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Bernau: Überregionale Straßenplanung und innerstädtische Entlastung

Im Jahr 2003 wurde an der verkehrsbezogenen Immissionsmessstelle des Landesum-weltamtes in der Lohmühlenstraße die Summe aus Kurzzeit-Grenzwert und Toleranz-marge für Feinstaub (PM10) überschritten. Daher war nach § 47 Abs. 1 des BImSchG für die Stadt Bernau bei Berlin ein Luftreinhalteplan aufzustellen. Messungen aus dem Jahr 2006 bestätigten die Grenzwertüberschreitung.

Sollten „weiche Maß-nahmen nicht wirken, wird eine Umweltzone empfohlen.

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Ausgangssituation

Die Stadt Bernau bei Berlin liegt nordöstlich von Berlin. Die guten Straßen- und insbe-sondere Schienenverbindungen nach Berlin machen Bernau von den Reisezeiten her nahezu zu einem Außenbezirk von Berlin. Bernau hat ein sehr übersichtlich strukturier-tes Hauptverkehrsstraßennetz: Sechs große Radiale führen auf den Stadtkern zu und münden auf einen Ring, der die Altstadt umschließt. Über diesen Ring laufen der Ziel- und Quellverkehr der Altstadt, der Binnenverkehr zwischen den Ortsteilen, Teile des Ziel- und Quellverkehrs der Ortsteile und der Durchgangsverkehr der sechs Radialen.

Der Ring stellt daher den am stärksten belasteten Teil des Bernauer Straßennetzes dar.

Die Lohmühlenstraße ist Teil des Rings. Westlich führt die A 11 an der Stadt vorbei. Die DTV-Werte erreichen im Analysefall 2005 auf dem Innenstadtring Werte zwischen 13.600 und 21.800 Fahrzeugen (Abbildung 25).

Abbildung 25:

Verkehrsbelegung im Analysefall 2005

Quelle: Luftreinhalteplan Bernau

Ergänzend zu den Untersuchungen erfolgte in der Lohmühlenstraße exemplarisch eine Überprüfung der üblicherweise im Handbuch für Emissionsfaktoren /12/ angewendeten Annahmen zur Aufteilung der Kfz nach Schadstoffklassen mit einer Kennzeichenerfas-sung von zirka 6.000 Kfz.

Abbildung 26:

Vergleich der verbrennungsbeding-ten Partikelemissionen für die Loh-mühlenstraße nach dem Handbuch für Emissionsfaktoren und den Vor-Ort-Erhebungen

(HB-Efa = Handbuch für Emissions-faktoren)

0 100 200 300 400 500 600 700 800

HB-Efa Kennz.-Erf.

Emission in g/(km*d)

Bus sNfz lNfz Pkw

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Anhand der Kennzeichen wurden emissionsrelevante Merkmale wie Fahrzeugart, Ge-wicht, Schadstoffklassen und Antriebsart durch das Kraftfahrzeugbundesamt bereitge-stellt. Diese Angaben wurden durch das Landesumweltamt ausgewertet /11/. Es wurde festgestellt, dass in der Lohmühlenstraße 15 Prozent höhere verbrennungsbedingte Feinstaub (PM10)-Emissionen zu erwarten sind als bei der Verwendung von mittleren bundesweiten Annahmen zur Fahrzeugflottenverteilung. Die Emissionsmengen differen-ziert nach Kfz-Arten gibt Abbildung 26 wieder.

Durch den geringeren Diesel-Pkw-Anteil gegenüber dem Mittel über das gesamte Bun-desgebiet wurden in der Lohmühlenstraße durch die Pkw

ge-ringere Emissionsmengen ausgestoßen als anhand des Hand-buches zu erwarten war. Die leichten Nutzfahrzeuge wiesen in Bernau deutlich schlechtere Einstufungen in die Schadstoff-klassen auf. Das traf ebenfalls für die Busflotte zu. Dies führt zu höheren Emissionsanteilen dieser Kfz-Arten. Auf Grund der

geringen Stichprobe sowie der lokalen Begrenzungen der Fahrten sind für die Busse jedoch keine Ableitungen auf andere Städte Brandenburgs möglich. Dennoch zeigt die-ses Beispiel, dass sich spürbare Emissionsauswirkungen bei der Erneuerung einer alten Busflotte ergeben können.

