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Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Im Dokument Länderprofil Turkmenistan (Seite 6-11)

Grafik: Verfolgungsmuster Turkmenistan Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex.

Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Das Verfolgungsmuster zeigt:

Der durchschnittliche Druck auf Christen ist genau wie im Jahr 2020 sehr hoch (13,7 Punkte). Der Druck erhöhte sich in den Bereichen Familienleben und Leben im Staat, während er in den Bereichen Privatleben, gesellschaftliches Leben und kirchliches Leben gleichblieb.

Extrem hoch sind die Bewertungen für die Bereiche kirchliches Leben (15,7),

Privatleben (14,5) und gesellschaftliches Leben (13,8). Die Tatsache, dass der Bereich kirchliches Leben am höchsten eingestuft wurde, spiegelt die vielen Restriktionen wider, die den Christen vom Staat auferlegt werden.

Die Punktzahl für das Auftreten von Gewalt ist niedrig und sank von 1,9 Punkten im Weltverfolgungsindex 2020 auf 1,5 im Weltverfolgungsindex 2021. Es wurden nur sehr wenige gewaltsame Vorfälle gemeldet.

Zu jedem untersuchten Lebensbereich sind im Folgenden vier der jeweils am höchsten bewerteten Fragen des Fragebogens, der zur Erstellung des Weltverfolgungsindex ausgefüllt wird, sowie Erkenntnisse aus deren Beantwortung angeführt. Den vollständigen Fragebogen finden Sie unter: www.opendoors.de/methodik

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Privatleben

War es gefährlich, privat christliche Materialien zu besitzen oder aufzubewahren?

Bei Christen muslimischer Herkunft geht die Verfolgung von der Familie oder ihrem sozialen Umfeld aus, wenn diese christliche Materialien bei ihnen finden. Christliche Materialien werden als eindeutiger Beweis für einen Glaubenswechsel angesehen. Wenn solche Materialien gefunden werden, werden sie zerstört und gegen die betroffene Person wird hart vorgegangen. Die Regierung fordert strikt, dass jegliche religiöse Literatur – unabhängig davon, ob sie ins Land eingeführt oder vor Ort gedruckt wird – von den staatlichen Behörden überprüft werden muss. Andernfalls gelten die Materialien als illegal und sind verboten. Auf der Suche nach illegalen religiösen Materialien führt die Polizei regelmäßig Razzien in Häusern und Kirchen durch. Ein Gemeindeleiter sagte: „Alle elektronischen Geräte,

Computer, Mobiltelefone etc. werden beschlagnahmt und auf ihren Inhalt hin überprüft.“

War es für Christen riskant, christliche Bilder oder Symbole zu zeigen?

Christen muslimischer Herkunft wissen, dass ein Kreuz oder andere christliche Symbole unerwünschte Aufmerksamkeit von ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld erregen. Auch für Christen aus protestantischen Freikirchen ist dies riskant, weil sie damit rechnen müssen, dass die muslimische Gemeinschaft ihnen versuchte Evangelisation vorwirft. Christen

muslimischer Herkunft und protestantische Christen ziehen auch unerwünschte Aufmerksamkeit von Beamten auf sich, wenn sie offen christliche Symbole tragen.

War es riskant für Christen, auf christliche Radiostationen, TV-Sender oder christliches Material im Internet zuzugreifen?

Christen muslimischer Herkunft müssen sehr vorsichtig sein, wenn sie von zu Hause aus auf christliche Sendungen oder Webseiten zugreifen. Werden sie entdeckt, sind heftige

Reaktionen seitens der anderen Familienmitglieder zu befürchten. Der Zugriff auf

ausländische christliche Medien ist für alle Christen in Turkmenistan schwierig. Der Zugang zum Internet erfolgt über staatliche Internetanbieter und wird daher überwacht.

Wurde ein Wechsel der Religion (auch der Wechsel der Denomination innerhalb des Christentums) abgelehnt, verboten oder mit einer Strafe belegt?

Eine Konversion zum christlichen Glauben wird als Verrat an der Familie und der Kultur sowie am Islam angesehen. Dies kann auch zu körperlicher Gewalt führen. Offiziell gibt es kein Hindernis für einen Glaubenswechsel, da die Gesetze säkular sind. Die Regierung missbilligt jedoch alles, was zu Spannungen innerhalb der Bevölkerung führen könnte.

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Familienleben

Wurden christliche Taufen behindert?

Für die Familie, Freunde und das soziale Umfeld von Christen muslimischer Herkunft gilt die Taufe als endgültiger Abschied vom Glauben der Vorfahren und stößt deshalb auf

Widerstand. Taufen in nicht registrierten Kirchen sind untersagt. Sollte der Staat davon erfahren, führen die Behörden eine Razzia durch, und die anwesenden Christen werden verhört und mit einer Geldstrafe belegt.

