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Beschwerdemanagement am AKH Wien

In den letzten Kapiteln habe ich das Beschwerdemanagement in der Theorie vorgestellt. Nun möchte ich einen kritischen Blick auf ein bereits implementiertes Beschwerdemanagement-System werfen. Dazu habe ich das Beschwerdemanagement des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien (AKH) ausgewählt.

Schon bei den ersten Recherchen stellte sich heraus, dass es im ganzen Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) ein einheitliches Beschwerdemanagement-System gibt. Da das AKH Wien ein Teilunternehmen des Wiener KAV ist, möchte ich zuerst die äußeren Rahmenbedingungen beleuchten.

In den einzelnen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen des Wiener KAV gibt es schon seit vielen Jahren diverse Beschwerdemanagement-Systeme. Im Jahr 2003 gab der Generaldirektor des Wiener KAV den Auftrag, ein Konzept für ein unternehmensweit einheitliches Beschwerdemanagement zu entwickeln. Zwischen Oktober 2003 und April 2005 wurde das erarbeitete Konzept schrittweise in allen Häusern des Wiener KAV implementiert. (vgl. Wiener Krankenanstaltenverbund, 2008, S. 5)

Der Wiener KAV entschied sich für die externe Firma MATERNA GmbH, die für die Dokumentation und Auswertung der Beschwerden ein bereits existierendes Softwareprogramm für den Wiener KAV angepasst und installiert hat. Der Vorteil durch diese EDV-Unterstützung ist, dass alle Beschwerden im Wiener KAV zentral und einheitlich erfasst und systematisch ausgewertet werden können. (vgl. MATERNA GmbH, 2007, S. 2)

2 9 | S e i t e Im Qualitätsbericht 2007 des Wiener KAV wird das einheitliche Beschwerdemanagement als Schwerpunktthema behandelt. Darin wird unter anderem das Prinzip der „Complaint Ownership“ vorgestellt, das bei der Beschwerdeannahme im Wiener KAV angewendet wird. Das Besondere daran ist, dass der Mitarbeiter, der zuerst über eine Beschwerde erfährt, als Eigentümer der Beschwerde fungiert. Dieser Mitarbeiter hat nun die Aufgabe, das zugrundeliegende Problem nach seinen eigenen Kompetenzen zu lösen. Liegt die Lösung nicht in seinem Kompetenzbereich muss er das Problem an einen fach- bzw.

entscheidungskompetenteren Mitarbeiter weitergeben. Für den erstkontaktierten Mitarbeiter erlischt bei der Weitergabe das Eigentum der Beschwerde. Durch dieses Prinzip wird sichergestellt, dass es immer einen zuständigen Mitarbeiter für eine geäußerte Beschwerde gibt. (vgl.

Wiener Krankenanstaltenverbund, 2008, S. 8f)

Um nähere Informationen über die Situation des Beschwerdemanagements im AKH zu erhalten, bat ich um einen Termin in der Pflegedirektion. Frau Oberin Ortrun Aigner ist zuständig für die Leitung der Abteilung Controlling im Pflegebereich und nahm sich freundlicherweise Zeit und ermöglichte mir ein Interview mit ihr.

Nachfolgende Angaben sind, falls nicht anders angegeben, aus diesem Interview entnommen.

Ein Kunde der im AKH seine Unzufriedenheit äußern will, hat zahlreiche Möglichkeiten seine Beschwerde einzubringen. Folgende Beschwerdewege stehen dem Kunden offen: persönlich bei den Mitarbeitern, telefonisch, per Fax, per Email oder direkt bei der Ombudsstelle (= Beschwerdestelle). Auf die Frage nach Beschwerdebriefkästen bzw. Kummerkästen antwortete Frau Oberin Aigner, dass manche Stationen nach eigener Initiative welche aufgestellt hätten. Hierin sehe ich ein bedeutendes Verbesserungspotential bezüglich

3 0 | S e i t e der Beschwerdestimulation. Markante Beschwerdebriefkästen auf der Hauptebene 5 als auch auf den Ebenen der Ambulanzen und den einzelnen Stationen könnten dem Kunden signalisieren, dass das AKH offen und dankbar für jede Kritik ist.

Eine weitere Maßnahme der Beschwerdestimulierung ist die Patientenbefragung. Jeder stationärer Patient erhält nach seiner Entlassung beim ersten Aufenthalt im Kalenderjahr einen Fragebogen zugesendet. Dieser Fragebogen gibt dem Patienten die Möglichkeit, die Leistungen zu beurteilen und seine Zufriedenheit oder Unzufriedenheit zu äußern. Laut Oberin Aigner ist die Rücklaufquote der Fragebögen jedoch sehr gering. Für mich stellt sich die Frage, warum nur wenige Patienten dieses Instrument nutzen und ob durch Umgestaltung des Fragebogens oder der Fragen der Rücklauf angehoben werden kann. Weiters könnte man einen Anreiz setzen, um die Motivation des Patienten zu heben, das zugesendete Formular auszufüllen und zurückzusenden. Die automatische Teilnahme an einem Gewinnspiel für alle, die ihren Fragebogen zurücksenden, könnte so ein Anreiz sein.

Ein deutliches Abweichen zur Theorie betrifft das Beschwerdeformular.

