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4 Verfügbarkeit und Bedarf von CO 2

5 Standortanalyse langfristig verfügbarer CO 2 -Punktquellen

5.2 Verortung von CO 2 -Punktquellen

5.2.4 CO 2 -Punktquellen in der energieintensiven Industrie

Im Jahr 2016 wurden laut E-PRTR an 155 Standorten der fünf energieintensiven Wirt-schaftszweige C10, C17, C20, C23 und C24 106 Mio. t CO2 (inkl. biogene Emissionen) emittiert. Dabei entstanden bei der Metallerzeugung und –bearbeitung (C24) rund 40 Mio. t., bei der Herstellung chemischer Erzeugnisse (C20) rund 30 Mio. t und bei der Verarbeitung von Steinen und Erden (C23) 27 Mio. t – rund 90% der Gesamtemissio-nen. Auf die Herstellung von Papier- und Pappe (C17) entfielen mit rund 7 Mio. t und auf die Nahrungsmittelindustrie (C10) mit gut 1 Mio t deutlich weniger CO2-Emissionen (Abbildung 17).

Quelle: Eigene Darstellung nach [European Environment Agency (EEA), 2016]; Bundesländer: © GeoBasis-DE / BKG 2017.

Abbildung 17: CO2-Punktquellen aus der energieintensiven Industrie im Jahr 2016 nach Sektoren.

Aufbauend auf Kapitel 4.4.2 wurde auch bei ambitionierter Reduktion der Treibhaus-gasemissionen ein Sockel an CO2-Emissionen im Umfang von rund 45 Mio. t abge-schätzt, davon 36 Mio. t aus der Verbrennung von Biomasse und 9 Mio. t prozessbe-dingter CO2-Emissionen aus der Zement- und Kalkherstellung (Tabelle 15.

Abbildung 18: Entwicklung der CO2-Emissionen in der Industrie nach den für PtX-Routen priorisierten Quellbereichen. Wärmeerzeu-gung abgeschätzt nach KS95, prozessbedingte Emissionen Zement- und Kalkherstellung ohne CCS nach eigener Abschätzung.

Prozessbedingte Emissionen werden im KS95 durch den Einsatz von CCS nahezu voll-ständig eliminiert. Da die Realisierbarkeit einer umfassenden Anwendung von CCS nicht gesichert ist, werden im Folgenden die grundlegenden technischen Optionen zur Reduktion der CO2-Emissionen in den energieintensiven Industrien diskutiert.

Metallerzeugung und –bearbeitung (C24)

Im Sektor Metallerzeugung und -bearbeitung entfielen rund 96% der Emissionen auf die Primärstahlerzeugung in Hochofenstraßen. Bei einem Anteil von 50 % prozessbe-dingter Emissionen sind aktuell prozessbedingte Emissionen im Umfang von knapp 20 Mio. t an den sechs dominierenden Hütten-Standorten zu erwarten [Merz et al., 2017]. Bei der Stahlherstellung bestehen technische Optionen zur Vermeidung ener-gie- und prozessbedingter Emissionen [Breun, 2016; Schlomann et al., 2013]. Neben höheren Anteilen von Sekundärstahlerzeugung durch Elektro-Lichtbogen-Öfen ist eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen bei der Primärstahlherstellung durch Direkt-reduktions-Verfahren mit Wasserstoff als Reduktionsmittel und eine Weiterverarbei-tung in Elektro-Lichtbogen-Routen technisch möglich.

Gleichzeitig ist ein umfassender Einsatz von Biomasse auf Grund der hohen Anforde-rungen an die Brennstoffe in direkten thermischen Prozessen und damit ein signifikan-ter Anteil an den abgeschätzten biogenen CO2-Emissionen zur Wärmeerzeugung in der Industrie nicht zu erwarten. Aus einer technischen Perspektive werden Stahlwerke auch ohne Einsatz von CCS deshalb im Rahmen der Analyse nicht als CO2-Punktquellen priorisiert.

