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III Empirischer Teil

3.1 Beschreibung der Probandengruppe

Formationsspringer, die an den oben genannten Wettkämpfen teilnahmen, wurden gefragt, ob sie an einer sportwissenschaftlichen Untersuchung teilnehmen würden. Hierbei wurde ihnen die Voraussetzung, bei Trainings- und Wettbewerbssprüngen ein Gerät zur Messung und Speicherung der Herzfrequenz zu tragen und nach der Landung jeweils einen Fragebogen auszufüllen, mitgeteilt. Alle Befragten bildeten eine Gruppe von insgesamt 88 Probanden aus 10 Nationen (30 Frauen und 58 Männer), die 218 Sprünge im Rahmen der Untersuchungen durchführten. Das Alter der Probanden betrug durchschnittlich 34,0(63) Jahre96 (Min.: 19;

Max.: 58), die Sprungerfahrung gemittelt 2537(2304) Sprünge (Min.: 290; Max.: 13000).

Vor Beginn der Untersuchung füllten die Probanden einen Fragebogen zu allgemeinen Grunddaten wie Alter, Geschlecht, Sprungerfahrung und weiteren Größen sowie einen Bogen mit der Trait-Anxiety Skala des STAI nach SPIELBERGER zur Ermittlung der Eigenschafts-angst aus. Beide Fragebögen finden sich im Anhang dieser Arbeit. Im Rahmen der weiteren Betreuung der Testpersonen wurde der persönliche Ruhepuls, jeweils sofort nach dem Er-wachen am Morgen, festgestellt.

Die Probanden wurden dann anhand ihrer Eigenschaftsangst in drei Gruppen, jeweils nach niedriger, mittlerer und hoher Ängstlichkeit97, aufgeteilt.

Da die Probanden im Rahmen der Untersuchungen unterschiedlich viele Sprünge durch-führten, ist die Anzahl der Probanden pro Gruppe sehr unterschiedlich. Die Einteilung der Gruppen erfolgte jedoch so, dass die Gesamtzahl der beobachteten Sprünge pro Gruppe einheitlich bei etwa 70 beobachteten Sprüngen pro Ängstlichkeitsgruppe liegt.

96 Vgl. Anm. 10 auf Seite 11.

97 Zu beachten ist, dass es sich hierbei um relative Werte handelt.

Tabelle 6 bis Tabelle 8 zeigen die Gruppeneinteilungen der Probanden98, sowie Geschlecht, Disziplin99, Sprungerfahrung und die Anzahl der durchgeführten Sprünge.

Tabelle 6: Die Probanden der Gruppe 1: Niedrige Ängstlichkeit.

Ängstlichkeits-gruppe Proband m/w Alter Disziplin Sprung-erfahrung

Die Gruppe 1 der Probanden mit einer niedrigen Eigenschaftsangst100 besteht aus 8 Frauen und 24 Männern. Das Durchschnittsalter beträgt 35,0(72) Jahre, die mittlere Sprungerfahrung 3212(3103) Sprünge. Abbildung 21 zeigt die Verteilung von Alter und Sprunganzahl innerhalb dieser Gruppe.

98 Die mittleren Stellen des Probandenkürzels geben an, aus welcher Mannschaft der Proband stammt. Die letzte Stelle des Kürzels bezeichnet die Sprache der verwendeten CSAI-2- und STAI-Fragebögen: D steht für Deutsch, EN für Englisch, SP für Spanisch, NO für Norwegisch und RU für Russisch.

99 Einige der Probanden starteten gleichzeitig mit verschiedenen Mannschaften sowohl in der 4er- als auch der 8er-Wertung. Daher sind mehrere Einträge in den Disziplinspalten von Tabelle 6 bis Tabelle 8 möglich.

100 Ängstlichkeitswerte ≤ 29 auf der Trait-Skala des STAI.

