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Betrachtet man die Dynamik der beobachteten Angstreaktionen in einer angstauslösenden Situation, so stellt man fest, dass die Angstreaktion einen Maximalwert etwa zu Beginn des Angstereignisses aufweist. Nach diesem Zeitpunkt nimmt die Angststärke nicht weiter zu, um die Aktivierung des Körpers zur Reaktion auf die äußere Situation nicht zu beeinträchtigen (vgl. ROST 2001b, 339f; LEVINE et al. 1978, 6).

Angstereignis Angststärke

Angstvorwegverarbeitung Erwartungsspannung

Vorstartsituation

Zeit Beginn des

Angstereignisses

Abbildung 2: Angstdynamik (vgl. ROST 2001b, 340).

Dieser zeitliche Verlauf der Angststärke ist nur zu erreichen, wenn direkt nach der Bewertung der angstauslösenden Situation auch bereits Angstbewältigung einsetzt11. Diese Angst-bewältigung (engl. „Coping“) setzt direkt nach Bewertung einer Situation als bedrohlich ein (vgl. SÖRENSEN 1994, 28). Unter Coping12 versteht man also den gesamten Vorgang der Änderung von Verhalten, kognitiven Prozessen oder physiologischen Faktoren (vgl. LEVINE

et al. 1978, 6f).

11 Da der Angstreiz in der angstauslösenden Situation auch während des Angstereignisses vorhanden ist, würde die Angststärke sonst während des Angstereignisses weiter ansteigen.

12 Im Folgenden werden die Begriffe Angstbewältigung und Coping synonym verwendet.

„Coping may be defined as a process of using cognitive and behavioral efforts to manage specific external and/or internal demands that are appraised as taxing or exceeding the resources of the person.“ (in:

LAZARUS/FOLKMAN 1984, 141).

Dabei kann dieser Vorgang sowohl präemotional, das Angsterleben begleitend oder post-emotional ablaufen (vgl. LAUX/GLANZMANN 1996, 134).

Dies bedeutet aber, dass man bei jeder Messung und Betrachtung von Angst stets ein durch bereits erfolgtes bzw. parallel ablaufendes Coping „gefilterte“ Werte erhält – die Angstbe-wältigung stellt einen konstant vorhandenen, situationsabhängigen Moderator der Angst-intensität dar.

Von Bedeutung sind allerdings unterschiedliche Vorgehensweisen, Strategien und Stile des Copings. Das Wissen um die Wahl einer für die spezielle Situation geeigneten Art der Angst-bewältigung kann so im Sport nützlich sein, um erwünschte Erregungszustände zu erreichen.

1.3.1 Coping-Strategien

Betrachtet man den Prozess des Copings, so lässt sich das Angstbewältigen eines Probanden anhand der konkreten beobachtbaren Reaktionen nach Coping-Arten bzw. Coping-Strategien differenzieren. Nach LAZARUS unterscheidet man dabei zunächst zwischen instrumentellen (engl. „problem-focused-coping“) und palliativen (engl. „emotion-focused-coping“) Angst-bewältigungsformen (vgl. SÖRENSEN 1994, 28; EUBANK/COLLINS 2000, 122).

1.3.1.1 Instrumentelle Angstbewältigung

Die instrumentelle Bewältigung wirkt auf das Verhältnis zwischen Person und Umwelt ein – mit dem Ziel der Änderung der Situation. Es werden kognitive oder verhaltensbeobachtbare Versuche einer Problemidentifizierung und -lösung unternommen. Beispiele für solche Coping-Strategien sind z.B. die Neudefinition von Grenzen, Regeln, Vorgaben oder Zielen, die Identifikation alternativer Quellen der Befriedigung in der Situation, die Suche nach sozialer Unterstützung, das Aneignen neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Erhöhung eigener Anstrengung oder die Inanspruchnahme externer Hilfen durch Trainer, Experten oder Psychologen (vgl. ANSHEL et al. 2000, 753; GIACOBBI/WEINBERG 2000, 43).

