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Durch Beispiel lernen“

Im Dokument OPUS 4 | Investitionen in Köpfe. (Seite 77-81)

Wie Fußballvereine müssen auch Unter-nehmen in die Nachwuchsarbeit inve-stieren, um nicht abzusteigen. Wie sieht Ihre Nachwuchsarbeit aus?

Wir haben in unserer Unterneh-mensgruppe in den letzten 15 Jahren 30 Lehrlinge ausgebildet, zumeist in den Berufen Kauffrau für Bürokom-munikation und Bürokauffrau.

Vor sechs Jahren haben Sie das Projekt

„Unternehmer in die Schulen“ gestartet.

Sie wollen damit den Dialog zwischen den Schulen und der Wirtschaft pflegen.

Dazu unterrichten Sie Schüler beispiels-weise in Wirtschaft-Arbeit-Technik und Politischer Bildung.

Seit dem Herbst 2000 bin ich für 30-40 Unterrichtsstunden pro Schul-jahr an Brandenburger Schulen unter-wegs. Eingeladen werde ich meistens von Schul- und Fachbereichsleitern oder Fachlehrern in die von ihnen genannten Unterrichtsfächer. Manch-mal trete ich auch im Rahmen von schulischen Projekttagen auf. Inhaltlich liegen mir vor allem Fragen der Wirt-schaftspolitik in der europäischen

Zukunftsregion Brandenburg-Berlin am Herzen. Zudem geht es mir um eine Wertediskussion mit den Schülern zum Thema Unternehmertum und zu sozialem Engagement von Unterneh-mern. Wir diskutieren über Standort-bedingungen und Entwicklungschan-cen des jeweiligen Heimatortes. Wa-rum siedeln sich manche Investoren an? Warum gelingt es jedoch manch-mal nicht, Ansiedlungsbegehren zu einem positiven Abschluss zu führen?

Auch spreche ich mit den Schülern dar-über, wie Unternehmen funktionieren und wie man ein Unternehmen über-haupt gründet. Den Schülern bringen die Gespräche mit einem Menschen aus der Praxis großen Spaß. Sie können ihr theoretisches Wissen überprüfen. Au-ßerdem bekommen sie Tipps für die eigene berufliche Planung den Beruf-einstieg.

Wo klemmt es Ihrer Meinung nach am meisten bei den heutigen Schulabgängern?

Wir haben im Großen und Ganzen hervorragende junge Menschen in un-serem Land. Deshalb müssen wir sie

beim Übergang von der Schule in den Beruf mit vereinten Kräften, unter-stützen. Von einigen Schulabgängern würde ich mir etwas mehr Verantwor-tung für sich und andere wünschen.

Das ist mindestens ebenso wichtig wie fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten.

„Fortschritt bedeutet fortschreiten“

Hat Ihr Engagement wiederum Auswir-kungen auf die Ausbildungsplatzpolitik Ihres Unternehmens?

In unserer Unternehmensgruppe nehmen wir die Ausbildung sehr ernst.

Sicher lenkt auch unser gesellschaftli-ches Engagement die Aufmerksamkeit auf die Ausbildung in unserem Hause.

Aus diesem Grund haben wir unbe-stritten einen „Aufmerksamkeitsvor-teil“ gegenüber anderen Unternehmern, wenn es darum geht, Ausbildungsplätze zu besetzen.

Ihre Firmenphilosophie lautet „Fort-schritt heißt nicht fortge„Fort-schritten sein, Fortschritt bedeutet fortschreiten“ – ein Zitat von Bertolt Brecht. Gilt das auch für die Ausbildung?

Auf jeden Fall. Wir fordern früh und aktiv die Übernahme eigener Ver-antwortung, auch wenn wir damit manchmal Risiken eingehen. Doch die jungen Menschen meistern diese be-ruflichen Herausforderungen und sie bleiben dabei nicht stehen. Ich

emp-finde die Betreuung der jungen Men-schen als dankbare Aufgabe.

Welche Risiken meinen Sie?

Unsere Lehrlinge werden gezielt in tatsächliche aktuelle Geschäftsabläufe einbezogen und wissen um ihre Ver-antwortung. Da müssen wir auch schon mal in Kauf nehmen, dass Feh-ler gemacht werden.

Aber in öffentlichen Diskussionen wird oft der Vorwurf erhoben, die Jugendli-chen seien nicht reif für die Ausbildung oder ihnen fehle es an Ausbildungswillen.

Solche Vorwürfe bringen uns nicht weiter. Ich drehe den Spieß um: Was hindert uns eigentlich daran, genau das zu tun, was wir von anderen for-dern? Die Unternehmer dürfen nicht warten, bis sie gebeten werden, son-dern müssen von sich aus auf die Schulen zugehen und ihren Beitrag leisten, um angeprangerte Missstände zu beseitigen.

Mehr Praxisbezug in Schule nötig

Und was sind aus Ihrer Sicht die Ursa-chen für mangelnde Ausbildungsreife?

Ein verstärkter Praxisbezug in der Schule wäre ein großer Fortschritt.

Dabei müssen alle relevanten Akteure einbezogen werden: die Familie, die heimische Wirtschaft, und natürlich auch die Verantwortlichen in Politik

und Verwaltung, in den Kammern und Verbänden. Zudem müssen sich einige Schüler intensiver mit ihrem angestrebten Beruf befassen. Hier hilft einfach bessere Aufklärung. Der Un-terricht sollte sich stärker am spezifi-schen Bedarf der einzelnen Berufe aus-richten. Darüber hinaus müssen wir die Schüler in den Grundfertigkeiten stärken wie Lesen, Schreiben, Aus-druck, Grammatik und Rechnen.

