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Birgitta Almgren: Inte bara Stasi… Relationer Sverige – DDR 1949–

Im Dokument Nordeuropa Forum 1-2.2010 (Seite 189-196)

1990. Stockholm: Carlssons Bokförlag 2009, 564 S.

Birgitta Almgren, Germanistikprofessorin an der Universität Södertörn bei Stock-holm, hat mit Inte bara Stasi… Relationer Sverige – DDR 1949–1990 im Herbst 2009 ein gewichtiges Werk vorgelegt, das inhalt-lich an drei in den letzten Jahren an den Universitäten Greifswald und Lund ent-standene Dissertationen über (ost-)deutsch-schwedische Nachkriegsbeziehungen an-knüpft (Andreas Linderoth: Kampen för erkännande. DDR:s utrikespolitik gente-mot Sverige 1949–1972. Lund 2002;

Alexander Muschik: Die beiden deut-schen Staaten und das neutrale Schwe-den. Eine Dreiecksbeziehung im Schatten der offenen Deutschlandfrage 1949–

1972. Münster 2005; Nils Abraham: Die politische Auslandsarbeit der DDR in Schweden. Zur Public Diplomacy der DDR gegenüber Schweden nach der dip-lomatischen Anerkennung 1972–1989.

Münster 2007). Im Gegensatz zu den ge-nannten Dissertationen ist Almgrens Stu-die allerdings keine wissenschaftliche Qualifikationsarbeit und insofern sowohl in zeitlicher als auch thematischer Hin-sicht viel breiter angelegt. Die bereits hinlänglich erforschte politische Bezie-hungsgeschichte wird bei Almgren nur

Raum räumt die Autorin in der Arbeit dagegen den ostdeutschen Geheimdienst-aktivitäten in Schweden ein, die aber – wie es im Titel Inte bara Stasi (dt. „Nicht nur Stasi“) bereits anklingt – nur einen Aspekt der facettenreichen ostdeutsch-schwedischen Beziehungsgeschichte aus-machen.

Schwerpunkt von Almgrens Untersu-chung sind die Beziehungen zwischen beiden Staaten in den Bereichen Wissen-schaft, Bildung und Kultur. Schweden war seit den 50er Jahren bevorzugter Ad-ressat der auswärtigen Kulturpolitik der SED. Anfangs ging es Ost-Berlin vor al-lem darum, über wissenschaftliche und kulturelle Kontakte nach Schweden der Aufnahme diplomatischer Beziehungen den Weg zu ebnen. Allerdings wurde nach dem internationalen Durchbruch der DDR in der Anerkennungsfrage 1972/73 die aufwendige Imagepflege fortgesetzt, um über ein positives DDR-Bild und die in-ternationale Vernetzung den Herrschafts-anspruch der SED nach außen ebenso wie nach innen langfristig zu sichern. Unter-stützung erhielt die DDR dabei nicht nur von den kleinen kommunistischen

Partei-nen schwedischen Sozialdemokraten.

Schlüsselfiguren waren der langjährige sozialdemokratische Reichstagsabgeord-nete und Vorsitzende der Freundschafts-gesellschaft Schweden-DDR, Professor Dr. Stellan Arvidson, und seine Frau, die Bildungspolitikerin Britta Stenholm. Die DDR nutzte die ideologisch bedingten Ressentiments der schwedischen auszu-tragen. Mit Rekurs auf Schnittmengen zwischen schwedischer und ostdeutscher Schulpolitik (wie z. B. die Gemein-schaftsschule) bemühte man sich nicht ohne Erfolg, Kontakte zu schwedischen Lehrerverbänden, Schulen und Universi-täten auszubauen. Auch das DDR-Kulturzentrum, das 1968 in Konkurrenz zu dem bereits bestehenden westdeut-schen Goethe-Institut gegründet worden war und bis zum Ende der DDR im Jahre 1990 in Stockholm bestand, verfügte über gute Kontakte zu schwedischen Persön-lichkeiten aus Politik und Kultur. Insge-samt war die auswärtige Kulturpolitik der DDR mit ihren populären Werbeträgern wie z. B. der regelmäßig in Schweden gas-tierenden Ost-Berliner Brecht-Interpretin Gisela May durchaus erfolgreich. Trotz aller Kritik an den politischen Verhältnis-sen in der DDR – insbesondere der

Mau-Pakt-Truppen in der Tschechoslowakei sowie die Biermann-Ausweisung 1976 schadeten dem Image der DDR in Schweden nachhaltig – überwog doch das Bedürfnis des neutralen Landes nach spannungsfreien Beziehungen zu den Ostblockstaaten.