Wurden Eltern daran gehindert, ihre Kinder nach ihrem christlichen Glauben zu erziehen?

Muslimische Angehörige versuchen, die Kinder von Christen muslimischer Herkunft beim Islam zu halten und sie nach traditionellen Bräuchen zu erziehen. Es gibt keinen offiziellen Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen; der private Religionsunterricht wird von der Regierung eingeschränkt.

Wurden christliche Kinder unter Druck gesetzt, auf irgendeiner Bildungsebene an

antichristlichem oder an die Mehrheitsreligion propagierendem Unterricht teilzunehmen?

Das muslimische Umfeld (Familie, Freunde, Gesellschaft) drängt besonders Kinder von Christen muslimischer Herkunft dazu, den Islamunterricht zu besuchen – manchmal sogar gegen den Willen der Eltern. Die Teilnahme an allen Aktivitäten, die von Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen organisiert werden, ist für die Schüler verpflichtend.

Sind Kinder von Christen wegen des Glaubens ihrer Eltern schikaniert oder diskriminiert worden?

Kinder von Christen muslimischer Herkunft und Christen aus protestantischen Freikirchen werden in der Regel von der Gemeinschaft mit anderen Kindern ausgeschlossen. Oft werden sie in den Schulen vor den anderen Kindern gedemütigt und verleumdet.

Gesellschaftliches Leben

Wurden Christen im Alltag aus religiösen Gründen belästigt, bedroht oder behindert (z. B.

weil sie sich nicht an durch die Mehrheitsreligion oder die Tradition vorgeschriebene Kleiderordnungen usw. halten)?

Christen muslimischer Herkunft werden von der Familie, Freunden und dem sozialen Umfeld (einschließlich der lokalen muslimischen Anführer) bedroht, um sie dazu zu bewegen, ihren neuen Glauben aufzugeben. Lokale muslimische Gemeinschaften schikanieren auch

protestantische Christen, die sie der Evangelisation beschuldigen. (Nicht registrierte) Protestantische Gemeinden werden von den Behörden schikaniert, bedroht, diskriminiert und bei ihren Aktivitäten behindert.

Seite 9 Wurden Christen von ihren lokalen Gemeinschaften oder von privaten Gruppen überwacht (dazu gehören auch Meldungen an die Polizei, Beschattung, das Abhören von

Telefonleitungen, das Lesen/Zensieren von E-Mails usw.)?

Christen muslimischer Herkunft werden von Mitgliedern ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld überwacht. Auch Christen aus protestantischen Gemeinden werden von ihren muslimischen Nachbarn überwacht, da ihnen grundsätzlich unterstellt wird, sie würden evangelisieren. Der Staat überwacht fortwährend alle religiösen Aktivitäten, sogar indem er Spitzel in religiöse Gemeinschaften einschleust.

Wurden Christen aus religiösen Gründen mit Geldstrafen belegt (z. B. Dschizya-Steuer, Gemeindesteuer, Schutzgeld)?

Die Erhebung von muslimischen Steuern (Dschizya) ist in Turkmenistan nicht erlaubt. Von staatlicher Stelle werden häufig Bußgelder verhängt. Christen werden für eine schier endlose Liste von Vergehen bestraft, wie z. B. illegale Treffen, Besitz von religiöser Literatur,

christliche Lieder auf ihren Smartphones etc.

Wurden Christen aus religiösen Gründen verhört oder gezwungen, sich bei der örtlichen Bürgerwehr/Polizei zu melden?

Christen muslimischer Herkunft, deren neuer Glaube bekannt geworden ist, werden von ihrer Familie und den Menschen in ihrem sozialen Umfeld schikaniert und streng verhört.

Der Staat führt regelmäßig Razzien bei christlichen Versammlungen durch, auch bei denen von registrierten Gruppen. Alle Anwesenden werden verhört, und viele von ihnen verhaftet und mit einer Geldstrafe belegt. Alle gefundenen Materialien werden beschlagnahmt.

Leben im Staat

Schränkt die Verfassung (oder vergleichbare nationale oder staatliche Gesetze) die Religionsfreiheit, basierend auf der Formulierung in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, ein?

Das turkmenische Religionsgesetz (aus dem Jahr 2016) enthält viele Einschränkungen der Religionsfreiheit, darunter ein Verbot nicht registrierter religiöser Organisationen (obwohl es für eine Gemeinde praktisch unmöglich ist, eine offizielle Registrierung zu erhalten).

Außerdem verbietet das Gesetz privaten Religionsunterricht, fordert die Überprüfung religiöser Literatur durch die Behörden etc.

Wurden Christen durch das Gesetz oder in der Praxis gezwungen, gegen ihr Gewissen zu handeln, z. B. beim Militärdienst oder in bestimmten Berufen?

Der Militärdienst ist obligatorisch und Christen können den Dienst in der Armee nicht aus Gewissensgründen verweigern.