Herstellung chemischer Produkte (C20)

Im Sektor Herstellung chemischer Produkte sind ebenfalls prozessbedingte Emissionen primär aus der Ammoniaksynthese für die Herstellung von Kunstdünger (7,5 Mio. t CO2) zu verzeichnen. Die prozessbedingten Emissionen aus der Ammoniak-synthese können auf Grund der in der Branche verbreiteten Integration vielfältiger Produktionsprozesse in Chemieparks in der räumlichen Datengrundlage des E-PRTR nicht anhand der Wirtschaftszweige verortet werden. Ammoniaksynthese wird in Ludwigshafen durch die BASF SE, in Köln bzw. Dormagen durch die INEOS Köln GmbH, in Lutherstadt Wittenberge durch die SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH und in Brunsbüttel und Gelsenkirchen betrieben 1.

Bei der Ammoniaksynthese bestehen technische Optionen zur Vermeidung der pro-zessbedingten CO2-Emissionen, die bisher durch die Reformierung von Wasserstoff aus Erdgas entstehen [Merz et al., 2017; Schlomann et al., 2013]. Zukünftig könnte hier direkt elektrolytisch erzeugtes H2 eingesetzt werden, sodass Standorte der Ammoniak-synthese auch ohne Einsatz von CCS langfristig nicht mehr als CO2-Punktquellen priori-siert werden.2 Die prozessbedingten Emissionen aus der Methanolherstellung belaufen sich aktuell auf 0,7 Mio. t, verteilt auf die Standorte Gelsenkirchen, Leuna, Ludwigsha-fen, Schwarze Pumpe und Wesseling. Diese Standorte könnten ohne den Einsatz von CCS langfristig in Bezug auf wirtschaftliche Optionen für PtX betrachtet werden.

Weitaus bedeutender in der chemischen Industrie allgemein könnte der Einsatz bioge-ner Ebioge-nergieträger für die Gestehung von Prozesswärme bzw. die Erzeugung von Pro-zessdampf in Kesselsystemen werden, da hier die Anforderungen an die Brennstoffe grundsätzlich geringer sind als bei. Aktuell entfallen rund 25% der Endenergieeinsätze für Prozesswärme (416 PJ) auf den Sektor C20. Dieser Anteil könnte angesichts der Optionen zur Umstellung auf Strom-basierte Verfahren in Sektor C24 langfristig weiter steigen. Geht man von einer weitreichenden Umstellung der Wärmeerzeugung auf Biomasse auch in den Sektoren C10, C17 und C23 aus, könnten weiterhin bis zu 20 Mio. t der geschätzten 36 Mio. t biogener verbrennungsbedingter CO2-Emissionen der chemischen Industrie zugeordnet werden. Die bestehenden großen Chemiestand-orte in Ludwigshafen, Leverkusen, Marl, Wesseling oder Burghausen könnten folglich auch in einem Entwicklungspfad ohne CCS als mögliche CO2-Punktquellen für PtX-Anwendungen untersucht werden.

1 Ergänzt nach [Schlomann et al., 2013], S. 271.

Verarbeitung von Steinen und Erden (C23)

Im Sektor Verarbeitung von Steinen und Erden, Herstellung von Glas, Keramik, Ze-ment, Kalk und Gips entfallen rund 75% der CO2-Emissionen auf die Zementherstellung (20 Mio. t CO2) und 23% auf die Herstellung von Kalk und gebranntem Gips (6,2 Mio. t CO2). Bei der Herstellung von Zement, Kalk und gebranntem Gips resultie-ren rund 60% der CO2-Emissionen aus der Aufbereitung kohlenstoffhaltiger Rohstoffe und 40% aus dem Energieeinsatz, sodass aktuell rund 12 Mio. t CO2 allein aus der Ze-mentherstellung prozessbedingt emittiert werden [Schlomann et al., 2013].

