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CARD15/NOD2 im klinischen Alltag: Nutzen für Diagnostik und Therapie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung

4. Diskussion

4.7. CARD15/NOD2 im klinischen Alltag: Nutzen für Diagnostik und Therapie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung

4.7. CARD15/NOD2 im klinischen Alltag: Nutzen für Diagnostik und Therapie einer

Patienten entwickeln zu können. Patienten mit einer Homozytogie für die Insertionsmutation c.3020insC in Exon 11 des CARD15-Gens bildeten genau solch eine Subgruppe von MC-Patienten, die wir aufgrund des schweren Krankheitsverlaufs als Hochrisikogruppe einstuften. Bei Betrachtung der Ergebnisse unserer Studien scheint eine Genotypisierung speziell von MC-Patienten sehr sinnvoll, die bereits in jungen Jahren an einem Morbus Crohn, vorzugsweise im terminalen Ileum, erkranken und einen raschen und progressiven Krankheitsverlauf zeigen. Da es initial nach Diagnosestellung wenig aussagekräftige Vorhersagewerte über den weiteren Verlauf der Erkrankung gibt, könnte die Ermittlung des CARD15-Mutationsstatus gerade in dieser Anfangsphase helfen, solche Hochrisikopatienten zu identifizieren und sie frühzeitig einer optimalen Therapie zuzuführen. Eine rasche Initiierung einer Immunsuppression könnte den Krankheitsverlauf bei diesen Hochrisikopatienten möglicherweise mildern mit dem Ziel, die gerade bei diesen Patienten auftretenden Komplikationen zu minimieren. Von besonderer Priorität ist dabei sicherlich eine Vermeidung der operativen Intervention, die aufgrund von Komplikationen in unserer Hochrisikogruppe bei 73.7 % der Patienten indiziert war, teilweise mit der Notwendigkeit von multiplen operativen Eingriffen. Auch eine weitere Studie aus München konnte eine Assoziation zwischen CARD15-Mutationen und der Notwendigkeit einer Ileozökalresektion bei MC-Patienten zeigen (Radlmayr M et al. 2002). Eine frühzeitige Identifizierung solch genetisch determinierter Hochrisiko-Patienten könnte bei diesen eine Wende von der operativen Therapie hin zu einer konservativen Therapie bedeuten, die möglicherweise mit einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität einhergeht.

4.7.2. Der CARD15-Mutationsstatus bei Patienten mit „indeterminierter Colitis“

Trotz zahlreicher Systeme zur Klassifizierung der CED und der zahlreichen Befunde aus klinischen, radiologischen, endoskopischen und histopathologischen Untersuchungen ist eine Differenzierung zwischen einem Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa oft sehr schwierig. Bei durchschnittlich 10 % der Patienten mit einer chronischen Entzündung des Colons kann die Erkrankung daher nicht eindeutig dem Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa zugeordnet werden. Bei diesen Patienten wird

die chronische Entzündungsreaktion deshalb als „indeterminierte Colitis“ (IC) eingestuft.

Epidemiologische Studien aus Skandinavien zeigten, dass bei 5-23 % aller initialen Diagnosen, die bei Patienten mit einer chronischen Inflammation des Darmes gestellt wurden, von einer „indeterminierten Colitis“ ausgegangen wurde (Lee et al. 1979, Hildebrand et al. 1991, Moum et al. 1997, Ekbom 2000;

Geboes et al. 2003; Guindi et al. 2004; Hale et al. 2004; Hildebrand et al. 2003, Stewenius et al. 1995).

Die Inzidenz der IC lag bei 2.4 pro 100.000 Personen. In der Regel handelt es sich um eine temporäre Diagnose. Bei bis zu 80 % dieser Patienten wird im Laufe der Erkrankung ein Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa diagnostiziert (Vermeire 2004a). Eine genaue Differenzierung zwischen diesen beiden Formen ist aber sehr wichtig. Bei Patienten mit einer IC wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Colektomie durchgeführt werden müssen, und die Insuffizienzraten des angelegten Pouches sind bei IC-Patienten zudem viel höher als bei Patienten mit einer eindeutig diagnostizierten Colitis ulcerosa.

Auch ist die Prognose der „indeterminierten Colitis“ schlechter als die einer Colitis ulcerosa. Bei IC-Patienten wurde eine höhere Rezidivrate und ein höheres Risiko, ein colorektales Karzinom zu entwickeln, beobachtet.

