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5 DISKUSSION

5.2 D AS ADIPOCYTÄRE R ENIN -A NGIOTENSIN -S YSTEM

5.2.1 Expression eines vollständigen adipocytären RAS

Obwohl die bisher gängige Ansicht war, daß in Geweben mit lokalem Renin-Angiotensin-System (RAS) kein einzelner Zelltyp alle Gene exprimiert, 46,47,55,56 konnte hier gezeigt werden, daß in ausdifferenzierten humanen Adipocyten alle RAS-Gene aktiv sind. Damit ist die Grundvoraussetzung zur lokalen, von Plasmakomponenten unabhängigen Angiotensin II-Bildung im Fettgewebe gegeben.

Während die Genexpressionslevel von AGT, REN, ACE und AGTR1 in der gleichen Größenordnung liegen, ist die Expression dieser Gene deutlich niedriger als die des Leptingens (30 – 60-fach geringer), aber dennoch ausreichend, daß bei kultivierten humanen Adipocyten AT1-Rezeptoren in der Zellmembran (Abb. 17 A) und AGT-Sekretion nachgewiesen werden kann. 81 Die insgesamt niedrigste Expression zeigte das AT2-Rezeptorgen (AGTR2; 27 000-fach geringer als Leptin). Möglicherweise wird eine höhere Leptinexpression benötigt, da das Fettgewebe der einzige Bildungsort für das gesamte im Plasma zirkulierende Leptin ist, was für die Komponenten des Renin-Angiotensin-Systems nicht zutrifft. Denkbar ist aber auch, daß für den überwiegend lokalen Bedarf die weitaus geringere Genexpression der RAS-Gene im Fettgewebe ausreicht. Zusammen mit dem Nachweis verschiedener RAS-Komponenten im Fettgewebe, 46,68,77,79,80 der Bildung von Angiotensin II durch humane Fettzellen 79 und der Wirkung von Angiotensin II auf Adipocyten 2,21,89,144,145 stimmen die Ergebnisse dieser Arbeit klar mit der Präsenz eines voll funktionsfähigen RAS in isolierten humanen Adipocyten überein.

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Die Expression des Reningens ist deutlich niedriger als die der anderen drei RAS-Gene (AGT, ACE und AGTR1), deren Expressionsstärke nahezu gleich ist, sodaß der Genexpressionslevel des Renins dreimal geringer als die seines Substrates Angiotensinogen ist. Dies ist wahrscheinlich der Grund, weshalb es mit weniger sensitiven Methoden 46 als der hier eingesetzten Technik, bisher nicht gelungen war, die Reninexpression in Adipocyten nachzuweisen, obwohl die lokale Bildung von Angiotensin II im Fettgewebe gezeigt werden konnte. 17 Daher wurde bisher vermutet, daß entweder ein alternatives Angiotensin I-bildendes Enzym in Adipocyten gebildet wird oder daß es sich hier um ein extrinsisches System (s. 1.2.3) handelt, bei dem das von den Adipocyten freigesetzte Angiotensinogen durch Renin, welches von anderen Zellen (z. B. Präadipocyten) gebildet wird oder aus dem Blut stammt, umgesetzt wird.

Auch wenn beide Möglichkeiten nicht ausgeschlossen werden können, zeigen die hier gewonnenen Ergebnisse, daß Adipocyten grundsätzlich über ein autonomes Renin-Angiotensin-System verfügen.

Besonders niedrig ist die Expression des Angiotensin II-Rezeptors Typ 2. Sie ist zwar mit der sehr sensitiven TaqMan-RT-PCR Methode gerade noch nachweisbar, die Bedeutung für das humane adipocytäre RAS ist jedoch fraglich, insbesondere da die Genexpression des anderen Rezeptorsubtyps (AT1-Rezeptor) fast 1000-fach höher ist.

Dieses Ergebnis stimmt mit anderen Untersuchungen überein, die zeigen, daß z. B.

