Men-schen aufgrund ihrer sexuellen Orientie-rung ist ein Unrecht genau wie Rassismus.

Homophobie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.» So klar und eindeutig nimmt Desmond Tutu, der frühere südafri-kanische Erzbischof und Friedensnobel-preisträger, im Vorwort dieses Readers Stel-lung. Das langjährige Engagement um Men-schenrechte und die beherzte Aufklärung in Bezug auf sexuelle Vielfalt wird auch im persönlich gehaltenen Vorwort der beiden Herausgeber – einer homo-, einer heterose-xuell – deutlich. Ihr Anliegen: Einen pro-funden Dialog über sexuelle Vielfalt in Schulen anzuregen, Selbstverständlich-keiten in Zuschreibungen und Selbstbildern aufzubrechen und dadurch Abwehrhal-tungen und Diskriminierungen aufzuwei-chen, die sich oft selbst bei in Menschen-rechtsfragen sensibilisierten Personen zei-gen. Dazu lassen sie Expertinnen und Ex-perten aus Europa, Afrika, den USA und Kanada konkrete Projekte und Initiativen beschreiben. Wir erhalten Einblicke in die Klassenzimmer verschiedener europäischer Länder (auch die Schweiz ist vertreten) und erfahren, wie konkret mit Kindern und Ju-gendlichen aller Schulstufen und mit un-terschiedlichem kulturellen oder religiösen Hintergrund zu sexueller Vielfalt und ge-gen Homophobie gearbeitet werden kann.

Wir erhalten Beispiele für die Vernetzung schulischer und ausserschulischer Arbeit und wir werden durch die Schilderungen kreativer und alltagsnaher Umsetzungen für den Unterricht angeregt. Ein Anhang mit Empfehlungen, Pädagogischen Materi-alien, Literatur- und Filmhinweisen und länderspezifischen Adressen rundet die Ausführungen ab.

Die Autoren legen ein gehaltvolles, ori-ginelles Buch vor, das einem oft ausge-blendeten Thema den ihm zustehenden Platz einräumt. Christa Hanetseder van Dijk, Lutz; van Driel, Barry (Hrsg.).

Sexuelle Vielfalt lernen: Schulen ohne Homophobie.

Berlin: Querverlag, 2008. 223 Seiten.

€ 14.90; CHF 27.50

tracht dessen, dass es auch im schulischen Umfeld derzeit keine einschlägigen Studien gibt, eine gewisse Aussagekraft:

• Knapp die Hälfte der schweizerischen Wohnbevölkerung nimmt an sogenann-ten «nonformalen Weiterbildungen» teil.

Gemeint sind hier Kurse, Seminare, Vor-träge, Konferenzen, Kongresse, Work-shops und Privatunterricht.

• Die Bereitschaft zum Besuch von Weiter-bildungen hängt von zwei wesentlichen Faktoren ab. Zum einen vom Bildungsni-veau: bei Personen mit einem tertiären oder einem höheren Bildungsabschluss liegt die Teilnahmequote bei über 90%.

Zum anderen von der Frage, ob im Beruf Weiterbildungen obligatorisch sind: Bei Personen ohne nachobligatorische be-trägt der Anteil an mindestens einer Teilnahme lediglich 54%.

• Allerdings ist die Teilnehmendenquote bei Kursen zwischen 1999 (42%) und 2006 (34%) deutlich zurückgegangen.

Ob dieser Rückgang auch die schulische Weiterbildung betrifft und auf welche Gründe er zurückzuführen ist, wird al-lerdings nicht beantwortet.

• Betrachtet man nur das Weiterbildungs-verhalten von Erwerbstätigen, so lassen sich keine Unterschiede hinsichtlich Ge-schlecht und Besuch von Weiterbildun-gen feststellen. Interessant ist, dass sich Frauen generell vielseitiger weiterbilden als Männer.

Ähnlich allgemein gehalten ist auch das letzte Kapitel, das Tendenzen und Perspek-tiven zur Weiterbildung in der Schweiz for-muliert und mit Empfehlungen endet: das Portrait zeigt Trends auf und Interessierte sind gefordert, notwendige Konsequenzen für Ihr Feld selbst zu formulieren.

Zusammenfassend bietet das Porträt Weiterbildung Schweiz einen ersten – gut lesbaren – Überblick, der allen zu empfeh-len ist, die sich mit Konzeptionierungen von Weiterbildungen auseinandersetzen.

Zur Vertiefung eignet sich das Porträt nicht, dafür bietet der Anhang jedoch ein aktuel-les Literaturverzeichnis, das zur weiteren Auseinandersetzung einlädt. Zudem sind in dieser Reihe fünf weitere Länder sowie die Europäische Union porträtiert, so dass der Überblick leicht über Grenzen hinaus erweitert und internationalisiert werden kann.

Frank Brückel Das vorliegende Porträt Weiterbildung

Schweiz ist die zweite, völlig überarbeitete Auflage und Teil einer Reihe von Länder-porträts in Europa, die alle zum Ziel haben, einen grundlegenden Überblick über die derzeitige Situation ihres Landes in der Weiterbildungslandschaft zu geben.

Im Vordergrund der Länderreihe und damit auch des Schweizer Porträts steht die komprimierte Information, um dem Be-dürfnis nach einem raschen Überblick in den Grobkategorien «Geschichte», «Institu-tionen», «Gesetze», Strukturen», «Teilnah-me», «Personal», «Wissenschaft» und «In-ternationalität» gerecht zu werden. Durch diese Strukturierung gelingt den Autoren ein kurzer, prägnanter und leicht zu lesen-der Überblick über die wesentlichen

Im Vordergrund der Länderreihe und damit auch des Schweizer Porträts steht die komprimierte Information, um dem Be-dürfnis nach einem raschen Überblick in den Grobkategorien «Geschichte», «Institu-tionen», «Gesetze», Strukturen», «Teilnah-me», «Personal», «Wissenschaft» und «In-ternationalität» gerecht zu werden. Durch diese Strukturierung gelingt den Autoren ein kurzer, prägnanter und leicht zu lesen-der Überblick über die wesentlichen

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