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2.7 Auswahl der Monomere

2.7.1 Copolymerisationsparameter

Die Ähnlichkeit von Monomeren in ihrem Polymerisationsverhalten kann z. B. mit Hil-fe der Copolymerisationsparameter begründet werden. Wie in Kapitel 2.3 bereits erläu-tert, sind die Copolymerisationsparameter definiert als das Verhältnis der Geschwin-digkeitskoeffizienten für die Anlagerung des Monomers, welches mit der radikal-tragenden Gruppe identisch ist, im Vergleich zu der Anlagerung des anderen Mono-mers. Sind die Copolymerisationsparameter beide (nahe) 1, ist die Addition beider Mo-nomerspezies gleich wahrscheinlich. Es bildet sich ein statistisches Copolymer, dessen Zusammensetzung diejenige der Monomermischung wiederspiegelt (ideale azeotrope Copolymerisation). Aus Tabelle 2.1 geht hervor, dass Butadien und Styrol sowie Buta-dien undpara-Chlorstyrol (als Beispiel für einpara-substituiertes Styrolderivat mit elek-tronenziehendem Substituenten) Copolymerisationsparameter nahe 1 haben und somit ein ähnliches Polymerisationsverhalten aufweisen.

Das System Ethylen/Vinylacetat hat je nach Druck und Temperatur Copolymerisati-onsparameter von fast genau 1 oder knapp über 1. Obwohl diese beiden Monomere sich in ihrer Molekülstruktur deutlich unterscheiden, stellen sie damit ein perfektes Copolymerisationssystem für statistische Polymerisationen dar. Grund dafür ist die ge-ringe Stabilisierung der radikalischen Funktionalität durch die Acetoxy-Gruppe beim Vinylacetat. Einzig die unterschiedlichen Aggregatzustände machen die direkte Über-tragung der Polymerisationsbedingungen schwierig.

Eine Copolymerisation von Styrol mit Vinylacetat zeigt ein starkes nichtideales (nicht-azeotropes) Verhalten. Aufgrund der hohen thermodynamischen Stabilität von Styrol-Radikalen addieren Styrol-Moleküle besonders in Gegenwart von Vinylacetat, welches hoch instabile Radikale bildet, bevorzugt. Die Folge ist eine starke Tendenz zur Block-bildung.

Tabelle 2.1Copolymerisationsparameter für unterschiedliche Monomere.[63–66]

Monomer 1 Monomer 2 r1 r2 Bedingungen Butadien Styrol 1,39 0,78 T= 60C Butadien para-Chlorstyrol 1,220 1,600 T= 50C

Ethylen Vinylacetat 1,2 1,1 T= 220 - 240C,p= 2000 bar Ethylen Vinylacetat 1,01 1,0 T= 150C,p= 850 atm Styrol Vinylacetat 55 0,01 T= 60C

2 Theorie

Abbildung 2.2 zeigt die Copolymerisationsdiagramme für die Copolymerisation von Butadien mit Styrol (oben links) undpara-Chlorstyrol (oben rechts), für Ethylen mit Vi-nylacetat (unten links) und für Styrol mit ViVi-nylacetat (unten rechts). Aufgetragen wur-de die Konzentration im Polymer gegen die Konzentration in wur-der Monomermischung.

Für eine beliebige Ausgangskonzentration [X] kann der Anteil der beiden Monomere im Polymer [X(P)] abgelesen werden. Die schwarze Linie stellt das Idealverhalten dar (r1=r2).

Abbildung 2.2 Copolymerisationsdiagramme für Butadien und Styrol (oben links),[64]Butadien undp-Chlorstyrol (oben rechts),[65]Ethylen und Vinylacetat (un-ten links)[63]und Styrol und Vinylacetat (unten rechts).[64][X] = Konzentration von X in der Monomermischung, [X(P)] = Konzentration von X im Polymer.

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Zielsetzung

Ziel dieser Arbeit ist die Herstellung von funktionalisierten Synthesekautschuken für technische Anwendungen mittels kontrollierter radikalischer Polymerisation. Hierfür bietet sich die RAFT-Polymerisation an, da sie sehr variabel hinsichtlich der Polyme-risationsbedingungen ist und die zu verwendenden Monomere sich damit gut kon-trollieren lassen. Synthesekautschuk besteht aus Polybutadien oder Butadien-Styrol-Copolymeren, seltener Polyisopren.

S O

S S O O

1 2

Schema 3.1 Abbildung der potenziell vulkanisierbaren Gruppen, die verwendet wurden.

Die beiden funktionellen Gruppen, die eingebaut werden sollen, sind in Schema 3.1 dargestellt. Sowohl beimS-Thioacetat1als auch beim Benzolthiosulfonat2erfolgt dies über ein verbrückendes Schwefelatom (dem Namen von Thioestern wird in Kursiv-druck das Atom, welches verbrückend wirkt, voran gestellt. Da bei Thioestern eine Verbrückung über den Schwefel die Regel ist und eine Umlagerung erst bei hohen

Tem-3 Zielsetzung

peraturen auftritt und somit ausgeschlossen werden kann, wird im Folgenden auf den Zusatz „S“ verzichtet).

