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Nach RIECKEN et al. (1995) handelt es sich bei einem Biotoptyp um einen abstrahierten Typus aus der Gesamtheit gleichartiger Biotope. Ein Biotoptyp bietet mit seinen ökologischen Bedin-gungen weitgehend einheitliche, von anderen Typen verschiedene Voraussetzungen für Le-bensgemeinschaften. Die Typisierung schließt abiotische (z. B. Feuchte, Nährstoffgehalt) und biotische Merkmale (Vorkommen bestimmter Vegetationstypen und -strukturen, Pflanzengesell-schaften, Tierarten) ein.

Die Mehrzahl der Typen Mitteleuropas wird in seiner konkreten Ausprägung zudem durch die herrschenden anthropogenen Nutzungen (Landwirtschaft, Verkehr usw.) und Beeinträchtigun-gen (Schadstoffe, Eutrophierung, Freizeitnutzung usw.) geprägt.

Die aktuelle Biotoptypengliederung der Nordsee hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in der Roten Liste gefährdeter Biotoptypen Deutschlands veröffentlicht (RIECKEN et al., 2006). Da-nach findet man in der Nordsee die Hauptbiotoptypen „Küstenferne Meeresgebiete der Nord-see“ (Code 01.), „Flachwasserzonen der NordNord-see“ (Code 03.) und „Watt der NordNord-see“ (Code 05.). Die deutsche AWZ der Nordsee ist größtenteils dem Biotoptyp „Küstenferne Meeresgebie-te der Nordsee“ zuzurechnen.

Nur in kleinen Teilbereichen (z. B. im Bereich der Amrumbank) reichen Biotoptypen der „Flach-wasserzonen der Nordsee“ in die AWZ hinein.

Die küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee umfassen die ständig mit Wasser bedeckten Be-reiche mit einer Tiefe von mehr als 15 m, ab der ein Wachstum benthischer Großpflanzen auf-grund der Lichtverhältnisse nicht mehr möglich ist. Die deutsche Nordsee weist eine durch-schnittliche Tiefe von 30–40 m auf und lässt sich grob in Pelagial (freier Wasserkörper) und Benthal (Meeresboden) gliedern.

Das Pelagial (Code 01.01) wird untergliedert in

Code 01.01.01 euphotischer Bereich des Pelagials der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee

Code 01.01.02 aphotischer Bereich des Pelagials der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee.

Das Benthal der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee, weitgehend makrophytenfrei (Code 01.02) wird nach RIECKEN et al. (2006) wie folgt untergliedert:

Code 01.02.01 flaches, natürliches Hartsubstratbiotop der küstenfernen Meeresge-biete der Nordsee

Code 01.02.02 Hartsubstrat-Riff der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee Code 01.02.03 biogenes Riff der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee Code 01.02.04 Kiesbiotop der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee Code 01.02.05 Schillbiotop der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee

Code 01.02.06 flache Sandbiotope der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee Code 01.02.07 Sandbank der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee (Komplex) Code 01.02.08 Feinsubstratbiotope der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee Code 01.02.09 Torfbiotop der küstenfernen Meeresgebiete der Nordsee.

Die Verbreitung von Sandbänken und Riffen in der deutschen AWZ der Nordsee ist weitgehend bekannt. Eine flächenhafte Kartierung der Biotoptypenverteilung für die AWZ der Nordsee exis-tiert aber derzeit nicht, so dass die Vorkommen weiterer mariner Biotoptypen zurzeit nur unzu-reichend dargestellt werden können. Im Rahmen des F&E-Vorhabens „Marine Landschaftsty-pen der Nord- und Ostsee“ des BfN entstand ein räumliches Verteilungsmuster der ökologisch wichtigsten Sedimentklassen und teilweise auch übergeordneter Biotoptypenklassen (vgl. Abb.

