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Aus den Briefen Winckelmanns an seinen Verleger Walther in Dresden, bei dem die früheren Werke Winckelmanns verlegt worden waren, weiß man, daß Winckelmann größten Wert auf die äußere Form und die Ausstattung seiner Schriften legte, so daß man davon ausgehen kann, daß auch bei den direkt unter Winckelmanns Händen entstandenen Monumenti inediti wenig dem Zufall - mehr vielleicht den finanziellen Zwängen - überlassen wurde. Bei den Monumenti antichi inediti handelt es sich um ein zweibändiges, mit mehr als 200 Kupfertafeln illustriertes Werk im Folioformat.

Die bisherigen Schriften Winckelmanns waren in deutscher Sprache134 und in einem großen Quartformat - dem so genannten Winckelmannformat - erschienen. Als bild-liche Ausstattung hatte Winckelmann lediglich wenige vignettenartige Kupfer beige-fügt. Die Monumenti inediti sollten dagegen ihren Platz neben den großen, repräsen-tativen Reproduktionsstichwerken der Franzosen, Engländer und Italiener einnehmen und in ganz Europa verbreitet und gelesen werden. Winckelmann schrieb einmal, daß im Vergleich zur Geschichte der Kunst des Alterthums für das große italienische Werk „das Theater weit gefährlicher war, wo ich aufzutreten gedachte“.135 Ausstat-tung und Format waren für den Auftritt im internationalen „Theater“ nicht unerheb-lich. So fügte etwa Johann Heinrich Schulze (1768 - 1847) in seinem Beitrag Frag-mente aus dem Leben des berühmten Joachim Winckelmann im Jahre 1808 bezüglich der Monumenti inediti hinzu: „In Italien gelten nur Folianten und Quartanten als Bü-cher; Octavbände, und wenn sie auch noch so stark sind, heißen nur Piecen oder Bro-schüren. Der Kupfer wegen konnte Winckelmann, wenn er sich auch nicht nach dem Geschmacke der Italiener hätte richten wollen, doch nicht füglich ein anderes Format wählen.“136

Die Paginierung der Bände ist nicht durchgängig: Indicazione de’ rami frapposti nell’opera und Prefazione umfassen zusammen 24 rund geklammerte, römisch ge-zählte Seiten,137 der Trattato preliminare umfaßt 103 ebenfalls römisch gezählte Sei-

133 Für die Beschreibung beschränke ich mich auf Merkmale, die Rückschlüsse auf die Inhalte des Werkes bzw. auf Winckelmanns Absicht und Methode zulassen.

134 Eine Ausnahme hiervon war der auf Wunsch des Auftraggebers Stosch in französischer Sprache geschriebene Katalog Description des pierres gravées du Feu Baron de Stosch.

135 Vgl.: Winckelmann: Briefe, III, S. 367.

136 Schulze. In: Ratzeburgische Literarische Blätter. 1808, 27. St., S. 225 - 232, zit. nach: Winckel-mann: Briefe, IV, S. 202.

137 Diese Seitenangaben werden auch hier in runden Klammern wiedergegeben.

ten und die Monumenti antichi inediti, als Hauptwerk arabisch gezählt, haben einen Umfang von 368 Seiten, von denen allein die Register 83 Seiten einnehmen. Die Tafeln mit den 208 Kupferdrucken sind ungezählt, aber in die Platten ist jeweils eine Zählung integriert. Analog zur getrennten Seitenzählung beginnen auch die Bogen-signaturen an den entsprechenden Zäsuren mit eigenen Alphabeten: Titelbogen für Titelblatt, Widmungsvorrede, Vignettenliste und Vorwort sowie jeweils ein Bogen-alphabet für den Trattato preliminare und die Monumenti antichi inediti. Das vier Seiten umfassende Inhaltsverzeichnis der Monumenti antichi inediti hat weder Bo-gen- noch Seitenzählung.

Für ein Reproduktionsstichwerk im Folioformat hat Winckelmann relativ dünnes und damit durchscheinendes Papier gewählt.138 Lediglich der aufwendige Stich des Anti-nous-Reliefs (Nr. 180, Abb. 38), ist auf besseres, festes und dickes Papier gedruckt.

