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IV. Charakterisierung von Pflanzenmetaboliten

2. Metaboliten aus Vitex agnus-castus L. (Verbenaceae)

2.3.3. Bekannte Iridoide (130 – 133)

Aufgrund der Anfärbeverhalten der Substanzen 130 und 131 mit Vanillin/H2SO4 (braun) in der Wärme wurde vermutet, dass es sich bei den Substanzen um Iridoide handelt. Mit Hilfe der 1H- und 13C-NMR-Daten sowie den Massenspektren konnten in Chapman & Hall205 Datenbankrecherchen durchgeführt und die Metaboliten 130 und 131 identifiziert werden.

Die beiden Substanzen 132 und 133 färben in der Wärme mit Vanillin/H2SO4 im Vergleich zu 130 und 131 rosa an. Durch die 1H- und 13C-NMR-Spektren konnte aber festgestellt werden, dass es sich bei ihnen ebenfalls um Iridoide handelt. Sie zeigen typische Iridoidskelett- und Zuckersignale. Sie wurden ebenfalls durch Datenbankrecherchen in Chapman & Hall205 identifiziert.

Aucubin (130)

Die Substanz 130 zeigt im ESI-Massenspektrum ein Ion bei m/z = 369 [M+Na]+. Mit dieser Angabe und der zusätzlichen Einschränkung auf Iridoide gab es 19 Treffer in der Datenbank.

Durch Vergleich der 1H-NMR-Daten mit den Literaturdaten konnte 130 als Aucubin bestimmt werden.223,224

Agnusid (131)

Das ESI-Massenspektrum von 131 zeigt ein Ion bei m/z = 489 [M+Na]+ und das 13 C-NMR-Spektrum 22 C-Atome. Die 1H-NMR-Spektren von 130 und 131 sind sehr ähnlich, bei 131 treten zusätzliche Signale im Aromatenbereich auf. Auffällig ist die unterschiedliche Ver-schiebungen von 10-H2 (130: δH = 4.15/4.34, 131: δH = 4.86/5.08), die für eine Veresterung von 131 an C-10 sprechen. Mit der Molmasse und der Anzahl der C-Atome gab es vier Treffer in der Datenbank und 131 konnte als Agnusid identifiziert werden.225

O OH

OH OH O

O H CH3 O

OH 129

1 3 1' 5' 3'

1'' 5''

Mussaenosinsäure (132)

132 zeigt einen ESI-Massenpeak von m/z = 399 [M+Na]+ und insgesamt 16 C-Atome. Eine Schwierigkeit bei dieser Substanz besteht darin, dass nicht alle C-Atome im 13 C-NMR-Experiment sichtbar werden. Die Werte für C-4 (δC = 116.2) und C-11 (δC = 173.0) konnten nur durch ein HMBC-Experiment bestimmt werden. Sie zeigen jeweils eine Korrelation mit dem 1H-Signal bei δH = 7.26, das der Position 3 zugeordnet wird. Durch die Suchparameter Iridoide, Molmasse und Anzahl der C-Atome gab es für 132 noch 13 Möglichkeiten. Durch Vergleich mit Literaturdaten226 konnte 132 als Mussaenosinsäure identifiziert werden.

6’-O-p-Hydroxybenzoylmussaenosinsäure (133)

133 zeigt im ESI-Massenspektrum ein Ion bei m/z = 519 [M+Na]+ sowie 23 C-Atome im

13C-NMR-Spektrum. Die 1H- und 13C-NMR-Spektren von 132 und 133 zeigen starke Ähnlichkeiten zueinander, wobei in den Spektren von 133 zusätzliche Signale im Aromatenbereich zu erkennen sind. Die 13C-Signale für C-4 und C-11 sind im Gegensatz zu 132 vorhanden, die Intensitäten sind aber gering. Die Massendifferenz zwischen 132 und 133 beträgt ∆m/z = 120, die gleiche Differenz wie zwischen 130 und 131. Die zusätzlichen aromatischen Signale im 1H- und 13C-NMR-Spektrum stimmen mit den Signalen überein, die bei 131 zur para-Hydroxybenzoyleinheit gehören. Es ist möglich die Veresterungsposition über den Vergleich der 1H- und 13C-NMR-Daten mit denen von 132 zu bestimmen. Aus der Verschiebung der Signale von 6’-H2 (132: δH = 3.63/3.89, 133: δH = 4.41/4.62) und C-6’

(132: δC = 62.9, 133: δC = 64.4) folgt die Verknüpfung der para-Hydroxybenzoyleinheit über das C-6’-Sauerstoffatom des Zuckers. Durch Vergleich mit Literaturdaten227 konnte 133 als 6’-O-p-Hydroxybenzoylmussaenosinsäure bestätigt werden.