Seite 10 Wurden die Christen daran gehindert, ihre Ansichten oder Meinungen in der Öffentlichkeit zu äußern?

Alle Medien werden staatlich kontrolliert, was es für Christen unmöglich macht, ihre Ansichten in der Öffentlichkeit kundzutun. Auch der Internetzugang wird kontrolliert und christliche Meinungsäußerungen werden blockiert. Muslime betrachten christliches Predigen/Evangelisieren als nicht wünschenswert und verhindern es deshalb mit allen verfügbaren Mitteln.

Sind christliche Organisationen der Zivilgesellschaft oder politische Parteien aufgrund ihrer christlichen Überzeugung in ihrer Arbeit behindert oder verboten worden?

Der Staat lässt christliche Organisationen oder christliche politische Parteien nicht zu.

Muslime würden christliche Organisationen außerdem als Versuch der Missionierung betrachten und ihnen daher Widerstand entgegenbringen.

Kirchliches Leben

War es für Kirchen schwierig, von behördlichen Stellen eine Registrierung oder einen offiziellen Status zu erhalten?

Im Jahr 2016 wurde ein neues Religionsgesetz eingeführt, das die Anzahl der Mitglieder, die für die Registrierung einer Gemeinde notwendig sind, von 5 auf 50 erhöht hat. Allerdings war es schon vorher praktisch unmöglich, eine Registrierung zu erhalten. Gleichzeitig sind nicht registrierte Kirchen und Hauskreise verboten. Alle registrierten Kirchen mussten bzw.

müssen nach dem neuen Gesetz den Prozess der Neuregistrierung durchlaufen. Die

Neuregistrierung ist für die vormals registrierten Kirchen alles andere als einfach. Ein großes Hindernis ist der Mangel an Gebäuden. Die Gemeinden müssen einen Nachweis vorlegen, dass sie Räumlichkeiten zum Gottesdienst entweder besitzen oder mieten. Es ist praktisch unmöglich, Räumlichkeiten zur Miete zu finden, zumal die Eigentümer möglicher Gebäude vom Staat davor gewarnt werden, an protestantische Gemeinden zu vermieten. Auch russisch-orthodoxe Gemeinden und andere traditionelle Kirchen müssen bzw. mussten sich neu registrieren lassen.

Wurde die Arbeit mit Jugendlichen gezielt eingeschränkt?

Nur registrierten Kirchen sind Angebote für Jugendliche erlaubt – und auch nur dann, wenn sie das schriftliche Einverständnis beider Elternteile der jeweiligen Kinder vorweisen können.

Allerdings werden alle Treffen, bei denen Kinder und Jugendliche anwesend sind

(insbesondere Sommerlager), regelmäßig kontrolliert und es werden Razzien durchgeführt.

Das muslimische Umfeld bringt christlichen Aktivitäten, die sich an Jugendliche richten, Widerstand entgegen. Es ist üblich, dass Jugendveranstaltungen und Sommerlager vom muslimischen Umfeld blockiert wird.

Seite 11 Wurden die Christen bei der Ausbildung ihrer eigenen religiösen Leiter behindert?

Offiziell sollte die Ausbildung von Gemeindeleitern in speziellen religiösen Einrichtungen erfolgen, die eine staatliche Lizenz besitzen und die nur von den Behörden überprüfte Bildungsmittel verwenden. Allerdings gibt es in Turkmenistan keine einzige christliche Bildungseinrichtung – nicht einmal die Russisch-Orthodoxe Kirche hat ein Priesterseminar.

Die religiöse Ausbildung auf privatem Weg ist ebenfalls verboten.

Wurden die Kirchen daran gehindert, christliches Material aus dem Ausland zu importieren?

Alle importierten religiösen Materialien müssen die offizielle Prüfung durchlaufen. In den meisten Fällen werden die Artikel beschlagnahmt und vernichtet. Aus diesem Grund versuchen Christen aus protestantischen Gemeinden erst gar nicht, gedruckte Materialien nach Turkmenistan hineinzubringen. Wenn Muslime mitbekommen, dass Christen religiöse Materialien illegal importieren, melden sie es sofort den Behörden.

Auftreten von Gewalt

Im Berichtszeitraum für den Weltverfolgungsindex 2021:

Angriffe auf Christen: Quellen berichten, dass mindestens 47 Christen körperlich misshandelt und geschlagen wurden. Die meisten dieser Opfer waren Frauen.

Inhaftierung von Christen: Quellen berichten, dass mindestens 31 Christen inhaftiert wurden. Dies geschah im Dezember 2019. Die Polizei stürmte ein Haus, in dem einige Frauen eine geheime Weihnachtsfeier abhielten.

Beschädigung von Häusern und Eigentum von Christen: Es wurden drei Razzien in den Häusern von protestantisches Christen gemeldet.

Im Dokument Länderprofil Turkmenistan (Seite 6-11)