Die repräsentative Veröffentlichung enthält neben 208 Tafeln pro Band je eine Titel-vignette und weitere 16 Titel-vignettenartige Kupfer zwischen den Textabschnitten. Die Vignetten, die wie die Abbildungen im Tafelteil antike Kunstwerke in schlichten Doppelstrichrahmen wiedergeben, waren ein wesentlicher inhaltlicher Bestandteil des Buches. Kurz vor Fertigstellung des Werkes schrieb Winckelmann: „Da meine so genannte Vignettes, welches aber bey mir wichtige Stücke sind und eine besonde-re Erklärung erfordern, wegen der leebesonde-ren Stellen am Ende der vorläufigen Abhand-lungen meines Wercks auf zwanzig angewachsen sind, [...], so werde ich vor Aus-gang des künftigen Monats an Absendung deßelben nicht gedenken können [...].“139 Rein ornamentale, vom Inhalt des Buches unabhängige Holzschnittzierstücke finden sich nur wenige in den Monumenti inediti. Während die im Handdruckverfahren häu-fig auftretenden leeren Stellen in Büchern im Barock von den Buchdruckern ver-schwenderisch mit Blumen- und Girlandendekorationen geschmückt und aufgelok-kert wurden, hat Winckelmann die Verzierungen sparsam verwendet und wohlüber-legt auf den Inhalt des Buches abgestimmt, so daß selbst die Vignetten der Unterrich-tung des Lesers dienen. Ähnlich schlicht bzw. zweckmäßig hatte auch Caylus sein Werk Recueil d’Antiquités égyptienne, étrusques, greques et romaines (1752 - 1767) geschmückt, während das großformatige, reich mit Blumen- und Girlandenvignetten

138 Die Qualität von Papier und Druckfarbe ist zusätzlich exemplarabhängig. Während beide Kompo-nenten beim Kasseler Exemplar wenig hochwertig sind, ist das Arolsener Exemplar, das zu den frühe-ren Abzügen gehört, insgesamt von besserer Qualität.

139 Winckelmann: Briefe, III, S. 230. Zu den Vignetten vgl. auch: Rehm. In: Winckelmann: Briefe, III, S. 521.

geschmückte Prachtwerk L’Antiquité expliquée et representée en figures (1719 - 1724) von Bernard de Montfaucon (1655 – 1741) in dieser Hinsicht noch ganz dem Barock zuzurechnen ist. Winckelmann selbst schrieb über die Mehrfachfunktion sei-ner Vignetten in der Geschichte der Kunst des Alterthums: „Alle Denkmale der Kunst, sowohl von alten Gemälden und Figuren in Stein als in geschnittenen Steinen, Münzen und Vasen, welche ich zu Anfang und zu Ende der Kapitel oder ihrer Abtei-lungen, zugleich zur Zierde und zum Beweise, angebracht habe, sind niemals vorher öffentlich bekanntgemacht worden, und ich habe dieselben zuerst zeichnen und ste-chen lassen.“140 Wie wichtig ihm die Ausführung der Vignetten war (Abb. 7 und 42), zeigen entsprechende Aussagen in Briefen an seinen deutschen Verleger Walther.

1759 schrieb er an diesen: „Ich will in dem ersten Werke von seiner Art in neuerer Zeit und in einer Historie der Kunst des Alterthums mich nicht mit Deutschen Barba-rischen oder Französischen Fratzen-Figuren beschandflecken.“141 Und nach dem Druck der Abhandlung von der Fähigkeit der Empfindung des Schönen in der Kunst beklagte er sich bei Walther über „abgeschmackte Zierrathen, welche der Kupferste-cher zu den Kupfern hinzugethan“ hatte.142 Die zurückhaltende Verwendung von nur der Zierde dienendem Buchschmuck entsprach Winckelmanns Anspruch an die Kunst, die lehren und erfreuen soll, wie er in den Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst schrieb,143 wo er ebenso die sinnlose Ausschmückung von Innenräumen mit „Schnirkel“ und „allerliebstem Muschelwerk“ verurteilte.144 Im Sendschreiben über die Gedanken von der Nachah-mung der griechischen Werke konkretisierte er seine Vorstellung von Verzierungen in der Kunst: „In allen Verzierungen sind die beyden vornehmsten Gesetze: Erstlich, der Natur der Sache und dem Orte gemäß, und mit Wahrheit; und Zweitens, nicht nach einer willkürlichen Phantasie zu zieren.“145 Bereits sein früherer Arbeitgeber in Nötnitz, Heinrich von Bünau (1697 - 1762), hatte seine Kayser- und Reichshistorie (1728 ff.), an der Winckelmann mitgearbeitet hatte, entsprechend

