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2 G RUNDLAGEN

2.1 D EZENTRALE I NFRASTRUKTURPLANUNG

Dezentrale Infrastruktursysteme gewinnen in Europa immer mehr an Bedeutung. Für die Unterscheidung zwischen zentraler und dezentraler Infrastruktur gibt es keine allgemein gültige Definition [HOLLÄNDER, 2006]. Zur dezentralen Ver- und Entsorgungsinfrastruktur zählen grundsätzlich die Komponenten Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung, Strom- und Gasversorgung sowie Netzwerk und Datenanschlüsse für Telefon und TV. Sofern in einem System diese Komponenten nicht nur nebeneinander funktionieren, sondern sich in bestimmten Funktionen ergänzen, spricht man von integrierten Konzepten.

2.1.1 Stoffkreisläufe, ökologische Vorteile und Klimaschutz

Ein Beispiel, wie ein Kreislauf die Umwelt beeinflussen kann, ist die Photosynthese. Sie wandelt Kohlendioxid in energiereichen Zucker um. Durch die Respiration dieses Stoffes wirkt der Kohlenstoff auch indirekt auf die Produktion von atmosphärischem Sauerstoff und

ist damit letztendlich an der Temperaturentwicklung der Erdoberfläche beteiligt [NENTWIG, W. ET AL.,2009].

Neben dem Kohlenstoffkreislauf sind vor allem die Nährstoffkreisläufe von entscheidender Bedeutung. Die enge Verknüpfung mit dem Wasserkreislauf ist in Abbildung 2-1 dargestellt.

Mit dem Recycling von Abwasser und Rückführung von Nährstoffen in den Kreislauf wird ein positiver Beitrag zum Bodenschutz geleistet. Ebenso besteht Potential zur energetischen Nutzung, beispielsweise von Abfällen. In beiden Fällen wird der Ressourcenverknappung entgegengewirkt. Der strategische Ansatz für eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sollte zu einer besseren Ressourceneffizienz bzw. Ressourcenproduktivität führen [KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT,2005].

Abb. 2-1 Beispiel für einen Stoffkreislauf - Schematische Darstellung der Stoffströme in einem ökologischen Sanitärkonzept [OTTERPOHL,1997]

Eine zentral vernetzte Infrastruktur hat den Nachteil langer Transportwege. Allein ein Produkt von einem Knotenpunkt aus zu verteilen bzw. ein Abfallprodukt an einem Punkt zu sammeln erfordert einen energetisch aufwendigen Transport. Eine integrierte Bewirtschaftung von Ver- und Entsorgungssystemen an dezentralen Standorten birgt eine Vielfalt von ökologischen Einsparpotentialen. Die somit eingesparten Leistungen können in Form von CO2

-Equivalenzen erfasst werden. Integrierte Konzepte können somit einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Die eher unübliche, abgestimmte Nutzung und Bewirtschaftung eines dezentralen Standortes führt langfristig zu einer Steigerung der Gewässerqualität und damit auch zu einer Verbesserung der Grundwasserqualität. Dies ist in vielen Ländern bereits heute von immenser Bedeutung, da hohes Bevölkerungswachstum und Klimawandel das Problem des Wassermangels in ariden Gebieten weiterhin verschärfen [GEYER,S.,MÜLLER,R.-A.,2007].

Grundsätzlich kann ein dezentrales orientierter Lösungsansatz auch innerhalb einer zentral organisierten Infrastruktur erfolgen. Ein nachhaltiges Wasserressourcenmanagement erfordert für schnell wachsende Millionenstädte eine innerstädtische Wasserwiederverwendung, da der Wasserbedarf die lokalen Ressourcen übersteigt. Eine dezentrale, professionelle Behandlung vor Ort ist demnach notwendig um den Bedarf zu decken [CORNEL, P., 2008].

2.1.2 Lösungsansätze für dezentrale, ökologisch verträgliche Entsorgungskonzepte In diesem Abschnitt werden aktuelle Forschungsprojekte zum Thema dezentrale Infrastruktur vorgestellt, die sich mit dem Thema Wasser/Abwasser bzw. Bioabfall beschäftigen.

