• Keine Ergebnisse gefunden

Begründung, Beschreibung und Beurteilung der möglichen Wirtgesteine und

Im Dokument TECHNISCHER BERICHT 05-02 (Seite 88-92)

6.2.1 Begründung und Bezeichnung der möglichen Wirtgesteine und Gebiete Die in diesem Bericht dokumentierte Begründung und Beurteilung der aus geologisch-sicher-heitstechnischer Sicht möglichen Wirtgesteine und Gebiete basiert auf einem systematischen Vorgehen und zieht für die Beurteilung Merkmale bei, welche dem internationalen Stand der Praxis entsprechen. Die Gesamtbetrachtung der geologischen Gegebenheiten in der Schweiz führt zu folgenden Resultaten:

Bevorzugte geologisch-tektonische Grossräume: Unter dem übergeordneten Aspekt der Langzeitsicherheit wird der geologisch-tektonische Grossraum „Nördliches Molassebecken des Mittellandes und nordöstlicher Tafeljura“ wegen der geologischen Langzeitstabilität und seines vergleichsweise einfachen strukturellen Aufbaus bevorzugt.

Mögliche Wirtgesteine: Innerhalb dieses Grossraums werden folgende Gesteine wegen ihrer Eigenschaften, insbesondere der geringen hydraulischen Durchlässigkeit und der erwarteten räumlichen Ausdehnung, als mögliche Wirtgesteine identifiziert: a) Kristallin, b) Opalinus-ton (teilweise kombiniert mit wenig durchlässigen Opalinus-tonreichen Rahmengesteinen, welche als zusätzliche Transportbarriere wirken), c) Tonreiche Gesteine der Unteren Süsswasser-molasse als Reserveoption.

Räumliche Verbreitung der Wirtgesteine: Aus den vorhandenen Informationen lässt sich im bevorzugten geologisch-tektonischen Grossraum die Verbreitung der möglichen Wirt-gesteine in (bezüglich Langzeitstabilität und bautechnischer Machbarkeit) bevorzugten Tiefenlagen ableiten. Unter Berücksichtigung der relevanten grossräumigen tektonischen Elemente können die daraus resultierenden geographischen Räume auf Karten dargestellt werden (Fig. 6-1).

Geologische Beschreibung der Verbreitungsräume und Bezeichnung möglicher Gebiete:

Die Verbreitungsräume werden geologisch beschrieben und in Bereiche mit ähnlichen geologischen Merkmalen unterteilt. Die Beurteilung dieser Bereiche lässt die Abgrenzung möglicher Gebiete zu:

Kristallin: Kristallin in bevorzugter Tiefenlage kommt in zwei relativ kleinen Gebieten nördlich des Permokarbontrogs vor, das Gebiet 'West' und das Gebiet 'Ost', vgl. Fig. 5-1.

Diese Gebiete unterscheiden sich in den beobachteten Gesteinsdurchlässigkeiten und dem Grundwasseralter. Das Gebiet 'Ost' wird wegen der erwarteten weniger günstigen geologischen Bedingungen zurückgestellt.

Opalinuston: In einem Teil des Verbreitungsraums (Gebiete östlich der Aare) sind die (oberen) Rahmengesteine so ausgebildet, dass sie eine zusätzliche wirksame Transport-barriere bilden. Im Verbreitungsraum gibt es auch deutliche Unterschiede bezüglich der tektonisch bedingten gross- und kleinräumigen Deformationen (Gebiete im Tafeljura, in der Vorfaltenzone und in der Subjurassischen Zone). Weiter gibt es im Verbreitungs-raum auch Unterschiede in der Mächtigkeit des Opalinustons. Aufgrund der lokalen geologisch-tektonischen Verhältnisse lassen sich folgende mögliche Gebiete abgrenzen:

Das Gebiet Zürcher Weinland, das Gebiet Nördlich Lägeren, das Gebiet Bözberg und das Gebiet Jurasüdfuss.

Tonreiche Gesteine der Unteren Süsswassermolasse: Innerhalb des Verbreitungsraums der USM gibt es im Westen Teilgebiete, wo die Ausbildung des Wirtgesteins tendenziell günstiger ist (Häufigkeit der Sandsteineinlagerungen tendenziell geringer, d.h. insgesamt tonreicher).

77 NAGRA NTB 05-02

Die hier aufgeführten möglichen Gebiete stimmen grundsätzlich mit den früheren Aussagen der Nagra zu den verschiedenen geologischen Möglichkeiten für die geologische Tiefen-lagerung der HAA überein (Nagra 1988, 1994b, 2003a, 2003b).