140 Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums, S. XXIV. Außerordentlich interessant hierzu:

Osterkamp: Zierde und Beweis : über die Illustrationsprinzipien von J. J. Winckelmanns „Geschichte der Kunst des Alterthums“. Die Praxis, Neuauflagen und Nachdrucke der Geschichte der Kunst des Alterthums ohne Winckelmanns Kupfervignetten bzw. unter Außerachtlassung der originalen Anord-nung der Kupfer zu veröffentlichen, wird von Osterkamp heftig kritisiert (vgl. ebd., S. 303 - 304 u.

Anm. 15).

141 Winckelmann: Briefe, II, S. 37.

142 Winckelmann: Briefe, II, S. 359.

143 Vgl.: Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung, S. 44.

144 Vgl.: Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung, S. 42 - 43.

145 Winckelmann: Sendschreiben über die Gedanken, S. 164.

zweckmäßig und sparsam mit schmückenden Kupfern ausgestattet - meist mit auf den Inhalt abgestimmten Münzen - und begründete dies ähnlich wie später Winckel-mann mit den Worten: „Vor und nach jedem Buche sind in Kupffer gestochene Zier-rathen zu befinden, diese machen insgemein, zumahl wenn sie etwas Historisches vorstellen, einem Buche ein gutes Ansehen, sind auch nicht ohne Nutzen, ob sie gleich in Teutschen Büchern noch zur Zeit wenig im Gebrauch gewesen.“146 Die Verwendung von Vignetten und Initialen indiziert in der Buchkunst, einer Schnitt-stelle von Kunst und Gelehrsamkeit, den Übergang vom Barock zur Aufklärung.

Winckelmanns Werke und Äußerungen zeigen, daß hier nicht modische Dekorati-onslaunen ihren Lauf nehmen, sondern wissenschaftliche Absichten ihren Ausdruck in der Ausstattung von Büchern finden oder, um eine Formulierung Ernst Oster-kamps aufzugreifen, es spiegelt sich in der äußeren Gestalt des Werkes die „Über-windung barocker Willkür“.147 Geht man zeitlich dreißig Jahre weiter und betrachtet Sir William Hamiltons zweiten Vasenkatalog aus den Jahren 1791 - 1803, ist der Geschmack in Richtung kühler, schmuckloser Eleganz auf der Spitze der Schlichtheit angelangt: Das mit großen Lettern und großzügigem Rand unter Johann Heinrich Willhelm Tischbeins (1751 - 1829) Leitung gedruckte Stichwerk enthält keine einzi-ge Vignette oder verzierte Initiale.

Die Kapitelinitialen der Monumenti inediti sind in Größe und Aufwand unterschied-lich hervorgehoben: Die in Kupfer gestochene Initiale der Widmungsvorrede zeigt zwei Füllhörner, während der Trattato preliminare mit einer über acht Zeilen rei-chenden aufwendigen Holzschnittinitiale beginnt, deren Initialfolie von einer antiken Ruinenlandschaft gefüllt wird. Die drei weiteren Kapitel werden lediglich durch un-geschmückte vergrößerte Initialen hervorgehoben. Im Hauptteil, den Monumenti antichi inediti, beginnen die vier Hauptkapitel mit ornamental geschmückten Initia-len im Stil der Groteskmalerei, deren Höhe vier ZeiInitia-len des Textes einnehmen und damit als eher klein bezeichnet werden können. Es handelt sich um Hochdrucktypen, deren Schmuck keine Beziehung zum Buchinhalt hat. Die Initialen der stark hierar-chisch gegliederten Unterkapitel sind lediglich durch leichte Vergrößerung dem Text gegenüber hervorgehoben. Insgesamt fällt auf, daß der Initialschmuck am Buchan-fang aufwendig beginnt und der Aufwand ziemlich rapide abnimmt. Im Vergleich zu

146 Bünau, [Vorrede], Bogen C 3. Vgl. auch: Meier, S. 32.

147 Osterkamp: Zierde und Beweis, S. 303.

anderen, zeitgleich erschienenen Stichwerken im Großfolioformat wie etwa in dem von Winckelmann bewunderten ersten Vasenkatalog Sir William Hamiltons148 mit seinen außerordentlich großen, gestochenen, an Piranesi orientierten Initialen oder den prunkvollen Herculaneum-Bänden des Königs von Neapel-Sizilien149 kann das Schmuckbeiwerk insgesamt als dezent bezeichnet werden.