Thematisch stehen hier Wasserrecycling sowie das Schließen von Nährstoffkreisläufen im Vordergrund.

Das MODULAARE-Verfahren des Instituts für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart kombiniert ebenso wie INKONDA die anaerobe Behandlung von organischen Abfällen mit der Membrantechnik zur dezentralen Reinigung von Abwasser. Das System besteht aus einer Membranbelebungsanlage, die innerhalb eines Tourismusressorts in der Türkei betrieben wurde. Der Fokus des Vorhabens lag auf der Entwicklung eines nahezu abwasserfreien Ferienhotels mit dem Ziel einer geregelten Kreislaufwirtschaft innerhalb der Tourismusbranche. In einer Vergärungsstufe wurden Speisereste gemeinsam mit Überschussschlämmen aus der Abwasserbehandlung zur Erzeugung von Biogas genutzt. Zur zusätzlichen Energiegewinnung waren Solarkollektoren Bestandteil dieses Verfahrens.

Innerhalb einer Hotelanlage, mit einer maximalen Auslastung von 900 Betten, wurde das System in die bestehenden Strukturen implementiert. Als Projektpartner waren die Firmen MEMOS, GmbH, Lichtenstein, BIO-SYSTEM SELECTA GmbH, Hirschfelde sowie das Iberotel Sarigerme Park, Ortaca (Türkei) in das Projekt eingebunden [KRANERT,M. ET AL., 2006]. Die Membranstufe bestand aus 6 Filtermodulen mit einer Oberfläche von 240 m² und einer hydraulischen Kapazität von 25 m³/d (maximal 40 m³/d möglich). Die

Membranbelebungsanlage produzierte einen täglichen Überschussschlammanteil von 300 Litern. Weiter wurde eine Anaerobstufe als Demonstrationsanlage für die Vergärung von Bioabfällen errichtet. Für die Hotelanlage wurde eine Bioabfallmenge von 600 kg/d mit einem Wassergehalt von 85 % ermittelt. Rechnerisch wurde hier ein täglicher Ertrag von 30 – 40 m³ Biogas mit einem Methananteil von 70 % zugrunde gelegt [HAFNER,G. ET AL.,2007].

Der Einsatz einer vergleichbaren Membrantechnik wurde auch im Forschungsprojekt

„Innovatives System zur Schließung von Wasser- und Stoffkreisläufen“ (KOMPLETT) der Universität Kaiserslautern realisiert. Ähnlich wie beim MODULAARE-Verfahren wurde ein Membran-Bioreaktor mit einer Unterdrucktauchmembran eingesetzt. Ziel war hier die Trennung von häuslichem Abwasser in die Teilströme Grau- und Schwarzwasser, um die natürlichen Stoffkreisläufe auf Basis der best-verfügbaren Technologien möglichst vollständig zu schließen. Dazu wurde die Technik in einem Bürogebäude und in einem Wohnblock zu Demonstrationszwecken installiert und auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft.

Das hier eingesetzte Grauwasser wies einen mittleren CSB-Gehalt von 600 mg/ℓ, das kommunale Schwarzwasser hingegen 720 mg/ℓ auf. Durch Einsatz eines Membran-Bioreaktors konnte der CSB auf 47,6 mg/ℓ im Grauwasser und 136,4 mg/ℓ im Schwarzwasser reduziert werden. Zur Aufbereitung des Grauwassers wurden Kombinationen aus Ozonierung, UV-Desinfektion, Aktivkohlefilter, Ultrafiltration und Chlorierung eingesetzt. Durch die Membrantechnik wurde ein aus hygienischer Sicht hoher Qualitätsstandard erreicht. Die Kriterien für eine Nutzung als Brauchwasser mit Einsatz im Bereich der Toilettenspülung konnten hier erreicht werden [KNERR,H.,2008].

Ein ähnlicher Ansatz findet sich bei KEYSERS ET. AL., 2008, der ebenfalls das Ziel verfolgt, mittels Membran-Bioreaktoren eine Brauchwassernutzung speziell für einen laufenden Hotelbetrieb zu etablieren.