Denn wir können es doch nicht hin-nehmen, dass Ausbildungsplätze nicht besetzt werden, weil die geeigneten Bewerber fehlen.

Sprechen Sie da aus eigener Erfahrung?

Ich weiß von vielen verschiedenen Kollegen, dass sie Probleme haben, ih-re Ausbildungsplätze adäquat zu beset-zen. Zum Beispiel kann eine große re-gional sehr bekannte Bäckereikette nicht alle angebotenen Plätze besetzen, weil die jungen Leute zum einen nicht so gern früh aufstehen. Zum anderen glauben viele, dass Backen und Ma-thematik nicht viel gemeinsam haben und beherrschen nicht einmal die ein-fachsten Dreisatz- oder Prozentrech-nungen.

Was verstehen Sie eigentlich unter Aus-bildungsreife?

Wenn junge Menschen für sich und andere Verantwortung übernehmen können. Dazu gehören Selbstständig-keit, ZuverlässigSelbstständig-keit, Motivation,

Kom-munikation und Konfliktfähigkeit, aber auch persönliche Kompetenzen wie Belastbarkeit, Höflichkeit oder Team-geist.

Wie hat sich die Qualifikation der Bewerber in den letzten Jahren verän-dert?

Der Präsident der Potsdamer Indu-strie- und Handelskammer, Dr. Victor Stimming, hat leider Recht: Früher brachten Achtklässler mehr mit als heutige Zehntklässler. Und richtig bleibt auch, dass es nicht Aufgabe der Ausbildungsbetriebe und der Berufs-schulen sein kann, Grundkenntnisse zu vermitteln. Dies ist und bleibt zual-lererst die Aufgabe der allgemein bil-denden Schulen.

Azubis sind keine billigen Arbeitskräfte

Diesen Vorwurf an die Jugend kennen wir doch seit 2000 Jahren. Schon Sokra-tes soll über die verlotterte Jugend geklagt haben …

… ich klage überhaupt nicht. Wir haben hier in Brandenburg hervorra-gende junge Menschen.

Viele Initiativen wollen das Ausbildungs-wesen verbessern. Vorgeschlagen werden unter anderem die Kürzung des Azubi-lohns und die Einführung flexibler Ar-beitszeiten. Sind das Schnellschüsse oder ist das Zukunftsmusik?

Wie bei allen Arbeitnehmern ist auch bei den Auszubildenden die Ent-lohnung eine wichtige Motivations-quelle. Azubis sind auf keinen Fall nur billige Arbeitskräfte. Deshalb bin ich für angemessene Entlohnung und gegen pauschale Lohnkürzungen. Für flexiblere Arbeitszeiten auch für Aus-zubildende mag es durchaus sachliche Argumente geben. So ist es für Hotel-lerie- und Gaststättengewerbe durch-aus relevant, ob die Arbeitszeiten für Jugendliche unter 18 Jahren bis Mit-ternacht eingeführt werden. Eine Lo-ckerung des Jugendschutzgesetzes würde hier vermutlich zu einem Ein-stellungsschub führen.

Als Vizepräsident des Unternehmerver-bandes in Brandenburg haben Sie Kon-takt zu allen relevanten Akteuren des Ausbildungswesens. Was würden Sie sich von ihnen für die Verbesserung des Aus-bildungswesens wünschen?

Alle Beteiligten sollten weniger dar-über reden, was man tun müsste, son-dern es vielmehr tun. Tue Gutes und rede darüber, das muss das Motto sein.

Der deutsche Philosoph Johann Gott-lieb Fichte hat gesagt: Wir lernen nicht bloß durch Worte, wir lernen

auch weit eindringlicher durch unser Beispiel.

Je geringer das Bildungsniveau, desto geringer die Chancen auf einen Ausbil-dungsplatz und desto höher das Armuts-risiko. Macht die Politik zu wenig für die Gruppe der Bildungsschwachen?

Man kann hier nicht einfach einem Akteur den Schwarzen Peter zuschieben.

Für Bildung und Ausbildung junger Menschen sind viele verantwortlich:

Elternhaus und Schule, Politik und Wirtschaft. In Brandenburg hat die Poli-tik gemeinsam mit den Kammern und Verbänden erhebliche Anstrengungen unternommen, die Lücke zu schließen zwischen den Anforderungen der Unter-nehmen an ihre Auszubildenden und deren tatsächlichen Fähigkeiten und Er-wartungen. Wir dürfen aber nicht stehen bleiben, sondern müssen weiterhin für eine gemeinsame Zukunft arbeiten. Die schulische und berufliche Bildung in Brandenburg müssen wir als einen ele-mentaren Wirtschaftsfaktor begreifen.

Hegel meint: Der Mensch ist, was er als Mensch sein soll, erst durch Bildung.

Auch deshalb sollte es in unserem eige-nen Interesse liegen, unserer Jugend Per-spektiven zu bieten.N

THORSTEN K. BORK ist 1. Vizepräsident des Unternehmerverbandes Brandenburg sowie Geschäftsvorstand der Unternehmensgruppe Bork + Partner Management (BDU).

WIE MIT PRÄVENTIVER FÖRDERUNG CHANCEN FÜR KINDER UND FAMILIEN ENTSTEHEN

VON KLARA GEYWITZ

So früh wie möglich

Im Dokument OPUS 4 | Investitionen in Köpfe. (Seite 77-81)