Die prozessbedingten CO2-Emissionen bei der Zementherstellung könnten technisch durch die sukzessive Reduktion der Klinkeranteile (Mehrkomponenten-Zemente oder die weitergehende Substitution des Rohstoffs Kalkstein als Bindemittel durch eine Umstellung des Verfahrens (u.a. Celitement-Verfahren) gesenkt werden, wodurch der Energieeinsatz und die prozessbedingten Emissionen um bis zu 50% reduziert werden könnten [Schlomann et al., 2013]. Die großtechnische Realisierbarkeit dieser Optionen ist bisher jedoch nicht gesichert, sodass ohne einen Einsatz von CCS auch in Zukunft prozessbedingte CO2-Emissionen, die sich auf Grund höherer CO2-Gehalte in den Ab-gasströmen von bis zu 33 Vol.-% für eine PtX-Route eignen, vorhanden sein könnten.

Zusätzlich werden bereits heute nennenswerte biogene Anteile am Brennstoffeinsatz bei der Zementherstellung erreicht, technisch ist auch in Zukunft ein höherer Anteil biogener Brennstoffe realistisch.

Bei gegebenen Unsicherheiten in Bezug auf den zukünftigen Einsatz Emissions-reduzierender Technologien an einzelnen Standorten, können große Standorte mit aktuellen CO2-Jahresfrachten von über 500 kt/a als geschätzter Grenzwert als mögliche CO2-Punktquellen für PtX-Anwendungen priorisiert werden. Im Jahr 2016 wurden nach den Angaben des E-PRTR an 21 der 33 gelisteten Standorten der Zementherstellung (Sektor C 2351) mehr als 500 kt CO2 emittiert. An zwei der 16 gelisteten Standorte der Herstellung von Kalk- und gebranntem Gips (C 2352) wurde dieser Wert ebenfalls überschritten (Abbildung 19).

Bei einer möglichen Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen um 50% würden bei konstanten Produktionsmengen an diesen Standorten in Summe langfristig 5,5 Mio. t CO2 energiebedingter Emissionen verbleiben. Bei einer simultanen Redukti-on der prozessbedingten EmissiRedukti-onen in der genannten Größenordnung würden ohne CCS von den aktuell 12 Mio. t weitere 6 Mio. t CO2 an prozessbedingten Emissionen aus der Zementherstellung und 3 Mio. t aus der Herstellung von Kalk und gebranntem Gips zur Verfügung stehen, die als Kohlenstoffquelle für PtX-Routen genutzt werden könnten.

Quelle: Eigene Darstellung nach [European Environment Agency (EEA), 2016; Schlomann et al., 2013];

Bundesländer: © GeoBasis-DE / BKG 2017.

Abbildung 19: Standorte der Zementherstellung (Sektor C2351) und der Herstellung von Kalk und gebranntem Gips (Sektor C 2352).

Anteile prozess- und energiebedingter Emissionen an der Jahresfracht bei der Zementherstellung nach heutigem Stand der Technik.

Herstellung von Papier, Pappe und –Folgeprodukten (C17)

In Sektor C17 werden bereits heute größere Mengen biogener Energieträger, u.a. Ab-fallprodukte aus der Holzaufbereitung, genutzt. Bei einer nahezu vollständigen Reduk-tion der THG-Emissionen, wäre eine SubstituReduk-tion fossiler Brennstoffe technisch mög-lich. Vereinfachend können die aktuellen CO2-Emissionen von rund 7 Mio. t als Richt-wert für zukünftige biogene CO2-Emissionen aus der Wärmeerzeugung in diesem Sek-tor abgeschätzt werden. Standorte des SekSek-tors C17 könnten deshalb ebenfalls als mög-liche biogene CO2-Punktquellen für PtX-Anwendungen untersucht werden.

Herstellung von Nahrungsmitteln (C10)

Mit 1,3 Mio. t waren die im E-PRTR gelisteten CO2-Emissionen aus dem Sektor C10 im Jahr 2016 vergleichsweise gering. Prozessbedingte Emissionen sind in diesem Sektor nicht zu verzeichnen. Ein Großteil des Wärmebedarfs fällt auf einem niedrigen Tempe-raturniveau zur Behandlung von Lebensmitteln an. Eine weitgehende Substitution fossiler Brennstoffe durch biogene ist technisch möglich, sodass langfristig ein Wert von rund 1 Mio. t CO2 aus der Wärmeerzeugung mit Biomasse im Bereich der Nah-rungsmittelherstellung an größeren Standorten abgeschätzt werden kann.