Der Bedarf für eine Nutzung von Brauchwasser wird auch durch das Projekt „Verbesserung der Ablaufqualität von Abwasserteichanlagen durch den Einsatz von Membranverfahren“, FG Siedlungswasserwirtschaft der Technischen Universität Berlin deutlich. Hier wurden Möglichkeiten untersucht, Brauchwasserqualität in Teichanlagen für uneingeschränkte landwirtschaftliche Anwendungen zu produzieren. Die Arbeiten wurden unter besonderer Berücksichtigung des kontinentalen Klimas durchgeführt. Wartung und Logistik hinsichtlich einer praktischen Umsetzung standen hier im Vordergrund. Durch Verwendung der Membrantechnik konnte gezeigt werden, dass insbesondere die hygienischen Anforderungen

eingehalten wurden, ohne dass schädliche Nebenprodukte wie bei der Anwendung chlorhaltiger Desinfektionsmittel entstehen [HEGEMANN,W. ET AL.,2006].

Noch weiter geht die Anwendung von neuartigen Sanitärkonzepten, die als Ziel die Wiederverwendung von Wasser und gleichzeitige Verwendung von Abwasserinhaltsstoffen verfolgen. Grundgedanke dieser ressourcenorientierten Sanitärsysteme ist die getrennte Erfassung und gezielte Behandlung von Teilströmen aus zu Wohnzwecken genutzten Anlagen oder ähnlichen Herkunftsbereichen [DWA,2008]. Ökologische, kreislauforientierte Systeme zur Abwasserbewirtschaftung und Sanitärversorgung werden auch unter dem Begriff Ecosan (Kurzform für ‚Ecological Sanitation’) zusammengefasst. Diese Systeme stehen für einen Paradigmenwechsel in der klassischen Siedlungswasserwirtschaft, da hierdurch die Nutzung des Abwassers und der damit einhergehende Wertstoffgedanke geprägt wurden. Ecosan-Systeme beinhalten verschiedene Entwicklungsrichtungen. Dazu gehören z.B.

Trockensysteme im Lowtech-Bereich, Wassertoilettenkonzepte mit Urinseparierung sowie dezentrale Hightech-Systeme für dichte Bebauungen [OTTERPOHL,2006].

2.1.3 Konventionelle Systeme: Einsatz von Kleinkläranlagen

Auf dem Gebiet der Abwassertechnik gelten in Deutschland für Kleinkläranlagen im ländlichen Raum strenge Anforderungen an den Zustand und die Leistungsfähigkeit, welche rechtlich durch die Abwasserverordnung (AbwV) geregelt sind. Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der Europäischen Gemeinschaft fordert ähnliche Ziele innerhalb der Länder der EU, was in den vergangenen Jahren zu einer Vielzahl technischer Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Abwassertechnik geführt hat. In den Jahren 1997 bis 2006 hat sich die Zahl der bauaufsichtlichen Zulassungen von Kleinkläranlagen mehr als verdoppelt [TÖWS, 2006].

Durch die entstandene Vielfalt kann im jeweiligen Einzelfall auf eine Vielzahl bereits realisierter Lösungen zurückgegriffen werden, so dass eine Abwasserreinigung auf hohem Niveau gewährleistet werden kann.

Bei der Entscheidung zwischen dezentraler und zentraler Lösung stellt sich grundsätzlich die Frage, ob ein Anschluss an die kommunalen Ver- und Entsorgungsnetze realisierbar und ökonomisch sinnvoll ist. Die Aspekte Aufwand, Umweltverträglichkeit und Kosten sind einer dezentralen Variante gegenüber abzuwägen. Bei einer Entscheidung sollten neben dem bautechnischen Aufwand vor allem die Kosten für die Instandhaltung und Wartung mit einbezogen werden.

