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1. Microsphaeropsis sp. Stamm 6288

1.1.3 Biosynthese von Prospiciferon A (18) und Spiciferon A (17)

Spiciferon A (17) konnte 1989 aus dem pflanzenpathogenen Pilz Cochliobolus spicifer isoliert werden.56 Wenig später gelang die Isolierung der strukturell verwandten Spiciferone B und C, die sich von 17 durch Hydroxylierung der Methylgruppen an C-2 und C-3 ableiten.58 Die Biosynthese von Spiciferon A wurde durch Fütterung von [1-13C]-, [2-13C]-, [1,2-13C2]- und [1-13C,2H3]Acetat sowie von [S-13CH3]-L-Methionin untersucht.59 Diese Untersuchungen ergaben, dass 17 aus einem Hexaketid und zwei aus Methionin stammenden C1-Einheiten aufgebaut wird. Mit diesem Wissen wurde ein Biosyntheseweg vorgeschlagen, bei dem es, nach einer ersten Cyclisierung zu einem 10-gliedrigen Ringsystem, zu einer Retro-Aldol-Umlagerung kommt. Dadurch entsteht ein Intermediat, welches mit Prospiciferon A (18) identisch ist. 18 kann anschließend unter Freisetzung von Wasser zu Spiciferon A umgesetzt werden (Abbildung 5).

O O

O O

O O

O

OH

O

O O

O

O O

O

O S

O

18 17

- H2O - H2O

C1

C1 Enz

Abbildung 5: Biosynthese von Spiciferon A (17) und Prospiciferon A (18).

Durch die Isolierung von Prospiciferon A aus Microsphaeropsis sp. Stamm 6288 kann der formulierte Biosyntheseweg bestätigt werden. Die Tatsache, dass 18 die Hauptkomponente war, kann durch eine beim Stamm 6288 vorliegende Hemmung des letzten Cyclisierungsschrittes in der Biosynthese von 17 erklärt werden. In wässriger Lösung (pH-Wert = 5, 7 und 9) wurde keine Umwandlung von 18 in 17 beobachtet, d.h. eine pH-abhängige spontane Cyclisierung scheidet aus.

1.2. α-Pyrone

Aus Ruhekulturen (P-Kolben) von Microsphaeropsis sp. Stamm 6288 konnten vier α-Pyrone (22 – 25) isoliert werden, von denen drei (23 – 25) neu waren.

1.2.1. Taiwapyron (22)

Das EI-Massenspektrum des farblosen Feststoffes zeigt bei m/z = 198 den Peak höchster Masse, dessen Hochauflösung zur Summenformel C10H14O4 führt. Im 13C-NMR-Spektrum treten Signale für eine Methyl-, drei Methylen- und drei Methingruppen sowie für drei quartäre Kohlenstoffatome auf. Bei einer Datenbanksuche in Antibase54 findet man 21 Einträge dieser Summenformel. Anhand der Konnektivitäten der C-Atome lassen sich 17 der gefundenen Strukturen ausschließen. Unter den anderen Substanzen finden sich drei Ramulosin-Derivate (19 – 21)60 und Taiwapyron (22)61.

O

OH O

H R R

R O O

OH OH

1 22

2 3

2 4' 1'

4

6

Im Protonenspektrum erscheint die Methylgruppe bei δH = 0.89 als Triplett, sie muss daher zu einer CH2-Gruppe benachbart sein. Außerdem finden sich im Tieffeldbereich bei δH = 6.24 und δH = 7.52 die Signale einer Doppelbindung, die auf Grund der Kopplungskonstante von

3J = 10.0 Hz cis-konfiguriert ist. Dadurch können 19 – 21 als Lösungen ausgeschlossen werden. Durch Vergleich mit den Literaturdaten ließ sich die Verbindung eindeutig als Taiwapyron61 (22) identifizieren. Der gemessene Drehwert stimmt mit dem Literaturwert überein und bestätigt somit das Vorliegen der S-Konfiguration an C-1’.