Dieses wurde zwar eingeführt, jedoch wurde es laut Frau Oberin Aigner von den Stationen nicht angenommen, so dass kaum ein ausgefülltes Formular an die zentrale Beschwerdestelle gelangte. Der Grund, warum dieses Formular nicht angenommen wurde, ist unklar. In dieser Ablehnung des Beschwerdeformulars sehe ich jedoch ein großes Problem. Viele Beschwerden, die den Pflegepersonen zugetragen werden, werden so nicht zentral erfasst. Selbst wenn man Optimismus walten lässt und davon ausgeht, dass die Ursache vieler Beschwerden im Einzelnen direkt von den Pflegepersonen nach Möglichkeit gelöst wird, so besteht jedoch folgendes Problem: niemand hat den Überblick, wie häufig ein Problem

3 1 | S e i t e auftritt. So hat das Unternehmen keine Möglichkeit wiederkehrende Probleme auf höherer Ebene dauerhaft zu lösen.

Was geschieht nun im AKH mit einer eingelangten Beschwerde? Jede Beschwerde bekommt im EDV-System eine Aktenzahl. Je nachdem welchen Bereich die Beschwerde betrifft, wird der angelegte Akt an die zuständige Person weitergegeben, die diesen weiter bearbeitet. Für die Pflege ist Frau Oberin Ortrun Aigner zuständig. Bei einem Beschwerdefall bezüglich der Pflege bekommt sie den angelegten Akt mit der erfassten Beschwerde. Sie überprüft, ob ein Handlungsbedarf besteht und holt bei Bedarf weitere Informationen ein. So bittet sie die Oberschwester bzw.

den Oberpfleger, in deren/dessen Bereich der Vorfall war, um eine Stellungnahme. Dabei wird eine genaue Zeitgrenze gesetzt, bis wann die Details einzulangen haben. Bei kritischen Fällen fordert Frau Oberin Aigner auch den Patientenakt an. Nach Einlangen aller Informationen werden falls notwendig Maßnahmen eingeleitet, um die Ursache der Beschwerde zu beseitigen. Alle Vorgänge und getroffene Maßnahmen werden genau protokolliert und ins EDV-System eingegeben. Innerhalb von sieben Werktagen bekommt der Beschwerdeführer von den Mitarbeitern der zentralen Beschwerdestelle des AKH eine schriftliche Information über die Bearbeitung der Beschwerde.

Durch die Erfassung und Bearbeitung der Beschwerden im EDV-System ist eine Auswertung und Analyse aller Beschwerden möglich. Darin sieht Frau Oberin Aigner jedoch Verbesserungsmöglichkeiten, denn zum jetzigen Zeitpunkt bekommt sie von der zentralen Beschwerdestelle keine detailierten Statistiken mit einer Auswertung für die einzelnen Bereiche.

Gegen Ende des Interviews fragte ich Frau Oberin Aigner, ob ihr ein besonderes Beispiel einer Beschwerde in Erinnerung ist, das zu einer markanten Veränderung geführt hat. Auf diese Frage führte sie ein Beispiel an, das bereits einige Jahre zurückliegt und deren Auswirkung

3 2 | S e i t e nach wie vor sichtbar ist. So hat sich ein Patient in einem Mehrbettzimmer beschwert, dass seine Privatsphäre bei der Pflege nicht gewahrt werden würde. Diese Beschwerde führte dazu, dass auf allen Stationen, in denen es baulich möglich war, zwischen den Betten Vorhänge montiert wurden, die bei Bedarf ausgefahren werden können.

Diese Veränderung geschah zwar nicht sofort, da erst die finanziellen Mittel und die Genehmigungen eingeholt werden mussten, aber meiner Meinung nach ist das ein gutes Beispiel dafür, dass Beschwerdemanagement Sinn macht. In diesem Zusammenhang betonte Frau Oberin Aigner, dass der Ärztliche Direktor des AKH Wien Univ. Prof.

Dr. Reinhard Krepler sehr offen für alle Änderungen ist, die die Qualität der angebotenen Leistungen verbessert.

An dieser Stelle möchte ich ein paar Zahlen aus der internen Beschwerdeauswertung für den Bereich Pflege nennen, die mir Frau Oberin Aigner freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Im Jahr 2008 wurden insgesamt 50 Beschwerden abgegeben, die die Pflege betreffen.

Im Vergleich dazu waren es 865 Äußerungen des Lobes an die Pflege.

Von den 50 Beschwerden fielen 20 Beschwerden in die Beschwerdekategorie „Umgangston und nicht korrektes Verhalten“. Dabei ist anzumerken, dass diese Äußerungen auf sehr subjektive Beschwerdemanagement im AKH Wien. Ein zentrales und einheitliches Beschwerdemanagement im gesamten Krankenanstaltenverbund zu schaffen, hat garantiert viele Verbesserungen mit sich gebracht. Bei einem so großen Krankenhaus wie dem AKH, das jährlich eine große Anzahl an

3 3 | S e i t e Menschen betreut, kann man sich als einzelner Patient schnell unbedeutend fühlen. Meiner Meinung nach könnte das AKH noch mehr Maßnahmen treffen, um Offenheit gegenüber Kritik und Beschwerden zu signalisieren. Der einzelne Patient sollte das Gefühl haben, dass seine Meinung zählt und wichtig ist, denn nur dann wird er seine Unzufriedenheit äußern.

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf das letzte Kapitel verweisen, in dem ich festhielt, wie wichtig Mitarbeiterorientierung ist, damit die Pflegepersonen auch Kundenorientierung leben können. Für ein so großes Unternehmen wie das AKH ist das natürlich eine Herausforderung. Meiner Meinung nach wirkt sich jede Maßnahme, die die Zufriedenheit der Mitarbeiter steigert auch direkt auf die Patienten positiv aus. Denn zufriedene Mitarbeiter gehen mit einem guten Gefühl in die Arbeit und dieses gute Gefühl geben sie auch dem Patienten weiter.

Die Patienten spüren, dass sie wertgeschätzt werden und dass dem Mitarbeiter wirklich etwas an der Zufriedenheit des Patienten liegt.

3 4 | S e i t e