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Die Beziehungen zu den Staaten Osteuropas und des Südkaukasus

7. Die Genese der ENP

7.3. Die Beziehungen zwischen der EU und den Nachbarstaaten vor der ENP – eine

7.3.1. Die Beziehungen zu den Staaten Osteuropas und des Südkaukasus

Ende der 1990er Jahre schloss die EU mit neun Neuen Unabhängigen Staaten (NUS)49 sich ähnelnde bilaterale Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Das offizielle Ziel dieser Abkommen ist die Schaffung eines geeigneten Rahmens für den politischen Dialog50, die Unterstützung der Länder bei der Konsolidierung der Demokratie und der Entwicklung der

49 Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, Russland, Ukraine und Usbekistan. PKAs mit Weißrussland und Turkmenistan wurden zwar abgeschlossen, sind jedoch nicht in Kraft getreten. Mit der Mongolei besteht seit 1993 ein Handels- und Kooperationsabkommen

(http://ec.europa.eu/external_relations/ceeca/pca/index.htm).

50 Dieser findet auf Ministerebene im Kooperationsrat, auf parlamentarischer Ebene im parlamentarischen Ausschuss und auf Ebene der hohen BeamtInnen statt. Darüber hinaus kommen im Rahmen des politischen Dialogs diplomatische Kontakte und ExpertInnentagungen zustande.

Wirtschaft, die Begleitung beim Übergang zur Marktwirtschaft und die Förderung von Handel und Investitionen. Darüber hinaus soll eine Basis für die Kooperation in den Bereichen Gesetzgebung, Wirtschaft, Soziales, Finanzen, zivile Wissenschaft und Technik sowie Kultur geschaffen werden.

Allgemeine Grundsätze sind die Wahrung der Demokratie, des Völkerrechts und der Menschenrechte. Die Abkommen haben eine Laufzeit von zehn Jahren, werden aber nach Ablauf der Frist jeweils um ein Jahr verlängert, solange keine der Parteien Einspruch erhebt (http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/r17002.htm).

Die PKAs sehen zwar einen politischen Dialog zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit vor, beinhalten jedoch keine Suspensionsklausel (vgl. Börzel/Risse 2005: 11).

Daher kann durchaus festgestellt werden, dass die Liberalisierung des Handels und die wirtschaftliche Kooperation im Vordergrund der PKAs stehen.

„The PCAs mainly focus on trade matters and contain few references to European values. Values are not usually included as part of agreement provisions but rather highlighted on the preambles or introductory articles. Most provisions of the PCAs, however, do not explicitly refer to ‘shared values’ and instead focus on trade relations. […] In other words and to summarise, political values have not always ranked high on the political agenda of EU relations with its neighbours to the East” (Bosse 2007: 41f)51

Beim Warenhandel räumen die EU und die Partnerstaaten einander gegenseitig eine Meistbegünstigung ein, sobald diese Länder der WTO beigetreten sind. Somit gewähren die PKAs im Gegensatz zur Partnerschaft mit den südlich-mediterranen Staaten keine präferentiellen Handelsabkommen. Darüber hinaus unterscheidet die EU zwischen den europäischen und asiatischen Partnerstaaten, wonach die PKAs mit Russland, der Ukraine und Moldawien, sobald gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, Freihandelsabkommen vorsehen, während die Abkommen mit den südkaukasischen und zentralasiatischen Staaten dies nicht tun. Die Entscheidungen des Kooperationsrates, der sowohl die gegenseitige Handelsliberalisierung als auch den politischen Dialog beaufsichtigt, haben keine bindende Wirkung (vgl. Gstöhl 2007: 15).

