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Adele Clarke: Soziale Welten/Arenen und ihre Analyse Für die Analyse von Kulturpolitik stehen uns unterschiedliche analytische

Im Dokument Edition Politik (Seite 72-75)

Cultural Governance

DEMOKRATIE ALS AUSHANDLUNGSPROZESS Generell lassen sich zwei Achsen bestimmen, an denen sich

3.2 HANDLUNGSTHEORETISCHE SITUIERUNG

3.2.4 Adele Clarke: Soziale Welten/Arenen und ihre Analyse Für die Analyse von Kulturpolitik stehen uns unterschiedliche analytische

Ord-nungsrahmen/Konzepte zur Verfügung. Kulturpolitik kann soziologisch als ein Feld (Bourdieu 1971; 1984) bzw. Organisationsfeld (Scott, 2014: S. 220) be-trachtet werden. Der Systembegriff nach Luhmann (Luhmann, 1984) ist eben-falls ein optionales analytisches Konzept. Der Symbolische Interaktionismus be-schreibt Arenen, in der alle AkteurInnen ihre Vorteile voranbringen möchten und einige fähig sind, über längere oder kürzere Zeiträume andere dazu zu zwingen, nach ihrer Wahrnehmung der Spielregeln zu spielen (Scott, 2014: S. 220). Der Soziologe Richard W. Scott konstatiert, dass sich die Feldtheorie in der Organi-sationssoziologie nach Bourdieu und die Chicago School des Symbolischen In-teraktionismus bis vor einiger Zeit parallel entwickelt haben, aber mehr und mehr Zeichen für eine Konvergenz der Theoriemodelle bzw. der zentralen Kon-zepte Felder und Soziale Welten und Arenen in der Organisationssoziologie sprechen (Scott, 2014: S. 222). Der Symbolische Interaktionismus verwendet die Konzepte der Arenen und Sozialen Welten. Soziale Welten werden verstanden als Gruppen von AkteurInnen mit

„geteilten Perspektiven, die dann die Grundlage für kollektives Handeln bilden. Individu-elle und kollektive Identitäten hingegen werden durch Verpflichtungen in und Teilhabe an Sozialen Welten und Arenen konstituiert. Verpflichtungen wurden zugleich als Teil der Identitätsbildung und als Handlungsdisposition verstanden. Strauss und Becker definierten Soziale Welten dann etwas ehrgeiziger als Gruppen mit gemeinsam geteilten Verpflich-tungen hinsichtlich bestimmter Tätigkeiten, bei denen zum Zweck der Erreichung des ge-meinsamen Ziels viele verschiedene Ressourcen geteilt und gemeinsame Ideologien hin-sichtlich der genauen Vorgangsweise geschaffen werden. Soziale Welten sind Diskursuni-versen und die wichtigsten affiliativen Mechanismen, durch die Menschen soziales Leben organisieren. Insofern diese sinnhaft existiert, kann die Gesellschaft dann als ein aus ge-schichteten Mosaiken von Sozialen Welten und Arenen zusammengesetztes Ganzes kon-zipiert werden.“ (Clarke, 2012: S. 86)

Das Konzept der Sozialen Welten, das, wie Adele Clarke beschreibt, auf die So-ziologen Anselm Strauss und Howard S. Becker zurückgeht, beschreibt das sozi-ale Leben aus handlungsorientierter Perspektive als organisiert über die Ver-pflichtung (commitments) gegenüber unterschiedlichen Kollektiven, etwa der

Familie, dem Betrieb, dem Verein. Diese Sozialen Welten sind bedeutungsgene-rierend (meaning-making) und organisieren die individuelle Handlungsverpflich-tung, d.h. sie haben sowohl eine kognitive als auch eine regulative Funktion (Clarke, Star, 2008). Soziale Welten binden Individuen in ihrem Denken und Handeln ein. Adele Clarke bezieht sich hier auch auf Michel Foucault, der von

„Möglichkeitsbedingungen“ des Handelns, der Aussagen, der Diskurse spricht.

Was kann unter den gegebenen Bedingungen getan (gesagt, gedacht) werden?

(Clarke u.a., 2015: S. 179).