11, SCHUCHARDT et al., 2009). Auf dieser Basis lassen sich allerdings nicht hinreichend wissen-schaftlich belastbar abgrenzbare Flächen der marinen Biotoptypen darstellen. Eine detaillierte und flächendeckende Kartierung mariner Biotoptypen in der AWZ ist im Rahmen weiterer For-schungs- und Entwicklungsprojekte des BfN derzeit in Vorbereitung.

Besondere Bedeutung kommt aus Naturschutzsicht natürlichen Biotopkomplexen („Mosaiken“) zu, so Restsedimentvorkommen, die vor allem im Bereich des Osthanges des Elbe-Urstromtals (Sylter Außenriff) und am Borkum Riffgrund auftreten. Mit diesen Biotopen sind Kiesfelder, Grob-, Mittel- und Feinsandflächen, ja sogar mitunter in kleinen Mulden schlicksandige Substra-te (i. d. R. nur dünne Schlickauflage, die je nach hydrodynamischen Verhältnissen wieder re-mobilisiert wird) assoziiert; und diese Strukturvielfalt (zusammen mit dem Schutz durch die Steine) bedingt eine insgesamt große Artendiversität.

In den flacheren Seegebieten (etwa unter 30 m) werden dort anzutreffende Sande in großen Bereichen (vor allem mit Fein- und Mittelsanden) durch Seegang regelmäßig umgelagert, so dass die dort lebende Fauna sehr variabel sein kann (RACHOR UND GERLACH, 1978). Kleine Steinfelder können von den Sandbewegungen (Übersandung, Freilegung) so stark beeinflusst sein, dass sich langlebige Riffgemeinschaften nicht halten können.

Abbildung 11: Karte der auf Grundlage vorhandener Daten abgrenzbaren Biotoptypen der deutschen Nordsee (nach SCHUCHARDT et al., 2009).

Geschützte Lebensraumtypen gemäß FFH-Richtlinie

In der deutschen AWZ der Nordsee sind bisher die nach EU-Recht (FFH-RL, Anhang I) zu schützenden Biotoptypen des Typs 1110 „Sandbänke“ und 1170 „Riffe“ identifiziert worden.

Sandbänke

Der Lebensraumtyp 1110 bezeichnet „Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überspülung durch Meerwasser“ und wird wie folgt definiert: „Sandbänke sind erhöhte, lang gestreckte, ge-rundete oder unregelmäßige topografische Güter, die ständig von Wasser überspült und vor-wiegend von tieferem Gewässer umgeben sind. Sie bestehen hauptsächlich aus sandigen Se-dimenten, können jedoch auch grobe Feld- und Steinbrocken oder kleinere Korngrößen aufwei-sen, einschließlich Schlamm. Bänke, deren sandige Sedimente als Schicht über hartem Sub-strat auftreten, werden als Sandbänke klassifiziert, wenn die darin lebende Biota zum Leben eher auf Sand als auf Hartsubstrat angewiesen ist.“ (DOC.HAB. 06-09/03).

In der deutschen AWZ der Nordsee wurden aus naturschutzfachlicher Sicht mehrere schüt-zenswerte Sandbänke identifiziert. Große Sandbänke sind die Doggerbank und die etwas klei-nere Amrumbank. Der Borkum-Riffgrund ist nach naturschutzfachlicher Auffassung ein Beispiel für eine Sandbank mit Steinfeldern oder steinig-kiesigen Arealen als riffartige Strukturen. In mehreren BfN-Untersuchungsgebieten wurden typische Sandboden-Lebensgemeinschaften, die sich in Abhängigkeit vom Sedimenttyp (Fein-, Mittel-, Grobsand) und der Wassertiefe entwi-ckeln, gefunden. Besonders schützenswert stellen sich Bereiche dar, bei denen verschiedene Lebensgemeinschaften im Wechsel nebeneinander auftreten. Aus diesen Gründen wurden große Bereiche der identifizierten Sandbänke durch die FFH-Gebietsmeldungen „Doggerbank“

(DE 1003-301), „Sylter Außenriff“ (DE 1209-301) und „Borkum-Riffgrund“ (DE 2104-301) in der AWZ der Nordsee unter Schutz gestellt.