Die Straßenzüge, in denen Grenzwertüberschreitungen prognostizierbar sind, liegen alle in der Innenstadt. Entsprechend wurden bei der Untersuchung vor allem der Innenstadt-ring, seine Zulaufstrecken und die Querverbindung Breitscheidstraße – Ulitzkastraße betrachtet.

Die berechneten Jahresmittelwerte für die Feinstaub (PM 10)-Belastung für den Analy-sefall 2005 (Abbildung 27) stellen sich an den betrachteten Straßenquerschnitten wie folgt dar (die Werte an der Messstelle Lohmühlenstraße in Klammern):

Quelle: Luftreinhalteplan Bernau

Abbildung 27: Verteilung der Feinstaub (PM 10)-Gesamtbelastung für den Analysefall 2005

Leichte Nutzfahrzeuge und Busse besaßen in Bernau schlechtere Abgasstan-dards als im Bundesdurch-schnitt.

39 - - Die Gesamtbelastung beträgt auf dem geringst belasteten Abschnitt 28 µg/m³,

auf dem höchst belasteten Abschnitt 42 µg/m³ (31 µg/m³).

- Der Anteil der städtischen Hintergrundbelastung an der Gesamtbelastung liegt zwischen 3 und 10 Prozent (3 Prozent).

- Der Anteil des Verkehrs an der Gesamtbelastung bewegt sich im Bereich von 13 bis 45 Prozent (28 Prozent).

Drei Abschnitte mit „sicherer“ Überschreitung des Kurzzeit-Grenzwertes finden sich an der südwestlichen Zufahrt zum Ring, einer auf dem westlichen Ring und einer am nord-östlichen Ortsausgang. Darüber hinaus gibt es acht Abschnitte mit einer ‚wahrscheinli-chen’ Überschreitung. Überwiegend unwahrscheinlich ist eine Überschreitung auf der Querverbindung südlich der Altstadt.

In den bebauten Abschnitten der untersuchten Straßenzüge wohnen insgesamt 1.220 Einwohner (Jahr 2005). Da die allgemeine Bevölkerungszahl der Stadt bis 2010 nur ge-ringfügig steigen wird und die Bewohnerzahl einzelner Häuser nicht prognostiziert wer-den kann, wird die Anzahl der betroffenen Einwohner auch in wer-den Prognosefällen nach dem Stand von 2005 ermittelt. Von sicherer Überschreitung des Grenzwertes an mehr als 35 Tagen sind im Analysefall 56 Einwohner betroffen. Wahrscheinlich ist die Über-schreitung für 140 und noch möglich für 274 Einwohner (vgl. den Analysefall in Tabelle 7 (S. 38).

Im Prognose-Nullfall 2010 steigen durch den noch zu erwartenden Einwohnerzuwachs und die allgemein weiter zunehmende Fahrleistung im Kraftverkehr die Kraftverkehrs-stärken noch an.

Maßnahmen-Schwerpunkte zur Immissionsminderung der Planfälle Planfall 1: Maßnahmen zum Innenstadtring

In Bernau werden seit 1997 folgende Maßnahmen zur Immissionsverbesserung disku-tiert:

a. Bau einer zusätzlichen Straße entlang einer Bahnlinie zur nachhaltigen Entlastung des Innenstadtrings (Bahntangente),

b. zusätzliche Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung, zur modalen Verlagerung, zur Verstetigung der Verkehrsabläufe und zum Straßenbelag.