Adipocyten adulter Ratten ebenfalls ausschließlich den AT1-Rezeptor exprimieren, 131 während der AT2-Rezeptor vorwiegend in embryonalen, neonatalen und jungen Geweben vertreten ist. 132,133 Daher wird auch vermutet, daß AT2-Rezeptoren an der Regulation der Differenzierung und des Wachstums beteiligt sein könnten. 134 Diese Annahme wird bestärkt durch Experimente an Koronarendothelzellen, bei denen die Inhibition der Proliferation über den AT2-Rezeptor vermittelt wird, 75 oder durch Untersuchungen an Ob1771-Zellen der Maus, bei denen der Typ 2-Rezeptor die Präadipocytendifferenzierung fördert. Darüber hinaus konnte in neueren Untersuchungen an 3T3-L1 Zellen mittels "Western Blots“ gezeigt werden, daß der Angiotensin II-Rezeptor Typ 2 im Verlauf der adipocytären Differenzierung verschwindet, während der Typ 1-Rezeptor unverändert exprimiert wird. 135 Dies läßt ebenfalls eine, wenn auch inverse Korrelation des AT2-Rezeptors mit der Adipocytendifferenzierung vermuten. Insofern würde die minimale Genexpression des

Angiotensin II-Rezeptors Typ 2 in den ausdifferenzierten, teilungsunfähigen, humanen Adipocyten gut in dieses Bild passen.

Inwieweit die hier beobachteten Unterschiede in der Expressionsstärke der einzelnen RAS-Gene zur Regulation des adipocytären RAS beitragen und ob es Unterschiede im Expressionsmuster z. B. zwischen Adipösen und Schlanken bestehen, ist bisher nicht bekannt.

5.2.2 Bedeutung des adipocytären Renin-Angiotensin-Systems

Aufgrund der großen Ausdehnung und starken Vaskularisierung des Fettgewebes und dem Vorkommen von Fettzellen in der Umgebung von Gefäßwänden (adventitielles Fettgewebe) stellt ein vollständiges adipocytäres RAS die größte potentielle Quelle für Angiotensin II im Körper dar. Daher ist das adipocytäre Renin-Angiotensin-System wahrscheinlich nicht nur lokal von Bedeutung, sondern womöglich auch an der Blutdruckregulation des Gesamtorganismus beteiligt.

Dafür sprechen Untersuchungen an Tiermodellen, in denen nicht nur nachgewiesen werden konnte, daß das Fettgewebe nach der Leber den bedeutendsten Bildungsort für Angiotensinogen darstellt, 136 sondern daß adipocytär gebildetes AGT in den Blutkreislauf gelangt und dort zum Anstieg des Blutdrucks beitragen kann. 82 Ermöglicht werden könnte dies durch die niedrige adipocytäre Reninexpression. Angenommen, die in Adipocyten gemessenen transkriptionellen Expressionsunterschiede führen auch auf Proteinebene zu ähnlichen Verhältnissen, dann würde nur ein Teil des adipocytär gebildeten Angiotensinogens in Angiotensin I umgesetzt werden, während der AGT-Überschuß in die Zirkulation gelangen könnte. Dies könnte, trotz der Fähigkeit von Adipocyten selbst Angiotensinogen umzusetzen, die Korrelation von AGT-Plasmaspiegel und BMI 38-42 erklären.

Darüber hinaus kann die lokale Bildung von Angiotensin II im adventitiellen Fettgewebe sowohl direkt als auch indirekt, in Verbindung mit der Förderung der Noradrenalinfreisetzung, 84 an der Erhöhung des Gefäßtonus und damit der Zunahme des Blutdrucks beteiligt sein. Langfristig könnte somit die Zunahme an Körperfettmasse durch beide hier dargestellten Mechanismen zur Entstehung von Hypertonie führen.

Auch wäre es denkbar, daß die gleichen Mechanismen an der Reduktion des Blutdrucks bei Gewichtsabnahme beteiligt sind. 137

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Eine weitere Hypothese ist, daß eine verminderte Perfusion des Fettgewebes aufgrund einer durch Angiotensin II vermittelten Vasokonstriktion den Abtransport freier Fettsäuren reduzieren könnte, was zu einer lokalen Akkumulation und verstärkten Reveresterung der freien Fettsäuren im Fettgewebe führen könnte.

Die vasokonstriktorische Wirkung auf benachbarte Gefäße ist sicherlich nicht die einzige Funktion des adipocytär gebildeten Angiotensin II. So scheint es bei 3T3-L1 Zellen und subkutanen, humanen Adipocyten die Lipogenese zu steigern, da in vitro sowohl die Genexpression als auch die Aktivität der Fettsäuresynthase (FAS) und der Glycerol-3-Phosphat-Dehydrogenase (GPDH) zunehmen. 89 Auch führt Angiotensin II bei kultivierten Adipocyten von Ratte oder Mensch zu einem Anstieg von Prostaglandinen im Medium, 138 von denen eines, das PGE2, ein potentes antilipolytisches Agens ist. 139 Auf diese Weise könnte nicht nur das systemische Renin-Angiotensin-System, sondern auch das adipocytäre RAS zur Entstehung oder Konsolidierung der Adipositas beitragen. 83