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5 Möglichkeiten der Verteilernetzbetreiber zur Ergreifung von Maßnahmen zur Netzengpassbehebung

5.2 Charakterisierung von Engpässen unter Einbeziehung von Anlagen im Verteiler- Verteiler-netz

Netzgenpässe treten dann auf, wenn die Leistungsübertragungskapazität von Betriebsmitteln aufgrund von Grenz-wertverletzungen bei Strom oder Spannung überschritten wird. Für die in dieser Untersuchung im Fokus stehenden strombedingten Engpässe muss zum Erhalt der Systemsicherheit der Leistungsfluss über die betreffenden Betriebs-mittel reduziert werden.

Engpässe lassen sich anhand von unterschiedlichen Merkmalen charakterisieren79:

Art der Grenzüberschreitung der Betriebsmittel: Strom- oder Spannungsbedingt.

• Ursache der Betriebsmittelüberlastung: Erzeugungs- oder lastbedingt.

Netzebene der Engpassursache: Übertragungs- oder Verteilernetz.

77 Laut aktueller Kraftwerksliste der BNetzA liegt die installierte Leistung konventioneller Kraftwerke in der Verteilernetzebene einschließlich des 110 kV-Netzes bei gut 5 GW. Ein Großteil der Kraftwerke ist bereits in den ERRP und KWEP Prozess integriert. Da Teile des Kraftwerksparks durch Wärmelieferung gebunden sind (Heizkraftwerke), die Stilllegung angemeldet ist oder parallel auch über die Höchstspannung angeschlossen sind, verringert sich der potenziell für Redis-patch-Maßnahmen nutzbare Teil weiter. Die verbleibende Leistung liegt für Deutschland in der Summe bei weniger als 2 GW.

78 Eine Lastabsenkung wirkt energetisch wie ein Hochfahrpotenzial von Erzeugungsanlagen, da hierdurch nicht eingespeiste Energie energetisch ausgeglichen werden kann und kann daher für den nahräumlichen energetischen Ausgleich bei horizontalen Engpässen im Verteilnetz grundsätzlich genutzt werden.

79 Dabei ist zu beachten, dass zwischen den Merkmalen des Engpasses und der Maßnahme zu unterscheiden ist. So können der Ort des Engpasses (z. B. Über-tragungsnetz) und der Ort der Umsetzung der Maßnahme (z. B. Abregelung von EE im Verteilernetz) in verschiedenen Systemebenen liegen.

Richtung des Engpasses / Betroffenes Betriebsmittel: Bei einem horizontalen Engpass ist eine Lei-tung betroffen, beispielsweise zwischen Nord- und Süddeutschland aufgrund von europäischen Handelsak-tivitäten. Bei einem vertikalen Engpass sind die Transformatoren zwischen zwei Spannungsebenen be-troffen, beispielsweise aufgrund einer zu hohen Rückspeisung von EE-Anlagen aus unterlagerten Netzebe-nen.

Art der Überlagerung von mehreren Engpässen: In bestimmten Netzregionen kann es zu einer räumli-chen Überlagerung von verschiedenen Arten von Engpässen kommen. Beispielsweise gibt es Netzreginen in Ostdeutschland, in deNetzreginen an verschiedeNetzreginen Tage verschiedene Arten von Engpässen (vertikale o-der horizontale) im gleichen Netzabschnitt auftreten können. Die Ursachen können hierbei sehr unter-schiedlich sein und die Engpässe müssen nicht zeitgleich auftreten. Weiterhin ist in bestimmten Netzsituati-onen, beispielsweise bei sehr hoher Windeinspeisung, eine zeitliche Überlagerung von vielen Engpässen in unterschiedlichen Netzregionen, beispielsweise in Schleswig-Holstein und Sachsen, möglich. Schließlich können sich Engpässe auch räumlich und zeitlich überlagern.

Von der Charakterisierung des Engpasses ist der Charakter der Maßnahme zu unterscheiden. In Abbildung 5.2 sind zunächst vier in der Praxis relevante Typen von Engpässen dargestellt, die sich nach der Art und der betroffenen Systemebene unterscheiden.

