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Chromophorsubstituierte Hairpinpeptide

1 Einleitung und Problemstellung

2.4 Hairpinpeptide

2.4.2 Chromophorsubstituierte Hairpinpeptide

2.4.2.1 Darstellung

Durch eine D-Pro-Gly-Sequenz als zentraler Einheit von chromophorsubstituierten Octapeptiden sollen offenkettige Peptidspezies mit eingeschränkten konformativen Freiheitsgraden dargestellt werden. Die Anbindung je einer farbstoffunktionalisierten Aminosäure (8, 9 oder 12) an den Enden der antiparallelen β-Faltblattketten der Verbindungen 30 und 31 eröffnet die Möglichkeit von through-space-Wechselwirkungen zwischen den Chromophoren. Die Spezies 29 dient als mono-funktionalisierte Vergleichssubstanz.

Zur Synthese der Hairpinpeptide 29, 30 und 31 wird formal das Boc-geschützte Tripeptid 15b über eine D-Pro-Gly-Brücke mit den Benzylester-geschützten Tripeptiden H-Gly-Gly-Gly-OBzl, 14c bzw. 16c verbunden. Sowohl das notwendige Entschützen der Tripeptide147 als auch die Peptidkupplungen148 erfolgen nach bereits ausführlich beschriebenen Methoden. Abbildung 2-40 gibt die Synthesesequenzen wieder.

Bei der 1H-NMR-Analyse der Zwischenprodukte 25a und 26a fällt auf, dass die Boc-Signale in zwei Singuletts aufgespalten sind, was, wie bereits beschrieben (siehe Kapitel 2.2.6), die Coexistenz zweier isomerer Formen belegt. Da auch das käuflich erworbene Edukt Boc-D-Pro-Gly-OH, das wie Verbindung 25a nur ein Chiralitätszentrum besitzt, dieses Verhalten zeigt, können die beiden Singuletts den

147 Die Verfahren zum Entschützen der Peptide sind in Kapitel 2.2.6 dargelegt.

148 Es wird das EDC/HOAt-Verfahren (Kapitel 2.2.5) verwendet.

Rotationsisomeren um die N-terminale Carbamat-Bindung zugeordnet werden. Später gezeigte temperaturabhängige 1H-NMR-Messungen an Verbindung 31 untermauern das Vorhandensein zweier Rotationsisomere.

N

Abb. 2-40: Darstellung der chromophorsubstituierten Hairpinpeptide 29, 30 und 31.

a: EDC, HOAt, CH2Cl2; b: HClg, EtOAc.

Die aus den Vorstufen dargestellten Octapeptide 29, 30 und 31 werden in der dargelegten Synthese als farblose Feststoffe erhalten. Die Ausbeuten des jeweils letzten Kupplungsschrittes liegen mit 39 % für Peptid 29, 44 % für Verbindung 30 und 31 % für 31 unter den bisher beschriebenen Peptidkupplungsausbeuten, die mit der EDC/HOAt-Methode erzielt werden. Dies kann auf den sterischen Anspruch der D-Prolin-Aminofunktion zurückgeführt werden, wodurch der anchimere Effekt der HOAt-Ester gehemmt wird.

Das Peptid 31 wurde neben der beschriebenen Route zudem mittels des festphasensynthetisch erhaltenen Edukts 28 dargestellt. Durch Kupplung dieser Spezies mit dem Alaninderivat 12 wird das Hairpinmolekül 31 ebenfalls als farbloser Feststoff in einer Ausbeute von 48 % erhalten (Abbildung 2-41).

N

Abb. 2-41: Alternative Darstellung des Hairpinpeptids 31 durch Kupplung der Edukte 28 und 12.