6.2.2 Beschreibung und Beurteilung der möglichen Wirtgesteine Die möglichen Wirtgesteine werden nachfolgend beschrieben und beurteilt:

Kristallin: Kristalline Gesteine können sich als Wirtgestein eignen. In Finnland – wo die Rahmenbewilligung für das Lager für abgebrannte Brennelemente 2001 erteilt wurde – und in Schweden – wo die Standortwahl für das Lager für abgebrannte Brennelemente im Jahr 2008 (Einreichung Baugesuch) vorgesehen ist – beruhen die Projekte für abgebrannte Brennelemente auf kristallinem Grundgebirge als Wirtgestein. In diesen Ländern wird ein Sicherheitskonzept verwendet, bei dem der Einschluss der Radionuklide in erster Linie durch einen sehr langlebigen Kupferbehälter gewährleistet wird; die Hauptaufgabe der Geologie besteht darin, für die Langlebigkeit dieser Behälter geeignete Bedingungen über die erforderlichen Zeiten zu bieten (Posiva 2003a, SKB 2004). Auch in der Schweiz wurde das kristalline Grundgebirge in Hinblick auf ein HAA-Lager intensiv erkundet und anlässlich zweier Meilensteine von der Nagra als eine grundsätzlich machbare Option beur-teilt (Nagra 1985, Thury et al. 1993, Nagra 1994a); auch die HSK (HSK 2004) sieht im Zusammenhang mit ihrer Beurteilung des Sicherheitsberichts der Nagra (Nagra 1994a) prinzipiell die Möglichkeit eines sicheren Lagers, hat aber bezüglich der Chancen für eine erfolgreiche Exploration eines Standorts (Nachweis genügend grosser Blöcke mit geeig-neten Gesteinseigenschaften) mehr Vorbehalte als die Nagra. Die Gebiete mit Kristallinvor-kommen im Grundgebirge der Nordschweiz, welche bezüglich ihrer Tiefenlage für eine geologische Tiefenlagerung in Frage kommen, sind wegen des Permokarbontrogs von sehr beschränkter Ausdehnung. Das kristalline Grundgebirge ist in diesen Gebieten zudem stark tektonisiert und in einzelne Blöcke zergliedert. Es ist durchaus möglich, dass wegen der beschränkten Grösse der wenig deformierten Blöcke das Lager in mehrere Kompartimente aufgeteilt werden müsste. Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Standort an mangelnder Blockgrösse scheitert, d.h. ein Lager in zu viele Kompartimente aufgeteilt werden müsste.

Da die einzelnen wenig deformierten Blöcke durch kleinere Störungen und Klüfte in ihrer Barrierenwirkung beeinträchtigt sein können, würde es eventuell notwendig sein, ein alter-natives Sicherheitskonzept zu verwenden, bei dem der langfristige Einschluss primär durch langlebige Lagerbehälter gewährleistet wird. Wegen der Sedimentbedeckung über dem Kristallin der Nordschweiz ist die Abklärung der Blockgrösse und ihrer Eigenschaften schwierig; für eine zuverlässige Erkundung wären eine grössere Anzahl Bohrungen und ein Schacht mit Erkundungsstollen notwendig.

Opalinuston: Der Opalinuston wurde schon früh im Entsorgungsprogramm als potenzielles Wirtgestein identifiziert (vgl. VSE et al. 1978) und wird seit mehr als 10 Jahren eingehend untersucht. Auch in anderen Ländern werden tonreiche Sedimentgesteine als Wirtgestein in Betracht gezogen (z.B. Belgien, Frankreich, Japan, Spanien). Der in Frankreich am poten-ziellen Standort Bure (Meuse/Haute-Marne) intensiv untersuchte Tonstein des Callovo-Oxfordian ist dem Opalinuston sehr ähnlich (Andra 2001b, 2005). Die Eignung des 1994 als potenzielles Wirtgestein erster Priorität gewählten Opalinustons für weitere Untersuchungen und für den Entsorgungsnachweis wurde durch die umfangreichen Untersuchungen und die Folgerungen aus dem Projekt Opalinuston und der Dokumentation zum Entsorgungs-nachweis (Nagra 2002a, b, c) bestätigt. Der Opalinuston bildet aufgrund seiner Eigen-schaften eine sehr gute geologische Radionuklidbarriere. Die günstige Beurteilung des Opalinustons durch die Nagra wurde auch durch Experten des Bundes (KNE 2005) und

NAGRA NTB 05-02 78

durch die vom Bundesamt für Energie mit dem Review des Sicherheitsberichts beauftragte internationale Expertengruppe (NEA 2004) bestätigt.

