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Bessere Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle und die Sektorkopplung

Zentrale Elemente eines jeden Geschäftsmodells sind – neben den Kosten – die Erlösquelle, die Zielgruppe und der Mehrwert für den Kunden und die vom Anbieter auszuführenden

Schlüsselaktivitäten. Bezogen auf das Modell der bedingten Bestellleistung ergeben sich daher rund um die Nutzung von Flexibilitäten neue Möglichkeiten für Anbieter und Endkunden.

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Die primäre Erlösquelle, die über neue Geschäftsmodelle erschlossen werden kann, sind Ersparnisse bei den Netzentgelten, die im Jahr 2017 bei Haushaltskunden knapp 25 % und im Industriesektor bis zu 19 % des Strompreises ausmachten.42 Da für flexibel steuerbare Verbrauchseinrichtungen bzw.

Erzeuger die bedingte und damit günstigere Netznutzung gewählt werden kann, sind im Vergleich zur vollständig unbedingten Netznutzung deutliche Einsparungen möglich. Dieses Einsparpotenzial kann entweder über die Netznutzer selbst oder mithilfe von Dritten (z. B. Lieferant, Aggregator) erschlossen werden.

Eine weitere Erlösquelle eröffnet sich, wenn auch das Arbeits-/Leistungspreis-Verhältnis zugunsten des Leistungspreises verschoben wird. Von einem höheren Leistungspreis bzw. der flexibel steuerbaren Leistungsverschiebung profitieren v. a. stromintensive Anwendungen (beispielsweise Power-to-Heat-Anlagen oder Ladeinfrastrukturen für Elektromobile).

Zielgruppen von neuen Geschäftsmodellen sind v. a. Eigentümer von steuerbaren und flexibel

einsetzbaren Verbrauchs-/Erzeugungseinrichtungen. Neue Chancen ergeben sich somit besonders für:

 Gewerbe- und Industrieunternehmen, die ihre Produktion zeitlich und/oder leistungsmäßig verändern können

 Haushaltskunden, die als Prosumer über steuerbare Verbrauchs-, Erzeugungs- und/oder Speichereinrichtungen verfügen

 Mobilitätsanbieter, die die Be-/Entladungssteuerung von Flotten- oder Einzelfahrzeugen zeitlich und/oder leistungsmäßig anpassen können

 Gewerbe- und Industrieunternehmen, die Power-to-Heat-Anwendungen betreiben und diese zeitlich oder leistungsmäßig beeinflussen können.

Eine neue Netzentgeltsystematik mit bedingter Bestellleistung verbessert die Wirtschaftlichkeit dieser Technologien und fördert die Sektorenkopplung.

Der Mehrwert, der für Kunden mittels dieser neuen Geschäftsmodelle geschaffen werden kann, bezieht sich hauptsächlich auf die zu erreichende Kostenersparnis. Ob dieser Effekt vollständig beim

Endkunden ankommt oder ob der Lieferant einen Anteil davon zu Refinanzierung seiner

Zusatzaufwände und zur Abfederung von Risiken in der Prognose/Beschaffung verwendet, hängt vom konkreten Geschäftsmodell ab. Als Nebeneffekt kann eine stärkere Sensibilisierung für den

Energieverbrauch und die damit verbundenen Emissionen sowie eine Stärkung des „Autarkiegedanken“

erzielt werden.

Auch für Aggregatoren ergeben sich neue Möglichkeiten, mittels digitaler und damit leicht skalierbarer Geschäftsmodelle viele kleine Kunden in Communities zu bündeln, sodass auch kleine

Einzeleinsparpotenziale in Summe attraktiv sein können. Für Dienstleister, die bereits heute im Regelenergiemarkt tätig sind, können Zusatzpotenziale über die bereits vorhandene zentrale Infrastruktur aber für andere Anwendungsfälle bzw. Kundengruppen über die neue

Netzentgeltsystematik erschlossen werden.