6 Schlussfolgerungen

In der vorliegenden Studie wurden zunächst verschiedene Technologien zur CO2 -Abscheidung und mögliche Quellen für CO2 vorgestellt (Kapitel 2) und in einer ökobi-lanziellen Betrachtung aus Umweltgesichtspunkten bewertet (Kapitel 3). In Kapitel 4 wurde untersucht, welche Bedarfe an inländisch produzierten PtX-Brenn- und Kraft-stoffen in verschiedenen Klimaschutzszenarien, die Pfade zur weitgehenden Defossili-sierung Deutschlands aufzeigen, notwendig sind und welche Annahmen dabei unter-stellt wurden. Dabei wurden die ausgewiesenen PtX-Bedarfe und verfügbare CO2 -Mengen, differenziert nach Sektoren und Energieträgern nach [Repenning et al., 2015]

in den Entwicklungspfaden KS80 und KS95 (Reduktion der THG-Emissionen um 80%

bzw. 95%) als primäre Datenbasis aufbereitet. Diese wurden im Rahmen einer Konsis-tenzprüfung mit den Ergebnissen anderer Studien verglichen und mögliche verfügbare CO2-Quellen nach Umfang, Sektor-Zuordnung und CO2-Konzentrationen in den Emissi-onsströmen für eine räumliche Analyse langfristig verfügbarer CO2-Punktquellen in Deutschland in Kapitel 5 zusammengestellt.

Notwendigkeit von PtX als Element zur Defossilisierung des deutschen Energiesys-tems und der industriellen Rohstoffbasis

Die Auswertung energetischer Szenarien hat gezeigt, dass der Einsatz von PtX aufgrund saisonaler Speicherbarkeit und vorhandener Gas- und Öl-Transportinfrastrukturen eine aus technischer und systemischer Sicht sinnvolle Option darstellt, die bei ambitionier-ter Reduktion der Treibhausgasemissionen um mehr als 80% gegenüber dem Jahr 1990 mit hoher Priorität entwickelt werden sollte. Gleichwohl zeigen sich deutliche Diffe-renzen, teilweise um den Faktor vier, in Bezug auf den Umfang von PtX im zukünftigen Energiesystem in den untersuchten Szenarien. Bei Einbeziehung wirtschaftlicher Para-meter zeigen die Szenarien eine klare Präferenz für eine Herstellung der PtX-Brenn- und Kraftstoffe im Ausland. Demgegenüber ist es für die technisch-systemische Wir-kung im Energiesystem Deutschlands irrelevant, ob die PtX-Stoffe in Deutschland oder im Ausland hergestellt werden.

In Bezug auf PtX-Stoffe als alternative Rohstoffbasis primär für die chemische Industrie wirkt die bestehende fehlende Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich mit einer energeti-schen Nutzung als strukturelles Hemmnis. Während in den untersuchten Szenario-Studien keine dezidierten Angaben zur Umstellung der Rohstoffbasis (KS95, [Repenning et al., 2015]) bzw. eine Beibehaltung von Mineralöl für rein stoffliche, lang-lebige Verwertungspfade (95%-Pfad, [Gerbert et al., 2018]) aus Kostengründen ausge-wiesen wird, wird im GreenEE-Szenario eine zusätzliche weitreichende Umstellung der fossilen Rohstoffbasis im Umfang von rund 980 PJ synthetisch hergestellte Ausgangs-stoffe der chemischen Industrie im Jahr 2050 unterstellt. Diese Mengen werden – wiederum aus Kostengründen – jedoch vollständig importiert (Abbildung 20).

Abbildung 20: Abschätzung des Bedarfs an kohlenstoffhaltigen PtX-Stoffen in Deutschland im Jahr 2050 nach verschiedenen 95%-Klimaschutzszenarien.