Die inhaltlich getrennten beiden Hauptteile des Buches sind bei genauerem Hinsehen auch typograpisch unterschiedlich gestaltet. Im Trattato preliminare befinden sich die Kapitelüberschriften der vier Hauptkapitel zentriert in Majuskeln über dem je-weiligen Text. Die Titel der zahlreichen, inhaltlich ineinander übergehenden - Unter-kapitel dagegen stehen als Marginalien außerhalb des Satzspiegels in kleinerer Schrifttype als der Text. In den weniger verzweigt strukturierten Monumenti inediti dagegen stehen alle Kapitelüberschriften zentriert und in Majuskelschrift über dem jeweiligen Text. Übereinstimmend gestaltet und damit beide Teile vereinend sind dagegen die Kolumnentitel in Majuskeln.

Der Tafelteil enthält 208 Kupferplatten auf 128 Blättern. Überwiegend befinden sich platzsparend mehrere Stiche auf einem Blatt; gleichwohl beansprucht jedes Monu-ment eine eigene Kupferplatte. Einige Werke nehmen eine gesamte Seite, nur wenige Stiche einen ganzen Bogen ein. Auf eine dekorative Blattaufteilung wurde nicht ge-achtet. Die Stiche haben eine in die Platte integrierte Zählung, auf die Winckelmann im jeweiligen Erklärungstext verweist. Die Reihenfolge der Kupfer entspricht wei-testgehend der ikonographischen Gliederung des Textteiles.

Da es im 18. Jahrhundert noch üblich war, die gedruckten Bögen erst in der jeweili-gen Bibliothek vom Besitzer binden zu lassen, ist die Einteilung des Werkes exem-plarabhängig. Interessant ist in diesem Zusammenhang die ‚Bindeempfehlung’ aus dem Werk Les ruines des plus beaux monuments de la Grèce von Julien LeRoy aus dem Jahre 1758, die dem Buchbinder die Wahl läßt, entweder die Tafeln en bloc hinter den Text zu binden oder aber die Illustrationen entsprechend einer beigefügten

148 D’Hancarville: Antiquités Etrusques, Grecques et Romaines tirées du Cabinet de M. Hamilton (1766 – 1767).

149 Delle antichità di Ercolano (1755 - 1792). Allroggen-Bedel hält die Monumenti inediti in ihrer Ausstattung für vergleichbar mit den Herkulaneum-Bänden (vgl.: Allroggen-Bedel: Die Monumenti inediti, S. 90). Eine Ansicht, die ich nicht teile und mir nur durch die Existenz unterschiedlicher Au-sgaben dieses Prachtwerkes erklären kann.

Liste zwischen die Texte zu integrieren. Üblich - und von Winckelmann auch so vorgesehen - war es dennoch, die Tafeln en bloc an den Text anzuhängen. In den Briefen äußerte er mehrfach, daß die Kupfer alleine mit 60 Bogen den zweiten Band ausmachten.150 Es existieren aber auch Exemplare, bei denen der Buchbinder die numerierten Tafelseiten in die entsprechenden Textteile integriert hat.151 Da sich aber teilweise mehrere Stiche auf einem Bogen befinden und die textlichen Erläuterungen von Winckelmann unterschiedlich lang sind, ist auch bei dieser Bindevariante eine direkte Gegenüberstellung von Text und Illustration nicht gegeben. In barocken Stichwerken dagegen hatte man man teilweise genau darauf geachtet, einer Textseite jeweils eine Stichseite gegenüber zu stellen, um das äußere Erscheinungsbild attrak-tiv zu gestalten.152

Das äußere Erscheinungsbild der Monumenti inediti - über die Qualität der Stiche wird noch zu reden sein - ist insgesamt bescheidener als Winckelmanns eigene Be-schreibungen und Ankündigungen in den Briefen vermuten lassen. Es handelt sich offenbar um ein Kompromißergebnis zwischen Anspruch und finanziellen Möglich-keiten.