Vergleicht man die beiden Darstellungswege für Spezies 31 so besticht das Festphasenverfahren gegenüber der Peptidsynthese in Lösung durch eine wesentlich höhere Gesamtausbeute bei geringerem Zeitaufwand. Nach der in Abbildung 2-41 aufgezeigten Methode erhält man das Octapeptid 31 in einer „over-all“-Ausbeute von 38 %, wohingegen das Verfahren aus Abbildung 2-40 nur 8.5 % liefert.149

149 Die Ausbeuten sind auf die Eduktstoffmenge des ersten Kupplungsschrittes der jeweiligen Synthese bezogen.

2.4.2.2 1H-NMR-Studien anhand des Hairpinpeptids 31

Mit Hilfe spezieller 1H-NMR-Techniken können bei der Konformationsanalyse von Peptiden oft wertvolle strukturelle Informationen gewonnen werden. Aus diesem Grunde werden für das Hairpinpeptid 31 temperaturabhängige 1H-NMR-Messungen sowie (H, H)-COSY- und NOESY- bzw. ROESY-Experimente durchgeführt.150

Aufgrund von erheblichen Signalüberlagerungen im Bereich der CH2-Gruppen sowie im aromatischen Bereich ist eine vollständige Interpretation der Signale im 1 H-NMR-Spektrum bzw. eine einwandfreie Konformationsanalyse nicht möglich.

Im Bereich von 294 K bis 403 K in 10 K-Schritten durchgeführte temperaturabhängige Messungen erleichtern dies jedoch etwas. Die für prolinhaltige Peptide151 typische Ausbildung eines Konformationsgleichgewichtes zwischen den Rotationsisomeren der entsprechenden Amidbindung (Rotationsbarriere: ca. 20 kcal/mol) wird an den Signalen der Boc-Schutzgruppe und der benzylischen CH2-Gruppe deutlich. Bei 294 K (Abbildung 2-43 a) weisen beide

Gruppierungen zwei Singuletts unterschiedlicher Intensität auf, die beim

Aufheizen koaleszieren. Das in Abbildung 2-43 b dargestellte Spektrum bei 383 K zeigt, dass das Boc-Signal bei dieser Temperatur nicht mehr aufgespalten ist, wohingegen das CH2-Ph-Signal noch zwei sehr eng stehende Singuletts aufzeigt. Bei einer Temperatur von 403 K ist jedoch auch diese Signalkoaleszenz erreicht.

C

In Spektrum b wird zudem die Existenz von Diastereomeren deutlich. Das Dublett des aromatischen Protons bei 6.76 ppm weist ein

Analogon bei 6.66 ppm auf, was auf einen Diastereomerenüberschuß von 60 % schließen lässt. Daneben weist das CH2-Ph-Hauptsingulett (5.05 ppm) ein zusätzliches temperaturunabhängiges Signal bei 5.03 ppm auf, was diese Aussage untermauert.

Beide genannten Signale sind der D-Pta-Einheit der Struktur zuzuordnen, weshalb eine Racemisierung an diesem Stereozentrum wahrscheinlich erscheint. Hinweise auf

N

Abb. 2-42: Verbindung 31 mit Bezeichnung einzelner Strukturteile

150 Es wird eine Produktcharge verwendet, die durch Kupplung des Heptapeptids 28 und der Aminosäure 12 erhalten wurde.

151 H. Kessler, Angew. Chem. 1982, 94, 509.

Racemisierungen an den beiden anderen Stereozentren des Moleküls finden sich in den

1H-NMR-Spektren nicht.

Einen wichtigen Hinweis auf die Sekundärstruktur eines Peptids erhält man aus der Orientierung der Amidbindungen, die im Allgemeinen durch intra- bzw.

intermolekulare oder zum Lösungsmittel ausgebildete Wasserstoffbrückenbindungen festgelegt ist. Intermolekulare Wechselwirkungen und Brücken zum Solvens werden im Vergleich zu intramolekularen Wasserstoffbrückenbindungen bei Temperaturerhöhung leicht gespalten. Nimmt das Peptid in Lösung nur eine Konformation ein oder ist eine Konformation sehr dominant, so beobachtet man bei der Ausbildung intramolekularer H-Brücken einen Temperaturgradienten (∆δ/∆T) der beteiligten NH-Signale von

< 2-3 × 10-3 ppm/K in DMSO. Temperaturgradienten von über 4 × 10-3 ppm/K weisen auf externe NH-Orientierungen hin.151,152

(ppm)

7.85 7.65 7.55 6.45

Abb. 2-43: 1H-NMR-Spektrum der Verbindung 31 in DMSO bei a) 294 K und b) 383 K.