1.3.1.2 Palliative Angstbewältigung

Die palliative Bewältigungsform dient einer Regulierung der Emotion, ohne auf die Angstsituation selbst einzuwirken. Gleichzeitig wird mitunter die Interpretation des angst-auslösenden Stimulus verändert, sodass die Bedeutung des Stressors für die Person verändert wird. Beispiele für diese Coping-Arten sind die Leugnung oder Verharmlosung einer Gefahrensituation oder der Rückzug in Wunschdenken oder Humor. Palliative Bewältigungs-formen werden hauptsächlich in nicht-kontrollierbaren Situationen eingesetzt (vgl. SÖRENSEN

1994, 29; ANSHEL et al. 2000, 753; GIACOBBI/WEINBERG 2000, 43).

1.3.2 Coping-Stile

In der kognitiven Bewertung einer angstauslösenden Situation neigen Personen (ausgehend von individuellen Merkmalen, Erfahrungen oder Präferenzen) dazu, aus den zur Verfügung stehenden Coping-Strategien nur bestimmte bevorzugt auszuwählen. Diese Wahl aus den oben angeführten Bewältigungsstrategien wird als Coping-Stil bezeichnet. Man differenziert dabei die Coping-Stile nach zwei auftretenden Klassen:

• Anstreben von Kontrolle über die Bedrohung (engl. „approach coping“), auch als Vigilanz bezeichnet (vgl. HINDEL/KROHNE 1988, 42)

• Meidung bedrohensbezogener Informationen, Vermeidung (engl. „repressive coping“)

Innerhalb dieser Klassen sind sowohl instrumentelle als auch palliative Bewältigungsformen zu finden – Coping-Stile entstehen nur aus den Vorzügen eines Individuums bei der

„typischen“ Auswahl von Coping-Strategien (vgl. ANSHEL et al. 1997, 142f; ANSHEL et al.

2000, 754f; HINDEL/KROHNE 1988, 42).

1.3.3 Coping in Abhängigkeit von Persönlichkeits- und Situationsmerkmalen Ausgehend von einer differentialpsychologischen Betrachtungsweise stellt sich die Frage, welche weiteren Faktoren über die Wahl konkreter Angstbewältigungs- oder Coping-Strategien entscheiden. Neben dem Coping-Stil scheinen hierbei die persönlichen Variablen der Ängstlichkeit (Trait-Anxiety), der Erfahrung13 und des Geschlechts von Bedeutung zu

13 Der Begriff der Erfahrung versteht sich hier als „Angsterfahrung“, also das Wissen über erfolgreiche Angst-bewältigung in vergleichbaren Situationen (vgl. URSIN 1978, 217; LAZARUS 2000, 233).

sein. Weiterhin spielt das Erleben der konkreten Situation und eine Evaluation der eigenen Ziele und Handlungsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle bei der Wahl einer „passenden“

Coping-Strategie (vgl. HINDEL/KROHNE 1988, 42; ANSHEL et al. 1997, 147).

Hinsichtlich der Ängstlichkeit zeigt u.a. eine Untersuchung von GIACOBBI und WEINBERG

(2000), dass mit steigenden Werten der Eigenschaftsangst von den Probanden zunehmend palliative Angstbewältigungsstrategien wie Leugnung, Wunschdenken und Humor in (sportlichen) Angstsituationen angewandt werden (vgl. GIACOBBI/WEINBERG 2000, 58f). In gewissen sportlichen Situationen sind diese repressiven palliativen Strategien aber für das Erreichen optimaler Leistung eher hinderlich: Ein Sportler, der Frustration oder Angst erlebt, sollte eher aktive, instrumentelle Bewältigungsformen14 anstreben. Statistisch zeigt sich, dass diese instrumentellen Coping-Strategien zumindest von Mannschaftssportlern bevorzugt gegenüber palliativen oder Vermeidungsstrategien genutzt werden (vgl. NTOUMANIS/BIDDLE

2000, 362; GIACOBBI/WEINBERG 2000, 59).