Riffe

Der Lebensraumtyp 1170 „Riffe“ nach FFH-RL wird wie folgt definiert: „Riffe können entweder biogene Verwachsungen oder geogenen Ursprungs sein. Es handelt sich um Hartsubstrate auf festem und weichem Untergrund, die in der sublitoralen und litoralen Zone vom Meeresboden aufragen. Riffe können die Ausbreitung benthischer Algen- und Tierartengemeinschaften sowie Verwachsungen Korallenformationen fördern“ (DOC.HAB. 06-09/03). Das „Hartsubstrat“ um-fasst Felsen (einschließlich weiches Gestein wie Kreidefelsen) sowie Fels- und Steinbrocken, deren Durchmesser generell größer 64 mm ist.

Derartige Riffe und riffartige Strukturen werden aus Sicht des BfN in der AWZ der Nordsee in einigen Bereichen gefunden. Hier sind insbesondere Gebiete im Bereich des Borkum-Riffgrundes, des östlichen Hanges des Elbe-Urstromtals sowie des Helgoländer Steingrundes zu nennen. Da diese Gebiete größtenteils in den oben genannten FFH-Gebieten liegen, wurde ihrer Schutzwürdigkeit bereits Rechnung getragen.

Gesetzlich geschützte marine Biotoptypen gemäß § 30 BNatSchG

Seit 2002 werden eine Reihe mariner Biotoptypen in § 30 BNatSchG einem unmittelbaren bun-desgesetzlichen Schutz unterstellt. § 30 Abs. 2 BNatSchG verbietet grundsätzlich Handlungen, die eine Zerstörung oder eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung der aufgeführten Biotopty-pen verursachen können. Hierzu ist keine Schutzgebietsausweisung erforderlich. Dieser Schutz wurde mit der Novellierung des BNatSchG 2010 auf die AWZ ausgedehnt. Neben den oben genannten marinen Lebensraumtypen gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie, „Riffe“ und „Sand-bänke“, genießen nach § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG die folgenden beiden Biotoptypen im Bereich der AWZ der deutschen Nordsee einen gesetzlichen Schutzstatus. Der ebenfalls unter Schutz gestellte Biotoptyp „Seegraswiesen und sonstige marine Makrophytenbestände“ kommt in der AWZ der Nordsee nicht vor.

Artenreiche Kies-, Grobsand- und Schillgründe im Meeres- und Küstenbereich

Zu diesem Biotoptyp zählen artenreiche Rein- oder Mischvorkommen von Kies-, Grobsand- oder Schillsedimenten des Meeresbodens, die unabhängig von der großräumigen Lage von einer spezifischen Endofauna (u. a. Sandlückenfauna) und Makrozoobenthosgemeinschaft be-siedelt werden. Diese Sedimente werden in der Nordsee von einer artenreicheren Makro-zoobenthosgemeinschaft besiedelt als die korrespondierenden Mittelsandtypen.

Der Biotoptyp kann mit dem Vorkommen von Steinen oder Mischsubstraten assoziiert sein bzw.

in räumlicher Nähe zu den Lebensraumtypen „Sandbank“ und „Riff“ auftreten. Der Artenreich-tum bzw. der hohe Anteil spezialisierter Arten resultiert bei diesen Sedimenttypen aus dem Vor-kommen relativ stabiler Zwischenräume zwischen den Sedimentpartikeln mit großem Poren-wasseranteil und relativ hohem Sauerstoffgehalt. Beispiel für eine spezifische Gemeinschaft dieses Biotoptyps in der Nordsee ist die Goniadella-Spisula-Gemeinschaft (SALZWEDEL et al.