Abbildung 5.2: Darstellung verschiedener im Netzengpassmanagement relevanter Engpasstypen (Quelle: Ecofys).

Im Fokus der vorliegenden Studie stehen horizontale, fast immer strombedingte Engpässe im Übertragungsnetz.

Hier sind die Lastflüsse über einzelne Leitungsabschnitte (z. B. bei einem Nord-Süd-Engpass) höher als die zuläs-sige Übertragungsleistung. Für die Auflösung des Engpasses muss die Leistung über dem Leitungsabschnitt redu-ziert werden. Dies kann über die Einbindung von konventionellen Kraftwerken (im Regelfall Redispatch nach

§ 13 Abs. 1 EnWG), Abregelung von EE-Anlagen oder auch Einbindung von KWK-Anlagen oder der Netzreserve erfolgen.

Illustration des Stromnetzes

HöS

HS

MS

NS

Horizontale, strombedingte Engpässe im Übertragungsnetz

Vertikale Engpässe zwischen Übertragungs-und Verteilnetz

Horizontale und vertikale Engpässe im Verteilnetz (sehr heterogene Verteilung zwischen Netzgebieten)

Zukünftig sind durch Gleichzeitigkeitseffekte auch lastbedingte Engpässe im Verteilnetz zu erwarten.

Vertikale Engpässe zwischen Übertragungs- und Verteilernetz sind im Regelfall durch Rückspeisung aus dem Verteilernetz bedingt und müssen über eine Reduktion des Leistungsflusses über dem Transfor-mator adressiert werden. In der Regel existieren derzeit weder konventionelle Potenziale zur Wirkleistungs-reduktion noch flexibel steuerbare Lasten in den unterlagerten Netzebenen. In diesem Fall ist die Abrege-lung von EE-Anlagen in dem betroffenen Netzgebiet in der Praxis derzeit alternativlos für die Behebung des Engpasses. Dabei weist der ÜNB eine Wirkleistungsreduktion für bestimmte Netzregionen oder Netz-knoten des VNBs an. Die dadurch entstehende Ausfallarbeit von EE-Anlagen entspricht derzeit zwischen 40 und 60 % der gesamten jährlichen Ausfallarbeit.

• Zusätzlich existieren Engpässe, die nur im Verteilernetz auftreten und mit etwa 400 GWh/a einen gerin-gen Anteil an der Gesamtausfallarbeit von EE-Anlagerin-gen aufweisen. Allerdings ist die Verteilung in Deutsch-land sehr heterogen. Im Jahr 2015 führten VNB beispielsweise in Schleswig-Holstein fast ausschließlich Abregelungsmaßnahmen aufgrund von Engpässen im Übertragungsnetz durch. Dementgegen führen ei-nige VNB in Süddeutschland mit hoher PV-Durchdringung ausschließlich Maßnahmen aufgrund von Eng-pässen im Verteilernetz durch. In Ostdeutschland liegt der Anteil an eigenständigen Maßnahmen hingegen bei derzeit rund 25 %.

• Künftig könnten Engpässe durch systematische Überlastung von Ortsnetztransformatoren durch eine hohe Gleichzeitigkeit von neuen oder zusätzlichen flexiblen Verbrauchern (beispielsweise Elektromobilität, Nachtspeicherheizungen oder Wärmepumpen) zunehmen. Diese wurden hier jedoch nicht untersucht und finden im existierenden Netzengpassmanagement kaum Berücksichtigung. In der Regel handelt es sich hier um lokale Überlastungen ohne Wechselwirkungen mit dem vorgelagerten Netz.

Diese vier Typen lassen sich nun räumlich und zeitlich beliebig kombinieren. Dabei unterscheiden wir folgende rele-vante Fälle:

Unabhängige Engpässe im Übertragungsnetz: Teilweise treten Engpässe im Übertragungsnetz ohne räumliche und zeitliche Überlagerung von Engpässen im Verteilernetz auf. In diesen Netzsituationen ist in der Regel durch Maßnahmen seitens der ÜNB keine Verschärfung der Netzsituation im Verteilernetz zu erwarten.