R1 R2 R3

19 OH H H

20 H OH H

21 H H OH

1.2.2. Dehydrotaiwapyron (23)*

Dehydrotaiwapyron wurde als farbloser Feststoff isoliert, der mit Anisaldehyd in der Wärme grünblau anfärbt. Aus dem EI-Massenspektrum erhält man eine im Vergleich zu 22 um zwei Einheiten geringere Masse. Die sich daraus ergebende Summenformel C10H12O4 ließ sich durch eine Hochauflösung bestätigen. In Analogie zu 22 lassen sich dem 13C-NMR-Spektrum Signale einer Methyl- und dreier Methylengruppen sowie für drei quartäre Kohlenstoffatome entnehmen. Bei den Methingruppen fehlt im Vergleich zu 22 das Signal von C-1’ (δC = 66.9), stattdessen findet man eine zusätzliche Ketogruppe bei δC = 196.5. Dies spricht dafür, dass es sich bei 23 um ein an C-1’ oxidiertes Derivat von 22 handelt. Aus einem 1H-1 H-COSY-Experiment kann man drei Spinsysteme ableiten, die sich durch ein HMBC-H-COSY-Experiment miteinander verknüpfen lassen (Abbildung 6). Eine Datenbanksuche62 ergab keinen Treffer, so dass es sich bei Dehydrotaiwapyron (23) um eine neue Verbindung handelt.

O

R R R

H

H CH2

OH O O

OH O

23

2 4

6 1' 4'

Abbildung 6: Aus dem COSY abgeleitete Strukturfragmente von 23 und deren Verknüpfung über ausgewählte HMBC-Korrelationen.

1.2.3. 5,6-Dihydrotaiwapyron (24)

Das 13C-NMR-Spektrum des farblosen Naturstoffes hat große Ähnlichkeit zu dem Spektrum von 22, wobei anstelle der Signale der quartären Kohlenstoffatome bei δC = 120.1 und δC = 158.3 zwei zusätzliche Methinsignale bei δC = 54.0 und δC = 78.9 zu erkennen sind. In Verbindung mit der durch eine ESI-Hochauflösung bestimmten Summenformel (C10H16O4) erscheint es plausibel, dass hier ein 5,6-Dihydro-Derivat von 22 vorliegt. Diese Vermutung kann durch ein 1H-1H-COSY-Experiment und ein HMBC-Experiment bestätigt werden und führt zu der Struktur von 5,6-Dihydrotaiwapyron, entsprechend Formel 24.

* fehlerhafte Struktur, Korrektur siehe Seite 30.

O O OH

OH

24

2 4

6 4' 1'

Für die Stereochemie an C-1’ wurde angenommen, dass hier wie bei 22 die S-Konfiguration vorliegt. Über die relative Stereochemie an C-5 und C-6 können die Kopplungskonstanten Auskunft geben. Die Kopplungskonstante ist abhängig von der Größe des Torsionswinkels zwischen zwei Protonen, dieser Zusammenhang ist in der Karplus-Kurve dargestellt. Im Umkehrschluß lässt sich mit Hilfe dieser Kurve aus der beobachteten Kopplungskonstante der Winkel zwischen zwei Protonen ableiten. Die Kopplungskonstante von 3J = 6.0 Hz zwischen den beiden Protonen an C-5 und C-6 entspricht einem Diederwinkel von 30 bzw. 150°. Die Auswertung im Fall von 24 wird durch das Vorliegen eines Gleichgewichts zwischen zwei Konformeren erschwert, bei denen C-6 entweder oberhalb oder unterhalb der durch den Rest des Pyranringes aufgespannten Ebene liegt. Da sich die beiden Konformeren sehr schnell in einander umwandeln, kann man sie im NMR-Experiment nicht beobachten und die Kopplungskonstante ergibt sich aus dem Mittelwert. Ein mittlerer Diederwinkel von 30° kann nur erreicht werden, wenn beide Protonen auf einer Seite, entweder ober- oder unterhalb des Pyranringes liegen. Ein zusätzlich durchgeführtes eindimensionales NOE-Experiment bestätigt diese Annahme. Die relative Stereochemie zwischen C-5 und C-1’ konnte auf Grund der freien Drehbarkeit um diese Bindung nicht bestimmt werden.