Für die Abwasserbehandlung in dezentralen Gebieten werden klassischerweise Kleinkläranlagen eingesetzt. Als biologisches Verfahren kommt auch das Belebtschlammverfahren zum Einsatz, bei dem das Abwasser mit belebtem Schlamm vermischt und belüftet wird, um einen möglichst hohen Abbaugrad der organischen Substanzen zu erreichen. Anschließend wird räumlich oder zeitlich getrennt das gereinigte Wasser vom Schlamm separiert. Ein gängiger Anlagentyp im Kleinkläranlagenbereich ist die SBR-Anlage (SBR - Sequentiell beschickter Reaktor). Hier werden in drei Kammern die Stufen Vorklärung, biologische Reinigung und Nachklärung zur Abtrennung des Belebtschlamms durchlaufen. Membrantechnik kann hier vor allem in der Nachklärungsstufe zum Einsatz kommen [DBU, BERATUNGS- UND INFORMATIONSZENTRUM ABWASSER

-DEZENTRAL,2007].

Weitere gängige Anlagentypen stellen Biofilmverfahren, z.B. Tropfkörperanlagen, Pflanzen- oder Teichkläranlagen da. Bei den konventionellen Anlagentypen steht allein die Reinigung des Abwassers, nicht aber eine mögliche Nutzung im Fokus.

2.1.4 Gesetzliche Anforderungen an Kleinkläranlagen in Europa

In Deutschland gelten für Kläranlagen die Einleitungsbedingungen nach der Abwasserverordnung [AbwV, 2004]. Für die Größenklasse I von 51 bis 1000 Einwohnern sind vorwiegend die Grenzwerte für den Kohlenstoffabbau (CSB u. BSB5) einzuhalten. Seit Frühjahr 2005 gelten die vom Deutschen Institut für Bautechnik eingeführten Ablaufklassen Kohlenstoffelimination (C), Nitrifikation (N), Denitrifikation (D), Phosphatabbauforderung (+P), Hygieneanforderung (+H) für Kleinkläranlagen, die die Umsetzung der Richtlinie EN 12566-3 darstellen. Je nach Einsatzgebiet und behördlichen Auflagen sind hiernach die entsprechenden Grenzwerte nach Tabelle 2-1 einzuhalten. Da das in dieser Arbeit vorgestellte Verfahren nicht per se auf den europäischen Raum beschränkt ist, gelten diese Werte im weiteren Verlauf als Orientierungshilfe.

Tab. 2-1 Reinigungsklassen nach DIBt, 2001 und EN 12566-3, gültig für Kleinkläranlagen Klasse CSB BSB5 NH4-N Nanorg. Pges Fäkal

coliforme Keime

Abfiltrierbare Stoffe

mg/ℓ mg/ℓ mg/ℓ mg/ℓ mg/ℓ je 1000 ml mg/ℓ

C 150 40 75

N 90 20 10 50

D 90 20 10 25 50

+ P 2

+ H 100

2.1.5 Bioabfall aus dezentralen Strukturen

In Deutschland wurden im Jahr 2007 Haushaltsabfälle im Umfang von 37,4 Millionen Mg erfasst. Dies entspricht einer Menge von 454 kg pro Einwohner, wobei hier 107 kg der Fraktion Bioabfall zufällt [DESTATIS,2008]. Bei etwa gleichen Anteilen von Speiseresten und Grünabfällen an der Bioabfallfraktion kann man diese Werte zu etwa 150 g Speisereste pro Einwohner und Tag umrechnen. Diese Zahlen lassen sich durchaus auf dezentrale Siedlungen übertragen.

Richtet man den Fokus auf andere dezentrale Strukturen, wie beispielsweise eine Hotelanlage, muss von modifizierten Werten ausgegangen werden, da das Nutzungsverhalten der Hotelgäste sich grundlegend von dem einer Siedlung unterscheidet. Gleiches gilt ebenfalls für Kantinen oder Restaurants, in denen eine entsprechend große Menge an Lebensmitteln vorgehalten werden muss. Weiter ist zu beachten, dass diese Werte in anderen Ländern und Kulturkreisen deutlich vom europäischen Mittel abweichen können. Beispielsweise wurde die mittlere Küchenabfallmenge für die VR China anhand einer Studie mit Hilfe von Sortieranlagen zu 640 g pro Einwohner und Tag ermittelt [YUANG ET AL.,2006].

Grundsätzlich ermöglicht die dezentrale Bioabfallbehandlung eine Verringerung der Abfallmenge sowie der damit verbundenen Transportkosten. Der Einzelfall ist hier maßgeblich.