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BUNDESWEITER ROLLOUT DER TELEMATIKINFRASTRUKTUR

Im Dokument FORUM-7-2017 (Seite 29-32)

M

it Einführung der elektro-nischen Gesundheitskar-te (eGK) und dem Auf-bau einer sicheren, einrichtungs-übergreifenden Kommunikations-infrastruktur im Gesundheitswesen – der sogenannten TI – soll die Grundlage für einen sicheren Aus-tausch wichtiger medizinischer Da-ten geschaffen werden. Die TI soll nach Vorstellungen des Gesetz-gebers das sichere Netz des deut-schen Gesundheitswesens werden und vom Internet wirksam getrennt sein. Anfang Juni 2017 hat die Ge-sellschaft für Telematikanwendun-gen der Gesundheitskarte mbH (gematik) verkündet, dass der On-line-Produktivbetrieb der TI

frist-gerecht zum 1. Juli 2017 starten kann. Die Einführung der TI beginnt zunächst mit der Umsetzung des Versichertenstammdatenmanaments (VSDM). Durch eine ge-schützte direkte Online-Verbindung der Praxis mit den Krankenkassen wird in Echtzeit („online“) geprüft, ob die auf der eGK eines Patienten gespeicherten Versichertenstamm- daten aktuell sind beziehungswei-se ob überhaupt ein gültiges Versi-cherungsverhältnis besteht. Die Überprüfung der Daten erfolgt beim ersten Patientenbesuch pro Quar-tal online, wenn die Karte eingele-sen wird. Der Abgleich soll dabei nur wenige Sekunden dauern.

Ab 1. Juli 2018 – so die Vorgabe des E-Health-Gesetzes – sind die niedergelassenen Ärzte und Psycho-therapeuten verpflichtet, das VSDM durchzuführen. Praxen, die diese Aufgabe nicht erfüllen, droht eine Kürzung der Vergütung ver-tragsärztlicher Leistungen von einem Prozent so lange, bis die VSDM-Prüfung durchgeführt wird.

Technische Ausstattung Für den Zugang zur TI und zur Durch-führung des VSDM-Abgleichs wer-den verschiewer-dene Komponenten und Dienste in der Praxis benötigt:

Anbindung von Praxen an die TI - Übersicht

Abbildung 1 Quelle: KBV

anschluss wird zunächst ein für die TI zugelassener sogenann-ter Konnektor benötigt. Der Konnektor ist eine Art Router, ähnlich einem DSL-Router, aller-dings auf einem deutlich höhe-ren Sicherheitsniveau. Er ist mit den Kartenterminals und dem Praxisverwaltungs- beziehungs-weise Krankenhausinformations- system verbunden und schafft den Zugang zur TI-Plattform.

Nach Informationen der gematik wird es zukünftig voraussicht-lich zwei bis drei Anbieter für Konnektoren auf dem Markt geben.

„ Des Weiteren ist ein für die TI zugelassenes stationäres Karten- lesegerät (eHealth-Kartentermi- nal) und eine SMC-B Karte (Pra-xisausweis) erforderlich. Nur wenn die Praxis mittels SMC-B registriert ist, kann der Konnek-tor eine Verbindung zur TI auf-bauen. In späteren Ausbaustu-fen ist auch der elektronische Heilberufsausweis (eHBA) ein-zusetzen. Für die verpflichten-de erste TI-Anwendung VSDM ist dieser aber noch nicht not-wendig.

„ Zudem können auch für die TI zugelassene mobile Kartenter-minals, zum Beispiel bei Haus-besuchen, eingesetzt werden.

„ Das Praxisverwaltungssystem (PVS) muss durch den Sys-temanbieter angepasst werden, damit das Auslesen und unter Umständen die Aktualisierung der Versichertenstammdaten möglich sind.

Nach Angaben der gematik gibt es zum offiziellen Rollout-Start aller-dings noch keine zugelassenen Produkte.