Bedarf an PtX-Herstellung in Deutschland

Die PtX-Herstellung in Deutschland ist in dem meisten Fällen weniger wirtschaftlich als die Herstellung an Standorten im Ausland, die über wesentlich höhere Wind-, Sonnen-energie- und ggf. Wasserkraftpotenziale und gleichzeitig eine Anbindung an vorhande-ne Gas- und Öl-Transportinfrastrukturen verfügen, die auch für PtX nutzbar sind. Zum Zeitpunkt einer weitgehenden Defossilisierung Deutschlands werden bei diesen Infra-strukturen umfangreiche Kapazitäten frei und damit im Vergleich zu neu zu schaffen-den Infrastrukturen kostengünstig verfügbar. Die Szenarien-Auswertung hat auch ge-zeigt, dass auf dem Weg der Defossilisierung zu den meisten Zeitpunkten aus tech-nisch-systemischen oder Kostengründen (vgl. [Drünert et al., 2019]) kaum ein Bedarf für die Herstellung von PtX in Deutschland besteht. Allein im GreenEE-Szenario ergibt sich durch den hohen PtX-Bedarf und die Nutzung von synthetischem Gas (PtG) als Flexibilitätsoption eine wirtschaftliche Option für inländische PtX-Energieträger.

Ein Bedarf für die PtX-Herstellung in Deutschland kann gleichwohl aus politisch-strategischen Gründen wie der Reduktion der Energieimportabhängigkeit oder einer zukünftig ggf. begrenzten gesellschaftlichen Akzeptanz für Energiebezug aus dem Aus-land (mangelnde Akzeptanz für „Energiekolonialismus“) geboten sein. Diese Kriterien sind dann mit dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit zusammen zu betrachten und poli-tisch-gesellschaftlich abzuwägen („Wieviel Mehrkosten für Energieunabhängigkeit werden akzeptiert?“). Im betrachteten Szenario KS95 wurden ein bestimmter Grad der Reduktion der Energieimportabhängigkeit und gleichzeitig die Energienachfrage ge-setzt, woraus ein Bedarf an inländischer PtX-Herstellung von rund 140 PJHu, CH4 resul-tierte. Auch im 95%-Pfad nach [Gerbert et al., 2018] wird ein fester Anteil inländischer Produktion am Gesamtaufkommen synthetischer, strombasierter Gase zur

Minimie-rung der Importabhängigkeit unterstellt, der zu einer vergleichbaren Größenordnung von 155 PJ nationaler PtX-Herstellung führte (Abbildung 20).

Sowohl der akzeptierte Grad der Energieimportabhängigkeit als auch die Energienach-frage sind Größen, die durch politische, kommunikative und sozio-kulturelle Prozesse und durch politische Rahmenbedingungen und strategische Entscheidungen stark be-einflussbar sind, so dass eine robuste quantitative Festlegung im Rahmen dieses Sze-nario-Ansatzes nicht möglich war. Somit hängen Bedarf und Umfang einer PtX-Herstellung in Deutschland von der gesellschaftlichen Akzeptanz und den politisch-strategischen Entscheidungen zur Energieabhängigkeit eines zukünftigen treibhaus-gasneutralen Energiesystems in Deutschland ab.

Schlussfolgerungen zur Verfügbarkeit von CO2-Quellen zur PtX-Herstellung in einem weitgehend klimaneutralen Energie- und Wirtschaftssystem in Deutschland

Im Rahmen einer quantitativen Potenzialabschichtung in einem Entwicklungspfad sehr ambitionierter Treibhausgasreduktion – dem KS95 nach [Repenning et al., 2015] – konnten untere Grenzen langfristig für PtX verfügbarer CO2-Punktquellen in Deutsch-land abgeschätzt werden. Diese belaufen sich auf rund 36 Mio. t CO2 aus der energeti-schen Nutzung primär fester Biomasse zur ungekoppelten Wärmeerzeugung in der Industrie und rund 25 Mio. t CO2 in der ungekoppelten Fernwärmeerzeugung, davon 15 Mio. t ebenfalls aus der Verbrennung fester Biomasse. Mit diesem Emissions-budget, das in Form konzentrierter Rauchgasströme mit einem Volumenanteil von 14-17 % CO2 bei mehrheitlicher Nutzung fester Biomasse vorhanden wäre, könnten bei einer technischen Nutzung von 90% der CO2-Menge bei Sequestrierung und Umwand-lung theoretisch rund 1.000 PJHu synthetisches Methan erzeugt und damit inländischen Bedarfe des analysierten Szenarios von rund 140 PJ bzw. 8,3 Mio t CO2 problemlos gedeckt werden.