Dienstleister, die entsprechende Geschäftsmodelle aufbauen wollen, müssen allerdings zunächst bei sich und bei ihren Kunden die notwendigen Voraussetzungen schaffen:

42 BDEW: Strompreisanalyse Mai 2018, https://www.bdew.de/media/documents/1805018_BDEW-Strompreisanalyse-Mai-2018.pdf, Zugriff am 03.10.2018.

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 Unterstützung für Endkunden

Während sich heute v. a. im Haushaltsbereich Stromkunden kaum mit dem Netzentgelt auseinanderzusetzen brauchen, würde in Zukunft bei flexiblen Kunden, insbesondere den vollflexiblen Kunden, ein expliziter Bestellvorgang notwendig, für den Kenntnisse über das eigene Verbrauchsverhalten erforderlich sind. Diese energiewirtschaftliche Beratung kann der Dienstleister übernehmen.

Je nach Geschäftsmodell sind die Investitionen in PV-Anlage, Speicher, Wärmepumpe oder Ladesäule vom Endkunden zu tätigen oder werden vom Dienstleister übernommen – in beiden Fällen ist eine technisch-wirtschaftliche Beratung des Kunden erforderlich.

Unter Umständen kann es beim Endkunden zu steuernden Eingriffen kommen, die zwar vertraglich abgesichert sind, die aber unerwünschte vorübergehende Komforteinbußen für ihn darstellen.

Hierfür bedarf es einer zielgerichteten Kundenbetreuung/-kommunikation ggf. über den heutigen Standard hinaus.

 Aufbau eigener Infrastruktur

Der Fernzugriff auf die Flexibilitätspotenziale erfordert im Zusammenspiel mit dem SMGW und einer Steuerungseinheit die Anpassung oder Erweiterung heutiger Leitsysteme im Hinblick auf

standardisierte Prozesse und BSI-konforme Datenaustausche.

Abhängig vom Geschäftsmodell muss beim Kunden ein Energiemanagementsystem (EMS, nicht EMS nach ISO 50001) installiert werden oder dessen Aggregate in ein zentrales EMS eingebunden werden, dass beim Kunden entweder nur einzelne flexible Aggregate steuert oder die Gesamtlast des Kunden optimiert.

Über das EMS erfolgt die Erfassung vielfältiger Status- sowie Verbrauchs-/Erzeugungs-/

Speicherdaten, mit deren Hilfe eine kontinuierliche Optimierung der Netznutzung erfolgen kann.

Darauf aufbauend sind neue Prognosemechanismen zu entwickeln, die es erlauben, potenzielle Einschränkungen durch den Netzbetreiber besser einschätzen zu können und damit die Risiken für den Stromein-/-verkauf und die Bilanzkreisabweichungen zu minimieren.

Die Entwicklung innovativer Produkte muss auch die Abrechenbarkeit dieser zunehmend komplexen Tarifmodelle sowie den Nachweis von Steuerungseingriffen und von ggf. dadurch entstandenen Vergütungen bzw. Pönalen berücksichtigen – dies erfordert neue oder erweiterte Funktionalitäten in IT-Systemen.

Es werden erhebliche Anpassungen an vertragliche Bedingungen zwischen den Beteiligten vonnöten sein (Netzanschluss, Anschlussnutzung, Belieferung etc.).

Eine neue Netzentgeltsystematik mit bedingter Bestellleistung wird sich darüber hinaus auch auf bestehende Geschäftsmodelle auswirken. Insbesondere im Rahmen der Präqualifikationsbedingungen bei der Erbringung von Netzdienstleistungen43 wird dies eine Rolle spielen. Auch ist durch die Anbieter zu überprüfen, ob für bestimmte Anlagen die Bereitstellung von Regelleistung, die ja jederzeit

43 Die Präqualifikationsbedingungen für die Erbringung von Regelleistung sollten bei Einführung der Spitzenglättung bzw.

bedingten Bestellleistung angepasst werden, um auch dieser Nutzergruppe die Teilnahme am Regelenergiemarkt zu ermöglichen.

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uneingeschränkt zur Verfügung stehen muss, oder eine Optimierung im Rahmen der bedingten Netznutzung vorteilhafter ist.

6.4 Es entstehen neue Anforderungen an das Smart-Meter-Gateway und die