O OH

OH OH O

O H O RO

O H H

H

130:

131: R = H

R = p-Hydroxybenzoyl

1 5 3

7 9

10

1' 5'

2.3.4. Agnucastosid A (134)

Der mit Vanillin/H2SO4 in der Wärme lila anfärbenden Substanz konnte durch das ESI-Massenspektrum (m/z = 565 [M+Na]+) und den 1H- und 13C-NMR-Spektren die Summenformel C26H38O12 zugeordnet werden. Die UV- und IR-Spektren zeigen typische konjungierte Enol-Ether-Systeme von Iridoiden (UV: 220 nm, IR: 1650 und 1703 cm-1). Die

1H- und 13C-NMR-Spektren zeigen wiederum Ähnlichkeiten zu denen von 132 und 133.

Weiterhin ist wie bei 133 eine Verschiebung von 6’-H2 (132: δH = 3.63/3.89, 134:

δH = 4.27/4.49) und C-6’ (132: δC = 62.9, 134: δC = 64.3) zu beobachten. Diese sprechen für eine Veresterung am C-6’-Sauerstoffatom des Zuckers. Von den verbleibenden 10 C-Atomen kann eines einer Carbonylgruppe bzw. Estergruppe zugeordnet werden, vier davon liegen im olefinischen und fünf im aliphatischen Bereich. Die restlichen Protonen können zwei Methylgruppen, drei Methylengruppen und zwei olefinischen Methingruppen zugeordnet werden. Durch 1H,1H-COSY-, HSQC- und HMBC-Experimente sowie Vergleich mit Literaturdaten227 konnte für diese Signale eine Übereinstimmung mit einer Foliamenthoyl-einheit gefunden werden. Außerdem kann die Veresterung an der 6’-Hydroxygruppe bestätigt werden, da es HMBC-Korrelationen zwischen C-1’’ und 6’-H2, 3’’-H sowie 9’’-H3 gibt.

Dadurch konnte 134 als 6’-O-Foliamenthoylmussaenosinsäure (Agnucastosid A) charakterisiert werden, einem bisher noch nicht bekannten Naturstoff.

Aufgrund der geringen Menge an 134 war es nicht möglich, die Konfiguration der 6’’,7’’-Doppelbindung zu bestimmen. Als eine allgemeine Regel228 für die 6,7-Doppel-bindung in Foliamenthinsäure wird angenommen, dass bei einer Differenz von mehr als 20 ppm zwischen C-5 und C-10 eine (E)-Konfiguration und bei weniger als 10 ppm eine (Z)-Konfiguration vorliegt. Bei 134 liegt eine Differenz von 23 ppm zwischen C-5 und C-10 vor, so dass auf eine (E)-Konfiguration geschlossen wird.

O OH

OH OR O

O H O C

H3 H

O H H

OH O

132:

133:

R = H

R = p-Hydroxybenzoyl

1 5 3

7 9

10

11

1' 5'

2.3.5. Agnucastosid B (135)

Das ESI-Massenspektrum (m/z = 567 [M+Na]+) und die 1D- und 2D-NMR-Daten von 135 (rosa Anfärbereaktion in der Wärme mit Vanillin/H2SO4) zeigen starke Übereinstimmungen mit denen von 134. Die Substanz hat ebenfalls 26 C-Atome und zusammen mit dem

1H-NMR- und dem Massenspektrum konnte ihr die Summenformel C26H40O12 zugeordnet werden. Die Unterschiede zu 134 zeigen sich in den 13C-NMR-Spektren an den Positionen C-6’’ und C-7’’. Anstelle von zwei olefinischen C-Atomen (C-6’’: δC = 138.3, C-7’’:

δC = 125.8) treten bei 135 zwei aliphatische C-Atome auf (C-6’’: δC = 30.6, C-7’’: δC = 40.6).

Die Verschiebungen in den 1H-NMR-Spektren von δH = 5.38 (br t, J = 6.5 Hz, 1H, 7’’-H) in 134 und δH = 1.62 (m, 1H, 6’’-H) sowie 1.36/1.60 (m, 2H, 7’’-H2) in 135 bestätigen dieses.

Damit liegt in 135 eine gesättigte (∆6,7)-Foliamenthoyleinheit vor und die Verbindung kann als 6’-O-(6,7-Dihydrofoliamenthoyl)-mussaenosinsäure (Agnucastosid B) charakterisiert werden, die bisher noch nicht in der Literatur beschrieben wurde.