Die östlich der Aare in grösserer Mächtigkeit vorhandenen tonreichen Rahmengesteine des Opalinustons bilden eine zusätzliche Transportbarriere. Die in der Bohrung Benken im Opalinuston und in den tonigen Abfolgen der Rahmengesteine vorgefundene Porenwasser-zusammensetzung zeigt, dass es sich um sehr altes Wasser handelt, das sich während geologischer Zeiträume nicht wesentlich verändert hat; dies bestätigt die gute Barrieren-wirkung des Wirtgesteins und der Rahmengesteine. Das Gestein ist allerdings bautechnisch anspruchsvoll, und die Frage der Freisetzung von im Lager produziertem Gas verlangt wegen der sehr kleinen Durchlässigkeit spezielle Beachtung.

Tonreiche Gesteine der Unteren Süsswassermolasse: Die USM hat als geologische Einheit eine grosse räumliche Verbreitung. Die für die geologische Tiefenlagerung prinzipiell in Frage kommenden ton- und mergelreichen Serien innerhalb dieser Molasseeinheit haben aber eine beschränkte Ausdehnung. Sie liegen im Wesentlichen in ehemaligen Schwemm-ebenen zwischen oder vor den sandstein- und konglomeratreichen alpinen Schuttfächern.

Aber auch in diesen Arealen kommen höher durchlässige Sandsteinlagen (fossile mäandrie-rende Flusssysteme) vor, die lateral und vertikal hydraulisch verbunden sein können und die Wirksamkeit des Einschlusses vor allem in horizontaler aber auch in vertikaler Richtung stark beeinträchtigen können. Auch unter Berücksichtigung der neusten Methoden der geop-hysikalischen Exploration (3D-Seismik) können einzelne kritische (weil verstärkt durch-lässige) Sandsteinrinnen meist nicht oder nur unzuverlässig erfasst werden, unter anderem weil der seismische Kontrast und die Mächtigkeit der Rinnen zu gering sind.

Wegen ihres auch im lokalen Massstab heterogenen, nur ungenügend explorierbaren Auf-baus und insbesondere wegen des Vorkommens von höher durchlässigen Sandsteinrinnen werden die tonreichen Gesteine der USM für die Lagerung der HAA in Anlehnung an den 1994 von den Behörden und ihren Experten mitgetragenen Vorschlag der Nagra (vgl. Nagra 1994b) weiterhin als Reserve-Option betrachtet (vgl. Nagra 1994b); die seit 1994 neu dazu gekommenen Erkenntnisse haben die Vorbehalte zu diesem Wirtgestein und seiner Explo-rierbarkeit eher noch verstärkt.

Falls die tonreichen Gesteine der USM weiter verfolgt würden, wäre dies mit einem Sicherheitskonzept zu verbinden, bei dem der langfristige Einschluss primär durch sehr langlebige Lagerbehälter zu gewährleisten wäre.

Gesamthaft gesehen bieten aus Sicht der Nagra alle Wirtgesteine – mit auf die geologischen Bedingungen abgestimmten technischen Barrieren (insbesondere die Wahl des Behälter-materials) – die Voraussetzungen für ein sicheres Tiefenlager. Für das Kristallin und die Untere Süsswassermolasse sind jedoch die wegen ihrer Heterogenität vorhandenen und wegen der schwierigen Explorierbarkeit auch nach einer umfangreichen Standortabklärung verbleibenden Ungewissheiten grösser als beim Opalinuston. Der Opalinuston liefert wegen seiner sehr guten Eigenschaften als Transportbarriere den grössten Beitrag zur Barrierenwirkung des Gesamt-systems und die Aussagen zu seinen Barriereneigenschaften an einem konkreten Standort sind gut belastbar. Deshalb hat die Nagra vorgeschlagen, die weiteren Arbeiten im HAA-Programm prioritär auf den Opalinuston zu konzentrieren.

6.2.3 Beschreibung der möglichen Opalinuston-Gebiete

Nachfolgend werden die wichtigsten Aspekte und Merkmale der möglichen Gebiete für das von der Nagra bevorzugte Wirtgestein Opalinuston zusammengefasst.