1984). RACHOR &NEHMER (2003) haben gezeigt, dass die Goniadella-Spisula-Gemeinschaft in der AWZ der Nordsee in zwei Ausprägungen vorkommt: der artenreicheren auf Grobsand und Kies und der artenärmeren auf grobsandigem Mittelsand. Typische Arten der endobenthischen Makrofauna und Meiofauna sind neben den beiden namengebenden Spezies Goniadella

bobretzkii, Spisula subtruncata u. a. die Arten Aonides paucibranchiata, Branchiostoma lanceo-latum und Ophelia limacina. Kommen Steine in dem Gebiet vor, tritt zusätzlich eine typische epibenthische Makrofauna auf. In der Nordsee kommt die artenreiche Ausprägung, außer im Gebiet um Helgoland, in der Regel in Tiefen über 20 m vor (ARMONIES 2010). Die Besiedlung des Biotoptyps ist räumlich stark heterogen.

Der Biotoptyp „Artenreiche Kies-, Grobsand- und Schillgründe im Meeres- und Küstenbereich“

tritt in der Regel in relativ kleinflächigen Ausprägungen in der gesamten Nordsee auf. Nicht zu finden ist er in der deutschen Nordsee im Bereich der Doggerbank und nördlich davon (sog.

Entenschnabel). Die Verteilung ist im Allgemeinen kleinräumig und fleckenhaft.

Schlickgründe mit bohrender Bodenmegafauna

Dieser Biotoptyp kommt in der deutschen Nordsee auf Flächen des küstenfernen Meeresbo-dens in Wassertiefen über 15 m mit feinsubstratigen Sedimenten (Biotoptypen 01.02.08) vor.

Der Biotoptyp „Schlickgründe mit bohrender Bodenmegafauna“ wird durch das Vorkommen von Seefedern (Pennatularia) determiniert, die eine besonders hohe Empfindlichkeit gegenüber me-chanischen Störungen und Schädigungen aufweisen. Neben Seefedern zeichnet den Biotoptyp eine erhöhte Dichte grabender Krebsarten (besonders Nephrops norvegicus, Calocaris macan-dreae, Upogebia deltaura, Upogebia stellata, Callianassa subterranea) aus. Der Biotoptyp leitet sich von dem als zurückgehend und/oder gefährdet gelisteten OSPAR-Biotoptyp “Sea-pen and burrowing megafauna communities“ ab.

„Schlickgründe mit bohrender Megafauna“ treten in der Nordsee und im Nordostatlantik auf. Der potenzielle Verbreitungsraum ergibt sich aus der Verbreitung aller charakterisierenden Arten. Er umfasst in der deutschen AWZ der Nordsee insbesondere das Elbe-Urstromtal sowie die an-grenzenden Gebiete mit feinsubstratigen Sedimenten in Tiefen über 15 m. „Gegenwärtig gibt es keine bekannten Vorkommen von Seefedern in der deutschen Nordsee“

(http://www.bfn.de/habitatmare/de/downloads/marine-biotope/Biotoptyp-Schlickgruende.pdf;

Stand 31.08.2012). Ohne das Vorkommen dieser Charakterart fehlt auch der Nachweis für den Biotoptyp „Schlickgründe mit bohrender Megafauna“.

Da eine flächendeckende Kartierung der o. g. Biotoptypen der deutschen Nordsee bislang fehlt, lassen sich derzeit in der AWZ der Nordsee keine konkreten Flächen identifizieren, auf denen die Biotoptypen „Artenreiche Kies-, Grobsand- und Schillgründe im Küsten- und Meeresbereich“

und „Schlickgründe mit bohrender Megafauna“ vorkommen. Für die Erfassung der beiden nach

§ 30 BNatSchG in der AWZ der Nordsee geschützten Biotoptypen hat das BfN in Abstimmung mit dem BMU eine Definition und Kartieranleitung veröffentlicht (vgl.

http://www.bfn.de/habitatmare/de/marine-biotoptypen.php; Stand 31.08.2012).