Aufgrund der Komplexität der Infra- struktur ist zu empfehlen, die Ins-tallation der Komponenten durch einen IT-Dienstleister, in der Regel

PVS betreut, durchführen zu las-sen.

Erprobungsphase erfolgt Bevor die TI bundesweit zum Ein-satz kommt, sollte sie sechs Mo-nate in ausgewählten Testregionen unter realen Einsatzbedingungen erprobt werden. Hierfür wurden zwei Testregionen ausgewählt.

„ Die Testregion Nordwest mit den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sowie

„ die Testregion Südost mit den Bundesländern Bayern und Sachsen.

In der Testregion Nordwest ist die Erprobung des VSDM Mitte Novem-ber des letzten Jahres angelaufen.

Bis Ende Mai 2017 waren alle 500 Praxen und sechs Krankenhäuser für die Erprobung angeschlossen.

Rund 488.500 Onlineprüfungen der Versichertenstammdaten wurden bis Mitte April in der Testregion Nordwest erfolgreich durchgeführt.

Evaluationsergebnisse aus der Befragung aller beteiligten Test-praxen liegen aktuell noch nicht vor. Eine Reihe von Rückmeldungen zeigt, dass der Abgleich der Versi-chertenstammdaten gut funktio-niert und zeitlich gesehen kein großer Unterschied bemerkbar ist.

Die Dauer der Installation variiert

handener IT. In der Regel benötigt der Techniker bei einer kleinen Pra-xis zirka drei bis vier Stunden, bei einer großen Gemeinschaftspraxis deutlich länger. Einzelne Praxen haben von Anfangsschwierigkeiten mit den neuen Komponenten be-richtet, die jedoch durch die System-betreuer behoben wurden. Proble-me sind auch bei abgelaufenen, ge-sperrten oder defekten Gesund-heitskarten aufgetreten. Hier wur- den Mehraufwände in den Praxen durch die Aufklärung der Patien-ten verzeichnet.

In der Testregion Südost sollten die Tests des VSDM Anfang dieses Jah-res beginnen. Bedingt durch Ent-wicklungsverzögerungen des Kon-nektors hätte die Testphase aber erst nach dem gesetzlich festge-legten Start des bundesweiten Roll- outs zum 1. Juli 2017 beginnen können. Daraufhin wurde zwischen den Gesellschaftern der gematik und der T-Systems als Losnehmer der Testregion Südost einvernehm-lich beschlossen, auf eine Erpro-bung des VSDM in dieser Testregion zu verzichten. Stattdessen plant die T-Systems mit ihren Lospartnern voraussichtlich ab Mitte Novem-ber 2017 einen eigenverantwortli-chen, vergüteten Feldtest des VSDM mit denjenigen Vertragsärz-ten und -krankenhäusern, die an der Erprobung teilnehmen sollten, durchzuführen.

Finanzierung der Erstaus- stattung

Nach den gesetzlichen Vorgaben sind die Krankenkassen verpflich-tet, die Kosten für die Erstausstat-tung der Praxen und den laufenden Betrieb in voller Höhe zu finanzie-ren. Im April haben sich die Kassen-ärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband im Schiedsverfahren zunächst auf Eck-punkte zur Finanzierung der neuen Telematikinfrastruktur verständigt.

Zudem wurde vereinbart, dass bei neuen Erkenntnissen und Verände-rungen auf dem Markt – insbeson-dere bei der preislichen Entwick-lung der technischen Komponenten – über Anpassungen der Vereinba-rung nachverhandelt wird. Nach-folgend eine Übersicht über die bis-lang bekannten Eckpunkte der Finanzierungsvereinbarung.