Mit ihrer Studie Inte bara Stasi… hat Almgren innerhalb relativ kurzer Zeit bereits ihre zweite Monographie zu den deutsch-schwedischen Beziehungen des 20. Jahrhunderts vorgelegt. Diese knüpft nicht nur in zeitlicher, sondern auch in thematischer Hinsicht an ihr erstes Buch Illusion und Wirklichkeit. Individuelle und kollektive Denkmuster in nationalsozialis-tischer Kulturpolitik und Germanistik in Schweden 1928–1945 (Stockholm 2001) an, da es auch in ihrer aktuellen Mono-graphie um die Kulturbeziehungen zwi-schen Schweden und einem deutzwi-schen Diktaturstaat geht. Vor diesem Hinter-grund bot sich die Wahl eines komparatis-tischen Ansatzes an: Dem sogenannten linguistic turn der Geistes- und Sozial-wissenschaften Rechnung tragend zeigt Almgren mit Hilfe einer textlinguistisch fundierten Diskursanalyse an Fallbeispie-len die interkulturelFallbeispie-len Prozesse zwischen beiden Ländern auf. Sie kann zahlreiche Parallelen zwischen der sogenannten Lin-gua Tertii Imperii und dem Sprach-gebrauch der Kulturfunktionäre des SED-Staates ausmachen. Dass Denkmuster und

nach Schweden exportiert wurden, blieb zwar eher die Ausnahme. Dennoch kann Almgren methodisch überzeugend nach-weisen, dass sowohl der NS- als auch der SED-Staat mit seiner kulturpolitischen Agitation in Einzelfällen durchaus erfolg-reich war. Dies gilt insbesondere für die beiden prominenten Professorenpersön-lichkeiten Sven Hedin und Stellan Arvid-son, die als Sprachrohr des nationalsozia-listischen Deutschlands bzw. der DDR in Schweden fungierten.

In der abschließenden Bewertung seien zwei weitere Punkte positiv hervorgeho-ben: Almgrens Buch ist eine beeindru-ckende Fleißarbeit, die auf einer breiten Quellenbasis unter Einbeziehung zahlrei-cher Zeitzeugeninterviews in Deutschland und Schweden basiert. Das Werk über-zeugt ebenfalls durch einen gut lesbaren Stil, der das reich bebilderte Buch auch für den historisch interessierten Laien zu einer gewinnbringenden Lektüre macht.

Es bleibt daher zu hoffen, dass Almgrens Arbeit bald in deutscher Übersetzung er-scheinen wird, um sie einem breiteren Lesepublikum hierzulande zugänglich zu machen.

Alexander Muschik (Hamburg)

Bernard Mees: The Science of the Swastica. Budapest: Central Euro-pean University Press 2008, 363 S.

Die Aufarbeitung der komplexen Fachge-schichte der Skandinavistik mit einigen ihrer Wurzeln in der Germanenkunde und dabei insbesondere ihre Verwicklungen und Verirrungen in Nazideutschland ist ein sich inzwischen ordentlich entwi-ckelndes Forschungsfeld; die vorliegende, auf eine Melbourner Dissertation zurück-gehende Studie schreibt sich in diesen Kontext ein. Bernard Mees geht es um die Beschreibung der Entstehung und Ent-wicklung der so genannten „Sinnbild-kunde“, die in den Arbeiten der SS-Forschungseinrichtung „Ahnenerbe“ ei-nen gewissen Höhe- und Endpunkt erfah-ren hatte; ja, Mees geht soweit zu behaup-ten, dass die Sinnbildkunde „so entwined with National Socialism“ gewesen sei,

„that it shared a similar fate after the German defeat, and today, much like neo-Nazism, is usually only to be found spo-radically and then only at the margins of European experience“ (S. 5).