Überlagerung von Engpässen im Übertragungs- und Verteilernetz: In bestimmten Netzregionen kommt es häufig zu einer zeitlichen und räumlichen Überlagerung von Engpässen in beiden Systemebenen. Ein Beispiel hierfür sind Regionen in Ostdeutschland mit hoher installierter Winderzeugungskapazität und ge-ringer Lastdichte. Hier bewirkt eine vom ÜNB angeforderte Maßnahme zur EE-Abregelung im Regelfall auch eine Verbesserung des VNB-Engpasses, womit bei einer zielgerichteten Koordination der Maßnah-men nach Aussage der Netzbetreiber ein Synergiepotenzial besteht. Das tatsächliche Potential ist in den Netzregionen sehr verschieden. In einzelnen Regionen kann das Potential überlagerte Engpässe bei rund 50 % liegen. Gleichzeitig leitet sich daraus ein zusätzliches Koordinationserfordernis zwischen ÜNB und VNB ab. Derzeit gibt es zwischen ÜNB und VNB keinen einheitlichen und vollständigen Informationsaus-tausch zu dem Ort und der Höhe der umgesetzten Maßnahme, um eine zielgerichtete Koordination zu ge-währleisten.

Unabhängige Engpässe im Verteilernetz: Schließlich können Engpässe im Verteilernetz räumlich oder zeitlich unabhängig von Engpässen im Übertragungsnetz auftreten. Hier besteht keine negative netztechni-sche Wechselwirkung zwinetztechni-schen den Systemebenen. Ein Beispiel wären Regionen mit hohen PV-Rückspei-sungen, die temporär vertikale Netzengpässe im Verteilernetz verursachen, ohne sich bis in das Übertra-gungsnetz auszuwirken. In diesen Fällen müssen Maßnahmen vollständig eigenständig durch die VNB um-gesetzt werden können. Obwohl kein Koordinierungserfordernis vorliegt, besteht auch für diese Fälle ein grundsätzlicher Bedarf zum Informationsaustausch, um beispielsweise Auswirkungen auf Lastflüsse mög-lichst genau im Vorfeld abschätzen zu können.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass viele horizontale Engpässe im Übertragungsnetz technisch sowohl durch die Leistungsanpassung von konventionellen Kraftwerken, als auch durch die Abregelung von EE- oder KWK-Anlagen adressiert werden können. Wird die Leistung von EE-KWK-Anlagen im Zuge des Netzengpassmanagements an-gepasst, handelt es sich um einen gemeinsamen Prozess von ÜNB und VNB mit Auswirkungen auf die betreffenden Direktvermarkter. Liegt ein vertikaler Engpass an der Schnittstelle zwischen Verteiler- und Übertragungsnetz vor, ist die EE- und teilweise KWK-Abregelung derzeit alternativlos, da regional wirksame konventionelle oder nachfragesei-tige Flexibilitätspotenziale fehlen. Bei Engpässen im Verteilernetz ist die Abregelung in der Praxis derzeit ebenfalls die einzige Möglichkeit. Hervorzuheben ist der Umstand, dass die EE- und KWK-Abregelung derzeit weitestgehend ohne energetisch-bilanziellen Ausgleich erfolgt. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen seitens der VNB, die derzeit keine etablierten Möglichkeiten besitzen, einen energetisch-bilanziellen Ausgleich (für EE-Abregelung, aber auch Einsatz von konventionellen Kraftwerken) vorzunehmen. Seitens ÜNB erfolgt der Ausgleich für die EE-Abregelung teilweise durch sogenannten „gezielten Leistungsausgleich bei Einspeisemanagement“-Maßnahmen.

Prinzipiell sind seitens der VNB Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG oder nach § 14a EnWG grundsätzlich denk-bar. In der Praxis führen die fehlenden Potentiale an konventionellen Kraftwerken und bestehende Rechtsunsicher-heiten zu de facto Barrieren, wodurch seitens der VNB derzeit ausschließlich Abregelungen (ohne energetisch-bilan-ziellen Ausgleich) nach § 13 Abs. 2 EnWG Anwendung finden.

5.3 Charakterisierung von Maßnahmen mit Einbeziehung von Anlagen im