51 An dem Umstand, dass die Handelsliberalisierung und die wirtschaftliche Kooperation im Zentrum stehen, ändern auch die seit 1999 bestehenden PKAs mit Georgien, Armenien und Aserbaidschan nichts, die alle im Gegensatz zu den PKAs mit der Ukraine und Moldawien einen Titel VII bezüglich der „Cooperation on matters relating to democracy and human rights“ mit identischem Wortlaut enthalten, in dem es unter anderem heißt: „The Parties shall cooperate on all questions relevant to the establishment or reinforcement of democratic institutions, including those required in order to strengthen the rule of law, and the protection of human rights and fundamental freedoms according to international law and OSCE principles.“ (PKAs Armenien/Aserbaidschan/Georgien 1999, zu finden unter http://ec.europa.eu/external_relations/ceeca/pca/index.htm) Die Aufnahme dieses Artikels spiegelt jedoch, wie Bosse (2007: 43) feststellt, keineswegs eine EU-weite Einsicht hinsichtlich der Bedeutung dieser Werte für die Beziehungen mit den Staaten des Südkaukasus wider, sondern kann vielmehr auf den Druck des Europäischen Parlaments zurückgeführt werden, das mit der Blockierung oder zumindest der Verzögerung des Beschlusses der PKAs drohte. Die Einbeziehung von Titel VII war demnach nicht mehr als eine strategisch motivierte Geste des Rates zur Besänftigung des Europäischen Parlaments.

Was die wirtschaftliche Zusammenarbeit betrifft, sind sich die meisten PKAs sehr ähnlich und konzentrieren sich hauptsächlich auf

• die wirtschaftliche und soziale Entwicklung;

• die Entwicklung der Humanressourcen und der Unternehmensförderung (insbesondere Privatisierung, Investitionen und Entwicklung der Finanzdienstleistungen);

• die Landwirtschaft und den Nahrungsmittelsektor;

• Energie, Verkehr, Tourismus, Umweltschutz, regionale Zusammenarbeit und Währungspolitik.

Die Zusammenarbeit soll zu Reformen, zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur nachhaltigen Entwicklung beitragen, wobei wirtschaftliche und soziale Reformen ebenso gefördert werden sollen wie die Umstrukturierung der Wirtschafts- und Handelssysteme. So beinhaltet jedes PKA eine Liste mit Initiativen in den genannten Bereichen und befasst sich ferner unter anderem mit dem Waren- und Dienstleistungsverkehr, der industriellen Zusammenarbeit, der Förderung und dem Schutz von Investitionen, dem öffentlichen Beschaffungswesen, Rohstoffen, der Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft und Forschung, Post- und Telekommunikationsdiensten, Finanzdienstleistungen, der Umstrukturierung und Privatisierung von Unternehmen, der regionalen Entwicklung und der Zusammenarbeit im Sozialbereich (http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/r17002.htm).

Das EU-Hilfsprogramm TACIS sollte die Partnerstaaten beim Übergang zur Marktwirtschaft, der Stärkung der Demokratie und der Rechtstaatlichkeit fördern und stützt sich dabei auf die Prinzipien und Ziele, die in den PKAs festgelegt sind. Von 2000-2006 war TACIS mit einem Budget von 3,138 Mrd. Euro ausgestattet, das vor allem für folgende Bereiche verwendet werden sollte (http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/r17003.htm):

• Unterstützung bei institutionellen, rechtlichen und administrativen Reformen;

• Unterstützung des Privatsektors und Hilfe bei der wirtschaftlichen Entwicklung;

• Hilfe zur Milderung der sozialen Folgen der Transformation;

• Entwicklung der Infrastruktur;

• Stärkung des Umweltschutzes und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen;

• Entwicklung der Landwirtschaft (Privatisierung des Bodens, Verbesserung des Vertriebs und des Marktzugangs).