Bis jetzt konnten nur sehr wenige Faktoren beschrieben werden, mit denen eine definitive Diagnose einer „indeterminierten Colitis“ möglich wäre. Eine belgische Studie konnte zeigen, dass Antikörper gegen Saccharomyces cerevisae (ASCA) und antineutrophile zytoplasmatische Antikörper mit perinukleärem Floureszenzmuster (p-ANCA) helfen könnten, den Phänotyp der IC-Patienten genauer zu definieren (Joossens et al. 2002). Eine weitere belgisch-österreichische Studie untersuchte den Nutzen der Kenntnis des CARD15-Genotyps des IC-Patienten für die definitive Diagnosestellung eines Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa (Vermeire et al. 2002a). Die Daten zeigten, dass CARD15-Mutationen keine zusätzliche Information liefern, um die IC-Patienten besser zu

klassifizieren. Aufgrund der geringen Anzahl der IC-Patienten in unseren Studien (n = 15 von 445 CED-Patienten; 3.4 %) lassen sich ebenfalls keine Aussagen treffen. Weitere prospektive Studien sind notwendig, um die Bedeutung des CARD15-Genotyps für die definitive Diagnosestellung bei IC-Patienten zu klären.

4.7.3. Der CARD15-Mutationsstatus als prognostischer Parameter für das Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie

Mit der Entwicklung sogenannter „Biologika“ wurden in der Therapie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen neue Möglichkeiten geschaffen, um die chronische Entzündungsreaktion einzudämmen, speziell, wenn herkömmliche Therapien unwirksam werden oder die Nebenwirkungen dieser Medikamente den therapeutischen Nutzen nicht mehr rechtfertigen können. Die ersten Biologika in Form von Antikörpern kamen Mitte der 90er Jahre auf den Markt. 1998 wurde ein chimärer Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor α (TNF-α) zugelassen. Infliximab (Remicade) und auch die meisten anderen neuen Biologika werden als Reservetherapeutikum bei schweren Krankheitsverläufen eingesetzt, bei denen die herkömmlichen Standardtherapien der CED wirkungslos sind. Allerdings profitieren nicht alle Patienten von diesen neuen Medikamenten, einige sind sogar therapierefraktär. Im Falle des Infliximab haben randomisierte, Plazebo-kontrollierte Studien eine Ansprechrate von 75-80 % bei CED-Patienten gezeigt (Targan et al. 1997, Rutgeerts et al. 1999, Present et al. 1999, Hanauer et al. 2002, Sands et al. 2004, Rutgeerts et al. 2005, Sandborn et al. 2005).

Die Ursachen, die bei etwa 20-25 % zu einem Nichtansprechen der Infliximab-Therapie führen, konnten bis jetzt noch nicht geklärt werden. Aufgrund der zentralen Rolle, die TNF-α in der Pathophysiologie der CED und auch im Wirkungsmechanismus von Infliximab spielt, wurden entsprechend die Gene untersucht, die für TNF-α und den TNF-α-Rezeptor kodieren. Zahlreiche Veränderungen wurden beschrieben, konnten aber nicht mit dem Ansprechen oder Nichtansprechen einer medikamentösen Therapie mit Infliximab assoziiert werden (Mascheretti et al. 2002a).

CARD15-Mutationen konnten mit einer erhöhten Aktivierung von NF-κB und einer daraus

resultierenden erhöhten Produktion von TNF-α assoziiert werden. Deshalb wurde angenommen, dass diese vielleicht auch bei dem Therapieansprechen auf Infliximab eine Rolle spielen könnten, der ja spezifisch TNF-α blockiert. Allerdings konnten zwei unabhängig voneinander arbeitende Arbeitsgruppen aus Belgien und Deutschland keine Assoziation zwischen CARD15-Mutationen und dem Therapieerfolg von Infliximab zeigen (Vermeire et al. 2002c, Mascheretti et al. 2002b).

Betrachtet man das NOD2-Protein als intrazytosolischer Rezeptor des angeborenen Immunsystems, der in der Erkennung und Abwehr von Gram-negativen Bakterien im Darmsystem eine wichtige Rolle spielt, so stellt NOD2 einen vielleicht entscheidenden Knotenpunkt zwischen den luminalen Bakterien und der chronischen Inflammation der Darmwand dar. Somit könnten vielleicht CARD15-Mutationen als Prädiktoren eines Ansprechens anderer Therapien wie zum Beispiel der mit Antibiotika dienen. Studien werden dies sicherlich in naher Zukunft näher untersuchen.