79 NAGRA NTB 05-02

• Im Gebiet Zürcher Weinland hat der Opalinuston eine erhebliche laterale Ausdehnung, und das Gebiet bietet deshalb Flexibilität bei der Anordnung der untertägigen Lagerbauwerke.

Wegen der leichten Neigung des Wirtgesteins nach Süden kann innerhalb des Gebiets die Tiefenlage der untertägigen Lagerstollen im relevanten Bereich frei gewählt und daher den örtlichen Bedingungen angepasst werden. Die tektonische Situation im Zürcher Weinland mit einem leicht kompressiven Regime, aber ohne signifikante Deformation des Opalinus-tons, führt dazu, dass der Opalinuston nur sehr wenige Störungszonen von Bedeutung enthält. Im Gebiet sind die Rahmengesteine tonreich ausgebildet und bilden eine zusätzliche wirksame Transportbarriere.

• Das Gebiet Nördlich Lägeren liegt grösstenteils in der durch alpinen Fernschub kompressiv beanspruchten Vorfaltenzone. Das Gebiet wird durch grösserräumige tektonische Strukturen in verschiedene Teilgebiete unterschiedlicher Grösse gegliedert. Auch innerhalb der Teilge-biete gibt es teilweise verschiedene kleinere Strukturen, denen mit den untertägigen Lager-stollen mit Vorteil ausgewichen würde. Das Gebiet ist insgesamt relativ kleinräumig struk-turiert. Zudem liegt der Opalinuston im südlichen Teil des Gebiets in grösserer Tiefenlage (bis 900 m unter Terrain) und damit in einem Bereich, in dem zunehmend bautechnische Schwierigkeiten auftreten können. Die nördlichen Teilgebiete sind bezüglich Tiefenlage und tektonischer Beanspruchung günstiger als der südliche Teil des Gebiets, sie sind aber räumlich sehr begrenzt. Wegen ihrer tonreichen Ausbildung bilden die Rahmengesteine im ganzen Gebiet eine zusätzliche wirksame Transportbarriere.

• Im Gebiet Bözberg ist die verfügbare Fläche mit Opalinuston in geeigneter Tiefe relativ klein und bietet wenig Flexibilität für die Anordnung der Untertagebauten. Die Über-deckung des Opalinustons ist relativ gering und bewegt sich im Bereich der minimalen Anforderungen. In diesem Gebiet sind die Formationen über dem Opalinuston (obere Rahmengesteine) generell kalkiger ausgebildet als östlich der Aare, was ihre Funktion als Zusatzbarriere einschränkt. Dabei spielt der Hauptrogenstein als regionaler Kluftwasser-Aquifer eine wichtige Rolle.

• Das Gebiet Jurasüdfuss liegt im Subjurassischen Bereich, ist daher tektonisch erheblich beansprucht und wird durch grössere tektonische Strukturen in zwei Teilgebiete gegliedert.

Die wenig deformierten Opalinuston-Areale sind klein und bieten wenig räumliche Flexi-bilität. Auch innerhalb der ruhiger gelagerten Abschnitte muss mit fernschub-bedingten Kleinstrukturen gerechnet werden. Dies gilt insbesondere für die seismisch kaum explorier-baren schichtinternen Scherhorizonte, wie sie etwa in der Bohrung Schafisheim nach-gewiesen wurden, und denen mit den untertägigen Lagerstollen kaum ausgewichen werden kann. Auch wenn diese Zonen aufgrund des Selbstabdichtungsvermögens hydraulisch kaum signifikant sein dürften, stellen sie eine Schwächung des Wirtgesteins dar. Weiter gibt es Hinweise, dass die Mächtigkeit des Opalinustons in einem Teil des Gebiets weniger als 100 m beträgt. Falls der geringdurchlässige obere Lias (im Liegenden des Opalinustons) einbezogen wird, würde der einschlusswirksame Gebirgsbereich voraussichtlich eine Mächtigkeit von mehr als 100 m erreichen. Ein Teil des Gebiets liegt tief (um 900 m unter Terrain), und es könnte zu grösseren bautechnischen Schwierigkeiten kommen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es aus Sicht der Nagra verschiedene Gebiete mit dem Wirtgestein Opalinuston gibt, welche die geologischen Voraussetzungen für ein sicheres Endlager grundsätzlich erfüllen.

NAGRA NTB 05-02 80

Im Dokument TECHNISCHER BERICHT 05-02 (Seite 88-92)