Mobile Kartenterminals: einmalig 350 Euro je Gerät

„ je Vertragsarzt mit mindestens halber Zulassung, der mindes-tens drei Haus- und/oder Heim- besuche im Quartal durchführt und/oder an einem Kooperati-onsvertrag nach Paragraf 119b SGB V (Ambulante Behandlung in stationären Pflegeeinrichtun-gen) teilnimmt

„ je ausgelagerter Praxisstätte (keine Kriterien)

TI-Startpauschale: einmalig 900 Euro

„ für Anschlussgebühr virtuelles privates Netzwerk (VPN), Installation, Praxisausfall wäh-rend der Installation, Anpas-sung Praxisverwaltungssystem (PVS) und Zeitaufwand Versi- chertenstammdatenmanage-ment (VSDM) in der Startphase Laufender Betrieb: Wartung der Komponenten und Updates (ein-schließlich laufende Kosten für VPN-Zugangsdienst)

„ drittes Quartal 2017 bis zwei-tes Quartal 2018: 298 Euro je Quartal

„ ab dem dritten Quartal 2018:

248 Euro je Quartal

SMC-B Smartcard (Praxisaus-weis): 23,25 Euro je Quartal je Karte

HBA Smartcard (Arztausweis):

11,63 Euro je Quartal je Karte Hinweis: Im ersten Quartal der Nutzung werden die laufenden Be-triebskosten ab dem Monat, in dem die Praxis an die TI angeschlossen ist, anteilig übernommen.

Wir werden alle Praxen rechtzeitig über den Weg der Kostenerstat-tung informieren. Die ausformu-lierte „Finanzierungsvereinbarung TI“ lag uns bis zum Redaktions-schluss noch nicht vor. Erst wenn alle Details aus der Vereinbarung bekannt sind, kann das Vorgehen zur Beantragung und Auszahlung der Kostenerstattung geplant wer-den.

Fazit und weiteres Vorgehen Bei der Umsetzung der gesetzli-chen Vorgaben stellt der

vorgege-bene Zeitplan ein großes Risiko dar. Die Notwendigkeit zur Ände-rung der gesetzlichen Frist, bis zum 30. Juni 2018 alle Praxen an die TI anzubinden und die VSDM-Prüfung durchzuführen, einschließ- lich der drohenden Honorarkürzung bei Nichteinhaltung, wurde längst an die KBV gemeldet. Diese hat den dringenden Anpassungsbedarf bereits gegenüber dem Bundes-ministerium für Gesundheit einge-bracht. Auch in einer Entschlie-ßung auf dem 120. Deutschen Ärztetag 2017 in Freiburg wurde die Ausstattung von zirka 150.000 Arztpraxen und mehreren hundert Kliniken innerhalb der derzeitigen gesetzlichen Frist thematisiert und als „völlig unrealistisch“ eingestuft.

Die für die Anbindung der Arztpra-xen erforderlichen zugelassenen Produkte sollen nach Angaben der gematik erst ab Herbst 2017 auf dem Markt verfügbar sein. Erst dann sind erste Praxisinstallationen überhaupt möglich. Sobald uns die Details der Finanzierungsvereinba-rung und neue Informationen zur Verfügbarkeit der technischen Komponenten vorliegen, werden wir Sie umgehend informieren.

Rosmarie Strobl, Janet Suchowski (beide KVB) Überblick der Kosten für Konnektoren und stationäre Kartenterminals Quartal der

erstmaligen Nutzung*

Anzahl der Ärzte in der Praxis (Vollzeitäquivalente)

< = 3 > 3 bis < = 6 > 6

3/2017 3.055,00 € 3.490,00 € 3.925,00 €

4/2017 2.793,00 € 3.228,00 € 3.663,00 €

1/2018 2.557,20 € 2.992,20 € 3.427,20 €

2/2018 2.344,98 € 2.779,98 € 3.214,98 €

ab 3/2018 1.155,00 € 1.590,00 € 2.025,00 €

*Für die Praxen ist zu beachten, dass für die Höhe der Pauschale nicht das Quartal der Bestellung des Konnektors, sondern das Quartal der erstmaligen Nutzung des Konnektors relevant ist. Das heißt, es gilt das Quartal, in dem in der Praxis der erste Online-Abgleich der Versichertenstammdaten erfolgt ist.