Trotz des großen Konsenses, der in der Stadt in Politik, Verwaltung, Verbänden und Bevölkerung und auch zwischen Stadt und Kreis hinsichtlich des Erfordernisses der Bahntangente herrscht und obwohl sie aus dem Raumordnungsverfahren des Landes für eine Ortsumgehung im Zuge der B 2 als Vorzugslösung hervorgegangen ist, ist ihr Bau bisher daran gescheitert, dass zwischen Stadt und Land keine einvernehmliche Lösung für ihre Finanzierung (Bau und Unterhaltung)

gefun-den wergefun-den konnte. Daraus resultiert der Druck, zugunsten der Luftreinhaltung andere möglichst kurzfristig wirkende Maßnahmen umzusetzen. Die oben unter b. genannten „zu-sätzlichen“ Maßnahmen wurden als mögliche primäre Maß-nahmen bewertet.

Es konnten nur zwei Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirkung quantifiziert werden. Diese sind zum einen die Optimierung des Verkehrsflusses durch ein rechnergestütztes Ver-kehrsfluss-Management und zum anderen die Belagsverbesserungen an Straßen mit stark schadhaftem Fahrbahnbelag in der Weißenseer und der August-Bebel-Straße. Sie wurden entsprechend in die Immissionsberechnungen einbezogen. Da sich keine der aufgeführten Maßnahmen in relevantem Maße auf die Kraftverkehrsstärken auswirkt, wurden für den Planfall 1 die Verkehrsstärken des Prognose-Nullfalls übernommen.

Eine Einigung zur Finanzie-rung der Bahntangente zwi-schen Stadt und Land konnte noch nicht gefunden werden.

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- Optimierung des Verkehrsflusses auf dem Innenstadtring durch ein rechnergestütztes Verkehrsfluss-Management

Durch eine verkehrsabhängig vernetzte Schaltung der Lichtsignalanlagen auf dem In-nenstadtring sowie an drei seiner Zufahrten (Abbildung 28) sollte in den hochbelasteten Straßenabschnitten der Verkehrsfluss mit dem Effekt einer überschlägigen Halbierung der Emissionen gegenüber stockendem Verkehr verstetigt werden. Staus, sofern sie dennoch nicht ganz vermieden werden können, sollten an den Rand des Stadtgebietes an die äußeren Punkte des Lichtsignalverbundes verlagert werden. Nach Möglichkeit sind an den drei Außenstellen überlange Vorsortierungsfahrstreifen anzulegen, damit Busse einen Rückstau umfahren können.

Die drei äußeren Lichtsignalanlagen wären an den Knoten Weißenseer Straße / Blum-berger Chaussee, Ulitzkastraße / Börnicker Straße (alternativ: am neuen Kreisverkehr Börnicker Chaussee / Zufahrt Bahnhofspassagen) und Sachtelebenstraße / Rüdnitzer Chaussee einzurichten. Der Realisierungszeitrahmen ist mit etwa einem Jahr sehr kurz.

Abbildung 28:

Lage und Wirkungsabschätzung der Lichtsignalanlagen des rechnerge-stützten Verkehrsfluss-Manag-ementsystems

Quelle: Luftreinhalteplan Bernau

- Sanierung der Weißenseer Straße zwischen Breitscheidstraße und Bahnbrücke so-wie der August-Bebel-Straße

Ein schlechter Straßenzustand verursacht durch erhöhten Reifenabrieb und stärkere Aufwirbelungen von Feinstaub (PM10) einen hohen Anteil (über 50 Prozent) an der Ge-samtemission des Verkehrs. Seine Verbesserung stellt deshalb eine wesentliche Maß-nahme dar. Die Fahrbahnbeläge der Weißenseer Straße und v.a. der August-Bebel-Straße sind teilweise sehr schadhaft. Bei beiden ist die Herstellung von neuen August-Bebel- Straßen-belägen geplant. Die beiden eingerechneten Maßnahmen bewirken eine deutliche Im-missionsminderung (vgl. Tabelle 7). Zugleich zeigen diese Werte aber auch, dass die Maßnahmen des Planfalls 1 noch nicht ausreichen, um eine Unterschreitung des Grenzwerts sicherzustellen.

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Planfall 2: Bau der Bahntangente

Der hier zusätzlich zu den Maßnahmen des Planfalls 1 vorgeschlagene Bau der Bahn-tangente entspricht im Prinzip der „stadtnahen Ostumgehung“ der Verkehrsentwick-lungskonzeption für die Stadt Bernau aus dem Jahre 1994 und der „Bahntangente“ des Lärmminderungsplanes aus dem Jahre 1997. Die Kosten werden von der Stadt mit 12 bis 13 Mio. Euro veranschlagt. Für Planung und Bau wird von maximal fünf Jahren aus-gegangen.

