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Das Bundesministerium für Justiz und Verbrau-cherschutz (BMJV) hat zwei Studien zum Betreu-ungsrechts in Auftrag gegeben und dabei dringend erforderliche Daten zum Stand der Umsetzung des Betreuungsrechts erhoben und ausgewertet.

Die Studien befassen sich mit der „Qualität in der rechtlichen Betreuung“ und der „Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungs-rechtlichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte‚

andere Hilfen“. Der Untersuchungszeitraum umfasst die Jahre 2015 bis 2017. Dabei wurde empirisch erforscht, wie das Betreuungsrecht in der Praxis umgesetzt wird, wie die Qualitätsstan-dards sind, ob es gegebenenfalls Qualitätsdefizite gibt und falls ja, welche Ursachen diese haben könnten. Auch Ansätze für eine qualitativ gute Betreuung wurden erforscht. Die Studien schlie-ßen mit Handlungsempfehlungen. Das BMJV stützt sich bei der Reform des Betreuungsrechts auf diese Studien.

Das Netzwerk People First Deutschland e.V.

(Mensch zuerst) bietet Schulungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten an. Themen dabei sind insbesondere die Selbstbestimmung und rechtli-che Betreuung.

http://www.menschzuerst.de/pages/posts/

schulung-rechtliche-betreuung-14.php

Unterstützung

Für die unterstützte Entscheidungsfindung bei Menschen mit Psychosen und Psychatrie-erfahrung wurde das Modell des „Experience- Involvement“ (kurz: Ex-In) entwickelt. Dabei dienen Genesungsbegleiter_innen als Überset-zer_innen beziehungsweise Vermittler_innen zwischen der betroffenen betreuten Person und den Mitarbeitenden des Hilfesystems.

Die Genesungsbegleiter_innen sind Personen, die persönlich eigene Erfahrungen mit psychi-schen Krisen haben und daher einen leichteren Zugang zu den Erfahrungen des oder der akut Betroffenen haben. Um diese Übersetzungs-rolle einnehmen zu können, absolvieren die

„Experten aus eigener Erfahrung“ einen einjäh-rigen Kurs, um dann als Schnittstelle zwischen Patient_innen und psychiatrischer Einrichtung fungieren zu können.

https://www.psychiatrie.de/arbeit/ex-in.html

140 Kosuch (2018); Zinkler/De Sabbata (2017); Bühler/Stolz (2017); Haberstroh/Knebel/Müller (2014).

141 Zum Beispiel verlangen viele ärzt_innen auch bei unbedenklichen Untersuchungen, dass das Einverständnis der betreuenden Person vorliegt, obwohl die betreute Person allein entscheiden kann.

DAS RECHT AUF GLEICHE ANERKENNUNG VOR DEM RECHT 49

6.2.2 Rechtliche Stellung von Menschen mit Behinderungen in gerichtlichen Verfahren

Eng verbunden mit der gleichen Anerkennung vor dem Recht ist die rechtliche Stellung von Menschen mit Behinderungen in verwaltungs-rechtlichen und gerichtlichen Verfahren. Zur Zugänglichkeit gerichtlicher Verfahren für Men-schen mit Behinderungen gab es in den letzten Jahren vereinzelt gesetzliche Erleichterungen:

2014 hatten die Justizminister_innen eine Arbeitsgruppe zum Thema „Bereitstellung von Kommunikationshilfen im Rahmen gerichtlicher Verfahren“ eingerichtet, deren Bericht142 zu einer Gesetzesreform im Bereich der gleichbe-rechtigten Teilhabe von Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen an gerichtlichen Verfah-ren führte.143 Seitdem werden insbesondere die Kosten für Gebärdensprachdolmetschung für das gesamte Gerichtsverfahren, und nicht wie zuvor nur für die Hauptverhandlung, übernommen.