152 Y. A. Bara, A. Friedrich, H. Kessler, M. Molter, Chem. Ber. 1978, 111, 1045.

Im vorhandenen Fall des Peptids 31 ist der Temperaturgradient der NH-Signale bei niedrigen Temperaturen wegen Signalüberlagerungen schwer zu bestimmen. Ab einer Temperatur von 363 K kristallisieren sich allerdings drei Bereiche für die Amidprotonen heraus, wobei im ersten Multiplett (Abbildung 2-43 b: 7.85 ppm) drei Protonen und im zweiten Multiplett (Abbildung 2-43 b: 7.65 ppm) zwei Protonen zusammenfallen. Die beiden weiteren NH-Multipletts (Abbildung 2-43 b: 7.55 und 6.45 ppm) repräsentieren je ein Proton. Von 363 K bis 403 K ergeben sich für diese Signale mittlere Temperaturgradienten von 5.22 × 10-3 ppm/K, 4.91 × 10-3 ppm/K, 4.91 × 10 3 ppm/K und 6.26 × 10-3 ppm/K. Diese Werte weisen nicht auf eine Hauptkonformation in Lösung mit intramolekularen H-Brücken hin.

C(CH3)3 CβH2,

CγH2 H,H

Ha,Hb CδH2 CαH Hc,H

CH2-Ph

NH-Hc NH-H CβH2, C(CH3)3

CγH2 H,H

Ha,Hb CδH2 CαH Hc,H

CH2-Ph NH-Hc NH-H

Abb. 2-44: (H, H)-COSY 45 der Verbindung 31 in DMSO (durch Pfeile gekennzeichnete Kreuzpeaks werden im Text diskutiert).

Durch die Aufnahme von zweidimensionalen Spektren soll einerseits die Zuordnung der Signale erleichtert werden. Zum anderen sollen ROE-Signale zwischen nicht

benachbarten Strukturteilen Hinweise auf eine möglicherweise stabilisierte Hairpinstruktur geben.

Mittels des (H, H)-COSY-Spektrums (Abbildung 2-44) können die Signale der Prolin-Protonen, sowie die Signale der Protonen Hc, H, H und H eindeutig zugeordnet werden. Ebenso sind die Signallagen der überlagerten Protonen NH-CHc, NH-CH, Ha und Hb erkennbar (siehe Abbildung 2-44). Auffällig sind zwei zusätzliche Kreuzsignale des Multipletts bei 4.47 ppm mit Protonen bei 3.86 ppm und 6.63 ppm (Abbildung 2-44: durch Pfeile gekennzeichnet), die bei erster Betrachtung nicht schlüssig erscheinen.

Im dargestellten ROESY-Spektrum (Abbildung 2-45) werden vergleichbare Signale detektiert, die positive Levels besitzen. Dies steht in Analogie zu dem konformativen Austausch der Boc-Gruppe und der benzylischen CH2-Gruppe im ROESY-Spektrum.

Die genannten Signale im COSY-Spektrum sind also vermutlich auf Rotationsisomere zurückzuführen.

Abb. 2-45: Phasensensitives ROESY der Verbindung 31 in DMSO (positive Levels sind mit Pfeilen gekennzeichnet).

Im ROESY-Spektrum (Abbildung 2-45) werden nur Kreuzsignale zwischen benachbarten Gruppen detektiert. Kopplungen durch den Raum zwischen nicht benachbarten Strukturteilen, die eine Hairpinkonformation oder Wasserstoffbrückenbindungen belegen würden, werden nicht beobachtet.

Abschließend ist zu bemerken, dass die, aus Fluoreszenzmessungen (siehe Kapitel 5.3 und 5.5) erhaltenen, Hinweise für eine stabilisierte Hairpinkonformation der Verbindungen 30 und 31 mittels 1H-NMR-Experimenten nicht erhärtet werden können.

Durch 1H-NMR-Titration einer Lösung der Verbindung 31 mit CaCl2 soll das Potential der Hairpinpeptide zur Erdalkalimetallkation-Komplexierung untersucht werden.

Signalverschiebungen, die auf eine derartige Komplexierung hindeuten ergeben sich jedoch nicht. Möglicherweise wird das Metallkation vom gewählten Lösungsmittel DMSO-d6 zu stark solvatisiert.