Tabelle Quelle: KBV, Stand: Mai 2017

I

m Gesundheitswesen wie in allen anderen Lebensbereichen ist der Wandel klassischer Kom- munikationsverfahren in digitale In-frastrukturen allgegenwärtig. Diese sind wichtig, denn sie haben Be-deutung für alle Beteiligten der Gesundheitsversorgung und be-treffen jeden Bürger direkt. Sie können die Gesundheitsversorgung verbessern und sie bei der drin-gend notwendigen Eindämmung der Kosten unterstützen.

Zur konkreten Entwicklung der Kon-zepte und Anwendungen wurde seinerzeit die gematik mbH ge-gründet, mit Finanzmitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgestattet und unter die gemeinsame paritätische Kontrolle der Kostenträger und Leistungs-erbringer gestellt. Seither erarbei-tet sie alle technischen Vorgaben für die in Paragraf 291a SGB V ge-nannten Anwendungen und berei-tet deren konkrete Umsetzung vor.

Dies ist laut Gesetz ihr Auftrag, aber zugleich auch ihre Beschränkung.

Hinzu kommt, dass das E-Health-Gesetz das Ganze jetzt mit einem Strauß von Fristen, Anreizen und Sanktionen antreiben will. All die-se regulatorischen Maßnahmen sollen nun so bald wie möglich in die zentrale, sichere digitale

Infra-struktur des Gesundheitswesens etabliert werden, sodass sie im ganzen Land angewendet werden können.

Dieser Ansatz verkennt jedoch eine wichtige Herausforderung, nämlich dass die Digitalisierung von Gesund-heit in weiten Bereichen aus dem Antrieb kommerzieller Wirtschafts- unternehmen, freier Konsumenten und anderer Dritter entstehen wird. Diese unterliegen mehrheit-lich nicht der Regulierung des So-zialgesetzbuchs. Trotzdem, sie alle wollen medizinische Versorgung vernetzen, für Transparenz sorgen, Big Data erschließen, Kosten ein-sparen, Administrationen entlas-ten und vor allem am großen Ku-chen mitverdienen. Die entstande-ne Goldgräberstimmung um diese Dienste und Angebote ist sicher kreativ und vermutlich nützlich, aber in jedem Fall unkoordiniert.

Mehrwertanwendungen Für diese mehrheitlich noch struk-turell ungeregelten Dienste hat sich – in Ermangelung eines bes-seren Begriffs – die Bezeichnung

„Mehrwertanwendungen“ einge-bürgert. Der Begriff darf nicht ver-heimlichen, dass sich hinter den innovativen digitalen Diensten von

heute sehr viele Standardanwen-dungen von morgen verbergen.

Das sind Dienste, die in ihrer Trag-weite oder Flächenwirkung noch gar nicht abschätzbar sind. Es wä-re vermessen, heute schon vorher-sagen zu wollen, welche digitalen Gesundheitsdienste morgen exis-tieren werden oder welche Daten künftig in der Gesundheitsversor-gung ausgetauscht werden müssen.

Alle künftig möglichen digitalen Dienste haben dabei eine ganz wesentliche Gemeinsamkeit mit den Kernanwendungen der gesetz-lichen Telematikinfrastruktur (TI):

Sie betreffen echte Daten von echten Patienten, die von real zu-gelassenen Beteiligten der Gesund-heitsversorgung kommuniziert werden. Diese Daten sind hoch-sensibel und müssen gleichzeitig äußerst zuverlässig und vertrau-lich transportiert werden. Es gilt, die zentral geplante TI sowie die dezentral neu entwickelten Mehr-wertdienste an einem tragfähigen Gesamtkonzept auszurichten. Aber wie?

Diese Herausforderungen sind nicht neu und sie sind sicher nicht spe-zifisch für das Gesundheitswesen.

Andere Anwendungsbereiche stan- den schon vor den gleichen Heraus-

Das E-Health-Gesetz ebenso wie die Strategiepapiere von Politikern,

Im Dokument FORUM-7-2017 (Seite 29-32)