Die Stereochemie an C-6’’ konnte aufgrund zu geringer Substanzmenge nicht näher bestimmt werden. Bisher wurden die meisten Verbindungen mit einer 6,7-Dihydrofoliamenthinsäure-einheit wie in 135 mit der 6(S)-Konfiguration228 beschrieben.

O

2.3.6. Agnucastosid C (136)

Die Substanz färbt in der Wärme mit Vanillin/H2SO4 rosa an und zeigt im ESI-Massen-spektrum ein Ion bei m/z = 707 [M+Na]+. Zusammen mit den 1H- und 13C-NMR-Spektren konnte als Summenformel C34H36O15 bestimmt werden. Die UV- und IR-Spektren zeigen wiederum typische Signale für ein konjungiertes Enol-Ether-System von Iridoiden (UV:

219 nm, IR: 1634 und 1694 cm-1). Im 13C-NMR-Spektrum sind 34 Signale zu sehen, 16 von diesen können dem Iridoidgrundgerüst von 8-epi-Logansäure229,230 zugeordnet werden, von den 18 verbleibenden Signalen liegen 16 im Aromaten- bzw. Doppelbindungsbereich (δC = 115 – 160) und zwei im Carbonyl- bzw. Esterbereich (δC = 169.0). Diese können durch ein

1H,1H-COSY-Experiment und Vergleich mit Literaturdaten einer Coumaroyl-231 und einer Caffeoyleinheit232,233 zugeordnet werden. Die Verknüpfungspunkte der Coumaroyl- und Caffeoyleinheiten sind durch Verschiebungen in den 1H- und 13C-NMR-Spektren gut zu erkennen. Ein Verknüpfungspunkt ist an C-7 und der andere an C-6’ (Tieffeldverschiebungen von ∆δC = 4.2 sowie ∆δH = 0.80 an C-7 und ∆δC = 1.4 sowie ∆δH = 0.70 an C-6’ gegenüber 8-epi-Logansäure).

Aufgrund der identischen chemischen Verschiebung der Estercarbonylgruppen (C-1A und C-1B) bei δC = 169.0 war es trotz 2D-NMR-Experimenten nicht möglich zu bestimmen, über welches Sauerstoffatom die Coumaroyl- bzw. Caffeyoleinheit verknüpft ist. Um dieses Problem zu lösen, wurden ESI-MSn-Experimente durchgeführt (siehe Abbildung 35). Die Fragmentierung des Ions bei m/z = 707 [M+Na]+ resultiert in vier Hauptfragmente bei m/z = 689 [M+Na-H2O]+, 663 [M+Na-CO2]+, 543 [M+Na-F1]+ und 365 [M+Na-F2]+. Eine zweite Fragmentierung des Ions bei m/z = 543 führt zu drei Fragmenten bei m/z = 525 [M+Na-F1-H2O]+, 499 [M+Na-F1-CO2]+ und 365 [M+Na-F1-F3]+. Dieses Fragmentierungs-muster ist nur möglich, wenn die Coumaroyleinheit über das Sauerstoffatom an C-7 und die

O

Caffeoyleinheit über das Sauerstoffatom an C-6’ des Zuckers verknüpft ist. Hierdurch konnte 136 als 7-O-(E)-Coumaroyl-6’-O-(E)-caffeoyl-8-epi-logansäure (Agnucastosid C) identifiziert werden. Dieser Naturstoff wurde wie 134 und 135 bisher nicht beschrieben.

Abbildung 35: Fragmentierungsmuster von 136, F1 – F3: Fragmente.

2.4. Zur biologischen Aktivität der Metaboliten

Die Metaboliten wurden in Plattendiffusionstest auf antimikrobielle Aktivität gegen die Stämme Escherichia coli, Bacillus subtilis, Staphylococcus aureus und Candida albicans getestet, sie zeigten jedoch keine Aktivität.

Des Weiteren wurden die Substanzen 125 – 127, 129, 130 und 132 - 136 von W. Beilh gegen die Krebszelllinien HM02 (Magenadenocarcinom), HepG2 (Lebercarcinom) und MCF7 (Mammacarcinom) getestet. Dabei zeigten sie bis 10 µg/mL keine Wirkungen gegenüber den oben genannten Zelllinien, die Ergebnisse für 125 – 127 lagen bis zur Abgabe der Arbeit noch nicht vor.

h Herrn Prof. Dr. W. Beil (Institut für Pharmakologie, Medizinische Hochschule Hannover) danke ich für die Durchführung der Cytotoxizitätstests.

O

OH O OH

O OH O OH

O H O C

H3 O

CO2H O O

H

45

C9H7O2 = 147

F2: C15H17O9 = 341

F3: Zucker: C6H10O6 = 178

F1: C9H7O3 = 163