Abbildung 29:

Verkehrsbelegung der Innenstadt-straßen im Planfall 2 (Innenstadtring plus Bahntangente)

Quelle: Luftreinhalteplan Bernau

Die Bahntangente hätte in ihrem westlichen Abschnitt eine tägliche Belegung von zirka 13.000 und in ihrem nordöstlichen von zirka 9.900 Kfz (Abbildung 29). Um diese Fahr-zeuge würden die Querverbindung südlich der Altstadt, der Ring und seine nordöstliche Zufahrt entlastet. Wie alle für den Planfall 1 beschriebenen Maßnahmen wird auch das rechnergestützte Verkehrsfluss-Management im Planfall 2 übernommen.

Gegenüber dem Planfall 1 wird eine starke Verminderung der Luftschadstoffbelastung erreicht. Es gibt keinen Abschnitt mit sicherer und nur noch einen Abschnitt mit wahr-scheinlicher Überschreitung des PM 10-Kurzzeit-Grenzwertes (Tabelle7 und Abbildung 30) Es gibt nun keine Einwohner mehr, für die der Tagesgrenzwert sicher mehr als 35-mal überschritten würde. Nur noch für 11 Einwohner ist eine solche Überschreitung zu mehr als 50 Prozent wahrscheinlich, für 169 Einwohner ist sie zu weniger als 50 Prozent wahrscheinlich, aber noch möglich.

Das bedeutet, dass in Bernau Maßnahmen zur Verfügung stehen, die es ermöglichen würden, die Luftschadstoffimmissionen in der Stadt so weit zu mindern, dass für große Teile des Innenstadtrings der Kurzzeit-Grenzwert sicher unterschritten wird, und die für den überwiegenden sonstigen Teil bewirken, dass eine Überschreitung möglich, aber zu weniger als 50 Prozent wahrscheinlich ist.

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Diese Situation ist jedoch nur durch den zu den Maßnahmen des Planfalls 1 hinzukom-menden Bau der Bahntangente oder einer Maßnahme mit vergleichbarer Wirkung er-zielbar, die bereits im Verkehrsentwicklungskonzept von 1994 und im Lärmminderungs-plan von 1997 die zentrale Maßnahme darstellte.

Im Übrigen haben auch viele Maßnahmen des Planfalls 1 einen lärmmindernden Effekt.

Mit keiner ist eine Lärmerhöhung verbunden, so dass hier von hohen Synergieeffekten der Luftreinhalte- und Lärmminderungsplanung ausgegangen werden kann. Alle Maß-nahmen ließen sich innerhalb von fünf Jahren umsetzen.

Tabelle 7:

Durch Feinstaub (PM 10)-Belastung betrof-fene Einwohner

Abbildung 30:

Durch grenzwertüberschreitende Fein-staub (PM 10)-Belastung betroffene Ein-wohner

Überschreitung

Ana-lyse

Pro-gnose

Plan-fall 1 Plan-fall 2

sicher 56 158 6 0

wahrscheinlich 140 137 115 11

möglich 274 362 218 169

Summe 470 657 339 180

0 100 200 300 400 500 600 700

Ana-lyse

Pro-gnose

Plan-fall 1

Plan-fall 2

möglich wahrscheinlich sicher

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5 Ergebnisse

Im folgenden Kapitel werden die wesentlichen Erkenntnisse der vorliegenden Luftrein-haltepläne herausgearbeitet. Es werden die Gemeinsamkeiten zur Bewertung der Im-missionssituation zusammengefasst. Wirksame Maßnahmenschwerpunkte werden iden-tifiziert. Die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit der Lärmminderungsplanung und der Verkehrssicherheit wird diskutiert. Es werden Erfahrungen zum Abstimmungsprozess sowie zu den Kosten der Umsetzung dargelegt.