O O

OH OH O O

R

H H

O O H R R

H

R1 = CHOH(CH2)2CH3 R2 = CH2OH

1 2

R22

1

2 4

6 4' 1'

24a

1.2.4. 7-(1-Methyl-ethyliden)-taiwapyron (25)*

Der farblose Naturstoff wurde aus einer Ruhefermentation mit E2 als Nährmedium isoliert.

Das 1H-NMR-Spektrum besitzt große Ähnlichkeit zu dem von 23. Lediglich das Signal der Hydroxymethylengruppe fehlt, dafür treten zusätzlich Singuletts für zwei Methylgruppen bei δH = 2.06 und δH = 2.30 auf. Es scheint sich somit um ein weiteres α-Pyron zu handeln, das an der Hydroxymethylengruppe an C-6 verändert ist. Die Summenformel ergibt sich aus dem hochaufgelösten EI-Massenspektrum (C13H16O4). Im 13C-NMR-Spektrum finden sich die Signale der beiden neuen Methylgruppen bei δC = 17.2 und δC = 19.9 sowie für zwei zusätzlichen Kohlenstoffatome bei δC = 135.0 und δC = 145.3. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass 25 an Stelle der Hydroxymethylen- der anderen α-Pyrone eine Hydroxyisobutenyl-Gruppe trägt. Durch ein HMBC-Experiment konnte die Verknüpfung des Pyron-Grundgerüstes mit dem Hydroxyisobutenylrest eindeutig bewiesen werden. Ein derartiges α-Pyron ist in der Literatur bisher nicht beschrieben worden.

O O

O

O H

25

2 4

6 4' 1'

8

Vergleicht man die 13C-NMR-Daten der vier isolierten α-Pyrone, so fallen deutliche Unterschiede in den Verschiebungen auf. Die Signale für C-2, C-7 und C-1’ weisen bei 5,6-Dihydrotaiwapyron (24) im Vergleich mit Taiwapyron (22) eine Tieffeldverschiebung auf (Tabelle 6). Diese kann durch die fehlende Doppelbindung zwischen C-5 und C-6 erklärt werden. Bei der Gegenüberstellung der Daten von 22 und 23 fällt die deutliche Tieffeldverschiebung von C-6 um 42.2 ppm und die von C-7 um 17.4 ppm auf. Diese starke Verschiebung kann möglicherweise durch die in Abbildung 7 dargestellten mesomeren Grenzstrukturen, die zu einer Verstärkung der positiven Polarisierung von C-6 führen, erklärt werden. Für das Vorliegen von mesomeren Grenzstrukturen spricht, dass die Signale der Kohlenstoffatome C-6 und C-1’ von 25 gegenüber denen von 23 eine deutliche Hochfeldverschiebung aufweisen, da die neue Doppelbindung an C-7 zusätzliche Elektronendichte bereitstellt. Ein weiteres Indiz für die dargestellte Polarisierung von

* fehlerhafte Struktur, Korrektur siehe Seite 30.

Dehydrotaiwapyron (23) ist, dass vergleichbare α-Pyrone bei Temperaturen > 500°C unter Ringöffnung in ein Keten umlagern, welches zu dem in Abbildung 7 dargestellten analog ist.63 Ein Vergleich der ermittelten Daten mit Literaturdaten ist leider nicht möglich, da für vergleichbare Pyrone keine NMR-Spektren vorliegen.64

22a 23b 24b 25b

Tabelle 6: Vergleich der 13C-NMR-Daten der vier isolierten α-Pyrone (22 - 24) (CD3OD, a 150.8 MHz, b 125.7 MHz).

Abbildung 7: Mesomere Grenzstrukturen von Dehydrotaiwapyron (23).

Nach Beendigung der Dissertation stellte sich durch eine Röntgenstrukturanalyse heraus, dass die Strukturen von 23 und 25 fehlerhaft sind. Bei den beiden Verbindungen handelt es sich vielmehr um die bisher nicht in der Literatur beschriebenen Furanone 23a und 25a.

O