Ein zentraler Parameter für die tatsächliche Nutzbarkeit wird – neben der Konkurrenz zu importierten strombasierten Kraft- und Brennstoffen – die Konzentration dieser Quellen an einzelnen Anlagenstandorten sein, um eine möglichst wirtschaftliche Ab-scheidung zu gewährleisten. Eine gezielte Berücksichtigung nachgelagerter Kohlen-stoff-Abscheidung bei der Ausbauplanung zentraler Wärmeerzeuger wäre hier als poli-tisch-strategisches Element zu verankern.

Prozessbedingte CO2-Emissionen weisen mitunter deutlich höhere CO2 -Konzentrationen in den Abgasströmen im Vergleich zu verbrennungsbedingten Emissi-onsströmen auf. Biogene Mengen aus der Bioethanolherstellung oder der Biometha-naufbereitung liegen nach der Szenarienanalyse jedoch langfristig auf Grund der Kriti-kalität der Energiepflanzen-Nutzung (Flächenverfügbarkeit, Monokulturen u.a.) eher in kleinerem Umfang von 0,6 Mio. t (Bioethanol) und 0,5 Mio. t (Biomethanaufbereitung, aktuell rund 0,8 Mio. t CO2/a) vor. Diese Ströme könnten auf Grund der technischen Vorteile (hohe CO2-Konzentration, i.d.R. hohe Volllaststunden der Anlagen und Zugang zum Gasnetz im Fall von Biomethan) und der unkritischen Kohlenstoffbindung (biogen) indes für erste PtX-Versuchsanlagen genutzt werden.

Weitere prozessbedingte Emissionen aus der Industrie sollten hinsichtlich der techno-logischen Optionen zur vollständigen Vermeidung der Kohlenstoff-Lösung innerhalb des Produktionsprozesses priorisiert werden. Die Analyse des KS95-Szenarios liefert hier durch den umfassenden Einsatz von CCS im Anschluss an die Herstellungsprozes-se, der in seiner großtechnischen Anwendbarkeit nicht gesichert erscheint, keine

ver-bleibenden prozessbedingten Emissionen. Auch im 95%-Pfad nach [Gerbert et al., 2018] wird eine nahezu vollständige Defossilisierung der Industrie nur durch den Ein-satz von CCS erreicht. Alternative Produktionsverfahren ohne relevante Treibhaus-gasemissionen, jedoch mit hohen Aufwänden für die Prozessumstellung und die Gene-rierung neuer Ausgangsstoffe, bestehen prinzipiell für die Stahlerzeugung mit dem Direkt-Reduktionsverfahren und der Elektrostahlerzeugung und für die Ammoniaksyn-these, bei der nach dem aktuellen Verfahren der Erdgasreformierung noch hochkon-zentriertes CO2 als Nebenprodukt abgeschieden wird, mit der Verwendung elektroly-tisch hergestellten Wasserstoffs. Demgegenüber bestehen für die Zementherstellung, auf die aktuell noch rund 20 Mio. t CO2 (E-PRTR 2016) entfallen, bekannte technische Optionen zur maximalen Reduktion der energie- und prozessbedingten Emissionen um 50%. In der Zementindustrie könnten ohne den Einsatz von CCS damit auch langfristig relevante prozessbedingte CO2-Mengen von bis zu 6 Mio. t und bei der Kalk- und Gip-sherstellung von 3 Mio. t für PtX-Routen zur Verfügung stehen. Zusätzlich wäre in den genannten Sektoren mit weiteren nutzbaren CO2-Mengen im Umfang von geschätzt 5,5 Mio. t aus der Wärmeerzeugung mit Biomasse zu rechnen. Standorte der Zement-industrie wären folglich im Abgleich mit übergeordneten CCS- und Kohlenstoff-Management-Strategien bei einer Entscheidung für eine inländische PtX-Herstellung priorisiert zu betrachten.

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