Diese punktuelle Verbesserung ist zu begrüßen, der von der UN-BRK geforderte gleichberechtigte Zugang zum Recht ist jedoch nach wie vor nicht gegeben. Weitere Regelungen, insbesondere solche die die Beseitigung von Barrieren für Men-schen mit psychiMen-schen oder intellektuellen Beein-trächtigungen in verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Verfahren zum Gegenstand haben, sind erforderlich. Im Bereich des Strafprozesses ist in Umsetzung einer europäischen Richtlinie ein erster Schritt in diese Richtung unternommen worden, indem man für Personen, die Gewalt- oder Sexualstraftaten erlebt haben, auf Wunsch eine psychosoziale Prozessbegleitung zur Verfü-gung stellt.144

Schwierigkeiten in menschenrechtlicher Hinsicht bereitet § 53 ZPO, eine verfahrensrechtliche Rege-lung, die bestimmt, dass eine Person, die in einem Verfahren durch eine betreuende Person vertreten wird, einer nicht prozessfähigen Person gleichge-stellt wird.145 Wenn also die betreuende Person vor Gericht auftritt, dann wird die betreute Person nicht mehr angehört und es können Entscheidun-gen geEntscheidun-gen ihren Willen gefällt werden. Diese Ein-schränkung erfolgt im Interesse des Gerichts und der gegnerischen Partei, um einander widerspre-chende Prozesshandlungen zu verhindern.146 Aus menschenrechtlicher Perspektive ist dies nicht hinnehmbar, denn die betreute Person ist nicht mehr Subjekt im Verfahren und kann auch nicht mehr rechtlich handeln, obwohl sie die Rechtsfol-gen des gerichtlichen Handelns der betreuenden Person treffen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll der Einzelne

„nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Worte kommen, um Ein-fluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können“147. Auch Menschen mit Behinderungen haben, unabhängig von Schwere oder Grad der Beeinträchtigung, das Recht, gleichberechtigt rechtliches Gehör zu finden. Bei Bedarf sind im Gerichtsverfahren Vorkehrungen zu treffen, die den gleichberechtigten Zugang ermöglichen. Eine Lösung bestünde darin, die Regelung in § 53 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu streichen.148

142 85. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (2014).

143 Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen vom 08.10.2017 (EMöGG), siehe BGBl. I, S. 3546.

144 Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 21.12.2015 (PsychPbG.), siehe BGBl. I S. 2525, 2529.

145 Über Verweisnormen gilt § 53 Zivilprozessordnung auch in sozial- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

146 Loytved (2018), S. 89.

147 Bundesverfassungsgericht (2018): Beschluss vom 11.04.2018, 2 BvR 328/18, Rn. 2a.

148 Siehe hierzu auch Handlungsempfehlung 38 in: Matta u.a. (2017), S. 583.

6.3 Fazit und Empfehlungen

Seit Inkrafttreten der UN-BRK steht das Betreu-ungsrecht im Fokus kritischer Betrachtung. Auch wenn Erwachsene seit 1992 nicht mehr ent-mündigt werden können, ermöglicht die derzeit geltende Rechtslage eine ersetzende Entscheidung gegen den Willen der betreuten Person. Neben einer Praxis, die Selbstbestimmung zu wenig achtet, besteht Diskussionsbedarf über die ände-rungen der rechtlichen Rahmenbedingungen. Dies kann sowohl den persönlichen Bereich als auch ein gerichtliches Verfahren betreffen.

Die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskon-vention empfiehlt der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag,

– den Begriff des „Wohls“ in § 1901 BGB durch

„Wille und Präferenzen“ zu ersetzen und

§ 53 ZPO zu streichen.

Sie empfiehlt außerdem Bund und Ländern, – weitflächig für Aufklärung zu sorgen und

außerdem Wege zu finden, Verfahren der unterstützten Entscheidungsfindung zielgrup-pen- und sektorenspezifisch zu erforschen und die Praxis der unterstützten Entschei-dung flächendeckend zu fördern, etwa durch Schulungen für alle Akteur_innen aus dem Betreuungswesen, also Betreuer_innen, Rich-ter_innen und Rechts pfleger_innen, Mitarbei-tende der Betreuungsbehörden, MitarbeiMitarbei-tende der Betreuungsvereine sowie ärzt_innen und Sozial- und Pflegefachkräfte in ambulanten und stationären Einrichtungen.

DAS RECHT, SICH AN DEMO KRATISCHEN WAHLEN ZU BETEILIGEN 51

7 Das Recht, sich an demo kratischen Wahlen