Durch die gezielt eingebauten funktionellen Gruppen können Knotenpunkte während der Vulkanisation entstehen. Während zu einer konventionellen Vulkanisation Schwe-fel, Beschleuniger, Vernetzer und andere Chemikalien zugegeben werden, sollen diese bei dem Einsatz eines funktionalisierten Polymers weitestgehend überflüssig sein. Des weiteren kann durch eineα, ω-Funktionalisierung eines RAFT-Agens ein Einbinden der Kettenenden gewährleistet werden, welche sonst frei im Polymer verbleiben.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die beiden Funktionalitäten an ein Monomer oder RAFT-Agens anzubinden. Generell ist die Funktionalisierung des Ausgangsmate-rials der Funktionalisierung des fertigen Polymers vorzuziehen, da sie selektiver erfolgt und eventuelle Lösungsprobleme umgangen werden.

S

Schema 3.2Zugang zu den funktionellen Gruppen.

Ein Thioacetatester 1 kann durch Veresterung eines Thiols[67] mit Essigsäure gebil-det werden, in einer nukleophilen Substitution mit einer halogenorganischen Verbin-dung[68]oder durch Addition von Thioessigsäure4an eine Doppelbindung.[69]Neben Thioessigsäure4kann auch Kaliumthioacetat verwendet werden.[70,71]

Für Funktionalität2ist ein Syntheseschritt erforderlich, um das Ausgangsmaterial zu erhalten. Aus dem kommerziell erhältlichen Natriumbenzolsulfinat6wird mit elemen-tarem Schwefel und einer starken Base quantitativ das gewünschte Produkt, Natrium-benzolthiosulfonat5, gebildet. Diese Synthese ist literaturbekannt.[72]Das Salz kann in geeigneten Lösungsmitteln gelöst und zur Reaktion gebracht werden. Alternativ kann es mit einem Disulfid und Iod zu zwei Äquivalenten Benzolthiosulfonatverbindung reagieren.[73]

Die genaue Struktur des organischen Restes von2ist nebensächlich; eine Methylgrup-pe inpara-Position, die z. B. durch Verwendung vonpara-Toluolsulfonylchlorid7

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führt werden würde (Schema 3.2, Verbindung3), könnte toleriert werden. Dieser Weg wurde jedoch nicht weiter verfolgt, da die Anbindung an Thiole erfolgen müsste, die nur in begrenztem Maße kommerziell erhältlich sind, schwierig in der Synthese und aufgrund ihres charakteristischen Geruchs unangenehm in der Anwendung sind.

Eine Kombination von funktionalisierten RAFT-Agenzien und Monomeren führt zu Polymeren, die mehrere Netzknotenpunkte entlang der Kette enthalten und inklusi-ve der beiden Enden in das durch Vulkanisation erzeugte Polymernetzwerk eingeglie-dert sind. Im Rahmen dieser Arbeit wurden erste Experimente in der Regel mit Styrol durchgeführt (siehe 2.7). Erfolgversprechende Polymerisationen wurden mit Butadien wiederholt.

Die Aufgabenstellung stammt von der Abteilung „Advanced Tire Materials“ der Con-tinental Reifen GmbH in Hannover.

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Entwicklung und Synthese funktionalisierter RAFT-Agenzien

Bei der Agens-Synthese wurden verschiedene Strategien verfolgt. Das RAFT-Agens soll die Polymerisation von Butadien hinsichtlich einheitlichem Kettenwachs-tum zuverlässig kontrollieren. Es bietet sich an, eine bewährte Z-Gruppe zu wählen und die R-Gruppe nach den eigenen Bedürfnissen zu modifizieren. Nach Schema 2.11 eignen sich für Styrol sowohl Dithiobenzoate (Z = Ph)[74] als auch Trithiocarbona-te (Z = S-Alkyl). Für die R-Gruppe haben sich in Butadien-Polymerisationen Trithiocarbona- terti-äre Abgangsgruppen und sekundterti-äre Abgangsgruppe mit einer zusätzlichen Stabilisie-rung (Phenyl- oder Nitrilrest) bewährt.[23,75,76]Dies sind beides sterisch anspruchsvolle Gruppen, was die Anknüpfung über Substitutionsreaktionen erschwert. Bei dem Son-derfall der symmetrischen Trithiocarbonate ist die Abgangsgruppe identisch mit dem Alkylrest der Z-Gruppe.

In diese Abgangsgruppe muss eine der beiden funktionellen Gruppen (siehe Schema 3.1) eingebaut werden, was eine mindestens zweistufige Synthese bedingt. Im ersten Schritt wird die Abgangsgruppe synthetisiert, die im zweiten Schritt, der RAFT-Agens-Synthese, angekoppelt wird. Eventuell ist ein weiterer Schritt notwendig, in dem eine Vorstufe des RAFT-Agens oder die Funktionalität in einer reaktiven,

verar-4 Entwicklung und Synthese funktionalisierter RAFT-Agenzien

beitbaren Form synthetisiert wird.

Symmetrische Trithiocarbonate haben den Vorteil, dass sie an beiden Enden die ge-wünschte Funktionalität tragen und somit den Einbau der Kettenenden in das Polymer-netzwerk unterstützen. Es ist möglich, aber noch nicht erwiesen, dass RAFT-Agenzien während der Vulkanisation gespalten werden und ein endständiges Thiol übrig bleibt, welches einvulkanisiert werden kann.