Andererseits zeigten Versuche von HINDEL/KROHNE (1988) und ANSHEL et al. (2000) an Individualsportlern umgekehrte Tendenzen. Diese Sportler wendeten verstärkt Vermeidungs-strategien an, um eine maximale Leistung zu erreichen. Dieser Unterschied wird von den Autoren dadurch erklärt, dass in den Individualsportarten mitunter repressive Strategien als

„Ausblendung“ unerwünschter, ablenkender Sinneseindrücke oder Emotionen durchaus von Nutzen sein können, um z.B. bessere Konzentrationsleistungen im Rahmen der zu bewältigenden motorischen Aufgabe zu ermöglichen (vgl. HINDEL/KROHNE 1988, 49;

ANSHEL et al. 2000, 769). Mannschaftssportarten hingegen erfordern häufig eine viel zu breit gefächerte Aufmerksamkeit unterschiedlichster Komponenten, sodass hier eine repressive

„Ausblendung“ nicht sinnvoll erscheint (vgl. D’URSO et al. 2002, 193).

Betrachtet man die Erfahrung von Probanden innerhalb einer Angstsituation, so lassen sich sehr deutliche Vorteile von „Experten“ gegenüber Anfängern in einer identischen Angstsituation nachweisen. So zeigten beispielsweise die Untersuchungen an Fallschirm-sprungschülern von URSIN et al. (1978), dass bei Fallschirmspringern bereits nach etwa einer Woche Sprungdienst die physiologischen Messgrößen der Konzentrationen von Kortisol und freien Fettsäuren im Blut der Probanden wieder ihren Grundwert erreicht hatten (vgl. LEVINE

1978, 54f). Fragebogenmessungen zum kognitiven Erleben der Angst beim

14 Wie z.B. eine größere Anstrengung oder die kognitive Entwicklung von Lösungsplänen.

springen bestätigten, dass die fortgeschrittenen Springer deutlich niedrigere Angstwerte aufgrund neu gebildeter Coping-Strategien aufwiesen. Identische Resultate mit einer starken Gewichtung dieser kognitiven Effekte wurden von KARGE (1994) und FALK/BAR-ELI (1995), ebenfalls in Untersuchungen an Fallschirmsprungschülern und erfahreneren Springern, erzielt (vgl. KARGE 1994, 78f) – gleiches gilt für die Untersuchung von DURTSCHI (2001) (vgl.

DURTSCHI 2001, 192f). Aufgrund einer geringen Probandenzahl konnte die statistische Signi-fikanz in der Untersuchung von FALK/BAR-ELI allerdings nicht für alle Teilergebnisse nach-gewiesen werden (vgl. FALK/BAR-ELI 1995, 116).

Bezüglich des Geschlechts wird in der Literatur von Unterschieden bei der typischen Wahl von Bewältigungsstrategien berichtet. So sollen Frauen häufiger als Männer auf palliative Coping-Strategien im Sport zurückgreifen (vgl. ANSHEL et al. 1997, 145).

Zusammenfassend sei nochmals hervorgehoben, dass Angstbewältigung aufgrund der zeitlich parallelen Auslösung und der stetigen Rückkopplung während des Angsterlebens als integraler Bestandteil der Emotion Angst anzusehen ist. Jede Untersuchung oder Messung von Angst betrachtet eine stetige dynamische Wechselwirkung von Angstreiz, Bewertung und Bewältigung (vgl. LAZARUS 2000, 235).

Das Wissen um die verschiedenen Coping-Strategien und -Stile ist für den einzelnen Sportler im Sinne einer optimalen Emotionsregulation wichtig. Durch die Auswahl einer für die jeweilige Situation „passenden“ Angstbewältigungsstrategie lassen sich erwünschte Erregungszustände gezielt ansteuern – weiterhin kann das naive Wählen unzweckmäßiger Coping-Arten mit daraus möglicherweise resultierenden Leistungseinbußen vermieden werden (vgl. NTOUMANIS/BIDDLE 2000, 369; ANSHEL et al. 2000, 771).

2 Angstmessung

Um eine objektive Beschreibung von Angst und z.B. den Vergleich von Angstzuständen zu ermöglichen, benötigt man Instrumente zum Messen von Angst. Es können aber natürlich immer nur die Auswirkungen von Angst, die Reaktionen auf das Angsterleben, gemessen werden – Angst als Konstrukt ist nicht direkt messbar. Man benötigt also diagnostische Verfahren, die nach außen sichtbare Indikatoren von Angst messbar machen. Diese Indikatoren des Angsterlebens lassen sich nach allgemeinen Komponenten der Angst unterscheiden (vgl. SÖRENSEN 1994, 106; LAZARUS-MAINKA/SIEBENEICK 2000, 37f).