(Germanistische) Sinnbildforschung, so definiert Mees einleitend (S. 5–6), verglich Symbole allerlei Art miteinander – so etwa Felszeichnungen, Dekorationen von Ke-ramik-, Schmuck- und Geldfunden,

Ru-lesbare Architekturformen – um das vor-geschichtliche „nordische“, „germani-sche“ oder vielleicht „atlanti„germani-sche“ Alter-tum zum Sprechen zu bringen und so sein Alter und seine Kulturhöhe zu beweisen.

Den etwas reißerischen Titel The science of the Swastika möchte er damit erklären, dass das Symbol des Hakenkreuzes eine zentrale Rolle in dieser Suche gespielt ha-be. Die Vorläufer der Sinnbildkunde finden sich im nationalbewegten 19. Jahrhundert und insbesondere in den völkischen Bewe-gungen mehr oder minder spiritualisierter Form, ihren prägnantesten, ambitioniertes-ten und zugleich wohl spektakulärsambitioniertes-ten Ausdruck fand sie im Werk von Herman Wirth (1885–1981).

Der Germanist und Musikwissenschaftler hatte nämlich 1928 in seinem im Diede-richs-Verlag veröffentlichten Hauptwerk Der Aufgang der Menschheit über den Vergleich von Symbolen, Inschriften, ar-chäologischen Funden zum einen die ur-zeitliche Herkunft der „nordischen Rasse“

aus dem arktischen Raum zu rekonstruie-ren gesucht und zugleich jenes postulierte

„Urvolk“ mit dem Atlantismythos ver-bunden. Zum anderen hatte er die

Urreli-als matriarchalisch bestimmt. Dieser pa-radiesische Zustand sei durch Fremdein-fluss aus dem Süden, insbesondere durch das Christentum, zerstört worden. Zu die-sem Zustand solle man nun natürlich wieder zurückkehren.

Wirth wirkte lange Zeit vor allem außer-halb der akademischen Welt im Umfeld der Völkischen, insbesondere mit Unter-stützung des Kaffee-Hag-Produzenten und Nordbegeisterten Ludwig Roselius und später Himmlers, und erhielt erst 1944 nach massivem politischem Druck zumindest eine Honorarprofessur an der Universität Göttingen (S. 158); bis heute gibt es eine „Gesellschaft für europäische Urgeschichte“, „Ur-Europa“, die sich um die Popularisierung seiner Forschungen bemüht. Seine Forschungen waren stets umstritten, doch hatten sie mittelbaren und unmittelbaren Einfluss auf die ger-manenkundliche Skandinavistik haupt-sächlich über zwei Wege: Zum einen zählte der Inhaber des Lehrstuhls für nor-dische Philologie an der Berliner Univer-sität, Gustav Neckel, lange zu seinen Un-terstützern. Zum anderen aber war er Mitbegründer der oben genannten SS-Forschungseinrichtung Ahnenerbe und lange Zeit ihr Präsident. Wegen eines groben wissenschaftlichen Fehlers, der dem wissenschaftlichen Ansehen des Ah-nenerbes geschadet hatte, musste er je-doch diese Stellung räumen: Er hatte die

friesische Fälschung des 19. Jahrhunderts, als echt und als Bibel des Germanentums ins Deutsche übersetzt und herausgege-ben. Die von ihm initiierte Symbolfor-schung aber wurde in eigenen Abteilun-gen des Ahnenerbes fortgesetzt; der bekannte und bis heute einflussreiche Runologe Wolfgang Krause leitete ab 1943 die entsprechende Abteilung in Göt-tingen. Mees meint, dass trotz der postu-lierten rigorosen Abkehr von unmethodi-scher Pseudowissenschaftlichkeit in seinen und anderen Forschungsarbeiten der Einfluss der Sinnbildforschung nach-zuweisen sei.

Mees’ Projekt ist es nun, die Entstehung der Sinnbildforschung aus den ariosophi-schen und völkiariosophi-schen Milieus in die Ger-manenkunde und Skandinavistik über die Vermittlung des Ahnenerbes zu verfolgen.