Die sozialen Bedingungen sind konstitutiv dafür, ob Argumente und Akteu-rInnen bzw. Akteursgruppen in konkreten Sozialen Welten und Arenen zugelas-sen werden. Auch hier spielen normativ-ethische Kriterien und Machtkriterien zusammen, wenn es beispielsweise um gesellschaftlich tabuisierte Themen oder Gruppen geht. Die Legitimität dieser Zulassung bzw. Exklusion ist wieder situa-tiv-relational zu betrachten: Geht es um den Ausschluss von Rechtsradikalen oder von Gruppen aufgrund ihrer Hautfarbe?

Als erkenntnisgenerierende Forschungskonzepte sind Soziale Welten und Are-nen nicht starr und statisch, sondern durchlässig, mosaikartig, überlappend, fle-xibel bzw. elastisch. Je nach analytischem Zweck können ForscherInnen die So-zialen Welten ausdehnen oder zusammenziehen – vorausgesetzt, die gemeinsa-me regulative und kognitive Verpflichtung von AkteurInnen gegenüber der So-zialen Welt ist gegeben und macht eine Soziale Welt als solche identifizierbar und analysierbar (Clarke, 2012: S. 149). Adele Clarke stellt hier die pragmati-sche Frage: Was ist aus heuristipragmati-scher Sicht nützlich? (Clarke, Keller, 2014: Ab-schn. 30).

Soziale Welten treffen in Arenen aufeinander, die „Abhängigkeiten (in der Regel, aber nicht immer von Ressourcen)“ (Clarke, 2012: S. 148) erzwingen oftmals die Teilnahme von AkteurInnen an einer Arena. Um eine Arena zu ver-stehen, ist die ForscherIn gefordert, die innere Organisation der Sozialen Welten und ihre Interaktion miteinander zu verstehen. Soziale Welten bilden somit die Meso-Ebene des Sozialen: sie stehen zwischen der Mikroebene (individuelle Ak-teurInnen werden zu kollektiven AkAk-teurInnen durch Sozialisierung in Sozialen Welten) und der Makroebene (Diskurse und Strukturen werden manifest und be-obachtbar).

Die folgende tabellarische Übersicht zeigt die Konnotationen der wesentlichen Konzepte der Soziale Welten und Arenen-Theorie (Clarke, 2012) und der Recht-fertigungstheorie (Boltanski, Thévenot, 2014). In ihrer analytisch-methodischen Anwendung werden die Konzepte in Kapitel 5 weiter ausgeführt.

Tabelle 3: Vergleich Soziale Welten nach Strauss/Clarke – Welten nach Boltanski/Thévenot

Strauss/Clarke Boltanski/Thévenot

Soziale Welt

Soziale Welt als „Gruppen mit geteil-ten Verpflichtungen hinsichtlich be-stimmter Tätigkeiten, bei denen zum Zweck der Erreichung des

(Clarke, 2012: S. 86). Menschen par-tizipieren in einer Vielzahl von sozia-len Welten gleichzeitig. zugehö-rigen Ensembles von Objekten, denen sich Personen in Situationen bedie-nen, „in denen ihre Urteile aufgrund einer Kritik unter Rechtfertigungs-druck geraten“ (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 37). Boltanski und Thévenot leiten aus kanonischen Texten der po-litischen Philosophie und aus Ma-nagement-Handbüchern sieben Wel-ten ab:

• Die Welt der Inspiration

• Die häusliche Welt

• Die Welt der Meinung

• Die staatsbürgerliche Welt

• Die Welt des Marktes

• Die industrielle Welt Arena

„Soziale Welten prägen durch ihre aktive Teilnahme in ihrer jeweiligen Arena bzw. Arenen andere Soziale Welten und werden selbst durch sie geprägt“ (Clarke, 2012: S. 228)

Organisationen

„nicht als einheitliche und durch Handlungssphären, Akteurssysteme oder Felder charakterisierte Entitäten, sondern als eine Montage von unter-schiedlichen Welten angehörigen

Beitrag zur vorliegenden Forschung Analyserahmen, um generierte Daten und Ergebnisse der Situationsanalyse

um menschliche, nichtmenschliche, diskursive und andere Elemente zu verdeutlichen und die Beziehungen zwischen ihnen zu analysieren (in-duktives Vorgehen)

gegenüber konstitutiven Rechtferti-gungsordnungen zu vergleichen (de-duktives Vorgehen)

Im Dokument Edition Politik (Seite 72-75)