Abbildung 21: Histogramme von Alter und Sprungerfahrung der Gruppe 1 mit niedriger Eigenschaftsangst.

Tabelle 7: Die Probanden der Gruppe 2: Mittlere Ängstlichkeit.

Ängstlichkeits-gruppe Proband m/w Alter Disziplin Sprung-erfahrung

Die zweite Gruppe101 besteht aus 6 Frauen und 19 Männern mit einem Durchschnittsalter von 32,8(43) Jahren und einer gemittelten Sprunganzahl von 2468(1678) Sprüngen.

101 Werte der Eigenschaftsangst größer als 29 und ≤ 33 auf der Trait-Skala des STAI.

Abbildung 22: Histogramme von Alter und Sprungerfahrung der Gruppe 2 mit mittlerer Eigenschaftsangst.

Tabelle 8: Die Probanden der Gruppe 3: Hohe Ängstlichkeit.

Ängstlichkeits-gruppe Proband m/w Alter Disziplin Sprung-erfahrung

Die dritte Gruppe mit Probanden einer hohen Eigenschaftsangst102 setzt sich aus 16 Frauen und 15 Männern mit einem Durchschnittsalter von 33,9(67) Jahren und einer Sprungerfahrung von 1896(1565) Sprüngen zusammen.

Abbildung 23: Histogramme von Alter und Sprungerfahrung der Gruppe 3 mit hoher Eigenschaftsangst.

Die Aufteilung der drei Gruppen anhand der Eigenschaftsangst ist recht homogen: Die Standardabweichungen des Alters betragen 20,6%, 13,1% bzw. 19,8% der jeweiligen Mittelwerte. Die Standardabweichungen der Sprungerfahrungen liegen mit 96,6%, 68,0% und 82,5% eher etwas weiter auseinander. Die Prüfung auf Normalverteilung nach SHAPIRO -WILKS ergibt allerdings, dass die Zusammensetzung der Gruppen nur in zwei Fällen statistisch signifikant einer Normalverteilung entspricht. Da die Messgrößen Alter und Sprungerfahrung jedoch nur deskriptiven Charakter im Rahmen der Untersuchungen haben und nicht weiter betrachtet werden, ergeben sich aus dieser Nicht-Normalverteilung keine Konsequenzen.

3.2 Untersuchungsverlauf

Alle Probanden wurden vor den untersuchten Sprüngen mit einem POLAR „Accurex Plus“

Herzfrequenzmessgerät ausgestattet, das während eines gesamten Sprungablaufs alle fünf Sekunden die Herzfrequenz der Testperson abspeicherte. Jeweils zum Aufzeichnungsbeginn wurden die Messgeräte mit einer Stoppuhr synchronisiert, um die Herzfrequenz zu den

102 Werte größer oder gleich 34 auf der Trait-Skala des STAI.

genauen Zeiten für den Start der Absetzmaschine, den ca. 15minütigen Steigflug bis zur Sprunghöhe, die Absprung-, Schirmöffnungs- und Landungsphase zu erhalten. Zusätzlich wurden die Probanden angewiesen, jeweils beim Start des Flugzeugs, beim „Run-In“-Signal ca. eine Minute vor dem Absprung und nach erfolgter Fallschirmöffnung eine Markierungs-taste an den POLAR-Geräten zu betätigen.

Abbildung 24: Absetzflugzeug DHC-6 „Twin Otter“ während der WM 1999 von außen und innen (Foto: Ted Wagner).

Sämtliche Sprünge wurden aus Absetzflugzeugen vom Typ DeHavilland DHC-6 „Twin Otter“ durchgeführt, da alle im Rahmen der Untersuchungen beobachteten Wettbewerbe ausschließlich diesen Flugzeugtyp nutzten. Dabei wurden jeweils entweder zwei Achtermann-schaften auf 4000m bzw. vier Viererteams auf 3200m Höhe über Grund gebracht. Die Wettkämpfer saßen in dem Flugzeug aus Platzgründen auf dem Boden – erst ca. 500m vor Erreichen der Absprunghöhe ist ein gebücktes Stehen zur Vorbereitung auf den Absprung möglich.