Entsprechend beginnt sein Buch nach ei-ner kurzen Einleitung mit einem Über-blickskapitel zur völkischen Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, das eher auf Personen abzielt, es folgt ein weiteres zu

„History and Intuition“, das eher dem ideen- und institutionsgeschichtlichen Platz der Sinnbildforschung nachgeht, und ein weiteres, dass sich stärker auf die wis-senschaftlichen Verquickungen mit völki-schen Ideen zu jener Zeit beschäftigt. Die Kapitel fünf bis neun setzen sich in ver-schiedenen Schattierungen mit der Frage auseinander, welche Rolle die populäre

sowie die Sinnbildkunde für die National-sozialisten verschiedener Couleur spielten, und wie sie über die Institutionalisierung im Ahnenerbe Eingang in den wissen-schaftlichen Diskurs fanden. Das letzte, zehnte Kapitel versucht, die Untersuchung zusammenzufassen. Wichtig ist Mees da-bei die These, dass die Wirkungsmacht der von ihm immer wieder als „obscure“ be-schriebenen Ideologien auf die Wissen-schaft nicht zu unterschätzen sei und zur Erklärung des Funktionierens des natio-nalsozialistischen Regimes herangezogen werden müsse. So endet das Buch mit dem Satz: „No better example of the power of this Weltanschauung cum ideology exists than in the world of Sinnbildforschung; a world of ancient Germanic and German utopia where the essential mores of that past life were communicated to the present by those who could read their runes; a world where research fed fantasy and fan-tasy fed research and some of the brightest minds of the country lost their way in the woods of ancestral Germanic past“

(S. 279).

Wem nun nach dieser Zusammenfassung nicht eindeutig erscheint, was denn nun eigentlich die Fragestellung und insbeson-dere die Methode des Buches ist, dem geht es wie dem Rezensenten nach der Lektüre.

Die zweifelsohne relevante Fragestellung und viele seiner Thesen sind sicherlich überdenkenswert. Leider aber legt Mees

gigen Werke vor, die trotz allem die inhä-rente Logik und damit Attraktivität von Wirths Schriften auf der einen Seite, Krau-ses und Neckels Arbeiten auf der anderen erklären würden – so tut er genauere Ana-lysen von Gustav Neckels Werken mit dem Hinweis auf Andreas Heuslers Bemerkung ab, Neckel sei nun verrückt geworden (S. 178 und öfter). Auch wird nicht immer deutlich, wie er sich die wechselseitigen Einflüsse von universitären und den ver-schiedenen außeruniversitären Akteuren denkt, oder aber, welche Rolle sie denn in den historischen Prozessen gespielt haben sollen.

Ein Beispiel für die analytische Unschärfe ist die Figur Otto Höflers, die schon in den ersten Sätzen des Buches, wenn auch schattenhaft anonym, als Vertreter für die Wirkungskraft der Sinnbildkunde auch nach dem Zweiten Weltkrieg evoziert wird;

seine Rolle aber bleibt das ganze Buch über unklar. Dies liegt wohl daran, dass Höfler zum einen meines Wissens Wirth und verwandte Forscher kaum rezipiert hat; zum anderen hatte Höfler zwar im Umkreis und mit ideeller Unterstützung der SS und des Ahnenerbes gearbeitet, wurde jedoch selbst nie offiziell ihr Mit-glied. Welche Rolle also spielt Höfler für Mees’ Fragestellung? Eine Antwort auf diese Frage bleibt Mees schuldig. Viel-leicht wäre ein Nachweis der ideologi-schen Nähe über genaue Textanalysen

suchen wir, wie gesagt, in Mees’ Buch vergeblich.

In der vorliegenden Form stellt das Buch denn also eher eine umfangreiche, wenn auch nicht immer wohl strukturierte Zu-sammenfassung zahlreicher bereits vor-liegender Forschungsergebnisse dar. Ihr größter Gewinn ist dabei wohl der Um-stand, dass sie nun auf Englisch dargelegt sind und somit einer größeren Öffentlich-keit zugänglich werden.

Thomas Mohnike (Straßburg)

Im Dokument Nordeuropa Forum 1-2.2010 (Seite 189-196)