Im Rahmen der PKAs nutzt die EU prinzipiell die selben Strategien und Instrumente wie bei der Osterweiterung – abgesehen von der Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der EU –, um die betroffenen Staaten zur Erfüllung der Kopenhagener Kriterien zu bewegen (vgl. Börzel/Risse 2005:

11). Somit kann man auf der Grundlage der Ausführungen zur Osterweiterung (siehe Kap. 6) schlussfolgern, dass die EU auch durch die PKAs versucht, ihren normativen, politischen und ökonomischen Rahmen auf die betroffenen Länder auszudehnen, um diese in das neoliberale europäische Regionalismusmodell einzubeziehen. Diese Europäisierungsstrategie hatte jedoch offenkundig kaum Erfolg; der Annäherungsprozess schritt nicht wie erwartet voran; beide Seiten erkannten auf der Gegenseite Verzögerungen und Umsetzungsprobleme. So bemerkt Stratenschulte (2005: 16f):

„Die Partnerschafts- und Kooperationsabkommen sollten die Demokratie und die Zivilgesellschaft fördern, die Wirtschaftsreformen und die ökonomische Zusammenarbeit unterstützen, den politischen Dialog ausbauen und die Partnerländer in die gesamteuropäische Sicherheitsordnung einbeziehen. Allerdings haben sie nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Zu vieles steht dort unverbunden und unverbindlich nebeneinander. In über hundert Artikeln sind der politische Dialog, die Respektierung demokratischer Prinzipien, die Schaffung einer Freihandelszone und die Intensivierung der wirtschaftlichen, finanziellen, wissenschaftlichen und kulturellen Kooperation vorgesehen, oftmals mit Formulierung wie der, man wolle dieses und jenes prüfen oder Empfehlungen erarbeiten.“

Sumylo (vgl. 2007: 174f) stellt unter besonderer Berücksichtigung des PKAs mit der Ukraine eine ähnliche Diagnose. Generell blieben die Ziele und Prioritäten des Abkommens sehr vage, und darüber hinaus enthielt es keine eindeutigen Verpflichtungen. Die EU-Mitgliedschaft wurde nicht in Aussicht gestellt, der größte Anreiz war eine Freihandelszone, wobei diese an die Bedingung der vollständigen Umsetzung des PKAs geknüpft war. Darüber hinaus waren zwar positive Anreize enthalten, klar definierte Sanktionen im Falle der Nichterfüllung existierten jedoch nicht. Demnach blieben die Möglichkeiten der EU zur Einflussnahme auf die Ukraine durch das PKA begrenzt.

Zugleich fühlte sich die Ukraine nur an solche Verpflichtungen gebunden, die keine großen Kosten verursachten. Schließlich war weitgehend unklar, woran sich die Fortschritte bei der Umsetzung des Abkommens bemessen sollten, da das Monitoring getrennt und jeweils nach eigenen Kriterien durchgeführt wurde. Da sich aus der Übernahme der Normen und Standards der EU keine unmittelbaren Vorteile ergaben, sahen die herrschenden Eliten generell wenig Anreize für die Umsetzung des PKAs.

Insgesamt erscheint es offensichtlich, dass die Ratio der ENP neben der bevorstehenden Osterweiterung vor allem die fehlgeschlagene ökonomische Europäisierung im Rahmen der PKAs darstellte. Diesbezüglich ist vor allem anzumerken, dass sich die sechs östlichen ENP-Partner nicht im von der EU erhofften Maße zu einem attraktiven Standort für ausländische Direktinvestitionen

entwickelten. Dies verdeutlicht bspw. der „Joint Report on the Implementation of the Partnership and Cooperation Agreement between the EU and Ukraine” (EU-Ukraine Kooperationsrat 2003), in dem neben weiterhin bestehenden Handelshemmnissen vor allen Dingen die unzulängliche Anpassung an den Binnenmarkt-acquis zur Verbesserung des Investitionsklimas bemängelt wird:

„Dialogue with European investors in Ukraine has highlighted difficulties for foreign investors.

Despite some notable success stories, levels of Foreign Direct Investment in Ukraine remain low.

[…] A number of specific problems in relation to implementation of the PCA provisions relating to business and investment have been identified as requiring particular attention.” (EU-Ukraine Kooperationsrat 2003: 18)

Um diese Mängel zu beheben, sollten die ENP-Aktionspläne „formal im Rahmen der weiterbestehenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommen – klare Prioritäten setzen, jährlich evaluiert werden und konditioniert sein.“ (Stratenschulte 2005: 17)