Nach dem Ablegen der Sprungausrüstung103 erhielten die Testpersonen einen CSAI-2 Frage-bogen nach MARTENS zur Messung der Zustandsangstkomponenten mit der Anweisung, diesen Fragebogen jeweils nach den Gefühlen zu den Zeitpunkten „Start des Flugzeugs“,

„Eine Minute vor dem Absprung“ und „Im Freifall“ zu beantworten. Anhand der Frage-bogenskalen wurden dann die kognitive und somatische Angstkomponente sowie die Selbst-wirksamkeitsüberzeugung ermittelt.

Zur Ermittlung der Leistungswerte erhielt jeder Proband die Aufgabe, seine persönliche im Sprung erbrachte Leistung auf einer freien Skala von 0%-100% zu bewerten. Für den

103 Etwa 2 bis maximal 5 Minuten nach der Landung.

Untersuchungsteil während der Weltmeisterschaften 1999 wurde dabei eine deutsche, englische, spanische, russische und norwegische Fassung bzw. Übersetzung des CSAI-2 ver-wendet; die Untersuchungsteile der Deutschen Meisterschaften 2000 und 2002 nutzten nur die deutsche Version. Die letzte Stelle der Probandenkürzel gibt jeweils Auskunft über die Sprache der verwendeten Fragebögen104 – der Großteil der Probanden nutzte die deutsche bzw. englische Originalfassung des CSAI-2 und STAI.

Die Herzfrequenzwerte wurden mittels eines POLAR „Interface Plus“ in den Computer eingelesen. In einem 30-Sekunden-Intervall um die drei obigen Zeiten des Fragebogens wurden Durchschnittswerte ∆HF errechnet.

Um diese Werte besser zwischen den Probanden vergleichen zu können, wurden die Durchschnittswerte mittels Ruhepuls HFRuhe und maximaler Herzfrequenz105 auf eine standardisierte Skala der physiologischen Aktivierung umgerechnet. Diese Skala reicht von 0% bis 100% bzw. von 0 bis 1.

Maximal

HF

Gleichung 5: Berechnung der physiologischen Aktivierung.

Ruhe Maximal

Ruhe

HF HF

HF v HF

physioakti

= ∆

Somit existierte für jeden beobachteten Sprung eines Probanden jeweils zu drei Zeiten eine Kombination der Messwerte von kognitiver und somatischer Angstkomponente, physio-logischer Aktivierung und Selbstwirksamkeit, zusätzlich die Note der Selbstbeurteilung der erbrachten Leistung im Sprung.

104 Vgl. Anm. 98 auf Seite 93.

105 Angenähert durch die Formel HFMaximal=220Lebensalter (nach FOX et al. 1971).

4 Kritik an der Methodik

Die Untersuchungen im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten an internationalen Versuchspersonen während dreier wichtiger Wettkämpfe durchgeführt werden – dies stellte eine einmalige Chance dar, eine hoch professionelle Probandengruppe unter Wettbewerbs-stress zu untersuchen. Dabei wurden die Untersuchungen so geplant, dass sie die Wett-kämpfer möglichst wenig ablenkten, denn sämtliche Daten wurden parallel während des Wettkampfablaufes gewonnen. Sicherlich waren hierfür geringfügige Einschränkungen (z.B.

hinsichtlich des Zeitpunktes der Fragebogenerhebungen) vonnöten, die sich kritisieren lassen, andererseits gelang es im Rahmen der Untersuchungen aber auch, einige der Schwächen und Kritikpunkte vorhergehender Untersuchungen im Fallschirmsport zu vermeiden. Im Folgenden wird auf mögliche Kritikpunkte an Planung und Durchführung dieser Unter-suchungen eingegangen.